8 | Überzeugungsarbeit
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STARK TOWER, NEW YORK
Ich liege auf einem modernen, cremefarbenen Ledersessel, die Beine über die Lehne geschlagen, während Pepper die Abkopplung des ARK-Reaktors vom New Yorker Stromnetz überwacht. Sie tippt an einem Hologramm des Stark Towers herum.
»Hast du die Leitungen getrennt? Sind wir vom Netz abgekoppelt?«, fragt sie gerade über ein Headset.
»Stell mal bitte auf laut«, rufe ich zu ihr rüber. Kurz darauf hört man Tonys Stimme über die Lautsprecher.
»Der Stark Tower ist ab sofort das Wahrzeichen für saubere, nachhaltige Energie.«
»Vorausgesetzt, der ARK-Reaktor springt an und funktioniert tatsächlich«, zweifelt Pepper.
»Das wird schon«, gebe ich meine Meinung ab.
»Hey Küken. Okay, dann knips mal das Licht an«, sagt Tony.
»Ohhh, darf ich das machen? Bitte!«, bettele ich und hüpfe vom Sessel auf. Pepper nickt und rückt ein Stück vom Tisch weg. Ich ziehe einen holografischen Hebel in die Höhe und stelle damit die Lichter des Stark Towers an. Sofort renne ich zum Fenster und drücke mein Gesicht an die Glasscheibe. Ganz New York ist hell erleuchtet, Autos fahren die Straßen entlang und in der Ferne glitzert der East River im Schein der Stadt. Ich schiele nach unten, und sehe, wie der Tower Etage für Etage erleuchtet wird.
»Wie sieht es aus?«, fragt Pepper neugierig, als die Lichter jetzt auch die Appartementebene erreichen, auf der wir uns befinden. Tony schweigt kurz, wahrscheinlich, um den Moment auszukosten.
»Wie Weihnachten, nur mit mehr von ... mir.«
Ich verdrehe die Augen und schlendere zur wieder zurück zur Couchecke, während Pepper weiterhin mit Tony redet.
»Wir müssen die Aufklärungskampagne voranbringen, du musst mit der Presse reden. Ich bespreche morgen in Washington die Bauvorschriften für die nächsten drei Gebäude.«
Ich runzele die Stirn. »Du fliegst nach Washington?«
Sie gibt mir mit einer Handbewegung zu verstehen, dass ich leise sein soll, und ich nehme mein Handy vom gläsernen Couchtisch. Jetzt habe ich endlich eine Eisenspitzhacke, was bedeutet, dass ich die Diamantader unter dem Akazienwald abbauen kann...
Vertieft in Minecraft bemerke ich Tony erst, als er schon neben Pepper am Tisch steht. Ich blicke kurz auf. Er hat seinen Anzug ausgezogen und trägt jetzt ganz normale Kleidung und Turnschuhe. Und den Mini-ARK-Reaktor natürlich, der ihn am Leben hält.
Schon seit ein paar Monaten wohne ich jetzt offiziell bei Tony Stark, meinem leiblichen Vater, von dem ich jahrelang nichts wusste. Okay, auch er wusste nichts von mir. Trotz einiger anfänglichen Verständigungsschwierigkeiten kommen wir nun gut miteinander klar. In der letzten Zeit haben wir uns hauptsächlich um die Weiterentwicklung des ARK-Reaktors gekümmert, ein Energieprojekt für New York.
»Die Werte scheinen stabil zu sein«, murmelt Pepper. »Denke ich...«
»Natürlich, ich hab mich ja selbst drum gekümmert. Was mich zu meiner nächsten Frage führt: Wie fühlt man sich denn so, als Genie?«, fragt Tony.
»Naja, woher soll ich das denn wissen?«
»Was meinst du? All das hier kommt von dir.«
So ein Schleimer. Ich verdrehe die Augen, blende die beiden wieder aus und hänge mich kopfüber auf den Sessel. Gerade als ich einen besonders hartnäckigen Zombie ins quadratische Jenseits befördert habe, explodiert hinter mir ein Creeper. Verärgert schnaube ich auf. Dadurch bemerke ich nun auch Pepper, die lachend auf die Couchecke zugelaufen kommt.
»Zwölf Prozent, mein Baby?« Sie kniet sich an den Tisch und schenkt zwei Gläser Sekt ein.
Jetzt kommt auch Tony zu uns. »Na ich hab die ganze Schwerarbeit gemacht, im wahrsten Sinne, ich hab das ganze schwere Zeug hochgeholt. Und entschuldige, aber diese Sicherheitspanne ging ja wohl auf dich. Mein Privatfahrstuhl–«
»Du meinst unseren Fahrstuhl?«, unterbricht ihn Pepper.
»Da drin wimmelte es nur von schwitzigen Arbeitern», fährt er fort.
»Du hast gar nicht alles allein hochgetragen«, beschwere ich mich und deute auf eine aufwendig verzierte Vase auf einem Beistelltisch. »Diese Vase da, die hab ich getragen.«
»Mag sein, aber erinnerst du dich, es waren ursprünglich zwei Stück«, kontert Tony und wendet sich wieder an Pepper. »Für die Bemerkung mit den Prozenten werde ich nachher noch auf subtile Art bezahlen, richtig?«
»So subtil wird das nicht«, sagt diese lächelnd.
Ich runzele wieder die Stirn. »Prozente? Habe ich irgendwas verpasst?«
Tony wimmelt mich mit einem genervten Blick ab.
»Is ja gut«, murmele ich und wende mich wieder meinem Handy zu.
»Ich sag dir was. Beim nächsten Gebäude schreiben wir Potts ganz oben drauf«, verspricht Tony und nimmt das Sektglas von Pepper entgegen.
»Auf den Vertrag«, ergänzt sie.
Er verzieht ertappt das Gesicht. »Darfst du hier schlafen? Frag deine Mom.«
Pepper lacht. »Apropos...«
»Ah genau. Judy, ab ins Bett«, pflichtet ihr Tony bei.
Ich protestiere. »Aber es ist doch erst...« Ich schaue auf meine Uhr, »...kurz nach zehn?«
Da klingt Jarvis' Stimme durch den Raum. »Sir, das Telefon. Meine Kommunikationsprotokolle wurden überschrieben.«
Tony seufzt und greift nach einem Holopad. »Keine Widerrede, ab geht's«, wimmelt er mich ab. »Gute Nacht, Küken.«
Seufzend stehe ich auf und verschwinde in Richtung Treppe. Natürlich gehe ich nicht hoch, sondern verstecke mich hinter einer Säule. Ich höre, wie sich die Fahrstuhltüren öffnen.
»Mr Stark«, sagt eine mir unbekannte Stimme.
»Phil, kommen Sie rein«, antwortet Pepper.
Die nächsten Worte sind undeutlicher, aber anscheinend möchte der Mann, dass sich Tony etwas ansieht. Kurz darauf läuft dieser in mein Blickfeld. Ihn kann ich jetzt auch laut und deutlich verstehen. Er hat eine Art Notebook in der Hand und entschlüsselt anscheinend gerade dessen Daten.
»Die Avengers-Initiative wurde eingestampft, dachte ich. Und ich war sowieso nicht geeignet«, beschwert sich Tony und platziert das Notebook auf einem Tisch.
Die Avengers? Davon habe ich noch nie etwas gehört. Ist das eine Art Club? Kein Wunder, dass die Tony nicht haben wollen. Teamarbeit ist nicht unbedingt seine Sache.
»Ja, offenbar bin ich sprunghaft, egozentrisch und nicht teamfähig«, fährt er fort, als hätte er meine Gedanken gelesen.
»Hier geht es nicht mehr um Persönlichkeitsprofile«, ruft der Mann etwas lauter.
»Miss Potts, eine Sekunde?«, ordert Tony diese zu sich an den Tisch, auf dem er das Notebook aufgebaut hat. Ich kann die beiden von meinem Versteck aus beobachten, aber jetzt führen sie ein Gespräch im Flüsterton. Bis Tony die Dateien öffnet und Bilder in den Raum projiziert.
Soweit ich erkennen kann, sind es Informationen über bestimmte Menschen. Oder große, grüne Monster, wie ein Videoausschnitt in meiner Nähe zeigt. Was ist das alles? Anscheinend nichts Gutes. Pepper scheint nicht unbedingt begeistert zu sein.
Sie seufzt. »Ich nehm den Jet und fliege heute noch nach D.C.«
»Morgen«, bittet Tony.
»Du hast Hausaufgaben«, sagt sie mit einem Blick auf die Daten. »Jede Menge.«
Damit wendet sie sich ab. Kurz darauf höre ich das Geräusch der schließenden Fahrstuhltüren, dann ist Stille. Nur Tony steht weiterhin ratlos zwischen den vielen Informationen. Er greift einen holografischen, blauen Würfel heraus. Interessiert lehne ich mich ein Stück vor.
»Ich habe doch gesagt, du sollst ins Bett gehen«, sagt Tony, ohne sich umzudrehen.
Ertappt trete ich hinter der Säule hervor. »Wie hast du's bemerkt?«, frage ich trotzig.
»Ich wusste's nicht. Hab geraten. Zufall.« Er zuckt mit den Schultern und dreht sich mit einem triumphierenden Lächeln zu mir um. Empört klappe ich den Mund auf.
»Wenn du jetzt nicht hochgehst, dann ordere ich Pepper zurück«, droht er mir.
Ich verdrehe die Augen und beginne den Aufstieg der Treppe.
»Und komm ja nicht auf die Idee, mir hinterher zu spionieren!«, ruft er mir noch nach.
Kurz bleibe ich am oberen Geländer stehen. »Als ob ich das jemals getan hätte!«
♦
Es scheppert. Müde hieve ich mich aus meinem Bett und gähne. Ich schaue auf den Wecker. 8:50 Uhr. Muss Tony um diese Uhrzeit schon so einen Lärm veranstalten? Ich werfe mich in ein paar Klamotten – eine Jeans und ein weißes T-Shirt mit der Aufschrift O und Mg in kleinen Quadraten – und gehe die Treppe runter.
»Wo willst du hin?«, frage ich Tony, der an mir vorbeiläuft.
»Stuttgart, Deutschland«, antwortet er knapp und klappt das Notebook zu.
»Nimmst du den Anzug?« Würde mich wundern, Stuttgart ist ziemlich weit weg.
»Hab ich überlegt, aber ich nehme besser den Jet. Die Energie wäre aufgebraucht, ehe ich den Atlantik überquert habe«, erklärt er und läuft ein paar Stufen hinauf. Ein Jet? ich wusste gar nicht, dass er einen hier im Tower hat.
»Warum gehst du dahin? Ist es eine Mission?«, hake ich nach und folge ihm.
»Geht dich nichts an.« Tony öffnet die Tür zu dem Raum, in dem er seinen Anzug aufbewahrt.
»Eine super-mega-streng-geheime Mission also? Ich will mit«, sage ich bestimmend und lehne mich in den Türrahmen.
»Was? Nein, kannst du vergessen.«
»Ist es gefährlich?«
Er lacht. »Wahrscheinlich sehr sogar.«
»Wenn du mich nicht mitnimmst, dann fliege ich dir hinterher«, drohe ich.
»Wirst du nicht«, sagt er, ohne innezuhalten und werkelt an einem Anzug herum.
»Werd ich wohl. Ich klau einen deiner Anzüge«, drohe ich.
»Du bleibst hier. Ende der Diskussion. Außerdem will ich mir nicht ausmalen, was Pepper dazu sagen würde.«
»Aber–«
Tony unterbricht mich und wedelt mit einem Holopad vor meiner Nase herum. »Kein aber.«
»Was, wenn der Stark Tower plötzlich angegriffen wird? Oder der ARK-Reaktor explodiert?«, überlege ich.
»Das ist vollkommen unmöglich.«
»Wenigstens nur in den Jet? Komm schon«, bettele ich.
Schließlich gibt sich Tony geschlagen. Er seufzt und reibt sich den Nasenrücken. »Na schön. Alles auf deine Verantwortung.«
»Du bist hier der Erwachsene, der Verantwortung tragen sollte«, erwidere ich witzelnd.
»Hör auf mich zu nerven, sonst sperre ich dich irgendwo ein, damit du nicht mitkommen kannst. Und das mache ich, ganz bestimmt.«
Das würde er doch sowieso nicht machen. Ich renne schnell in mein Zimmer und packe meinen Rucksack. Danach fahren wir ganz hoch aufs Dach. Tony betätigt eine Taste auf einer Fernbedienung und eine Art Garagentor öffnet sich. Hier steht ein kleiner, aber wendiger Jet, was ich ein wenig übertrieben finde. Selbst Pepper ist zum Flughafen gefahren, um ein normales Flugzeug zu nehmen. So normal ein Stark Industries Privatjet nunmal sein kann.
»Ich hoffe doch Pepper weiß davon?«, frage ich.
»Na klar«, sagt Tony, wenig überzeugend.
»Schnall dich gut an, das wird ein rasanter Flug«, warnt er mich, als wir im Cockpit sitzen.
»Kannst du das Ding wirklich fliegen?«, frage ich erstaunt und sehe mir die ganzen Knöpfe und Hebel an.
»Nein, das erledigt Jarvis. Solange...« Er drückt einen Knopf und eine Minibar schwingt sich aus der Wand heraus. Ich verdrehe die Augen. Natürlich gibt es eine Minibar.
»Bist du dir sicher, dass du vor deiner Mission etwas trinken willst?«, frage ich zweifelnd.
»Ja. Problem damit? Was soll das sonst für eine Party werden?«, antwortet er und gießt sich eine bernsteinfarbene Flüssigkeit in ein Glas.
»Ich dachte, es ist eine Mission?«
»Wo liegt da der Unterschied?«
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