Kapitel 8 (Will)
Manchmal frage ich mich, die Ares-Kinder eigentlich irgendeine Form von Zurückhaltung besitzen, oder ob sie wirklich in jeden Kampf hinein sprangen, der sich ihnen bot. Im Grunde kam jeden Tag mindestens einer, oder eine, von ihnen zu mir, weil sie wieder einen drauf bekommen hatten. Als hätte ich nicht schon genug zu tun!
Gerade kümmerte ich mich um Louis, der mit heftigem Nasenbluten auf die Station gekommen war. Und obwohl das Blut quasi in Strömen lief, grinste er bloß und meinte ich solle mir mal den Anderen ansehen. Was wahrscheinlich wirklich tun musste. Ich war ja schließlich der Arzt hier. Mehr oder weniger,
Kaum hatte er das gesagt, kam der besagte Andere hinein. Es war Seb und er sah tatsächlich noch schlimmer aus. Das würde ein schönes Stück Arbeit werden. Und danach gab es immer noch eine Menge zu tun. Die Erkältungswelle wurde nicht besser und so langsam war ich wirklich mit meinem Latein am Ende.
Natürlich wusste ich, dass die meisten Camper nichts dafür konnten, dass es ihnen nicht gut ging und eigentlich machte ich das hier ja auch gerne, doch so langsam wurde es einfach nur anstrengend. Aber irgendwer muss diesen Job ja schließlich machen.
Klar, Appius war da. Aber das war nicht das Selbe. Er mochte ein qualifizierter Arzt sein, doch er war noch nicht lange hier. Die anderen brauchten jemanden, den sie kennen. Jemand dem sie vertrauen konnten. Und das war nun mal ich. Schließlich bin ich schon seit Jahren hier.
Außerdem ist es momentan ja schon fast zu viel Arbeit für zwei. Alleine würde er das bestimmt nicht schaffen.
Als ich endlich fertig mit den Raufbolden war, wollte ich mich eigentlich einer meiner anderen Aufgaben zuwenden, doch wie immer kam mir etwas dazwischen. Oder besser gesagt jemand. Denn kaum hatte ich sie entlassen, hörte ich eine wohlbekannte Stimme hinter mir.
„Sag nichts, oder ich befördere dich eigenhändig in den Tartarus"
Obwohl ich eigentlich keine Kapazitäten für weitere Patienten hatte, musste ich grinsen während ich mich umdrehte. Das konnte nämlich nur einer sein.
„Na? Doch nicht nur ein Kratzer?", zog ich Nico lachend auf.
Wenn Blicke töten könnten, wäre ich jetzt schneller im Reich von Nicos Vater gelandet, als ich „Entschuldigung" sagen hätte können. Aber zum Glück funktionierte es nicht so. Also blieb ich doch verschont. Mit ihm verscherzen wollte ich es mir aber auch nicht.
„Na, komm", meinte ich also versöhnlich, „Ich schau es mir an"
Während der gesamten Behandlung sagte Nico nicht ein einziges Wort und das machte mir Angst. Natürlich war er auch sonst nicht der freundlichste Mensch auf Erden, doch das er nicht einmal einen sarkastischen Kommentar brachte, war wirklich ungewöhnlich. Es war fast, als wäre er sauer auf mich. Hatte ich etwas falsch gemacht? Klar, unsere letzt Begegnung war nicht optimal verlaufen, aber war er wirklich noch sauer?
„Noch mal wegen gerade...Du weißt, dass du mir sagen kannst, wenn etwas ist?", fragte ich ihn also, nachdem ich sein Bein versorgt hatte. „Es tut wir leid, wenn ich etwas gesagt habe, was dich irgendwie verletzt hat. Du musst mir nur sagen, was los ist"
Doch Nico murmelte nur: „Ne, ist schon gut", stand auf und ließ mich ohne eine Verabschiedung in der Krankenstation zurück.
Das Essen hatte sich eher wie eine Folter, als wie eine Wohltat angefühlt. Nicht nur weil Nico nicht da gewesen war, sondern auch weil es so laut gewesen war. So hell. So...so viel. Und Appetit hatte ich auch nicht wirklich gehabt.
Auf meinem Weg zur Krankenstation machte ich noch einen kleinen Abstecher zu Hadeshütte. Vielleicht war Nico ja da und ich konnte ihn endlich zur Rede stellen.
Wie so oft hatte ich recht. Nico saß tatsächlich vor seiner Hütte. Sobald ich ihn sah, breitete sich diese besondere Freude in meiner Brust aus, die ihr Versteck nur bei Nico verließ und auch wenn es mir ehrlich gesagt nicht wirklich gut ging, konnte ich ein Grinsen nicht zurück halten.
„Hey, Nico!", rief ich. „Warum warst du nicht beim Essen?"
Doch je näher ich kam, desto klarer würde mir, dass etwas nicht stimmte. Sein Blick war seltsam ernst und diese Ernsthaftigkeit verschwand einfach nicht, wobei sie es doch in letzter Zeit immer getan hatte.
„Ist alles in Ordnung?", fragte ich überflüssigerweise. Denn als er endlich direkt vor mir stand, sah ich wie gerötet seine Augen waren. Er hatte geweint. Viel geweint.
Diese Erkenntnis traf mich wie ein Faustschlag. Am liebsten hätte ich ihn sofort umarmt. Ihn festgehalten und nie wieder losgelassen, doch etwas hielt mich davon ab.
„Will...", meinte Nico, ohne meine Frage zu beantworten, „Ich glaube das hier ist nicht gut"
Da war so viel Schmerz in seiner Stimme, dass sich alles in mir zusammenzog.
„Was meinst du?", fragte ich und versuchte dabei hoffnungsvoll zu klingen, obwohl ich eigentlich ganz genau wusste, wovon er sprach. Denn ich hatte es auch gemerkt.
Da war etwas zwischen uns. Was genau, konnte ich nicht sagen, aber es hatte uns verändert. Ich war nicht mehr der gleiche Mensch wie vorher. Ich hatte jetzt einen anderen Blick auf die Welt. Nico hatte mir beigebracht, dass es okay war, auch mal schlechter Laune zu sein. Schließlich war nicht immer alles perfekt.
Aber auch er hatte eine Entwicklung gemacht. er war so viel offener geworden. Vielleicht auch glücklicher. Aber dann verstand ich nicht, warum er das hier jetzt beenden wollte. War es nur seine Angst vor Veränderung? Oder etwas anderes?
„Na, das hier!", rief er aufgebracht, während er am ganzen Körper zitterte, „Das alles. Ich kann das alles nicht mehr! Ich glaube...", er holte tief Luft, „Ich glaube wir sollten uns nicht mehr sehen"
Jedes einzelne Wort hatte sich wie ein weiterer Dolchstoß angefühlt und ich spürte, wie sich ein Kloß in meinem Hals bildete, der mich am Atmen hinderte.
„Nico...", brachte ich stimmlos hervor, „Aber...wir..."
„Nein!", unterbrach er mich bestimmt, „Das wars Will! Es gibt kein ‚wir' mehr! Lass mich einfach allein!"
Mit diesen Worte drehte er sich um und stürmte in seine Hütte. Ich lief ihm nicht nach. Zum einen glaubte ich, es dadurch nur noch schlimmer machen würde, zum anderen war ich in diesem Moment so geschockt und überwältigt, dass ich mich nicht einmal hätte bewegen können, wenn ich gewollt hätte.
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