24 | Das wäre ein gutes Ende gewesen
So. Ihr denkt, das war alles? Tony hält eine pompöse Rede und plötzlich ist alles Friede Freude Eierkuchen? Zugegeben, es wäre ein optimales Ende gewesen. Aber es gibt noch einige ungeklärte Dinge, und viel mehr zu erzählen. Dafür spulen wir die Zeit etwas vor: Bis zu meinem Geburtstag.
♦
Ich wache nicht zu den ersten Sonnenstrahlen eines himmelblauen Sommermorgens auf. Was zum einen daran liegt, dass November ist, zum anderen befindet sich mein Zimmer auf der Westseite der Villa. Ich wache einfach normal auf, wie normale Menschen es halt tun. Doch sobald ich meine Augen aufschlage, fällt mir etwas ein, was mir ein breites Grinsen aufs Gesicht zaubert.
Ich bin Vierzehn. Dreizehn schien echt mein Unglücksjahr gewesen zu sein; mal sehen, vielleicht wird das nächste ja besser.
Ohne mich groß umzuziehen flitze ich die Treppe ins Erdgeschoss hinunter. Ein wenig enttäuscht bin ich schon, dass keine Luftballons im Wohnzimmer herumfliegen. Tony sitzt am Esszimmertisch, schlürft Kaffee und liest zur Abwechslung mal Zeitung.
»Morgen, Küken«, sagt er, als ich den Raum betrete. Ich sehe mich um. Keine Girlanden, keine Geschenke und erst recht Kuchen? Ich setze mich auf einen Stuhl.
»Weißt du, welcher Tag heute ist?«, frage ich skeptisch.
Tony faltet kurz die Zeitung zusammen. »Warte... Mittwoch?«
Gerade jetzt habe ich keine Lust auf seine Spielchen. »Nein, ich meinte ob heute vielleicht etwas Wichtiges ist...?«
»Jarvis, wie sieht mein Terminplaner für heute aus?«
»Sie haben heute keine Termine, Sir.«
»Danke, Jay. Siehst du?« Er widmet sich wieder der Zeitung.
»Vielleicht ein Geburtstag?«, gebe ich einen Denkanstoß. Langsam werde ich ungeduldig.
»Also hier gratuliert die Zeitung einer gewissen Rosaline Lee zum Achzichsten. Wieso fragst du?«
»Komm schon, Dad. Das ist nicht mehr lustig.«
»Ich weiß nicht, wovon du redest.« Ein Gerät auf dem Tisch gibt einen Piepton von sich. Tony klappt die Zeitung zu und steht vom Tisch auf. Wortlos schlendert er in Richtung Werkstatt.
Ich bleibe für einen kurzen Moment sitzen. Das kann er nicht ernst meinen, er verarscht mich nur. Also laufe ich ihm hinterher. Als ich am Ende der Treppe angelangt bin, wird es dunkel. »Was zur-«, murmele ich und taste mich mit meinen Händen vorwärts. Ich erreiche irgendeinen Schalter. Ohne lange zu überlegen drücke ich drauf.
Das Licht geht zwar an, aber gleichzeitig ergießt sich eine ganze Ladung Konfetti auf mich. Ich blinzele, für einen Augenblick verwirrt. Geburtstagströten ertönen. Dann sehe ich zwei von Tonys Robotern mit Patyhüten auf.
»Na?«, fragt Tony, der grinsend an einem Tisch steht.
»Ich wusste du verarschst mich.«
Er tritt einen Schritt zu Seite. Dort steht ein Kuchen mit bunten Kerzen. »Alles Gute zum Geburtstag, Judy.« Er umarmt mich, dann sagt er: »Okay, jetzt puste die Kerzen aus.«
Ich hole tief Luft, um alle auf einmal zu erwischen. Als ich mir einen Wunsch überlege, geht eine Kerze wieder an. Ich puste sie nochmal aus, doch da geht eine andere an.
»Ich tunke gleich den gesamten Kuchen in Wasser«, sage ich genervt.
»Tja.« Tony hebt entschuldigend die Hände, und wir beide lachen. Jetzt fängt einer der Roboter an, Happy Birthday zu dröhnen. »Nein, DUM-E, hör auf. Na toll, du hast es versemmelt, herzlichen Glückwunsch.«
DUMM-E senkt seinen Kopf - jedenfalls nehme ich an, dass es sein Kopf ist - und verzieht sich nach hinten.
»Vielleicht solltest du deinen Robotern keine Schuldgefühle einprogrammieren«, sage ich schmunzelnd.
»Auch egal.« Er deutet auf den Geschenkehaufen hinter dem Kuchen. »Es kamen ein paar Pakete an.«
Sofort stürze ich mich auf die Geschenke. Auf einer flachen Schachtel steht ›Mit den besten Wünschen zum Geburtstag, von Familie Nicholson‹. Ich luge kurz hinein. Eine teure Make-Up Palette.
»Das ist nicht sein Ernst«, stöhne ich. Ohne dem Geschenk weitere Beachtung zu schenken, befördere ich es in den Papierkorb. In den weiteren Päckchen sind hauptsächlich Bücher, was schonmal besser ist als Make-Up.
»Woher kennen die alle mein Geburtsdatum?«
»Du bist jetzt wohl auf meiner Wikipedia-Seite verlinkt. Außerdem bekomme ich auch immer Kram von Leuten, die ich kaum kenne«, meint Tony schulterzuckend und stößt das Newton'sche Pendel von einem gewissen Paul Lynberg an.
Auch die anderen aus dem Avengers-Trupp haben mich nicht vergessen. Von Steve stammt ein kleiner Feldstecher, Doctor Banner hat mir ein Buch über Gravitationswellen geschickt und Natasha und Clint Bartons Päckchen enthält ein Schweizer Taschenmesser. Wie's aussieht allerdings die SHIELD-Variante davon. Wie viele Funktionen das Ding hat, werde ich später noch herausfinden.
»Ich dachte, wir warten mit unseren Geschenken bis Pepper da ist«, sagt Tony. »Der Tag gehört dir. Was schlägst du vor?«
Ich sehe nach draußen. Ein Nieselregen hat eingesetzt. So richtig im Freien feiern konnte ich meinen Geburtstag noch nie. »Ich würde gern Zurück In Die Zukunft gucken«, schlage ich vor. »Aber zuerst will ich ein Stück von dem Kuchen.«
»Super Entscheidung.« Tony steht vom Tisch auf, gegen den er sich die ganze Zeit über gelehnt hat und nimmt die Kuchenplatte in die Hand. »Achja, und DUM-E, sei so gut und räum' das hier auf.«
♦
»Irgendwie ergibt das mit dieser Zeitreise nicht so viel Sinn«, gebe ich zu bedenken und werfe mir noch ein Popcorn in den Mund. »Wenn du in die Vergangenheit gehst, und diese veränderst, und du dann wieder in die vorherige Gegenwart zurückreist - wie kann diese dann anders sein als die, aus der du gekommen bist?«
Tony überlegt kurz. »Ich glaube einfach, dass dieser Film rein wissenschaftlicher Mist ist. Wohin würdest du reisen, wenn du eine Zeitmaschine hättest?«
Da müsste ich länger überlegen. Aber ganz spontan würde ich sagen: »Ich würde auf der Titanic mitfahren, nur um einen jungen Leonardo DiCaprio in echt zu sehen.« Das alles sage ich mit toternster Miene.
»Ich würde zu Newton reisen und ihn mit Äpfeln bewerfe.«
Ich pruste los.
»Nein ehrlich, dieses Pendel allein regt mich schon auf.«
»Du kannst auch andere Leute mit Äpfeln bewerfen dafür musst du nichtmal in die Vergangenheit reisen.«
Nach dem Film und zwei weiteren Stück Kuchen steht Tony von der Couch auf. »Warte hier.«
Einige Minuten später kommt er wieder, die Hände hinter dem Rücken. Neugierig setze ich mich im Schneidersitz hin.
»Ich wollte dir das noch geben bevor Pepper kommt, ich weiß nämlich nicht, was sie davon hält.« Jetzt bin ich umso mehr gespannt. »Mach die Augen zu«, fordert Tony mich auf. »Und nicht blinzeln.« Etwas metallisches schiebt sich unter meine Haare und auf meine Ohren. »Okay... Augen auf.«
Zuerst sehe ich keine Veränderung, doch sobald ich meinen Blick auf Tony richte, der auf der Sofalehne sitzt, öffne ich überrascht den Mund. »Wie cool ist das denn!« Überall in meinem Blickfeld schwirren Daten umher, in der rechten Ecke wird die Uhrzeit und Temperatur angegeben, links erkenne ich Koordinaten.
»Gefällt es dir?«
»Das ist genau das, was ich programmieren wollte! Danke Dad.«
Er lächelt und beobachtet, wie ich die Super-Brille ausprobiere.
»Was kann die alles?«
»Also außer Laserstrahlen schießen - ziemlich viel. Es gibt eine Nachtsicht-, Röntgen-, und Wärmebild-Funktion, Internet, ein integriertes Headset, und wenn du sie mit deinem Handy verbindest, kannst du auch Anrufe tätigen.«
»Das bekomme ich hin«, sage ich bestimmt. Eine neue Herausforderung, cool.
»Darauf zähle ich. Außerdem habe ich Jarvis gebeten, ab und zu ein paar Updates durchzuführen. Was ist der aktuelle Stand, Kumpel?«
»Sichtanpassung auf -0,5 Dioptrien«, meldet sich die KI.
Ich bin kurzsichtig? Okay, wow, davon wusste ich bis jetzt gar nichts. »Was ist mit meiner KI?«
»Du meinst die, die du mir geklaut hast? Ich dachte, das wird zu viel, also hab ich sie erstmal weggelassen.«
Ein bisschen enttäuscht bin ich schon, schließlich habe ich viel Zeit damit verbracht, sie zu programmieren. Aber was soll's, diese Brille ist mehr als cool. Ich setze sie ab und die Zahlen verschwinden. Äußerlich sieht sie aus wie eine ganz normale, schwarze Nerd-Brille mit dickem Rand.
»Nur, tu mir 'nen Gefallen und trag die bitte nicht immer, ja?«
»Ich versprech's«, sage ich, klappe die Brille zusammen und lege sie in das dazugehörige Brillenetui.
♦
Tony hatte die glorreiche Idee, Pepper und mich zum Essen einzuladen. Da heute mein Geburtstag ist, durfte ich aussuchen, wo. Ich habe mich für ein asiatisches Restaurant entschieden, weil ich Lust hatte, mit Stäbchen zu essen. Jetzt im Nachhinein war Reis doch keine so gute Idee. Nur mit Mühe schaffe ich es, den Reis irgendwie auf die Stäbchen und dann in meinen Mund zu befördern.
»Ich habe heute gehört, dass der Nicholson-Junge wegen Erpressung angezeigt wurde«, sagt Pepper.
»Der Sohn von William Nicholson?», fragt Tony nach. »Bei dem wundert mich das nicht wirklich. Wie hieß der nochmal, Brendon?«
»Brooklyn«, sage ich, woraufhin ich mir einen ›Soso‹-Blick von Tony einfange. »Was? Ich bin nur gut informiert.« Ich schlürfe an meinem Mangolassi.
»Sein Vater wird ihn da garantiert irgendwie rausholen, so einflussreich wie er ist. Glaubst du immer noch, dass seine Firma ein guter Geschäftspartner wäre?«, fragt Tony an Pepper gewandt.
»Der Junge hat einen Fehler begangen, aber Nicholson Enterprises hat nichts damit zu tun. Und schon gar nicht William selbst.«
»Aha, jetzt sind wir schon beim Vornamen.«
Irgendwie finde ich diese Streits wegen Banalitäten von Pepper und Tony sehr unterhaltsam. Mal sehen, in welche Richtung es sich diesmal entwickelt.
»Aber was, wenn der gute William auch dahintersteckt? Wenn er seinen Sohn dazu angestiftet hat-«
»Tony, du weißt wahrscheinlich noch nicht mal, worum es bei der Sache überhaupt ging.«
Tony öffnet den Mund, schließt ihn dann aber wieder als ihm einfällt, dass er keine weiteren Argumente hat.
»Was hat Brooklyn denn angestellt?«, frage ich, während ich mit einer weiteren Portion Reis kämpfe. Wenn ich an die Party zurückdenke, sehe ich wieder den grimmig-gelangweilten Typen vor mir. Dem traue ich auf jeden Fall alles zu.
»Er wollte in einen Club, hier in L.A., aber da er noch nicht volljährig ist-«
»Echt nicht?«, sage ich, ohne nachzudenken. Ich hätte ihn älter geschätzt.
Pepper redet weiter. »Die Türsteher haben ihn nicht reingelassen. Dann hat er Ihnen gedroht und sie beschimpft, und als das nicht funktioniert hat, wollte er sie mit Geld bestechen.«
»Wow.« Der war bestimmt so was von betrunken. Obwohl - auch nüchtern hätte er das locker machen können. »Wurde er festgenommen?«
»Weißt du, ich finde du zeigst ein bisschen zu viel Interesse an diesem Braxton«, meint Tony zu mir.
»Äh, entschuldige mal, das hat mich halt interessiert. Ich muss mir doch an anderen Promi-Kindern ein Beispiel nehmen.«
»Oh Gott, bitte nicht«, wirft Pepper ein. »Ein Draufgänger reicht mir vollkommen.«
»Komm schon, Pep, die Zeiten sind vorbei, in denen ich nachts um drei vollkommen besoffen über der Kloschüssel hänge.«
Ich verziehe das Gesicht. »Also das war zu viel Information. Themawechsel: Dad meinte, es gibt noch Geschenke?«
♦
Kurz bevor mir die Augen zufallen, höre ich ein dumpfes Geräusch direkt über mir. Es klingt, als wäre irgendwas auf dem Dach gelandet. Aber was? Ich schwinge mich aus dem Bett und laufe vorsichtig die Treppe aufs Dach hoch. Anscheinend haben Tony und Pepper nichts gehört. Habe ich mir das nur eingebildet?
Aber ich bin nicht allein auf dem Dach. Eine Gestalt hebt sich dunkel von Nachthimmel ab.
Ich kneife die Augen zusammen. »Thor?«
Er dreht sich um. Es ist tatsächlich kein anderer als der Gott des Donners. Hier. In Malibu.
»Das ist also Starks Zuhause.« Er sieht sich um. Sein Umhang weht episch im Wind. »Eine schöne Umgebung.«
»Was - was machst du hier?«, frage ich. Er kann ja nicht einfach auf eine Tasse Tee vorbeigekommen sein.
»Es ist kalt. Vielleicht sollten wir lieber hineingehen?«
»Äh, lieber nicht. Ich weiß nicht, was mein Dad davon halten würde. Er hat dich bestimmt nicht erwartet, schon gar nicht mitten in der Nacht.« Trotzdem friere ich in meinem Pyjama.
»Ach.« Thor klingt enttäuscht. Er stellt seinen Hammer ab.
Ich setze mich neben ihn auf die Dachkante und ziehe die Knie an. »Jetzt sag schon.«
»Ich war Jane besuchen, in London, und dann hörte ich, dass die Tochter meines Freundes Tony Stark Geburtstag hat. Also dachte ich mir, bevor ich nach Asgard zurückkehre, sehe ich kurz vorbei.« Er drückt mir eine Tüte in die Hand, auf der ›Es ist ein Mädchen!‹ steht.
Ich bringe es nicht über's Herz ihm zu sagen, dass man sowas normalerweise nur zu echten Geburtstagen schenkt. »Wow, danke. Ich habe mir schon immer...« Ich sehe hinein. »...eine pinke Federmappe und ... Haarspangen gewünscht.«
Der Gott des Donners grinst zufrieden. Dann wird sein Gesichtsausdruck wieder ernst. »Mein Bruder...« Er lässt eine Pause.
»Loki?«, frage ich.
»Ja, Loki. Er ist tot. Ich dachte, das solltest du wissen.«
»Gott sei - ähm - das tut mir leid für dich, Thor. Wirklich.« Tot. Loki ist tot. Moment... ich hatte schon lange keine Albträume mehr, hängt das vielleicht damit zusammen? »Wie und wann ist es denn passiert?«, taste ich mich vorsichtig heran.
Thor sieht lange auf das Meer hinaus. »Die Dunkelelfen haben meinen Heimatplaneten angegriffen, und sind danach auch hier auf die Erde gekommen. Das ist schon einige Zeit her.«
»War das dieses schwarze Raumschiff in London?« Ich erinnere mich, darüber etwas in den Nachrichten gesehen zu haben. Aber mit Thor hätte ich das nicht in Verbindung gebracht.
»Ja. Malekiths Schiff. Er tötete auch meine Mutter.«
»Oh.« Wow, Judy, mehr fällt dir dazu nicht ein? Seine halbe Familie ist gestorben.
»Aber immerhin habe ich ja noch Jane und meinen Vater und Mjölnir hier«, sagt Thor und tätschelt seinen Hammer, der neben ihm auf der Dachkante steht.
»Thor, es ist okay, du darfst traurig sein, wer wäre das nicht? Das war ein harter Sommer für dich, oder?«
Der Gott des Donners sieht auf das Meer hinaus. Etwas glitzert in seinen Augen. Sind das etwa Tränen? »Bei uns Asgardianern«, sagt er nach einer Pause, »ist es Brauch, die Toten mit einem Schiff über Asgards Meer fortsegeln zu lassen. Zu einem besseren Ort. Meine Mutter ist jetzt dort, und Loki auch.«
»Das klingt schön.« Jetzt wird die Kälte langsam unangenehm.
Thor hievt sich hoch und schwingt seinen roten Umhang nach hinten. »Es war nett, Euch zu besuchen. Vielleicht ist Stark das nächste Mal selbst da, um zu plaudern. Richte ihm meine besten Wünsche aus.«
»Mach ich.«
Thor streckt Mjölnir in die Luft. Vom Himmel herab schießt ein regenbogenfarbener Strahl. Der Wind wirbelt meine Haare durcheinander und ich kneife die Augen zu. Als ich sie wieder öffne, ist der Gott des Donners verschwunden, und nur ein kunstvoller Kreis bleibt auf dem Dach zurück. Ob diese Art von Dekoration wohl den anderen gefallen wird?
Als ich wieder ins Haus gehe, schwirrt nur ein Gedanke in meinem Kopf herum. Das beste Geburtstagsgeschenk von allen: Nie wieder Angst vor Albträumen.
~
Sorry für die ganzen Umstellungen, vielleicht war das ein wenig verwirrend.
Aber jetzt bin ich mit der Formatierung zufrieden. ^^
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro