Kapitel 24
"Some horses will test you, some will teach you and some will bring out the best in you"
Der große braune Wallach dampfte bereits nach wenigen Minuten und über seinem Fell bildeten sich kleine weiße Wölkchen. Liv warf Peter einen verunsicherten Blick zu. Es war lange her, dass sie das letzte Mal auf einem so schwungvollen Pferd geritten war. Es kam ihr beinahe so vor, als säße sie auf einem Dressurpferd.
Allerdings wurde schon nach wenigen Minuten klar, dass der Braune kein Donnerhall Nachkomme war. Er war gewaltig am Sprung und hatte trotz seiner langen Beine eine sehr schnelle Vorhand. Peter schien begeistert, doch Liv konnte sich mit dem Wallach einfach nicht anfreunden. Schon nach den ersten Sprüngen stand fest, dass er nicht das war, was Liv sich unter ihrem zukünftigen Pferd vorstellte.
Vor Peter parierte sie durch zum Stehen. „Er ist nichts für mich", meinte sie sofort, bevor ihr Trainer das Wort ergreifen konnte.
Es war Samstag und Peter hatte sie heute Morgen um sieben Uhr aus dem Bett gejagt, um ihr mittzuteilen, dass er gleich drei Pferde auf seinem Zettel hatte, die er gerne mit ihr anschauen möchte. Doch Liv war von den beiden, die sie bisher probegeritten war, noch keineswegs überzeugt gewesen.
Liv hatte sich schließlich doch darauf eingelassen Peter zu verzeihen und hatte beschlossen ihrem früheren Trainer nun vollkommen zu vertrauen. Sie wusste, dass er sie dorthin bringen könnte, wo sie später einmal stehen wollte. Er kannte sie und sie kannte ihn. Sie waren ein perfektes Team.
„Mir gefällt er", meinte Peter und wandte sich dann an Herrn Harmann, den Besitzer des Stalls. Dieser konnte ihm nur zustimmen.
„Du passt sehr gut auf ihn. Er wäre perfekt für den Einstieg in die schwere Klasse" Der Alte mit dem schütteren weißen Haar griff nach Corlettos, so der Name des Wallachs, Zügeln und lächelte Liv entgegen.
Diese war jedoch leicht pikiert. „Ich glaube, das haben sie falsch verstanden. Ich bin schon S Springen gegangen, auch international", berichtigte sie und schwang sich aus dem Sattel des riesigen Pferdes. Sie sah zu Peter. „Ich hätte eigentlich an ein jüngeres Pferd gedacht. Vielleicht eine Stute"
Der Trainer hob die Brauen. „Ich dachte du bist kein Stutenfan", harkte er noch einmal nach und erntete dafür einen leicht verzweifelten Blick von Liv.
„Na ja, wenn sie vermögend ist, dann auch eine Stute", gab sie sich nachgiebig und Peter schien zufrieden.
„Wenn das so ist, dann hab ich vielleicht noch was. Du wolltest ja ein jüngeres Pferd hast du gesagt" Herr Harmann wandte sich an den Pferdepfleger, dem er Corlettos Zügel übergeben hatte. „Hol die schwarze Stute von Quidam. Stall C, Box fünf"
Eine gefühlte Ewigkeit verstrich bis der Pfleger mit einem neuen Pferd wiederkam. Wie versprochen war es eine feingliedrige Rappstute mit einer schmalen Blesse auf der Stirn. Diese wirkte allerdings so nervös, dass Liv Bedenken hatte, ob sie sich überhaupt draufsetzen wollte.
„Que Sera. Achtjährige Stute von Quidam de Revel aus einer Contender Mutter. Ist bereits ein paar schwere Springen gegangen, wurde aber nie platziert. Sie ist jetzt schon fast ein Jahr bei uns, wir finden einfach keinen Käufer", erklärte Herr Harmann. Liv musterte die Schwarze währenddessen genauer.
Zweifellos war sie ein wunderschönes Pferd. Feingliedrig, ein hübscher Kopf, pechschwarzes Fell, aber sogar fast noch größer als Corletto. Liv war fasziniert von ihrer Schönheit, jedoch fragte sie sich ernsthaft, wie winzig sie auf so einem gewaltigen Pferd aussehen musste.
„Gut, dann wollen wir sie mal ausprobieren", entgegnete Peter zuversichtlich und binnen weniger Sekunden saß Liv auf dem Rücken der Stute.
Sie hatte Que Sera gerade angetrabt, da merkte sie, wie fein diese Stute geritten war. Die Schwarze reagierte auf jede Kleinigkeit, die Liv an ihrem Sitz veränderte. Sie war leichtfüßig und gleichzeitig mit einem akzeptablen Maß an Schwung ausgestattet. Typisch für ein Springpferd trug sie ihren Kopf sehr hoch.
Als Liv jedoch mit einigen kleineren Sprüngen begann, merkte sie allerdings worin die Schwierigkeit lag die Stute zu reiten. Que Sera brauchte ziemlich viel Unterstützung am Sprung. Dazu blieb sie in der Luft stehen und sprang somit nicht ganz rund. Nachdem Liv mit ihr einige Probesprünge überwunden hatte war sie patschnass und ihre Hände schmerzten trotz Handschuhen.
Als sie wieder zu Luft gekommen war, blickte sie zu den beiden Männern. „Ich würde gerne noch höher mit ihr springen", meinte sie und blickte auf den Parcours, der ungefähr eine Höhe maß, die auf Turnieren der Klasse L entsprach.
„Von mir aus", meinte Herr Harmann. „Pass aber auf, sie zieht ganz schön an"
Innerlich verdrehte Liv die Augen. Sie fühlte sich von ihm nicht wirklich ernstgenommen. Schon, als sie die Tür zu seiner Halle passiert hatten, hatte er sie mit einem argwöhnischen Blick gemustert. Der einzige Grund, wieso er wahrscheinlich nichts gegen Livs Reitstig gesagt hatte, war Peter gewesen.
Liv galoppierte Que Sera ein weiteres Mal an. Mittlerweile fühlte sie sich schon viel wohler auf ihr. Man merkte, dass der Rappstute noch ein wenig die Routine fehlte, aber Liv hatte anders als bei den vorherigen Pferden ein gutes Gefühl. Die nächsten Hindernisse klappten reibungslos und am Schluss zogen sie den Parcours circa auf eins vierzig.
Obwohl Peter einige Zweifel gegenüber der Stute geäußert hatte, überwand Que Sera diese mit so einer Leichtigkeit als wären diese nicht höher als ein A Parcours. Liv war vollkommen begeistert und sah sich mit ihr schon die ersten internationalen Prüfungen gewinnen, als sie wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wurde. So ein Pferd konnte sie sich auf gar keinen Fall leisten.
„80.000. Das ist zu viel für ein Pferd, das noch kaum Erfahrung hat", argumentierte Peter, doch Herr Harmann ließ sich nicht weichklopfen.
„80.000 sind ein verträglicher Preis für ein Pferd mit so viel Potenzial und so einer Abstammung. Ich könnte sie schließlich auch in die Zucht geben"
Peter blickte zu Liv, die ihnen niedergeschlagen zuhörte. „Das liegt nicht in unserem Budget. Wir werden wohl weitersuchen müssen. Die Stute ist eindeutig zu teuer"
„Aber sie ist perfekt" Liv konnte kaum fassen was gerade passierte. Sie dachte an das Geld, was sie auf ihrem Konto gespart hatte und an den Check von Dinos Verkauf. Selbst wenn sie alles zusammenkratzen würde, fehlten ihr mindestens noch 20.000. Das war eindeutig nicht fair.
„Es tut mir leid Liv. Wir werden uns weiter umsehen" Peter strich der Rappstute über den Hals. Sie hatte kein bisschen geschwitzt.
Als sie im Auto zurück nach Hause saßen, konnte Liv an nichts Anderes mehr denken, als an die Rappstute. Sie hatte sich bereits mit Que Sera in Aachen und Rotterdam gesehen. Der Gedanke, dass irgendjemand anderes sie stattdessen auf den ganzen großen Turnieren vorstellen würde, schmerzte sehr. Doch dagegen konnte sie nichts machen.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro