Juliette muss was?
Fast eine Woche vergeht und ich habe noch keine Nachricht von Mary. Eine Woche Emails checken, immer zusammenzuzucken wenn ich einen Anruf bekomme.
Und heute, genau als ich in Geschichte sitze und darüber nachdenke, wie dumm die Menschheit eigentlich ist, ruft sie an.
Mein Herz fängt an wie wild zu schlagen, als ich den Lehrer frage, ob ich kurz aufs Klo darf.
"Guten Morgen, Julia!", meldet sich Mary, bevor ich überhaupt irgendwas sagen kann.
"Guten Morgen!" Es ist zwar 11 Uhr aber ok, es ist anscheinend noch Morgen.
"Ich rufe an um dir zu gratulieren!"
Yes, yes, yes.
"Du bist in der engeren Auswahl!"
Moment, doch kein yes?
"Das ist toll, Mary!", freue ich mich. Naja so halb.
"Zwei andere Mädchen und du sind herzlich eingeladen zu unserer Frühlingsfeier, wo wir die neue Kollektion vorstellen."
Ok, also engere Auswahl ist doch nicht so schlecht oder?
"Nächsten Freitag um 20:00 Uhr bei uns im Büro!"
Also in einer Woche und einem Tag?
"Das sind sehr gute Nachrichten, danke Mary. Muss ich etwas vorbereiten?"
"Nein, aber bring am besten jemanden mit und versuch mit so vielen Menschen zu sprechen wie möglich. Wir entscheiden dann gemeinsam, wer den Job bekommt."
Ok, das ist ja gar nicht komisch. Und damit meine ich: Oh mein Gott, mir wird gerade sehr heiß, das ist ja total komisch!
"Danke für den Tipp! Bis Samstag!"
"Bis Samstag Julia, ich bin schon gespannt!"
Und schon höre ich ein Piepen.
Vor Aufregung vergesse ich fast, dass ich ja noch Unterricht habe.
Doch wie soll ich über die Dummheiten der Menschheit lernen, wenn ich in einer Woche dort stehen muss und mich bei 7456348698 Menschen einschleimen muss.
Julia ist ja gut im schleimen, aber ist sie so gut?
Only time will tell.
-
"Du sollst jemanden mitbringen?"
"Ja Mum, soll ich Betty fragen?"
"Julia, also wirklich! Sie meint natürlich einen Jungen."
Naja, es ist 2018.
"Das macht die ganze Sache natürlich schwieriger."
"So einem hübschen Mädchen wie dir laufen sicher viele junge Männer nach."
Wow ein so nettes Kompliment und eine so falsche Aussage in einem Satz.
"Ja, ich werde schon jemanden finden.", sage ich sicherer als ich bin.
Mir fallt gerade kein Name ein. Nicht ein einziger.
"Wir müssen unbedingt einkaufen gehen! Dein Auftreten dort ist sehr wichtig, Julia!"
Ich habe mehr als 100 Kleider, die ich anziehen könnte. Jedes Kleid kostet mehr als meine Hoodie-Sammlung.
"Ja natürlich! Sollen wir wieder am Mittwoch gehen?"
"Das geht sich aus, und zum Friseur müssen wir auch gehen, da waren wir schon so lange nicht mehr!"
Ist das nicht 2 Wochen her?
Egal, es bereitet ihr Freude.
"Hast du heute am Abend etwas vor?", fragt sie mich, während ich anfange, mir ein paar Brötchen zu belegen. Typisch meine Mutter, da stehe ich um acht am Abend im Pyjama vor ihr, mache mir etwas zu essen und sie macht sich Sorgen um mein soziales Leben.
"Nein, alle lernen für den Mathe-Test am Montag.", lüge ich schon wieder. Der ist am Mittwoch.
"Ihr könnt ja trotzdem etwas unternehmen! Ich bin mir sicher, dass heute am Abend niemand mehr lernt!"
Ja das glaube ich auch nicht. Die lernen höchstens Beerpong-Tricks.
"Ich bereite mich lieber vor. Vielleicht überlege ich mir auch noch ein paar Sachen für die Frühlingsfeier."
"Ja, schau dass du einen jungen Mann findest, der jeden beeindrucken wird."
Na, das wird ein Projekt, das sicher die ganze Nacht dauert.
-
Mit meinem neu gegründeten Instagram-Account schaue ich das erste mal nach, was meine Freundinnen so machen. Eigentlich war mir das immer egal.
Jules hat das alles nicht interessiert.
Es ist, als ob ein kleiner Teil von ihr verloren geht, als ich mir anschaue, wie Marie ein Video postet, in dem Betty gerade mit Joe auf der Party anstoßt.
Ich habe mich dagegen entschieden dorthin zu gehen. Ich will Seth oder Chad nicht treffen. Ich wollte heute eine neue Serie anfangen, um meine Probleme zu vergessen.
Also tue ich das jetzt auch.
Und das funktioniert auch sehr gut, bis ich einen Anruf von Marie bekomme. Um zwei in der Früh.
"Ja?", melde ich mich verschlafen.
"Jules, Gott sei dank! Kannst du uns mit dem Auto abholen? Betty ist total betrunken und diese Alex ist einfach abgehauen!"
"Was ist mit Joe?"
"Der hat auch zu viel erwischt."
Ich höre nur wie jemand im Hintergrund versucht, etwas zu sagen, doch die Worte machen gar keinen Sinn.
"Jules, bitte. Ich würde nicht anrufen, wenn es nicht dringend wäre."
Also steige ich um zwei in der Früh im Pyjama in mein Auto und fahre zu irgendeiner Adresse. Die Straßen sind leer, es sind wohl schon alle im Bett. Kurz genieße ich die Ruhe.
Als ich ankomme, höre ich noch immer laute Musik. Haben die keine Nachbarn, die sich beschweren? Vor dem Haus auf den Stiegen sitzt eine verzweifelte Marie, die versucht Betty vom Einschlafen zu hindern und Joe von sich wegzudrücken. Sieht eigentlich ganz lustig aus.
Gemeinsam versuchen wir die beiden Geschwister ins Auto zu setzen. Marie setzt sich hinter zu Joe und Betty legen wir auf den Beifahrersitz. Sie ist sowieso schon fast im Halbschlaf.
Als ich im Koffer dann einem Behälter suche, in den Betty im Notfall erbrechen kann, höre ich Kichern neben mir. Und dazu eine Stimme, die ich mittlerweile leider zu gut kenne.
Seth.
Er steht da, an sein Auto gelehnt. Dazwischen ein Mädchen. Er küsst ihren Hals, flüstert ihr Dinge ins Ohr, die anscheinend superlustig sind, und hat seine Hände einfach überall.
Ich. Kotze. Gleich.
Als ich die Kofferraumtür schließe und nicht mehr als eine Einkaufstasche gefunden habe, höre ich auch beim Auto nebenan eine Autotür.
"Gehst du immer im Pyjama auf Parties?"
"Musst du mich immer nerven?"
Er lacht nur und öffnet die Autotür von der Fahrerseite.
"Willst du wirklich betrunken Autofahren? Nachdem du diese Woche schon Probleme mit der Polizei hattest?"
"Julia, Jules, Juliette. Das hat dich gar nicht zu interessieren was ich tue."
Er ist wirklich ein bisschen betrunken. Dann klingt er wie Jack Sparrow.
"Na gut, ich glaub dein Mädel des Abends ist schon eingeschlafen."
Und schon sitze ich in meinem Auto.
Der Rückweg sieht ein bisschen anders aus als die Fahrt her. Eine fast schlafende Betty, die die ganze Zeit aufwacht und sich tausend mal entschuldigt. Ein viel zu lauter Joe und eine kichernde Marie. Und eine Jules, die sich ein bisschen Sorgen macht.
Zuerst um Seth.
Und dann um sich selber, weil sie sich Sorgen um Seth macht.
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