41. Suche nach Spuren und Hinweisen
Gewissenhaft suchten wir die Mauer und die Umgebung ab. Stück für Stück arbeiteten wir uns vor. Drehten jeden Stein dreimal um. Suchten nach Spuren im Schnee. Schnee, der nicht mehr weiß wie die Unschuld war. Sondern rot. Rot wie Blut. Blut von den Beißern. Blut von den Menschen. Doch von Ron und Carl fehlte jede Spur. Kein noch so winziges Zeichen war zu finden. Fluchend trat ich gegen einen toten Beißer. Wusste gerade nicht wohin mit meiner Verzweiflung und meiner Wut. So trat ich immer und immer wieder gegen den Beißer. Sprach dabei auf Deutsch die schlimmsten Flüche aus, die mir einfielen, als ich plötzlich eine Hand auf meine Schulter spürte. Erschrocken drehte ich mich um und sah Daryl an.
„Es bringt heute Nacht nichts mehr. Ich suche morgen weiter" erklärte er mir leise. Dankbar lächelte ich ihn kurz an, dann machte ich mich auf den Rückweg zum Haus. Die Bewohner Alexandrias waren dabei, die Straßen grob zu räumen, doch dafür hatte ich gerade keine Nerven. Zuhause angekommen ging ich in die Küche und ließ mich auf einen Stuhl fallen.
„Habt ihr sie gefunden?" fragte Mikko mich und ich schüttelte nur stumm den Kopf.
„Es geht ihnen sicher gut" flüsterte er und drückte mich fest an sich. Schnell löste ich mich wieder aus seiner Umarmung. Wollte jetzt alleine sein. Oben im Bad flogen die blutgetränkten Klamotten in die Ecke und ich stellte mich in die Dusche. Genoss das heiße Wasser auf meiner kalten Haut. Schrubbte mir das trockene Blut ab, bis meine Haut rot war. Anschließend zog ich meinen Jogginganzug an und verkroch mich in mein Bett.
Wo waren die beiden nur? Sie konnten doch nicht einfach spurlos verschwunden sein. Ich hoffte so sehr, dass es ihnen gut geht. Ich wälzte mich auch Stunden später noch im Bett herum. Ich kam einfach nicht zur Ruhe. Ich konnte nicht schlafen. Ob ich zu Samu und Mikko gehen sollte? Oder sollte ich weiter nach Spuren suchen? Irgendwas musste doch zu finden sein.
Ich entschied mich für letzteres und zog mich wieder an. Ich steckte meine Waffe und mein Messer ein und nahm eine Taschenlampe. Leise schlich ich hinunter und hinterließ auf dem Küchentisch eine Nachricht für die anderen und ging raus. Heute Nacht war es eiskalt und der Himmel wolkenfrei. Die Sterne strahlten. Doch dafür hatte ich gerade keinen Blick. Ich ging direkt zur Mauer und fing mit meiner Suche an. Jeden Stein drehte ich herum. Untersuchte jeden Balken und jede Platte von der Mauer. Vielleicht war ja eine lose. Durchsuchte den Schnee nach Hinweisen oder Spuren, doch damit kannte ich mich leider nicht so gut aus.
„Was machst du da?" rief Rosita, die heute Nachtwache auf der Plattform har, zu mir herunter.
„Ich konnte nicht schlafen, deswegen suche ich weiter nach Spuren. Irgendwas muss doch zu finden sein" erwiderte ich leise.
„Da scheinst du nicht die einzige zu sein. Daryl sucht auch schon seit Stunden" erklärte sie mir und ich sah sie sprachlos an. Er suchte weiter? Ich dachte, er wollte morgen erst weitermachen.
„Übertreibe nicht" knurrte es da leise neben mir von ihm. Man, er soll sich nicht immer so heranschleichen.
„Hast du etwas gefunden?" erkundigte ich mich hoffnungsvoll bei ihm.
„Komm mit" knurrte er und ich folgte ihm. Er ging zu dem hölzernen Wachturm, der nach wie vor so aussieht, als ob er gleich einstürzen würde. Ein paar der Bewohner hatten ihn in der Zwischenzeit etwas stabilisiert und wollten ihn morgen reparieren.
„Ich habe genau hier das gefunden" sprach er leise, als er an der Stelle stand, wo die Beißer hineingekommen sind und hielt mir etwas Glänzendes hin. Als ich erkannte, was es war, blieb mein Herz stehen. Vorsichtig nahm ich meine Kette an mich und strich sanft über den kalten Anhänger.
„Er hätte sie niemals verloren" flüsterte ich leise und betrachtete das vierblättrige Kleeblatt.
„Vielleicht ist sie ihm runtergefallen. Oder er wollte so eine Spur legen" erwiderte Daryl. So schnell ich konnte lief ich zum Tor zurück und ließ es von Eugene, der heute Wache am Tor schob, öffnen. Ich rannte außen an der Mauer zum Wachturm zurück und hörte, wie Daryl mir folgte. Dort angekommen sah ich mich unruhig um. Ein mulmiges Gefühl beschlich mich.
„Sie können hier doch gar nicht rausgekommen sein. Hunderte Beißer sind hier durchgekommen..." flüsterte ich leise.
„Vielleicht vorher schon. Oder hinterher" meinte Daryl und sah sich suchend um. Nach kurzer Zeit hockte er sich hin.
„Hier sind Fußspuren. Eindeutig nicht von den Beißern" er stand wieder auf und folgte diesen ein paar Schritten, „Ich erkenne vier verschiedene Abdrücke" wieder hockte er sich hin und berührte vorsichtig den Schnee mit seinen Fingerspitzen, „Nein warte. Es sind mindestens sechs Paar" erklärte er.
„Das kann nicht sein. Hier war keiner von uns..." erwiderte ich leise und mein mulmiges Gefühl wurde schlimmer. Er folgte den Spuren am Waldesrand und ich folgte ihm. Ich erkannte Fußspuren, konnte aber nicht erkennen, wie viele es waren. Ein paar hundert Metern folgten wir ihnen, dann blieb er am Straßenrand stehen.
„Hier hören die Fußabdrücke auf. Es sieht aus, als ob zwei von ihnen mitgeschliffen wurden und hier standen zwei Autos, mit denen sind sie weitergefahren" er deutete auf Reifenspuren.
„Sie wurden entführt?" fragte ich nun entsetzt und er nickte leicht. Scharf zog ich die Luft ein. Warum sollte jemand die beiden entführen? Sie waren doch noch halbe Kinder.
„Wir müssen ihnen folgen. Jetzt" erklärte ich bestimmend und wollte schon losgehen, als Daryl mich an der Schulter festhielt.
„Zu Fuß bringt das nichts. Sie haben etliche Stunden Vorsprung. Ich werde ihnen mit dem Auto folgen. Du musst Rick Bescheid sagen" erklärte er mir.
„Aber..."
„Nichts aber. Ich gehe alleine. Alleine bin ich schneller und ich kenne mich hier besser aus. Ich werde sie finden" unterbrach er mich barsch und ich ließ den Kopf hängen. Ich wusste, dass er Recht hatte und so nickte ich nur. Zusammen gingen wir zurück nach Alexandria und wurden von Eugene hineingelassen. Daryl verschwand in sein Haus und kam nur kurz darauf mit einem Rucksack Proviant, einer Waffe und seiner Armbrust wieder heraus.
„Pass bitte auf dich auf" flüsterte ich leise und legte die Arme um ihn. Angespannt stand er kurz regungslos da, dann legte er für einen kleinen Augenblick einen Arm um mich und drückte mich nickend an sich. Schon saß er in einem silbernen SUV und fuhr los, während Eugene hinter ihm das Tor verschloss. Mehrmals atmete ich tief durch, um mich selber zu beruhigen, dann ging ich zu Rick seinem Haus. Es musste jetzt in den frühen Morgenstunden sein und leise klopfte ich. Nur kurz darauf öffnete Michonne verschlafen die Tür und schaute mich grimmig an.
„Entschuldige bitte die frühe Störung. Ich muss Rick sprechen. Es ist wichtig" erklärte ich ihr.
„Er kommt gleich" erwiderte sie und ließ mich herein. Wir schwiegen uns an, während wir warteten, doch ich konnte ihren Blick auf mich spüren.
„Morgen Josie. Was gibt es?" fragte mich Rick. Ich erklärte ihnen, was wir eben gefunden haben. Auch unsere Vermutung und das Daryl schon unterwegs war, um ihnen zu folgen und sie zu finden.
„Wer könnte sie denn entführen? Das macht doch keinen Sinn" überlegte Rick laut, während er aus dem Fenster starrte.
„Daran bist du schuld. Wärt ihr nicht aufgetaucht, wäre das alles nicht passiert" meinte Michonne vorwurfsvoll zu mir.
„Spinnst du? Ich war gar nicht hier, als das passiert ist. Außerdem würde ich den beiden niemals auch nur ein Haar krümmen" erklärte ich ihr erbost.
„Es reicht Michonne. Josie hat damit sicher nichts zu tun" meinte Rick bestimmend und Michonne verließ schnaufend den Raum.
„Könntest du dich heute um Judith kümmern? Ich werde ein paar Suchtrupps losschicken, um die Umgebung im Blick zu behalten. Ich werde mich auch auf die Suche machen. Er ist mein Sohn. Ich muss einfach. Aber erst muss ich mit Jessie reden" meinte Rick zu mir gewandt.
„Natürlich. Fahr ruhig, wir kümmern uns hier um alles. Auch um die Reparatur vom Wachturm" erklärte ich ihm. Nickend ging er hoch und kam kurz darauf mit der noch schlafenden Judith und ihrer Tasche wieder herunter. Vorsichtig nahm ich sie auf den Arm.
„Passt auf euch auf da draußen" und mit diesen Worten ging ich zurück zum Haus. Dort war noch alles ruhig. War es auch immer noch dunkel draußen. Ich kickte meine schwarzen Boots in die Ecke und schlich leise die Treppen hoch. Geräuschlos öffnete ich die Zimmertür von Mikko und Samu und spähte hinein. Sie schnarchten leise um die Wette. Ich wollte jetzt nicht alleine sein, so krabbelte ich vorsichtig mit Judith ins Bett und legte uns zwischen sie.
„Hey. Ist alles okay?" nuschelte Samu verschlafen und blinzelte uns an.
„Nicht wirklich... Mag gerade nicht alleine sein" erwiderte ich leise.
„... niemals alleine..." nuschelte Mikko fast unverständlich und legte seinen Arm um uns. Samu tat es ihm gleich. Durch die Wärme, die die beiden ausstrahlten, merkte ich erst, wie kalt mir inzwischen war und es dauerte auch nicht lange, da schlief ich erschöpft, aber unruhig ein.
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