[19] Mach die Fliege!
Es wird totenstill im Raum, dass man sogar ein Blatt hätte fallen hören können. Mein Herz schlägt mir schmerzhaft schnell gegen die Rippen und in meinen Augen brennt meine innere Verzweiflung, doch keine Träne kommt zum Vorschein. Alles in mir verkrampft sich unter den ungläubigen, teil traurigen, teils entsetzten, teils wutentbrannten Blicken der Mädchen und Jungen, allesamt bohren sie sich wie Nadeln unter meine Haut und injizieren dort lähmendes Gift. Denn genauso fühle ich mich: wie gelähmt, mit einem starrem Lächeln ins Gesicht mamoriert, wo mir doch eher zum Heulen ist.
Meine Stimme erklingt abermals ohne mein zutun, die Tonlage erinnert mich stark an Jansons gekünstelte Fröhlichkeit.
"Ich übergebe nun das Wort an Vizedirektor Janson, welcher euch nun eure vielen Fragen beantworten wird. Danach werdet ihr noch einigen Tests unterzogen; keine Sorge, es dauert nicht mehr lange, bis ihr eure Arbeit getan habt!"
Damit dreht sich mein Körper schwungvoll um 180° und stolziert zm Eingang zurück, wo er sich anschließend einparkt. Langsam beginnen meine Mundwinkel zu schmerzen vom vielen Grinsen, doch so sehr ich sie auch hinunterdrücke, es passiert nichts.
Janson tritt nun vor und redet in aller Ruhe zu den Jugendlichen, die nun ein einheitliches Gefühl zur Schau stellen: Enttäuschung. Pure, abgrundtief erschütterte Enttäuschung, je nachdem mit einem traurigen oder wütenden Touch. Es wundert mich ehrlich, dass nich niemand versucht hat, auf die Bühne zu gelangen, wobei ich mir aber gut vorstellen kann, dass ANGST vorgesorgt und eine unsichtbare Trennwand errichtet hat. Keiner der Lichter stellt Fragen über mich, bis Newt gegen Ende aufsteht und sich genau in mein begrenztes Sichtfeld stellt.
"Eine Frage hätte ich noch: Warum wurde Alina zu uns geschickt? Was hatte das für einen Sinn?"
Seine niedergeschlage Stimme zerreißt mir das Herz, doch meine Antwort klingt gezwitschert, als wäre ich der glücklichste Mensch der Welt:
"Es ist als Variable gedacht, Newt. Du warst kurz davor, sie zu lösen, als du mein Tattoo sahst, hast es aber nicht als solches wahrgenommen."
Nun wäre ich echt bereit, ANGST in die Luft zu jagen. Doch vorher kastriere ich Janson noch ohne Narkose, damit er aufhört, mich so dumm anzugrinsen, als wäre ich sein persönlicher Stolz schlechthin.
Von Newt kommt nur ein knappes Nicken, dann wendet er sich ab und verlässt mein Blickfeld.
Die nächsten Tage verlaufen immer gleich. Sie zerren mich aus meiner Zelle, bringen mich mit ihrem Trainingsprogramm halb zum Kollabieren, mir der Begründung, ich müsse fit bleiben. Dazwischen werde ich vollgestopft mit Essen, und wieder ins Bett verbannt. Soziale Kontakte bleiben fast völlig aus, die Mitarbeiter reden kaum mit mir, worüber ich eigentlich auch ganz froh bin.
Ich esse, was mir aufgetischt wird, es schmeckt fast immer nach Nichts, die Konsistenz ist die von zu lang gekochtem Gulasch. Ab und zu geben sie mir Früchte als Nachtisch dazu.
Irgendwann kommt mir der Gedanke, was wäre, wenn ich tatsächlich von dieser Welt komme. Wenn alle anderen Erinnerungen nur eingepflanzt sind, damit ich glaube, ich wäre aus einer anderen Dimension gekommen? Dagegen spricht jedoch, dass ich wirklich weiß, was zukünftig passieren wird. Allerdings hat ANGST diese Handlungen alle beeinflussen können; nur die Zukunft weiß also, wo ich wirklich herkomme, und das buchstäblich. Falls die Lichter wirklich ausbrechen, hat ANGST keine Kontrolle mehr über sie, und es wird sich alles so wenden, wie es im Buch passiert ist. Oder eben nicht.
Ich habe jegliches Zeitgefühl verloren, weshalb es mich ziemlich überrascht, als ich von etlichen Sirenen aus dem Schlaf gerissen werde. Verstört sehe ich mich in dem kleinen Raum um, kann jedoch keine Veränderungen feststellen. Draußen auf dem Flur toben die Alarmanlagen weiter, auch glaube ich Schritte vorbeidonnern zu hören. Mein vom Schlaf benebeltes Hirn braucht eine Weile, um die Lange richtig wahrzunehmen, doch als ich letztendlich schnalle, dass wohl gerade der Angriff des rechte Arm und die Flucht d die Lichter zeitgleich parallel ablaufen, fliege ich vor Hast glatt auf die Nase. Ärgerlich strampel ich mir die Bettdecke von den Füßen, welche sich um meine Hüfte gewickelt hat, streife mir über meinen spärlich bekleideten Körper notdürftig das blütenweiße Trainingsgewand von ANGST und stürme dann zur Tür. Natürlich ist abgeschlossen, die massive Eisentür hält bombenfest und bietet nicht einmal ein Schlüsselloch zum experimentieren. Versuchshalber hämmere ich gegen die Stahlplatte, ich bezweifle aber, dass jemand mich hören kann.
Gerade lehne mich schnaufend gegen die Wand und versuche einen Fluchtplan zu ergrübeln, da zischt es plötzlich und das Tor öffnet sich ruckartig. Davor stehen bewaffnete Arbeiter von ANGST, die Gewehre im Anschlag. Sie zielen aber nicht auf mich, sondern die Gänge hinunter, als erwarteten sie jeden Moment unangenehmen Besuch.
"Nehmt das Mädchen, und dann nichts wie weg! Der Rechte Arm ist fast bis hier vorgedru..."
Etwas explodiert, und der Sprecher kippt zur Seite, sein zuckender Leib kringelt sich am Boden wie bei einem epileptischen Anfall. Die blauen Stromfäden tanzen über den Brustkorb, dort, wo die Kugel eingeschlagen war. Eine wilde Schießerei entsteht, ich dagegen stehe einfach in meiner kleinen, geschützten Zelle und sehe wie bei einem Film zu, wie gekämpft und geschossen wird.
Eine wahrhaft dumme Idee kommt mir in den Sinn, doch ich verschwende keinen weiteren Gedanken an Zweifel. Mit einem ruckartigen Sprung stürze ich mich aus dem Raum hinaus in den Flur, der mir mittlerweile so vertraut ist wie die Zelle selbst. Einer der Geschosse pfeift an mir vorbei, als ich mit allem Speed, den ich aufbringen kann, auf die nächste Ecke zusprinte, um die Kurve rutsche und danach weiter den Flur entlang renne, ohne genau zu wissen, wohin ich überhaupt gehen will.
Die Lichter. Sie fliehen mit dem Berk.
Richtig. Mit Brenda, Jorge und dem goldenen Trio.
Ich laufe weiter, halte aber Ausschau nach möglichen Beschilderungen, die mir Orientierung verschaffen. Allerdings ist das einzige, was ich finde, eine Treppe, die steil nach oben führt.
Helikopter stehen sicher nicht im Keller.
Dem Bauchgefühl nach eile ich aufwärts, dabei kann ich nicht anders, als ANGST insgeheim für das Training zu danken. Der Monat voller Anstrengung zeigt nun doch gewisse Vorzüge.
Die nächste Etage zeigt schon etwas mehr Kulisse. Ein paar Blutflecken hier und da, Waffen liegen herum. Auf meinen Check hin erweisen sie sich jedoch alle als leer, weshalb ich mir nicht die Mühe mache, sie mitzuschleppen.
Irgendwo im Gängelabyrinth ertönen Schüsse, und gegen meinen inneren Instinkt, laufe ich genau in die Richtung. Der Lärm wird lauter, deto weiter ich laufe, bis ich sogar Stimmen herausfiltern kann.
"Schießt doch! Die dürfen uns nicht auch noch entkommen!"
Weitere Befehle gehen im Kugelhagel und dem Röhren von Motoren unter.
Kurz vor dem Eingang bremse ich mich ein und ringe einen Moment lang nach Luft. Dann presse ich mich flach an die Wand und linse in die Halle hinein.
Einerseits grenzt es an einem Wunder, dass ich sie noch vor ihrer Flucht entdeckt habe, andererseits ist es bei dem Lärmpägel auch keine große Kunst. Ich sehe bekannte Gestalten quer durch den Raum rennen, Thomas eilt gerade geduckt auf den abhebenden Berk zu. Die Gruppe von Arbeitern, die in Tornähe hinter Kisten verschanzt sitzen, haben mich noch nicht bemerkt.
Ganz gegen meinen Plan, zu flüchten, stellt sich nun der Fakt, dass mich alle für eine Verräterin halten. Wenn ich Pech habe, erschießen sie mich gleich direkt, wenn sie mich sehen.
Nun doch verunsichert, huschen meine Augen zwischen den zwei Fronten hin und her, als mir ein Schütze der Organisation auffällt. Er war hinter der Barrikade hervorgetreten und zielt nun genau auf Thomas, der erst den halben Weg zum Berk zurückgelegt hat. Die Buchstelle kommt mir in den Sinn, wo Dashner die unglaublichen Schmerzen schildert, die diese Strompatronen auslösen. Haben die eigentlich einen Namen? Ich habs vergessen.
Ohne viel nachzudenken, stoße ich mich von der Wand ab, renne zu dem Schützen und hake mich mit der rechten Armbeuge von hinten an seinen Hals, sodass er ein Stück nach hinten gerissen wird. Die Kugel zischt an Thomss vorbei und schlägt knapp über ihn in eine Holzkiste ein. Ein Aufschrei kommt vom Berk und alle Köpfe, einschließlich die der Lichter, werden zu mir herumgerissen. Einen Augenblick starren mich alle an, in diesem Bruchteil einer Sekunde wird nicht geschossen, eine ekelhafte Stille legt sich wie klebriger Schleim um die Situation.
Ich weiß nicht, wo diese Geistesgegenwärtigkeit stammt, als ich aus einem inneren Impuls heraus den Ellbogen hochreisse und ihn gegen das Kinn des Schützen ramme, der sich zu mir umgewand hatte. Damach reisse ich ihm das Gewehr aus der Hand und schieße ihm einfach eine Elektroklette - ich nenne diese Dinger jetzt einfach mal so - auf die Brust. Erst als er vor mir zu Boden sackt, realisiere ich, was ich gerade getan habe; doch es ist gerade nicht der richtige Zeitpunkt für Gewissenskonflikte.
Ohne Vorwarnung reisse ich die Waffe herum und feuere ziellos auf die ANGST-Arbeiter, gleichzeitig brülle ich Thomas zu, der wie erstarrt stehengeblieben war:
"MACH DIE FLIEGE DU VOLLIDIOT!"
Er setzt sich ruckartig wieder in Bewegung und sprintet nur achtlos auf den Berk zu, der nun droht, ohne in abzuheben.
Verdammt, ich wollte da auch noch mit rein!
Dieser Gedanke verdeutlicht mal wieder, wie leicht ich mich eigentlich ablenken lasse. Nun werde ich hierbleiben; und wer soll Newt retten? Wer soll die Lichter warnen? Wer soll sie durch die bevorstehende Scheiße navigieren?
Es schockiert mich garnicht, als mich eine Klette an der Schulter trifft und mir einen Schlag verpasst, dass ich nach hinten geschleudert werde. Und ich habe noch Glück: durch die Wucht wird mein Schädel gegen den Boden geschleudert und ich werde bewusstlos, statt mich vor Schmerz zu kringeln wie eine Ringelnatter.
Viel mehr schockt mich der Gedanke an die Zukunft: Es werden noch Leute sterben, wenn ich nichts unternehme. Nur wie soll ich es verhindern, wenn ANGST mich festhält?
AHHH MEINE AUGEN BRENNEN.
4 h Busfahrt zur Sommerportwoche und ich schreibe dieses Kapitel durch ;-; und an alle, die sich fragen, warum so selten was kommt: Augenweh :/ durch das lange Starren auf den Screen beim schreiben. Sorrü :( ich arbeite daran!
Tschüssi ~ Cookietoo
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