Sünder
Als Jimmy am nächsten Tag zur Farm zurückkehrte, musste er sich arg zusammen reißen, seinen Unmut nicht zu zeigen. Oh, diese Maggie Esmeralda! Er hatte sie gesehen und es war um ihn geschehen. Sie war Leben. Sie war Sonne, und sie hatte seinem Werben ziemlich schnell nach gegeben. Nur wie sollte er es Annemarie erklären? Ja, nach zwei Monaten war alles verschwunden gewesen, sein Glücksgefühl, seine Verliebtheit. Geblieben war Trübsinn, der Geruch eines sterbenden Körpers, der ihn jedesmal begrüßte, wenn er heimkam. Er ertrug das alles nicht mehr. Ertrug Jeff nicht mehr. Selbst die Farmarbeit brachte ihm keinen Spaß und der Sex mit Annemarie war zur Routine geworden. Ethel war ziemlich sauer auf ihn, Elsa überglücklich, dass sie ihn wieder hatte. Und nun war er gekommen, um Annemarie zu sagen, dass er sie verlassen würde. Hatte sich auf der Fahrt immer wieder die Worte zurecht gelegt. Er würde Anne nichts von Maggie sagen. Würde ihr erzählen, dass er gemerkt hätte, dass das Farmleben doch nicht sein Ding war und er auf eine Bühne gehörte. Oder so ähnlich... Jimmy seufzte. Er saß immer noch im Auto, traute sich kaum, auszusteigen. Er tippte auf dem Lenkrad herum und pfiff nervös den Song aus dem Radio mit. Nur noch ein paar Minuten, bis er zu Ende ist, dachte er. Dann gehe ich hinein und erkläre es ihr. Und wenn sie versuchen sollte, mich gleich ins Schlafzimmer zu zerren, werde ich es ihr kurz besorgen, damit sie nicht allzu traurig ist. Verdammt, dachte er, ich glaube, ich krieg ihn bei ihr gar nicht mehr hoch! Schon jetzt spürte er die drückende Melancholie des Hauses. Und Jeff machte einfach keine Anstalten, abzukratzen! Der Song war vorbei. Jimmy atmete tief ein, dann schaltete er den Motor aus. Fuhr sich durch's Haar. Herrgott, war das schwer! Weil er Annemarie geliebt hatte, oder? Aber vielleicht war es auch nur die Herausforderung gewesen und sein Zögern kam von dem schlechten Gewissen, sie nun wieder in ihrem dunklen Loch zurücklassen zu müssen. Es hatte Spaß gemacht, sie zu lieben, ja, doch er hatte in dem letzten Monat mehr und mehr bemerkt, wie sehr ihm alles hier auf das Gemüt schlug.
Jimmy stieg aus dem Wagen und ging langsam zum Haus. Er war so mit sich selbst beschäftigt gewesen, dass er den anderen Wagen jetzt erst bemerkte. Dr. Bonham's Wagen. Jimmy ging schneller und er verspürte einen leichten Anflug von Angst. Als er das düstere Gebäude betrat, hörte er Stimmen aus der Küche. Annemarie weinte und der Arzt sagte gerade:
„Hören sie, Mrs. Evans, es nützt niemandem etwas, wenn sie auf dem elektrischen Stuhl landen. Der Schlauch ist einfach rausgerutscht, so etwas kommt vor."
„Nein!" heulte Annemarie. „Die Zeit der Lügen ist vorbei. Ich bin eine schlechte Frau, Dr. Bonham. Ich muss bestraft werden!"
Jimmy zuckte zusammen. Er schaute in das Krankenzimmer, Jeff war vollkommen zugedeckt, die Geräte abgestellt. Ihm sackte das Herz in die Hose. Warum jetzt? Der Arzt dröhnte laut:
„Wofür bestraft? Dass sie die Stadt vor einem Killer gerettet haben? Dass sie ganze sieben Jahre lang ihren Mann gepflegt haben? Und ihm jetzt das Himmelreich geschenkt haben, dabei ihre Seele geopfert haben? Mrs. Evans, ich habe sie sehr gerne. Ich will nicht, dass sie ins Gefängnis müssen, wie eine Schwerverbrecherin. Deshalb werde ich in meinen Bericht schreiben, dass es ein Unfall war!"
Endlich betrat Jimmy die Küche. Annemarie blickte nur kurz zu ihm auf, blieb aber auf dem Stuhl sitzen. Dr. Bonham drehte sich zu dem Zirkusjungen um.
„Mr. Darling. Sie sind ja noch hier." sagte er trocken.
Was auch immer das zu bedeuten hatte. Jimmy nickte ihm zu. Ging zu Annemarie und wollte sie umarmen, doch sie hob die Hände.
„Nein. Nein. Gut, wenn sie meinen, Dr. Bonham. Schreiben sie, dass der Schlauch raus gerutscht ist. Aber wie kann ich Jeff davor bewahren, dass die Ärzte aus dem Krankenhaus ihn bekommen? Sie wissen doch, dass sie ihn für Forschungszwecke wollen und ich hatte damals in meiner Trauer zugestimmt."
Jimmy lies sich auf einen Stuhl fallen.
„Wir könnten ihn verschwinden lassen." murmelte er.
Er dachte an seinen merkwürdigen Traum. Stanley, der Jimmy's Hände abschneiden wollte, als Gegenleistung dafür, dass er ihn aus dem Gefängnis holen würde. Weil Jimmy Annemarie ermordet hatte, um mit Maggie zusammen zu sein. Merkwürdiger Traum. Er hätte gestern nicht soviel Pot rauchen sollen!
„Jeff wollte begraben werden. Auf dem Friedhof des Klosters, wo wir uns kennen gelernt haben..." flüsterte Annemarie und wischte sich eine Träne weg. „Wie soll ich das nur schaffen? Ich kann ihn doch nicht außer Landes schmuggeln, und schon gar nicht, ohne Geld!" weinte sie leise.
Dr. Bonham seufzte.
„Nun, ich möchte mich da raushalten, Mr. Darling wird ihnen bestimmt helfen. Nur warten sie nicht zu lange, sonst beginnt der Körper, zu stinken."
Annemarie nickte.
„Danke, Dr. Bonham. Auf Wiedersehen."
„Machen sie es gut, Mrs. Evans. Mr. Darling..."
Er verließ die Küche und Jimmy wollte Anne's Hand nehmen, doch sie zog sie weg.
„Ich habe Jeff getötet." hauchte sie. „Nachdem ich mich an ihm vergangen habe. Ich bin eine widerliche Frau..."
„Das ist Nonsense. Du hast ihn erlöst, er wollte das doch. Und das andere...das geht...ging doch gar nicht mehr. Du hast sicherlich geträumt."
„Warum bist du nicht heim gekommen?" fragte sie leise.
Doch dann sprang sie auf.
„Ach, vergiss es, ich will's nicht wissen. Wer bin ich denn, dir Untreue vor zu werfen, wo ich meinen Mann betrogen habe?"
„Ich habe dir schon einmal gesagt, Jeff hatte es sogar vorgeschlagen. Wie kommst du darauf, dass ich...eine Andere habe?"
Sie zuckte mit den Schultern, was soviel hieß, wie: "Ist doch egal". Dann fragte sie:
„Okay, Mr. Darling, jetzt mal von Sünder zu Sünder: Was machen wir mit Jeff? Hast du eine Idee, wo wir genug Geld her kriegen?"
„Von mir." hörten sie plötzlich.
Annemarie fuhr erschrocken herum, Jimmy sprang auf und ballte die Fäuste.
Stanley stand in der Tür und grinste breit.
„Ich kaufe ihnen Jeff's Körper ab, Mr. Evans." lächelte er.
„Vergessen sie's, genau das Schicksal wollte ich ihm ersparen!" zischte die dunkelhaarige Frau.
„Sie kriegen soviel Kohle, dass sie sich irgendwo ein wunderschönes Häuschen kaufen könnten!" lockte der untersetzte Mann lächelnd.
Sie schüttelte den Kopf.
„Verlassen sie jetzt bitte mein Haus!"
Jimmy machte einen Schritt auf Stanley zu und dieser wich zurück.
„Ist schon gut. Ich gehe. Jimmy hat meine Nummer, falls sie es sich doch anders überlegen."
Er ging. Annemarie legte ihren Kopf in ihre Hände und schluchzte auf.
„Anne, der Doc hat recht, wir müssen Jeff wegschaffen, sonst stinkt hier gleich alles."
Sie schüttelte den Kopf.
„Nein, ich habe ihn einbalsamiert. Eine alte Frau, die hier als Hexe verschrien war, hat mir einmal ein Rezeptbuch geschenkt. Doch ich habe nie daran geglaubt, dass...ach, egal."
Jimmy hob die Augenbrauen.
„Wow. Gut. Ich hol die Anderen, dann können wir zusammen besprechen, was zu tun ist."
Er ging zur Tür, ohne sich umzublicken.
„Jimmy, sag einfach ja oder nein." hauchte Annemarie.
Er blieb stehen. Griff an den Türrahmen und stöhnte auf. Plötzlich bemerkte er, dass die Tür zum Krankenzimmer aufstand, obwohl er sie eben geschlossen hatte. Er lief darauf zu und hörte, dass Annemarie ebenfalls aufgestanden war.
Sie schrie auf, als sie das leere Bett erblickte.
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