Kapitel 28
Der Ritt durch die Gassen war genauso wild wie meine Gefühlswelt. Ich hoffte so sehr, dass er überlebt hatte – die Liebe meines Lebens.
Kaum war ich unten am Tor angekommen machte ich viele Männer aus, die Pelennors Feld nach überlebenden absuchten.
Mein Blick fiel auf einen Mann, der einen markerschütternden Schmerzensschrei ausstieß und erkannte ihn sofort – Eomér, der einen leblosen Körper im Arm hielt und sich hilfesuchend umsah.
Ich stieg von meinem Pferd ab und lief so schnell ich zwischen den leblosen Körpern mich fortbewegen konnte, zu ihm.
Es war seine Schwester, die er im Arm hielt und fest an sich drückte. Sanft legte ich meine Hand auf seine Schulter, er hatte mich nicht kommen sehen.
Erschrocken blickte er zu mir auf.
„Lynea!" sagte er nur. Langsam sank ich auf die Knie, direkt neben ihm und er legte seinen Kopf auf meine Schulter. Mit zittrigen Händen versuchte ich mir ein Bild von Eowyn zu machen. Ihr Puls war schwach aber sie lebte.
Ich pfiff nach meinem Pferd, was sogleich angetrottet kam. Es ging mit den Vorderbeinen runter und ich konnte ganz leicht aufsteigen.
„Reich sie mir Eomér, ich werde alles versuchen, um ihr Leben zu retten! Komm nach in die Hallen der Heilung." Befahl ich ihm liebevoll. Ohne zu zögern, tat er, was ich von ihm verlangte, und so sammelte ich all meine Kräfte, um den schlaffen Körper zu halten und zügig zu reiten. Es war ein reinster Kraftakt und ein schauriges Bild, was mir im ersten und zweiten Ring bot. Im dritten Ring konnte ich Eowyn in fähige Hände überreichen.
Heiler und angerlernte Hilfskräfte warteten bereits auf die Verletzten. Zwei halfen mir, die Kriegerin zu betten, doch danach war ich auf mich allein gestellt. Zu viele Verwundete benötigten Hilfe.
Eomér kam kurze Zeit darauf und setzte sich an der Seite seine Schwester. „Sie wurde von einem Nazgul angegriffen. Sag Liebste – wird sie es schaffen?"
Nun wurde mir einiges klar – warum meine üblichen Methoden und Kräuter einfach nicht halfen.
„Das ist sehr schwer – mit solchen Kräften hatte ich es noch nicht zu tun. Elben kennen sich damit besser aus, als wir Menschen."
Aus dem nichts sprang er auf und verschwand, um kurze Zeit später mit einem Mann im Schlepptau wiederzukehren.
Der Schwarzhaarige mit den braunen Augen neigte kurz sein Kopf zum Gruß und begutachtete Eowyn ganz genau. Er bat um einige Kräuter, eine interessante Auswahl, die ich so nicht in Betracht gezogen hätte. Also machte ich mich auf dem Weg, um alles zu beschaffen.
Rioa hatte sich mit Edmund auf dem Arm neben Eomér gesetzt. Der Vater des Kindes streichelte stolz über seinen Kopf und erneut liefen ihm Tränen übers Gesicht.
„Er ist wunderschön – wie seine Mutter." Flüsterte er im schwachen Ton und sah mir in die Augen. Ich erwiderte sein Lächeln. Mein Herz sprang von dem Moment an aus der Brust, als ich vernahm, dass er lebte, doch der Augenkontakt und das liebevolle Schmunzeln ließ mich zusammenbrechen. Mein Körper hatte die letzten Tage nur noch funktioniert und nun gab er nach. Zwei starke Arme fingen mich auf, als mir schwarz vor Augen wurde. Nur einen Augenblick danach öffnete ich sie und sah in ein wunderschönes Gesicht, umrandet von hellblondem Haar. Blaue Augen sahen mich freundlich aber prüfend an.
„Ihr geht es gut Eomér, sie braucht Ruhe und ihren Mann an der Seite." Sein Kopf drehte sich zu dem, mit dem er sprach und da erkannte ich, dass ich gerade in den Armen eines Elben lag. Nun konnte ich mich selbst davon überzeugen, was für wunderschöne Geschöpfe es waren. Zwei andere starke Arme hoben mich hoch und trugen mich davon – es war Eomér, der sich von Rioa den Weg zu meiner Behausung zeigen ließ.
„Eowyn?" fragte ich noch schwach im benebelten Zustand.
„Sie ist bei Bewusstsein und wird ihre Verletzung überstehen."
In den Gemächern angekommen standen Zofen bereit – mehr konnte ich nicht vernehmen. Eomérs wohlklingende Stimme drang in mein Ohr, die mich aufforderte, zu schlafen.
Ich schlief tief und fest, bemerkte aber, wie man mir den hungrigen Säugling an die Brust legte und auch wieder mitnahm – das geschah mindestens zwei Mal.
Die Sonne ging gerade auf, als ich mit neuer Lebenskraft erwachte. Langsam wand ich meinen Kopf zur anderen Seite und stellte erleichtert fest, dass mein Liebster neben mir lag und noch im Tiefschlaf war. Glückselig beobachtete ich ihn nur, bis seine bernsteinfarbenen Augen mich ansahen.
„Komm her!" befahl er mir mit tiefer Stimme. Ich rückte heran und ließ mich von ihm an sich ziehen.
Er hielt mich nur fest, allein das reichte, um mich emotional zu überwältigen. Alles brach aus mir heraus und ich schluchzte in seine Schulter.
„Es ist noch nicht vorbei." Stellte ich fest - denn ich konnte es fühlen. Er sprach nicht, womit ich genau wusste, dass ich recht hatte. Stattdessen positionierte er mich um, fasste unter mein Kinn und küsste mich. Mir wurde warm und ich fühlte mich wie im Rausch. Das Gefühl breitete sich in meinem ganzen Leib aus - ich wurde flüssiges Wachs in seinen Händen. Eomér befühlte meinem Körper und stöhnte leise auf.
„Ich habe dich so vermisst meine Schöne!"
Mein Kloß im Hals machte mir das Reden schwer.
„Es waren schwere Zeiten ... nicht nur für mich – auch dir stehen sie ins Gesicht geschrieben. Bitte erzähl mir alles."
Er kam meiner Bitte nach und berichtete zusammengefasst von den Ereignissen in Rohan. Theodréd der Prinz – war tot, unmittelbar vor seiner Vermählung mit Lothiril erlag er nach einem Kampf seinen Verletzungen. Isolde und Jolanda konnte nichts mehr für ihn tun. Die beiden Heilerinnen waren glücklicherweise wohl auf. Eomér wurde tatsächlich verbannt und dann von Gandalf den Weißen aufgesucht, um Theodén in der Not zu helfen. Die Schlacht um Helms Klamm, wo er erneut Aragorn, Gimli und Legolas vorfand, die zuvor schon seinen Weg kreuzten, konnte nur dank den Elben und Eomérs Scharr treuer Anhänger gewonnen werden.
„Sie waren bei Boromir, als er heldenhaft starb." Erzählte er rücksichtsvoll leise. Boromirs dahinscheiden war also schon in allen Ländern bekannt. Die Erwähnung seines Tods versetzte mir einen kleinen Stich.
„Er war wirklich ein guter Mann. Ihm haben wir zu verdanken, dass ich unser Kind geboren habe und nicht seins... Er war mir ein guter Freund und wird mir fehlen."
„Hast du ihn geliebt?" wurde ich gefragt, womit ich nicht gerechnet hatte. Ohne zu zögern, kannte ich die Antwort.
„Nein, ich war mit ihm in Freundschaft verbunden. Ich liebte seit je her nur einen Mann ... Dich!"
„Und ich liebe nur dich!" beteuerte der Krieger mir. Nach so vielen Monaten in den Genuss seiner Liebe zu kommen, gab mir neue Kraft. Dieses Mal war ich es die ihn intensiv küsste und am Weiterreden hinderte.
„Heirate mich!" brach es aus dem Eorlinga aus und überrumpelte mich damit.
Wie lange hatte ich darauf gewartet und dennoch war die Bitte so überraschend.
„Ja"
Antwortete ich schlicht.
„Dann wirst du Königin von Rohan." Ein trauriges Lächeln zeichnete sich auf sein Gesicht.
„Thedoén ist in dieser Schlacht gefallen, ich bin der rechtmäßige Erbe des Throns. Ich bitte dich - Werde meine Königin und herrsche mit mir gemeinsam über Rohan!"
Liebevoll hielt er mich in seiner Umarmung und liebkoste meine Lippen.
„Endlich kann ich mein Versprechen halten." Sagte er stolz.
Die Krone zu tragen, bedeutete immer an erster Stelle für sein Land der König zu sein und in zweiter Linie Ehemann und Vater. Ich liebte ihn und würde gemeinsam mit ihm die Bürde meistern.
„Eomér ... wo ist die Zeit, wo wir jung und dumm waren? Alles war so unbeschwert und nun – wirkt alles erdrückend. Einzig Edmund und du lasst mich hoffen auf eine bessere Welt und dass das Schicksal Mittelerdes sich zum Guten wendet."
„Genau jetzt könnte mir die Welt nicht mehr bieten! Die Frau, die ich über alles liebe, liegt in meinen Armen und wird mich heiraten. Nebenan ein gesunder Junge, den eben diese Schönheit mir geschenkt hat! Ich habe gelernt den Moment festzuhalten und zu genießen!"
Seine Hand streichelte über mein Gesicht. Sein Blick fesselte mich.
„Ich war vor allem dumm in meiner Jugend ... könnte ich doch nur die Zeit zurückdrehen ... . Immerhin bin ich weiser geworden in den letzten Jahren und kann dir der Mann sein, den du verdienst!"
„Ich hoffe so sehr, dass wir noch Zeit haben ... dass unser Sohn zu einem Mann heranwachsen und dich stolz machen kann. Wir hatten noch nicht unsere Zeit ... . Ich brauche dich Eomér!"
„Was auch immer kommen mag, sollte ich sterben, sterbe ich als glücklicher Mann mit einem Lächeln auf den Lippen! Du bist alles für mich Lynea!"
Eine Glocke läutete und bedeutete das Ende unserer viel zu kurzen Zweisamkeit.
„Ich liebe dich!" beendete ich die Unterhaltung und kleidete mich ebenso wie er an.
Gemeinsam gingen wir in die Königshalle, wo sich ein Rat einfand, um Pläne zu schmieden.
Zuerst lief ich dem Elb namens Legolas über dem Weg und ich nutzte die Gelegenheit mich bei ihm zu bedanken.
„Selbstverständlich – Herrin." Kommentierte er meinen Dank und nickte mit einem freundlichen Lächeln. Eomér ergriff meine Hand, nickte Legolas ebenfalls kurz zu und stellte sich neben ihm auf.
Natürlich wurde ich bereits von Aragorns Existenz unterrichtete, der sich nochmal persönlich bei mir vorstellte. Eowyn's Retter war also der König von Gondor. Ich war somit für dieses Land nicht mehr von Bedeutung und es stand nichts im Wiederspruch, um Eomér 's Frau zu werden.
Gespannt lauschten wir der Debatte zwischen Aragorn und Gandalf. Auch Legolas lauschte dem mit verschränkten Armen und skeptischen blick, während der Zwerg es sich auf dem Stuhl des Truchsess Pfeife rauchend bequem gemacht hatte.
Die Idee einer Ablenkung ward geboren. Mein Herz blieb stehen, als beschlossen wurde, dass alle Streitmächte sich für einen letzten Marsch sammeln sollten. Man erhoffte sich dem Ringträger Zeit zu verschaffen.
Eomérs Hand löste sich von meiner, denn er trat vor, um zu sprechen:
„Wir können keinen Sieg erringen durch Waffenstärke."
Aragorn vernahm seine Einwände, bestärkte aber seinen Grundgedanken.
Der Zwerg brachte es mit seinem Sarkasmus auf den Punkt.
„Den Tod als Gewissheit. Geringe Aussicht auf Erfolg. Worauf warten wir noch?!"
Angsterfüllt starrte ich zu meinen frischen Verlobten, der mit dem Rücken zu mir stand. Es wurde noch etwas diskutiert, was aber in dem Wirrwarr nicht eindeutig war.
„Bevor wir aufbrechen, will ich Lynea heiraten!" machte sich Rohan's König stark.
Lächelnd bewilligte Aragorn diese Bedingung und ließ alles vorbereiten.
„Eomér – geh nicht!" flehte ich ihn an, als wir zu unserem Sohn und Erania in die Gemächer gingen. Sobald das 'Ja' Wort ausgesprochen war und die Ehe besiegelte wurde, würde jeder Krieger, der zum Kämpfen im Stande war, zum schwarzen Tor reiten.
Er blieb mitten auf dem Weg stehen, packte meine Hand und zog mich schwungvoll in seine Arme. Seine Hände verschränkten sich hinter meinem Rücken und drückten mich an ihm.
Statt einer Predig, sah er mich einfach nur an.
„Ich weiß, dass meine Bitte töricht ist.... Ich habe dich doch gerade erst wieder und muss dich schon so schnell wieder verabschieden... und dann auch noch in so ein auswegloses Unterfangen."
„Gib mich nicht so schnell auf." Scherzte er.
Sein Plan ging auf und ich musste kurz darüber lachen.
„Niemals." Entgegnete ich dann ernst.
„Wenn ich sterbe, dann als Held. Als König, der versucht hat, sein Land zu retten. Als Ehemann, der versucht hat, seine Frau zu beschützen. Als Vater, der für die Zukunft seines Sohnes gekämpft hat."
Meine Hände legten sich auf seine Wangen.
„Du bist wahrlich ein Held! Mein Held undbevorzugt ein lebender Held!"
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