Kapitel 9
Niemand konnte Moritz und Jumpers Zeit toppen und somit hießen die diesjährigen Gewinner des Championats von Legden Moritz Langhoff und Golden Jumperboy. Der Wallach hatte sich voll und ganz in der Aufmerksamkeit gesonnt und schnaubte nun in der Box zufrieden in Livs Richtung. Diese hatte sich freiwillig angeboten Jumper an diesem Abend abzusatteln.
"Ich hab gehört, du willst ihn verkaufen" Seine Stimme klang rau, als er dies sagte. Ruckartig drehte Liv sich um. Vincent stand fröstelnd vor der Boxentür. Er hatte die Hände in den Taschen seiner Jeans vergraben und warf ihr einen fragenden Blick zu. Livs Herz schlug bei seinem Anblick augenblicklich höher.
"Vielleicht", antwortete sie leise und drehte ihm wieder den Rücken zu. Wieso tat es ihr so weh, ihm die Augen zu schauen? Sie hatte doch nichts falsch gemacht. Oder doch? Liv musste an Emma denken.
Jumper spielte mit den Ohren und brummelte leise vor sich hin, während Liv ihn absattelte. Sie hatte keine Ahnung, wie es um sie beide stand. Vincent hatte ihr gesagt, dass er sie sehr möge, ja. Er hatte sie geküsst, ja. Er hatte ihren Vater kontaktiert, ja. Aber warum hatte er sich nie bei ihr gemeldet?
"Warum hast du mich nie zurückgerufen?", fragte Vincent nach einer Weile, in der sie sich angeschwiegen hatten. Liv hätte schwören können, dass Schmerz in seiner Stimme mitschwang. Sie hob den Blick und runzelte etwas verwirrt die Stirn. Er hatte sie doch nie angerufen ... oder?
"Du hast ..." Sie verstummte. Plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Natürlich, sie hatte doch jetzt eine neue Handynummer. Vincent hätte sie nie erreichen können. Sie seufzte. "Es tut mir leid ... Echt" Sie senkte den Kopf. Es fühlte sich an, als wäre Vincent Kilometer weit entfernt.
Er hob etwas spöttisch die Brauen. Dann wollte er etwas erwidern, doch er schloss die Lippen bereits wieder, als er sie geöffnet hatte. "Weißt du Liv, ich dachte ... Eigentlich habe ich keine Ahnung, was ich gedacht habe, aber ..." Er blickte die Stallgasse hinunter und schluckte. Liv wollte etwas sagen, aber ihr Mund war plötzlich staubtrocken.
"Ich ... Vielleicht" Vincent versuchte die richtigen Worte zu finden. Er stockte. "Ich weiß auch nicht. Ich dachte, das könnte was werden. Das mit uns ... vielleicht irgendwann ... Aber, nein wahrscheinlich ist alles viel zu kompliziert und ..."
Er unterbrach sich. Schluckte erneut. Sah auf seine Schuhe. "Liv ich ..." Er sah wieder auf, diesmal direkt in ihre Augen. Dann wandte er sich zum Gehen. "Pass auf dich auf Liv, ok?"
Mit einem riesigen Klos im Hals ließ er Liv zurück. Tausend Mal hatte sie sich ihre Begegnung ausgemalt. Aber so hatte sie nicht ein mal annährend in ihren Tagträumen ausgesehen. Sie schluckte heftig, um die Tränen zu unterdrücken, als sie endlich realisiert hatte, was gerade überhaupt passiert war.
Hatte Vincent mit ihr Schluss gemacht? ... Wobei, nein. Sie waren ja nie zusammen gewesen. Da war nur diese eine Kuss gewesen. Sonst nichts. Nichts.
Schnell wischte Liv sich übers Gesicht. Wie lange hatte sie nicht mehr geweint? Richtig, sie konnte sich nicht mehr daran erinnern. Dann war es das jetzt auch nicht wert. Liv versuchte sich einzureden, dass es ihr nichts ausmachte, doch das war alles andere, als die Wahrheit.
Jumper rieb seinen Kopf an ihrem Körper und der Wallach zauberte Liv ein winziges Lächeln ins Gesicht. Doch es verblasste beinahe sofort wieder.
"Du hast ein echt tolles Pony", ertönte hinter Liv eine Männerstimme und sie dachte im ersten Moment, dass es Vincent wäre. Allerdings sprach die Person akzentfrei und die Stimme klang viel tiefer und rauer. Schnell wischte sich Liv die Tränen aus den Augenwinkeln und drehte sich um.
"Dan-" Sie brach ab, als sie die Person erkannte, die da vor Jumpers Box stand. Sie begann zu Lächeln. Das war nicht möglich. "Peter?" Der Mann hatte zwar ein wenig längere Haare und trug nun einen Bart, doch es war ohne Zweifel ihr früherer Trainer.
Peters Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Dann nickte er. "Ja ich denke schon, dass ich der bin", meinte er und grinste. "Wie geht's dir Liv? Warum reitest du denn nicht hier?" Er lehnte sich gegen die Boxentür und beobachtete das blonde Mädchen.
"Naja, ich reite keine Turniere mehr", erklärte sie kleinlaut und wich kurz den blauen Augen des Älteren aus. Liv war es etwas unangenehm.
"Möchtest du darüber reden?" Peter erkannte den Schmerz in ihrem Gesicht und öffnete die Boxentür, um neben sie in die Box zu treten. Früher war sie ihm einmal sehr nahe gestanden. Er war immer so etwas wie ein Vater für Liv gewesen.
"Nein ... Doch vielleicht schon ... Ja" Liv fuhr sich erneut hektisch über die Augen, aber Peter hatte ihre Tränen bereits entdeckt und strich ihr vorsichtig über den Rücken. Er nahm sie in den Arm und sie erzählte ihm unter Schluchzen die ganze Geschichte. Die ganze Geschichte, die sie schon François, Vincents Bruder, und auch ihrem leiblichen Vater erzählt hatte. Auch bei dem Teil mit Vincent sparte sie nicht mit Details.
Schniefend zog sie Jumper die Gamaschen aus. Peter half ihr dabei den Palomino einzudecken und ihm noch sein Kraftfutter zu geben. Dann kontrollierten Liv und er noch Heunetz und Wasser bei Cinderella.
"Sei nicht so streng zu deiner Mutter", riet Peter Liv, nachdem diese unter Schniefen geschlossen hatte. "Dorothea liebt dich sehr Liv. Sie ist immerhin deine Mutter" Liv schüttelte heftig den Kopf.
"Deswegen war sie auch immer da, wenn ich sie gebraucht habe oder?", schnaubte sie empört und Peter warf ihr einen langen Blick zu, bevor er die richtigen Worte abwiegend antwortete.
"Teil einer Familie zu sein ist etwas Wunderbares. Es bedeutet, dass du liebst und geliebt wirst. Egal, was passiert. Egal, was passiert, Liv. Vermisst du sie denn gar nicht? Kein kleines bisschen" Peter hob die Brauen und sah seine ehemalige Schülerin fragend an.
Liv entgegnete erst einige Augenblicke später: "Nein, wie sollte ich jemanden vermissen, den ich in den fünfzehn Jahren meines Lebens nicht mal richtig kennen gelernt habe"
-
PS: Ich arbeite gerade an einem Trailer für den 1. Teil :)
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro