Kapitel 12
Sham entwickelte sich die nächsten Wochen ziemlich gut und Liv und er waren bereits einen niedrigen M Parcours ohne Probleme durchgesprungen. Der Schnee ließ immer noch so kurz vor der Adventszeit auf sich warten und Luna freute sich schon auf die kalten Monate, wie sie Liv verraten hatte. Sie liebte die Vorweihnachtszeit.
Die kühle Winterluft schlängelte sich um Livs Glieder und pfiff ihr wild durch die Haare. Es war Samstag und Liv wurde von einer ziemlich miesen Erkältung heimgesucht. Mit schmerzenden Gliedern schleppte sie sich schließlich doch in den Stall und bekam erst einmal eine ordentliche Standpauke von Luna.
"Wenn man krank ist, dann sollte man auch im Bett bleiben. Komm schon Liv, du steckst noch alle an", meinte die Ältere, während sie mit der Kardätsche Shams Fell bearbeitete. Es war mittlerweile so kalt geworden, dass der Atem bereits in der Luft gefror und die meisten Pferden waren bereits geschoren. So auch der Dunkelfuchs, der bis auf die Sattellage und die Beine komplett von dem Winterfell befreit worden war und nun die sogenannte Hunter-Schur trug.
Liv wollte ihn heute eigentlich noch einmal in der Springstunde reiten, um ihrem Vater so ihre Fortschritte zu präsentieren. "So schlimm ist es gar nicht", beharrte die Blonde und hustete in ihren Schal. Luna hob die Brauen.
"Gut, wenn du nicht hören willst" Sie war mittlerweile fertig mit Putzen und zog die dunkelblaue Abschwitzdecke von Shams Kruppe wieder hinauf zum Widerrist, sodass er nicht fror.
Liv nickte und machte sich auf zur Sattelkammer, um Shams Sattel zu holen. Der braune Springsattel war nur der vorübergehende, wie ihr Vater sie belehrt hatte. Übermorgen käme der Sattler und sie würden einige probieren, sodass er auch zu hundert Prozent passte. Denn sonst könnte es sein, dass der Wallach Sattelzwang bekäme und dies wäre alles andere als gut.
Sie schnappte sich noch die Trense und das Vorderzeug und machte sich wieder auf auf die Stallgasse. Bald wäre Sham soweit, dass er im Schulbetrieb laufen könnte. Aber Thomas Langhoff hatte gemeint, dass er auch ein hervorragendes Turnierpony abgeben würde und zog in Betracht, dass Moritz ihn in der nächsten Saison vorstellen könnte.
Thomas Langhoff hatte einen Parcours mit ziemlich fiesen Wendungen aufgebaut, bei dem man ziemlich konzentriert reiten musste. Bei dem Steilsprung aus der Ecke, direkt nach der Distanz auf der langen Seite, dürfte es für Liv ein wenig schwer werden, da Sham gerne man nach innen zieht. Da müsste sie ihn rechtzeitig mit dem inneren Schenkel begrenzen, um passend an den Steil zu kommen.
Diesmal ritt Liv in einer anderen Springstunde mit. Außer ihr war bloß ein anderes Mädchen anwesend, das ihr eigenes Pony besaß. Julia, glaubte Liv. Soweit sie wusste, würde sie in der nächsten Saison ihre ersten M Springen gehen. Wahrscheinlich wäre sie so die perfekte Trainingspartnerin für Liv. Diese hustete nun erneut, als sie ihren Schal und Decke auf der Bande ablegte und den Kragen ihrer Winterjacke aufstellte.
Sham war heute wegen der Kälte besonders heiß. In jeder zweiten Ecke tat er so, als würde er sich erschrecken und stürmte davon. Doch nach einer Weile hatte Liv sein kleines Spielchen durchschaut und lenkte ihn in eine Volte, sobald er eins seiner Sperenzchen begann.
Julias Pony war deutlich braver als Sham, obwohl dieses komplett geschoren war. Die braune Stute zog lediglich vor den Sprüngen etwas an, ließ sich aber gut zurückhalten. Sham bockte bereits, bevor sie mit dem Springen begonnen hatten und stieg vor der Distanz zu dem Kreuz auf der Diagonalen.
"Treib ihn weiter. Das kann er auch aus dem Trab nehmen", befahl Thomas und Liv grub dem Pony die Sporen in den Bauch. Der kleine Wallach legte die Ohren an und quittierte dies mit einem Bocksprung. Dann tänzelte er zur Seite. Liv nahm den linken Zügel an und trieb ihn mit dem linken Schenkel auf das Hindernis zu. Dieses nahmen sie ziemlich zäh aus einem Galopp, der wohl viel mehr eine Mischung aus Trab und Galopp war.
"Komm nochmal", meinte Thomas.
Liv ließ das Pony einmal außen herum galoppieren, dann lenkte sie ihn erneut auf das Kreuz zu. Sham riss den Kopf hoch, sodass er beinahe an Livs Nase geknallt wäre, doch es klappte eindeutig besser, als zuvor.
Nach einer Weile wurde Sham gefügiger und hatte sich an die Kälte gewöhnt. Problemlos konnte sie mit Julia und ihrem Pony mithalten, auch als Thomas die Sprünge in die Höhe zog. Als beide Pferd-Reiter-Paare am Schluss noch einen L Parcours durchsprangen, war Sham so sehr bei der Sache, dass Liv bloß die Hand aufstellten musste, um die Galoppsprünge zu verkürzen und nur daran denken musste, sodass Sham sie verlängerte.
Es war unglaublich. Sham war unglaublich. So hatte Liv ihn noch nie erlebt. Obwohl er sich mit der Zeit gesteigert hatte, war er noch nie so gut gesprungen. Und je höher die Sprünge wurden, desto aufmerksamer wurde er und desto schöner sprang er.
"Das war sehr gut, Liv. Wirklich, sehr gut. Ich kann es nicht glauben, dass es dasselbe Pony ist, wie noch vor einem Monat", sagte er überrascht von der guten Leistung des Wallachs und klopfte ihm kräftig den Hals, nachdem Liv neben ihm zum Stehen gekommen war.
"Schickes Pony", meinte Julia und grinste Liv zu, als sie an ihr vorbeiritt. "Danke, gleichfalls"
Plötzlich klingelte Livs Handy und Sham machte einen kleinen Sprung zur Seite. Verwundert zog sie es aus ihrer Jackentasche und ließ den Dunkelfuchs währenddessen Schritt gehen. Liv kannte die Nummer nicht und nahm mit zusammengezogenen Augenbrauen ab.
"Hallo"
"Hi, Liv? Lilliana Langhoff? Hier ist Lisa. Lisa Reutinger", meldete sich die Stimme der blonden Besitzerin Dinos und Liv hätte am liebsten wieder aufgelegt. Der Blick ihres Vaters und auch der Julias ruhte auf ihr.
"Hallo Lisa. Kann ich dich später nochmal anrufen? Es ist gerade ein wenig schlecht", versuchte Liv sie abzuwimmeln. Sie konnte Lisa am anderen Ende seufzen hören.
"Gut. Aber ich hab gleich Training. Ich kann also erst wieder heute Abend", entgegnete sie am anderen Ende der Leitung und Liv nickte, ohne wirklich zu realisieren, dass Lisa sie nicht sehen konnte.
"Bis dann", verabschiedete sie sich und legte auf, bevor sie eine Antwort zurückbekam. Dann steckte sie das Handy zurück in ihre Jackentasche.
"Wer war na das?", fragte Moritz, der sich mittlerweile gegen die Bande gelehnt hatte und von seinem Smartphone aufschaute. Liv blickte in seine Richtung.
"Lisa Reutinger", antwortete sie und ließ Sham die Zügel, der die ganze Zeit über gelangweilt daran gezogen hatte. Sie klopfte ihm den Hals.
"Was wollte die?"
"Keine Ahnung. Hab versucht sie abzuwimmeln" Moritz lachte kurz auf, dann wurde er wieder ernst. "Bestimmt geht es um Jumper. Sie hat wahrscheinlich noch nicht verkraftet, dass sie ihn niemals reiten wird"
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