Kapitel 5 (Will)
In der Krankenstation war die ganze Woche schon die Hölle los. Der Herbst hatte begonnen, was wie gewöhnlich eine unbändige Erkältungswelle mit sich brachte. Ich und Appius, der professionell ausgebildete Heiler, den die Römer hierhin abgeordnet hatten, kamen kaum hinter her.
Meine Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt. So sehr, dass ich fast zu weinen begonnen hatte, als mir eine Dose Ambrosia runtergefallen und zerbrochen war. Verzweifelt hockte ich mitten in dem sich über den Boden ausgebreiteten Inhalt, als ich plötzlich eine Hand auf meiner Schulter spürte.
„Hey, mach mal ne Pause, Junge", meinte Appius, der mich mitleidig ansah, „Geh nach draußen, schnapp etwas frische Luft, mache einen Spaziergang, irgendwas. Ich Raum das hier schon weg"
„Aber", widersprach ich, da ich es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren konnte, ihn jetzt hier jetzt einfach im Stich zu lassen, „das hier schafft man nicht alleine!"
„Lass das mal meine Sorge sein", antwortete der Heiler mit einem Lächeln, „Du darfst nicht vergessen, dass du erst 15 bist, Will. Du bist quasi noch ein Kind. Also geh und mach deine Pause. Ich komm schon eine Stunde oder zwei allein zurecht"
„Danke, Appius", meinte ich also schließlich, als mir klar war, dass protestieren keinen Zweck hatte und er eigentlich auch nicht wirklich falsch lag. Ich war echt fertig.
Das ist vermutlich meine größte Schwäche. Ich merke nie, wenn ich an meine Grenzen stoße und selbst wenn, ignoriere ich es einfach aus irgendeinem Pflichtgefühl heraus.
Die frische Luft tat mir gut. Ich merkte sofort, wie ich mich beruhigte. Mein Puls sank und der Druck auf meiner Brust linderte sich.
So wanderte ich eine Weile durchs Camp, bis ich vor einer Hütte stehen blieb. Der Hadeshütte. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich hier hin gelaufen war, doch mein Unterbewusstsein hatte mich eindeutig hierher führen wollen. Und vielleicht hatte es damit Recht. Vielleicht war das hier genau das, was ich jetzt gerade brauchte.
„Was machst du denn hier?", begrüßte Nico mich. Er sah genauso fertig aus, wie ich mich fühlte. Vermutlich hatte ich ihn geweckt. Es wäre nicht das erste Mal, dass er bis in den Mittag hinein schlief.
„Hab grad Pause auf der Krankenstation", meinte ich schulterzuckend, „Da dachte ich, ich schaue mal vorbei" Den Part mit dem Unterbewusstsein ließ ich absichtlich weg.
„Ähm, okay. Komm rein...oder so", antwortete Nico nickend. Ich musste etwas schmunzeln. Mit Nico zu reden war so erfrischend...anders. Er war nicht wie die meisten anderen. Er hielt nichts von Floskeln und sagte stattdessen immer genau das was er meinte. Oder er sagte gar nichts.
Jedes Mal war ich wieder überrascht, wie sehr sich seine Hütte von meiner unterschied. Nicht nur, weil es hier dunkler und ganz anders eingerichtet war, sondern auch weil es hier so...still war. Während ich meine Geschwister hatte, war Nico allein. Niemand der sich unterhielt, Musik machte oder auch einfach nur laut schnarchte. ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie das war.
Aber in diesem Moment war es echt angenehm, mal nicht von lauter Geräuschen umgeben zu sein.
„Also ich hab keine Stühle", meinte Nico leicht überfordert, vermutlich war er noch immer nicht ganz wach, „aber ich hab einen Teppich, der ganz gemütlich ist?"
Lachend antwortete ich: „Das reicht völlig aus", bevor wir uns nebeneinander auf den Boden setzten.
Nico hatte Recht. Der Teppich war gemütlich. Ich fragte mich wo er ihn her hatte. Aus dem Palast seines Vaters vielleicht? Gab es überhaupt Teppiche im Palast des Königs der Unterwelt? Ich nahm mir vor Nico irgendwann mal zu fragen. Aber nicht jetzt.
„Also, warum bist du hier?", fragte Nico erneut. „Du kannst mir nicht erzählen, dass du eine deiner wenigen Pausen opferst, nur um mich zu sehen"
„Doch", antwortete ich. „Eigentlich schon."
„Was?"
„Ich opfere, wie du es nennst, meine Pause gerne, um dich zu sehen". Ich drehte meinen Kopf zu ihm, um ihn anzusehen.
Die Skepsis in seinem Blick verschwand nicht, doch wenn ich mich nicht irrte, war dort ein winzig kleiner Anflug eines Lächelns in seinem Gesicht. Und das ließ mein eigenes nur noch breiter werden.
„Du musst nicht immer so schlecht von dir denken", lachte ich und stupste ihn mit der Schulter an. „Außerdem brauchte ich einen Ort zum Runterkommen, nach dem Stress auf der Krankenstation. Und das funktioniert hier am Besten"
Hier bei dir, hatte ich sagen wollen, doch irgendwie hatte ich Angst, dass es komisch klingen würde. Dabei stimmte es. Noch nie hatte ich mich irgendwo so wohl gefühlt, wie hier bei Nico. Zwar schlug auch hier mein Herz schneller, doch es fühlte sich wie etwas Schönes an.
„Im Ernst", schob ich noch hinterher, bevor Nico etwas sagen konnte und lehnte mich an ihm an. Ich befürchtete, er würde wegrutschen. Schließlich war es immer noch Nico und wenn er nicht wollte, dass man ihn berührt, war das okay.
Doch er tat es nicht. Stattdessen murmelte er bloß: „Wenn du das sagst..."
Für einen Moment saßen wir so da, bevor mir ein Gedanke kam.
„Was hältst du davon, gleich mit in die Krankenstation zu kommen? Ich könnte ein freundliches Gesicht brauchen", schlug ich vor und bereute es gleich wieder. Was ist wenn er nicht wollte?
„Ein freundliches Gesicht?", lachte Nico, seine Stimme triefte vor Sarkasmus. „Und dabei denkst du an mich?"
„Ich finde dein Gesicht sehr freundlich."
„Da bist du dann wohl der einzige"
„Ach, komm schon!"
„Lass mich einfach allein, Will!"
Das hätte mich verletzt, wenn ich nicht seine Augen dabei gesehen, die scherzhaft glitzerten.
„Nein. Du kommst mit", meinte ich daraufhin bestimmt. „Ärztliche Anweisung, Nico"
Nico atmete hörbar aus. „Da kann ich wohl nichts machen, oder?", antwortete er.
„Nee", grinste ich, griff nach seiner Hand und zog ihn auf die Beine und dann in Richtung Krankenstation. Dabei lachte ich laut genug, dass niemand seinen Protest hören konnte.
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