DREI
Ich höre Annemie reden und rieche verschiedene Gerüche um mich herum. Was ist hier los? Was wollen diese Menschen hier? Bin ich im Krankenhaus? Doch nein, es riecht nach Zuhause. Ich höre die Dielen knarzen, als jemand drüber läuft. Er muss schwer sein. Anne erzählt von mir, registriere ich langsam. Ja, sie hat recht, ich war immer scharf darauf, möglichst schnell eine Waffe in der Hand zu halten und es den bösen Menschen auf dieser Welt zu zeigen. Für Amerika! Und dieser kleine Unfall in der Schweiz konnte mich nicht davon abhalten, diesem Bastard von Hitler endgültig das Handwerk zu legen. Annemie erzählt, dass meine Kameraden, die ich aufgespürt und befreit hatte, meinen von der Tretmine zerfetzten Hintern in Sicherheit gebracht hatten. Sie dachten, damit ihre Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen. Diese Narren! Sie hätten mich dort verfaulen lassen sollen. Annemarie klingt traurig, als sie meine Gedanken wiederholt.
„Er hat oft gesagt, dass sie ihn hätten lieber liegen lassen sollen."
Allgemeines Schweigen. Jemand brummt etwas. Dann murmelt Annemie:
"So, nun geht bitte raus."
Ich höre Schritte, die sich entfernen. Annemie schnieft leise und zieht mir die Decke vom Leib. Früher war das mal mit etwas Schönem verbunden, doch jetzt will sie meine Ausscheidungen entfernen. Wie bei einem Baby. Ich hasse es so sehr!
„Nicht traurig sein." morse ich ihr.
Sie erschrickt.
„Oh, haben wir dich geweckt?"
„Wer wir?"
„Jimmys Freunde vom Zirkus. Sie sind nett."
Ach ja, der Junge sagte vorhin so etwas. Ich freue mich, dass mal jemand zu Besuch ist, nach so langer Zeit. Ich meine, außer den verdammten Ärzten!
„Du brauchst Freunde." morse ich und Annemie lacht auf.
„Hm. Diese Leute sind wohl die Einzigen, die sich zu uns herein trauen, oder? Weißt du noch, als ich Suzanne zum Kaffee eingeladen habe? Sie konnte nicht kommen. Wie blöd war ich eigentlich, es danach noch zwei Male zu versuchen und immer wieder Absagen zu kassieren?"
Sie wäscht mich schweigend. Ich spüre nichts, wie immer. Sie könnte mir den gesamten Darm aus dem Bauch ziehen, es würde mich nicht umhauen. Plötzlich fällt mir ein, dass der Junge ja genau so ein Freak ist, wie ich. Ich morse:
„Jimmy's Freunde normal?"
„Sie haben alle irgendeinen Fehlwuchs. Und...naja, der kleine Meep mag anscheinend Hühnerköpfe, ich werde die Hühner wohl besser einschliessen, wenn er da ist."
Sofort bekomme ich Angst. Was, wenn der Mörder unter ihnen ist? Nein, nein. Merkwürdigerweise vertraue ich diesem Jimmy. Er redet mit mir, als wäre ich eine vollwertige Person. Und er würde bestimmt nicht dulden, dass man Annemie wehtut. Schließlich hat er sie vorhin auch beschützt. Annemie deckt mich zu und fragt:
„Ich gehe wieder zu ihnen, ja? Ist es in Ordnung, wenn ich heute Abend mal nicht bei dir sitze?"
Ich nicke. Natürlich ist es nicht in Ordnung, ich brauche Tara! Aber meine Frau braucht andere Menschen um sich herum viel dringender. Ich höre, wie sie den Raum verlässt. Nun bin ich ganz alleine. Ich döse eine lange Weile vor mich hin, löse Rechenaufgaben und schwelge in Erinnerungen, die ich nicht mehr richtig zusammen kriege. Plötzlich höre ich eine Stimme:
„Es sieht sehr gemütlich aus."
Was? Wer war das? Ich kann nichts hören. Nichts riechen. Ist einer von den Zirkusmenschen hier drinnen? Ich lasse die Glocke erklingen. Nach einer Weile kommt Annemarie.
„Jeff, was ist?" fragt sie.
„Jemand im Raum?" frage ich.
„Hier, bei dir? Nein. Hast du etwas gehört?"
Ich nicke.
„Jimmy's Freunde waren die ganze Zeit mit mir in der Küche. Vielleicht...war es eine Erinnerung, ein Traum, hm? Soll ich dir was zur Beruhigung geben?"
Ich verneine. Sie küsst meine Stirn und geht wieder. Hoffentlich schwängert der Typ sie bald! Dann muss ich nur noch jemanden finden, der mich tötet. Aber das wird sich wohl schwierig gestalten.
„Ich glaube nicht."
Was?
„Ich könnte es tun."
Wer bist du?
„Du kennst mich nicht. Ich beobachte dich schon eine Weile. Und ich kann alles hören, was du denkst."
Schon klar, du bist mein Gewissen, nicht?
„Nein. Also, was bekomme ich, wenn ich dich töte?"
Meine Seele, Mephisto. Nein. Ich kann dir nichts geben, siehst du doch. Nichts außer den genussvollen Akt selbst!
„Gut. Aber jetzt ist es zu voll. Doch sie werden bald gehen, dann komme ich wieder."
Die Stimme klingt schnarrend. Doch eigentlich glaube ich nicht, dass sie echt ist.
„Ich bin so echt wie du."
Beweise es. Mach ein Geräusch.
Ich warte. Plötzlich höre ich, wie etwas gegen die Fensterscheibe fliegt, es klirrt leise.
Du bist draussen?
„Ja. Sie dürfen mich nicht entdecken."
Warte...bist du...der Mörder, der hier umgeht?
Oh, Gott. Nein, bitte. Nicht Annemie!
„Ich werde ihr nichts tun. Es imponiert mir, wie sie sich um dich kümmert, obwohl du so ein häßlicher Krüppel bist."
Danke, Arschloch. Und lass meine Frau in Ruhe.
„Du willst mir drohen?"
Ist ziemlich lächerlich, was? Ich kann dir noch nicht mal in die Eier beissen.
Der Andere lacht. Sein Lachen ist grausig, und wenn ich normale Haut hätte, würde ich eine Gänsehaut bekommen. Er hört auf und sagt:
„Wer von uns beiden wohl grausiger ist..."
Ja, tut mir leid. Okay, haben wir einen Deal? Wenn du der Mörder bist, wird es dir doch leicht fallen, mich zu töten...
„Es braucht dir nicht leid tun. Du tust mir leid...und deshalb werde ich dich erlösen."
Ich danke dir. Doch warte bitte noch ein paar Tage, ja? Ich muss erst wissen, ob der Junge hält, was er mir versprochen hat...
„Wie du wünscht. Ich komme von Zeit zu Zeit vorbei. Und sag deiner Frau, es wäre besser, sich einen Hund anzuschaffen. Hier kann jeder nachts herumstolzieren, ohne, dass es jemand mit bekommt."
Wir haben daran gedacht, aber sie hatte Angst, dass das Tier mich für ein saftiges Steak halten könnte...
Wieder ein Lachen.
„Es macht wirklich Spaß, mit dir zu reden. Aber ich muss nun gehen."
Es ist still geworden. Nach einer Weile denke ich: „Bist du noch da?"
Doch nichts. Ich bin putzmunter. Aber da kommt Annemie auch schon- der Besuch ist gegangen, und wir tauchen mal wieder in Scarlet O'Hara's wunderbare Welt ein.
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