2- "Jungs?"
„[...]Charmaräe.
Klasse: Reptilia
Ordnung: Squamata (Schuppenkriechtiere)
Familie: Sunt Umbra
Verbreitung: Nordspitze Se-Ihen; Südspitze Paiye
Maße und Gewicht: Ein Mann hoch, Zwei Mann lang.
Die äußere Gestalt der Charmaräe ist nicht bekannt und kann deshalb nicht illustriert werden. Man geht jedoch davon aus, dass diese Wesen über zwei kräftige Vorderläufe verfügen, mit deren Hilfe sie den massigen Rumpf wegstemmen und den verkümmerten Hinterlauf über den Boden ziehen.
Charmaräe sind nur in Gebieten mit langen sonnenlosen Monaten verbreitet. Das Biest verschwindet durch die Erde, hinterlässt kein Loch und kann ganze Jahre ohne Nahrung und Flüssigkeit darunter verharren. Sie sind keine vegetarischen Geschöpfe und unter keinen Umständen als Haustiere geeignet! [...]"
-(Professor Samun Hunt, Enzyklopädie der Bekannten Wildtiere; S. 140)
✥✥✥
„Ich weiß, wo die Burg der Kinder liegt."
Der Satz hätte nicht unvermittelter kommen können. In einem Augenblick überlegten wir beide, wie wir unseren Eltern all das beibringen würden, ohne einen panischen Umzug und ein weiteres Leben in den Elfenwäldern zu riskieren. Im Nächsten fuhren mein Bruder und ich zu dem Fremden herum, als hätte er ein Rila aus dem Hut gezaubert.
„Weißt du nicht", erwiderte Lewi und strich mit der flachen Hand über sein Gesicht. Im fahlen Licht des Abends sah er fünf Jahre älter aus und jede lebendige Vorfreude wich aus seinen Augen. Gestresst kaute er auf der Unterlippe.
„Ich komme von da. Glaubt mir, ich weiß wo ihr hinmüsst", hielt der Bursche dagegen, die Arme energisch in die Seiten gestemmt, als schelte er zwei trotzige Kinder.
„Und du bringst uns aus reiner Güte dahin ...", fragte ich, die Augenbrauen bis zum Haaransatz gehoben. Ich würde dem Jungen nicht weiter trauen, als ich ihn werfen konnte. Verflucht, ich kannte nicht einmal seinen Namen.
„Exakt. Ihr müsst zu Lady Beanna- ich bin eure einzige Chance", überging er den Sarkasmus unbeeindruckt. Er war ohnehin eher interessiert, Lewi umzustimmen. Meinen Blick mied er zumindest, als hätte ich Warzen auf der Nase, die ihm die Galle hochtrieb.
Verstohlen kratzte ich mich.
„Bist du ein Sucher?", fragte Lewi nach und für den Augenblick unterstützte ich seine kritische Art aus ganzem Herzen. Er würde nicht zulassen, dass irgendwas oder irgendwer im Weg seiner ehrgeizigen Ziele stehen würde.
„Ein Schüler", zuckte sein momentanes Opfer mit den Schultern und schob den Unterkiefer vor, „Einer, der kein Interesse hat dorthin zurückzukehren, also wenn ihr meine Hilfe nicht wollt ..."
„Warum bist du weggegangen?", platzte ich heraus und erntete einen genervten Blick von meinem Bruder. Auch der Fremde akzeptierte nur widerwillig, dass ich immer noch zwischen ihnen stand und keine Aufforderung brauchte, um mich am Gespräch zu beteiligen.
„Das wirst du sehen, wenn du da bist", entgegnete er kühl, den Mund zu einer dünnen Linie zusammengekniffen. Wohl kein großer Freund der Begabten-Schule. Das machte ihn doch ein wenig sympathischer. Allerdings so wenig, dass mein Gesichtsausdruck allenfalls als eisig durchgegangen wäre.
„Gut."
Mein Mund klappte auf, noch ehe ich den Kopf in Lewis Richtung drehen konnte. .
Gut?
GUT?
Was war bitte gut? Er würde doch unmöglich diesem ... Fremden trauen?
„Gut?", wiederholte der, ähnlich überrascht wie ich. Anscheinend hatte auch er mehr Widerstand erwartet. Tja. Versuche nie die Taten meines Bruders vorauszusehen. Er war offensichtlich übergeschnappt und wollte uns beide an den König ausliefern.
„GUT?" Ich warf die Arme über den Kopf, „Du kennst ihn nicht mal! Er könnte ein Spion des Königs sein, der nur darauf gewartet hat, dass wir hier eintreffen und seine Hilfe benötigen!"
Lewi hob langsam eine Augenbraue: Oh jetzt dachte er, ich hätte nicht mehr alle Gnome in der Suppe? Danke.
Was er nicht alles opfern würde, bloß, um zu dieser blöden Burg zu kommen. Unser Haus war nur einen halben Tagesritt entfernt. Wir könnten uns dort in Frieden verstecken.
„Du kennst nicht einmal seinen Namen", statuierte ich und verschränkte die Arme vor der Brust, „Oder warum er überhaupt hier ist ..."
„Vielleicht, um euer Leben zu retten?", knurrte der Fremde mit einem herausfordernden Blick in meine Richtung.
Charmant.
Er hatte also schon von Sarkasmus gehört. In dem Fall würde es zumindest eine witzige Reise in unseren Tod werden.
„Sie hat recht", bekräftigte mein Bruder mich und trat einen Schritt an meine Seite. Ich musste den Kopf in den Nacken legen, wenn ich ihm ins Gesicht sah.
„Mein Name ist Ravn. Leop ist zwei Wochen vor euch hier eingetroffen. Erst nahm ich an, er wäre runtergekommen, um mich zurückzuholen, aber als ihr nach ihm gefragt habt ... Ich war neugierig, was ihr von ihm wolltet. Deshalb bin ich euch gefolgt", erklärte Ravn sich, bemüht so wenig Worte wie möglich zu nutzen und vollkommen unbeeindruckt von meinem mörderischen Gesichtsausdruck. Seine irrlicht-grünen Augen blieben ruhig.
Natürlich, er musste Leop erkannt haben. Und er hatte mich erkannt. Also unsere Mutter.
Etwas unwillig gestand ich mir ein, dass die Details oberflächlich zu seiner Geschichte passten. Aber bevor ich nicht vor den Toren der Burg stand, würde ich nachts mit einem Dolch in der Hand schlafen.
Mein Bruder war da entspannter. Mit einem Lächeln machte er einen Schritt auf Ravn zu und reichte ihm den Arm zu Gruß, den dieser nach kurzem Zögern ergriff.
„Dann sollten wir keine Zeit verlieren, meinst du nicht, Ravn?", fragte Lewi feierlich. Alles für seine glorreiche Zukunft.
Der Angesprochene nickte.
Ich verdrehte die Augen.
✥✥✥
Lewi freundete sich in Rekordzeit mit Ravn an. Nachdem der Junge von seinem Bruder und seiner Mutter Abschied genommen hatte, waren wir noch mitten in der Nacht losgeritten Richtung Nord-Westen.
Ravn sprach nie viel. Und wenn doch, dann niemals über sich selbst. Alles, was ich über ihn erfuhr, war, dass er nichts von den Streitereien mit Lewi hielt und anderen Menschen genauso wenig traute, wie ich ihm. Er bot sich für die meisten Wachen an, was wiederum für mich bedeutete, dass ich ebenfalls keine Ruhe fand.
Ich meine, wer legt sich ernsthaft hin und schließt die Augen, wenn ein Fremder mit einem Schwert nur einen Steinwurf entfernt sitzt?
Die Antwort darauf lautete ‚Lewi'. Obwohl ich mir sicher war, dass sein Pferd oder irgendeine Ameise ihn sofort wecken würde, falls Ravn etwas Krummes vorhatte, lag ich stundenlang wach und starrte den Sternenhimmel über meinem Kopf an. Die perfekte Gelegenheit, um unser Erlebnis im Wald immer wieder durchzukauen, bis ich nicht mehr sagen konnte, was davon meiner eigenen Fantasie entsprungen war.
„Hast du irgendwelche Störungen oder gehört Schlafmangel zu deinen Kräften?", schreckte Ravn mich aus meinen schweifenden Gedanken hoch. Die Brauen nach oben gezogen in einer stummen Provokation, ihm mein Misstrauen offen darzulegen. War er tatsächlich genervt, dass ich nicht wie Lewi einfach weg döste?
Um ihn besser zu sehen, drehte ich mich auf den Bauch und rollte prompt über meinen verletzten Arm. Ravn hatte ihn vor unserem Aufbruch verbunden, doch ich traute auch seinen Salben nicht. War er ein Heiler? Oder doch etwas Merkwürdigeres?
„Mein Geheimnis für deines", forderte ich ihn heraus.
Mit einem Schnauben ließ er den Kopf zurück auf sein behelfsmäßiges Kissen fallen und starrte geradeaus in den Himmel, wie ich wenige Pulsschläge zuvor. .
„Ich habe Angst vor Wasser", erwiderte er sarkastisch, als könne er das so Gespräch schneller beenden.
„Und das zählt bei der Burg der Kinder als besondere Begabung?", amte ich seinen Tonfall nach.
Er rümpfte lediglich die Nase. .
„Versuch zu schlafen."
Im flackernden Licht der Flammen bekam ich das erste Mal die Gelegenheit, ihn eingehender zu mustern. Er war nicht hübsch. Nicht so wie Lewis klassische Schönheit. Seine Lippen hatte er schmal aufeinandergepresst und jeder Blick aus diesen irrlichtgrünen Augen, stellte meine Nackenhaare auf.
Ravns Kopf schnappte wieder nach oben, als habe er die Begutachtung gespürt. Seine Finger krümmten sich zu Fäusten, die sich in der grauen Decke festklammerten. .
„Gibt es irgendwas?"
Seine Abweisung und der Ärger ließen mich schlucken. Es waren die einzigen Emotionen, die er jemals durchblicken ließ. Und ich war mir sicher, dass es einen Grund dafür gab. Ein Grund, der mich so reagieren lassen würde. .
„Hast du überhaupt eine Begabung?"
Ravns Unterkiefer formte eine feste Linie, doch er sah nicht weg.
„Ich habe in der Burg gelebt. Beantwortet das deine Frage nicht?"
Seine Worte enttäuschten mich mehr, als ich zugeben wollte.
Natürlich gab es niemanden wie mich auf der Burg. Was hatte ich erwartet? Das war exakt der Grund, warum ich dort nichts verloren hatte.
Mit einem Ruck drehte ich mich um, doch der Boden fühlte sich plötzlich deutlich unbequemer unter meinem Rücken an.
„Du wärst erstaunt, was für einen Humor das Schicksal hat", erwiderte ich knapp und entließ ihn damit aus unserem Gespräch. Er hatte es nicht gewusst und ich nahm es ihm nicht übel.
Einen richtigen Streit hatten wir erst zwei Tage später in der Taverne des zweitkleinsten Dorfs des Landes.
Ravn hatte uns dort hingeschleppt, weil er der Meinung war, wir sollten jede Gelegenheit für ein weiches Bett nutzen, denn in den größeren Städten ließen wir uns besser nicht blicken.
Ich hatte ja den Verdacht, dass er ebenso gesucht wurde, sagte jedoch zur Abwechslung nichts. Denn gegen ein frisch zubereitetes Essen und ein Dach über dem Kopf hatte ich erstaunlich wenig einzuwenden. Vor allem weil es gestern angefangen hatte zu regnen und mein behelfsmäßiger Verband langsam durchweichte.
„Wir haben Glück gehabt", erklärte mein Bruder, als er vom Tresen zurück zum Tisch kehrte, „Die letzten drei Schlafplätze sind unser."
Ich ließ meinen Blick über die Versammlung schweifen. Der Raum platzte bald aus allen Nähten. Die Mädchen hatten alle Hände voll zu tun mit ihren Krügen und hinten im Eck verdünnte die Wirtsfrau zum fünften Mal den Eintopf. Sie versuchte zwar, den Topf mit ihrem massigen Rücken zu verdecken, doch jeder mit einem tiefen Teller wusste, dass die Brühe beunruhigend klar wurde. Trotzdem bevorzugten die meisten Reisenden die stickige Luft zur feuchten Straße.
Ein Junge mit hochgeschlagener Kapuze kam zu spät. Seine gedämpfte Frage nach einem Bett wurde harsch abgewiesen. Stattdessen bat er um eine Schüssel mit Suppe und einem Brot, sowie einer Kelle Hafer für sein Pferd.
„Was machen die ganzen Menschen hier?", fragte mein Bruder, nachdem er seinen Becher in zwei Schlucken gelehrt hatte. Die trockene Luft machte durstig und müde. Mit einer hochgezogenen Augenbraue bat er mich um meinen.
Ravns Blick wanderte durch den Raum und blieben schlussendlich ebenfalls bei dem Jungen hängen. „In den südlichen Städten lebt ein schrecklicheres Übel, als alle Genträger, die ihnen jemals begegnet sind."
Eine Gänsehaut krabbelte über meinen Rücken. Weshalb ritten wir noch einmal in die gegengesetzte Richtung? War es nicht ab und zu besser die Intelligenz der großen Masse anzunehmen und sich zurückzuziehen?
„Aber der König war schon immer schrecklich, warum ausgerechnet jetzt fliehen?"
Ravn maß mich abschätzig. „Für unsereins bestimmt. Aber seit dem Verschwinden der Kronprinzessin experimentiert er mit heiligen Kräften."
Mit einem Schlag setzte Lewi meinen Krug ab und erhob sich wieder.
„Dann sollten wir morgen früh keine Zeit verlieren." Auffordernd sah er uns beide an und nickte Richtung der steilen Stiege, die zu dem muffigen Dachboden führte.
Ravn ließ mir den Vortritt, doch ich war mir sicher, dass er lediglich die Stabilität der Stufen getestet wissen wollte.
Als Erstes fiel mir oben auf, dass das Dach nicht dicht und alle trockenen Betten belegt waren. Glücklicherweise drehte ich mich schnell genug um, damit ich nicht Ravns entgeisterten Blick verpasste. Drei riesige Bettenlager nahmen den kompletten Gruppenschlafraum ein. .
Ravn verzog den Mund. Und aus irgendeinem Grund amüsierte mich das immens.
Gerade setzte ich zu einer frechen Bemerkung an, als unten im Hauptraum der Kneipe die Tür mit Wucht aufgeschlagen wurde.
Über die atemlose Stille hinweg, hörte ich mein Herz stolpern. Die lautlosen Fanfaren der Gefahr ließen uns alle innehalten. Einen Wimpernschlag lang sahen wir uns gegenseitig an, doch keiner von uns beantwortete die wortlosen Fragen. .
Nacheinander beugten wir uns vor, um durch die Luke zu erspähen, was dort unten vor sich ging.
Zuerst sah ich nichts anderes als schwere schwarze Stiefel, die den Matsch der Hauptstraße mitten in den Wohnbereich schleppten. Sie waren groß, definitiv männlich und verwandelten alle Gäste in regungslose Beute. .
Grob zerrte Ravn mich am Kragen zurück.
Lewi hatte sich ebenfalls aufgerichtet und starrte den Jungen aus großen Augen an. .
„Sind das-...?" Er brachte den Satz nicht zu ende. Eine Wolke der Sorge senkte sich über sein Gesicht.
Ravn nickte, einen Finger auf den Lippen und bedeutete uns, von der Öffnung zurückzuweichen.
Verständnislos sah ich von ihm zu meinem Bruder und wieder zurück. Was hatte ich nicht mitbekommen? Wer ließ allein mit seiner Anwesenheit ein ganzes Gasthaus verstummen?
Zögerlich lehnte ich mich noch einmal vor, um einen letzten Blick zu erhaschen.
Unten hatte sich der bullige Wirt hinter dem Tresen vorgeschoben, doch auf die gestammelte Begrüßung bekam er keine Antwort. Nervös wischte er die Hände an der Schürze ab und ergriff die Flucht neben seine Frau an die Feuerstelle.
„Lya! Komm sofort her!", auch wenn mein Bruder nur zischte und dazu hektisch mit den Armen wedelte, war es schwierig ihm nicht zu gehorchen. Irgendwas ging hier vor. Und ich wollte wissen was.
Inzwischen waren auch die anderen Schläfer in ihren Betten erwacht und streckten tuschelnd die Köpfe zusammen. Ravn brachte sie mit einem einzigen gut gezielten Blick zum Schweigen. Er würde mir auf jeden Fall keine Antwort geben. Und Lewi sah aus, als hätte er einen Rachegeist gesehen.
Seinen dumpfen Aufforderungen zum Trotz ging ich in die Knie und linste herunter. .
Mein nächster Atemzug stockte auf halbem Weg. Oh Mist.
In der Mitte des Raumes standen drei Reiter des Königs, vom Helm bis zu den Stiefeln in der Farbe der Raben gekleidet. Selbst ihre Schwerter bestanden aus dunklem Stahl, der nicht einmal das Licht des knackenden Feuers reflektierte. Die Leute waren von ihnen gewichen, dicht an ihre Reisegruppen gedrängt. Eine der Mägde kauerte an die Wand gepresst, ein fallengelassenes Tablett zu ihren Füßen.
„Lya! Komm dort weg! Wenn sie dich riechen...", drängte sich Ravns Flüstern in meine Beobachtung, doch ich konnte mich nicht losreißen.
Ich kannte die Reiter des Königs aus den Erzählungen meiner Mutter. Gesichtslose Halbwesen, die mithilfe ihres Geruchssinns magisch begabte Kinder für den König auftrieben. Doch nie hatte ich welche gesehen. Ihre riesigen Gestalten thronten über den Köpfen der Anwesenden und ich glaubte, eine schattenhafte Aura um ihre Körper zu sehen. .
Doch wenn sie hier waren, bedeutete das...
In diesem Moment ruckte der Rechte von ihnen mit dem Kopf und ein einziger tiefer Atemzug durchschnitt die Stille.
Ich biss mir reflexartig auf die Unterlippe.
Als wären sie Handpuppen, drehten die anderen Zwei ihre Köpfe und fixierten den einzelnen Kerl mit der immer noch hochgeschlagenen Kapuze am Tresen. Ich konnte nicht viel von ihm erkennen. Er hatte eine halbleere Schüssel vor sich, doch als er den Löffel weglegte, zitterte seine Hand.
Hinter ihm mussten sie her sein. Und er wusste es.
Obwohl er mit dem Rücken zu ihnen saß, reagierte er rascher, als ich es gekonnt hätte. .
In einer einzigen flüssigen Bewegung stieß er den Hocker um und stürmte auf den Ausgang zu. .
Die Umstehenden schnappten nach Luft und schrien auf. Die Magd an der Wand fiel stumm in Ohnmacht.
Mein Herz stolperte erneut. Er hatte keine Chance! Er würde niemals schneller sein! Und wenn sie ihn erst erwischten... Ich schlug mir die Hand vor den Mund, um ein Wimmern zu unterdrücken. Vergessen war die eigene Gefahr, in der wir schwebten. Dieser Junge würde sterben.
Obwohl sich der Bursche flink bewegte, waren die Reiter übernatürlich. Unnachgiebig griffen sie nach seinem Mantel, rissen ihn zurück, sodass er einen Tisch und alles, was darauf gestanden hatte, umwarf. Als sie ihn packten, bettelte er um sein Leben.
„Lasst mich los! Ich bitte euch! Lasst mich gehen!"
Sein Flehen hallte durch den ganzen Raum, doch egal wie er sich wandte, er entkam den klammernden Griffen nicht. Und alle saßen sie um ihn herum und sahen wortlos zu. Niemand traute sich, auch nur den Mund zu öffnen. .
„Bitte helft mir! Ich habe nichts verbrochen!", beteuerte er, doch niemand regte sich. Einer der Reiter verpasste ihm einen Schlag mit dem gepanzerten Handschuh ins Gesicht. Eine der Platten schnitt ihm vom Ohr bis zum Auge.
Ich konnte kaum zusehen. Jeder seiner Ausrufe krallte sich in meinen Körper, als zerrten die Gestalten mich an seiner Stelle fort. Er musste auf der Flucht sein. Sie hatten gezielt nach ihm gesucht.
„Oh Theenan." Ich hatte nicht bemerkt, wie Ravn wieder neben mir an der Luke aufgetaucht war. Sein mitleidiger Ausdruck spiegelte die Verzweiflung in meinem Herzen. Es war das erste Mal, dass er keine Kontrolle über seine Gefühle hatte.
„Du kanntest ihn?" .
Warum war ich so fassungslos? Vielleicht weil ich nicht wahrhaben wollte, was den Jungen als Nächstes erwarten würde. Seine Schreie verstummten, kaum da die Haustür hinter ihnen zugefallen war.
Wir mussten etwas unternehmen.
„Du kannst ihm nicht helfen", stoppte Ravn meinen Versuch zum Schwert in dem Reisesack zu kommen, „Sie werden dich riechen und ebenfalls mitnehmen." Zu seiner Verteidigung sah er genauso wenig glücklich darüber aus, wie Lewi. Doch das machte seine Entscheidung nicht richtig. Wenn er sein Leben nicht aufs Spiel setzen wollte, fein. Aber wenn ich in der Position des Jungen gewesen wäre, hätte ich nicht so betteln wollen.
Ich packte den Griff meiner Waffe noch entschlossener und schüttelte den Kopf. „Ich habe keine Magie in mir. Was sollen sie riechen?" Sie durften den Burschen nicht einfach mitnehmen. Das würde ich nicht zulassen! .
Seine Schreie gellten wie das nachträgliche Ringen einer Explosion in den Ohren. Ich konnte sie nicht abschütteln.
„Es ist zu gefährlich!", beharrte Ravn und probierte mich am Handgelenk zurückzuhalten. Er versuchte, Lewi einen auffordernden Blick zuzuwerfen, doch mein Bruder war viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Auch er wollte seinen Hals nicht riskieren.
Doch in diesem Fall würde ich nicht nachgeben. Ich konnte den Jungen nicht im Stich lassen. Wir sprachen hier von seinem Leben. Mit einer Drehung duckte ich mich unter Ravns Arm durch und war schneller die Treppe hinunter, als er nachgreifen konnte.
Leute im Gastraum drehten sich zu seinen Rufen um, als ich zwischen ihren Reihen mit gezücktem Schwert hindurch eilte. Ich hatte keinen Plan, aber ich würde ganz bestimmt nicht umdrehen.
Mit einem Ruck riss ich die Tür auf und platzte hinaus auf die finstere Straße. .
Prasselnder Regen schlug mir ins Gesicht und tränkte innerhalb weniger Herzschläge meine Kleidung.
Sie klebte kalt und klamm an der Haut, als ich mich für eine Richtung entschied, in die die Reiter ihr Opfer geschleppt hatten. Wassergefüllte Fußspuren verrieten sie.
Zwei Straßenecken weiter wurde ich fündig. Die Männer selbst waren kaum zu sehen in ihrer dunklen Tracht. Doch die Kapuze des Burschen war zurückgeworfen und offenbarte rötlichbraune Haar und ein weißes leeres Gesicht. Ein Fuchs in Menschengestalt. Man hatte ihn mit Fessel an einem Pferd befestigt. Inzwischen ruckte er noch nicht einmal mehr daran. Resigniert ließ er den Kopf hängen, doch seine Wangen glänzten nass unter geröteten Augen.
Ich atmete durch und verschluckte meine Stimme. Warum hatte ich keinen Plan? Weil das Lewis Stärke war. Ich hatte lediglich den Tatendrang.
Doch mehr brauchte es nicht, um die Reiter auf meine Anwesenheit aufmerksam zu machen. Genau wie zuvor in der Kneipe, drehten sie gleichzeitig ihre Köpfe in meine Richtung und nahmen ihre Aufstellung ein.
Im schwachen Licht der Monde sah ich ihre wächserne Haut und die verkrüppelten Nasen unter den Helmen. Sie hatten kaum etwas gemein mit der Schönheit der anderen Elfenarten. Das Aussehen kam, von was auch immer die zweite Hälfte ihres Blutes ausmachte.
Der Junge bemerkte mich ebenfalls. Sein eben noch müdes Gesicht unterzog sich einer krassen Verwandlung. Blanke Panik krallte sich in seine Züge und er warf sich neuerlich in die Fesseln.
„Lauf! Lauf fort!"
Doch ich tat nichts dergleichen. Nicht, so lange ich nicht alles in meiner Macht Stehende versucht hatte.
„Elayn?" Der linke Reiter knarzte wie ein alter Baum. Es stellte mir alle Härchen auf. .
Und selbst wenn es ein anderes Wort gewesen wäre, als der Name meiner Mutter, hätte ich eine Ganzkörpergänsehaut bekommen.
„Äh, nein?" Verflucht, warum hatte ich nicht an mein Aussehen gedacht? Sah denn keiner, dass ich erst vor zwei Monden meine Haare kurzgeschnitten hatte und nicht mehr im Mindesten aussah wie sie? .
Ich schob die Gedanken bei Seite. Zeit, die schauspielerischen Künste abzustauben. .
„Ich bin schlimmer."
Wie aufs Stichwort purzelte Ravn aus einer Seitengasse, das Schwert zum Kampf erhoben.
Ich brauchte einen kurzen Moment, um seinen Auftritt zu verarbeiten. Ernsthaft? Es wäre sicherer für ihn und Lewi gewesen, wenn sie mich dieses eine Mal alleine gelassen hätten.
Doch dazu war es zu spät, denn die röchelnden Reiter wandten mit einem Ruck ihre Gesichter Ravn zu, der sich sofort vor mich schob, als wäre ich irgendeine Prinzessin in Nöten. Das konnte er vergessen! Ich hatte vielleicht keine magischen Kräfte, aber dafür jahrelang mit meinem Bruder trainiert.
Mein Schlag gegen den Ellenbogen lockerte seinen Griff um sein Schwert, sodass ich es ihm abnehmen konnte und an ihm vorbei trat. Zwei Waffen waren besser als eine.
Ravn fluchte und hechtete mir hinterher, doch ich war schneller. Schon wieder.
Sofort glitt die Aufmerksamkeit der Reiter zurück zu mir. Ihre Nüstern blähten sich auf, witterten mein Blut und die fehlende Magie.
Ihre Verwirrung gestattete mir ein schmallippiges Lächeln, ehe ich absichtlich einen Schritt zwischen sie und Ravn machte. Nicht eine einzige besondere Begabung hier. Sie hatten kein Recht einen einfachen Bürger des Landes anzugreifen.
„Tritt zur Seite, Mensch." Einer von ihnen bleckte die spitzen Zähne und ließ sein Schwert durch die Luft schneiden. Ich konnte keine Augen unter den Visieren sehen, doch ihr Fokus war zurück auf Ravn hinter mir gerückt.
Herausfordernd legte ich den Kopf schief und sicherte meinen Stand. Unsere Mutter würde staunen, wenn ich ihr erzählte, dass ich alleine drei Reiter des Königs abgewehrt hatte!
„Gegenvorschlag: Löst die Fesseln dort drüben." Mein Blick huschte zu ihrem Opfer herüber, der mit riesigen Augen in meine Richtung starrte. Oder war es Ravns? Schwer in der Dunkelheit zu sagen.
Ich hob die Schwerter-... und wurde angerempelt.
Lewi hatte sich inzwischen ebenfalls durch das Straßennetz gekämpft und war mit all seinem Schwung in meine Seite gerannt. Ravns Schwert fiel mir aus der Hand und ich knickte um.
Sein Besitzer schoss blitzschnell nach vorne und hob die Waffe auf. Mit einem ungelenken Schubsen beförderte er mich zurück in den Hintergrund, wo ich hart auf den Boden fiel. Unebene Straßensteine fingen meinen Sturz auf und Wasser tränkte meinen Ärmel.
Metall krachte klirrend auf Metall und ließ mich erschrocken zusammenzucken.
Lewi war nach zu ihm gestürzt, die Linke fordernd zur Seite gestreckt. Seine Reflexe verdoppelten sich, als er die Kraft irgendwelcher Tiere durch seinen Körper jagte. Kanalratten vermutlich. Es war, als erahne er welche Bewegung die Reiter als Nächstes tun würden und es machte ihn unmöglich zu treffen. Er war überall und nirgendwo zugleich, immer einen Schritt voraus.
Von hier unten sah es tatsächlich beeindruckend aus.
Es war jedoch Ravn, der die Auseinandersetzung schneller beendete, als ich mich aufrappelte. Er kreuzte seine Klinge genau einmal mit einem der Gegner und dieser erstarrte an Ort und Stelle.
Selbst Lewi hielt inne, obwohl kein einziger Laut gesprochen wurde.
Der Krieger, eben noch Nase an Nase mit dem Kerl, zog sich mit einem Ruck zurück, steckte sein Schwert weg und hechtete zu den Reittieren.
Ich glaubte, mich zu versehen. Hatte ich etwas nicht bemerkt?
Die anderen Zwei packten den Jungen, der sofort wieder zu Brüllen begann und warfen ihn auf einen Lastgaul, ehe sie sich in ihre Sättel schwangen und den Pferden die Sporen gaben.
„Nein!" Ich rannte los. Das durfte nicht passieren! „Lewi, halt ihre Tiere auf!"
Mein Bruder gab sich alle Mühe, doch es war zwecklos. Das waren keine normalen Lebewesen, keine Vögel, die er durch eine Papierwand jagte.
Matsch und Wasser spritzte auf und ich stoppte wenige Schritte vor Ravn. Ich würde sie nicht einholen. Ich konnte nicht. Ich hatte versagt. Es war alles umsonst gewesen. Hätte ich selbst Kräfte ... nur ein kleines Talent. .
Und Ravn ... Diese Männer würden uns an jedem anderen Tag ohne Zögern töten. Was hatte Ravn getan, dass sie flohen? Vor zwei Jungen und einem Mädchen im Dreck? .
Ich machte kehrt, um Cairi bereit für eine Verfolgung machen, doch ich kam nicht weit.
Kaum da die Reiter des Königs um die nächste Biegung verschwunden waren, fuhr Ravn zu mir herum. Sein Blick tobte wie ein Sturm, der mich einen Schritt zurückdrängte.
„Bist du übergeschnappt?" Die Schärfe seiner Worte hing seinem Ausdruck in keiner Weise hinterher. „Hast du wirklich so ein Minderwertigkeitsgefühl, dass du dich um jeden Preis beweisen musst?"
Glücklicherweise hatte ich meinen Mund noch nicht geschlossen, denn hier und jetzt wäre er wieder heruntergefallen. Das meinte er unmöglich ernst. Ich verstand, wenn er sich nicht in den Weg der Reiter werfen wollte, aber ich als Mensch hatte nichts zu befürchten. Und wofür sollte ich Minderwertigskeits-...? .
Eigentlich hatte ich ihn fragen wollen, was da gerade passiert war, doch das hatte ich sofort vergessen. Ravn dachte ernsthaft, ich machte das, um ihm etwas zu beweisen?
„Dieser Junge wird ermordet werden", fauchte ich, die Hände in die Hüfte gestemmt.
„Mit und ohne dein Eingreifen!", brüllte Ravn, nur noch wenige Schritte von mir entfernt.
Mein Temperament gewann an Fahrt. Er hatte den Burschen gekannt. Wie konnte er nur so gefühlskalt sein und hinnehmen, dass er sterben würde? .
„Ich weiß, dass das schwer für euch ist, weil niemand so großartig ist, wie jemand der Wasser zum Glitzern bringt, aber vielleicht wäre alles einfacher, wenn ihr ab und zu auch an andere denkt!" Meine Lautstärke passte sich seiner problemlos an. Er hatte den Jungen gekannt und nichts getan.
Ravns Gesicht hatte eine hochrote Farbe angenommen. So nah wie er mir inzwischen stand, konnte ich eine kleine Ader an seiner Stirn pulsieren sehen. .
„Wegen deiner Gedankenlosigkeit hätten Lewi und ich ebenfalls draufgehen können! Also erzähl mir nichts von anderen!"
„Niemand hat gesagt, ihr sollt mir folgen", meine Stimme fiel zu einem drohenden Zischen ab. .
Außer mir und unfähig meinen Zorn oder meine Verzweiflung auszudrücken, machte ich auf dem Absatz kehrt und marschierte zu den Pferden. Ich hatte den Jungen im Stich gelassen. Wir alle hatten ihn im Stich gelassen.
Ravn blieb zurück, doch ich hörte Lewi, wie er seinem neuen Freund gestand, dass ich schon immer versessen darauf gewesen wäre, meinen Talentmangel durch kopfloses Verhalten wieder wettzumachen.
Wir redeten ganze drei Tage nicht mehr miteinander.
Inzwischen trainierten Lewi und Ravn allabendlich gemeinsam im Licht unseres Lagerfeuers mit zwei breiten Ästen und ich kümmerte mich um die Pferde. In ein Gasthaus kehrten wir nicht noch einmal ein. Warum auch immer.
Die Beiden waren einander erstaunlich ebenbürtig, auch wenn Ravn nicht preisgeben wollte, was seine besondere Begabung war. Ein Umstand, der auslöste, dass ich darauf brannte herauszufinden, was er verbarg. Ich vermutete irgendetwas Peinliches. Vielleicht verwandelte er sich zu jeder Sonnenwende in ein Kardischen Käfer, die ein wenig nach ranziger Milch rochen.
Oder aber alle Mädchen, die er küsste, sprachen danach nur noch in Galen Zungen. Ich wusste zwar nicht wie das klang, aber unsere Mutter hatte Lewi und mir immer wieder angedroht, dass wir mit jedem Schimpfwort und jedem Fluch mehr Gal sprechen würden, bis nichts anderes mehr aus unserem Mund käme.
Dass die Drohung kaum etwas gebracht hatte (und nicht stimmte), konnte man heute an meinem Bruder und mir beobachten.
Ich brodelte für meinen Teil immer noch stillschweigend vor mich hin. Die letzten Nächte hatten mir weniger Schlaf, aber dafür eine ausführliche Wiederholung der bettelnden Worte des Jungen gegeben. Sie mischten sich mit den Bildern des toten Leop Kamrell. Was hatten sie noch gleich gesagt? Es machte keinen Unterschied. Ihr Schicksal blieb unverändert.
Missmutig kickte ich ein paar Steine in das Lagerfeuer und wandte mich den Pferden zu. Ravn hatte den Burschen gekannt und nichts unternommen! Was für ein Mensch war er, dass er bei so etwas zusah?
Vor mir ging das Lagerfeuer aus.
Vor mir ging das Lagerfeuer aus? Ich warf Cairi einen fragenden Blick zu, als könne sie mir erklären, was gerade passiert war. Stattdessen bekundete sie freundliches Interesse an dem Stück Brot in meiner Hand.
Ich drehte ihr den Rücken zu. Das Brot ließ sich noch kneten und sie hatte ausreichend Gelegenheit zu Grasen. Die Landschaft abseits der Wege erinnerte mich an die sanften Hügel meines Zuhauses. Hier unten im Süden gab es nicht viel anderes außer riesigen Laubwäldern, fluoreszierenden Blumen, Felder und Wiesen. Ein dichtes Netz aus großen und kleinen Flüssen verhinderte, dass sich hier jemals wirklich ausladende Städte bauen ließen und die Wege waren kaum mehr als breite Trampelpfade, die von einem Dorf ins Nächste führten. Bäume, älter als vier Generationen der Menschen, säumten die Wege und streckten ihre Äste so hoch in den Himmel, dass sie die Wolken kitzelten. .
Ich hätte niemals von dort fortreiten sollen. Ob meine Eltern sich Sorgen machten? Meine Mutter bestimmt. Sie würde jeden Abend auf der Veranda sitzen und Lady Beanna Briefe schreiben, ob wir schon angekommen waren.
Gerade stieß mein Bruder eine besonders lange Kette an wüster Beschimpfungen aus (Ravn hatte ihm seinen Stock ans Schienbein geschlagen) und vollführte den Tanz eines einbeinigen Hasen, als mit einem Schnitt das Licht erlosch.
Eben noch Abenddämmerung, plötzlich vollkommene Schwärze und Stille. Allein ein paar winzige Sterne kämpften gegen die Dunkelheit an. Ihre zwergenhafte Größe ließ erahnen, wie weit sie entfernt waren. Sogar Lewi hielt für einen Moment die Klappe.
„Jungs?", meine Stimme klang höher als beabsichtigt, während ich versuchte, meine Orientierung wieder zu finden. Kein einziger Mond stand am Himmel. Als wären sie unserem Lagerfeuer gefolgt.
Und selbst die Pferde wurden nervös, obwohl mein Bruder bereits beruhigend mit ihnen in seinem Kopf redete. Oder so.
Zumindest ihre Blässen leuchteten matt im Dunkeln. Und mit den verstreichenden Sekunden auch Ravns weiße Haut.
Vorsichtig tastete ich mich zu ihm vor. Obgleich wir kaum miteinander sprachen, fühlte ich mich deutlich sicherer in seiner Nähe, vor allem da ich meinen Bruder nicht sehen konnte.
Ravn ging es ähnlich. Entschieden griff er nach meiner tastenden Hand (die ich nur zur Kollisionsvermeidung ausgestreckt hatte!) und beugte sich hinunter, um Lewi vom Boden aufzusammeln. Offenbar war einbeinig Hüpfen im Dunkeln doch keines seiner mannigfaltigen Talente.
„Das ist Kaelchons Werk", flüsterte er in die gespenstische Stille hinein, die Augen fest zusammengekniffen.
Ein dumpfes Gefühl breitete sich in meiner Magengegend aus und es hatte nichts mit dem ausgelassenen Mittagessen zu tun.
„Der König löscht die Sonne?", fragte Lewi, doch Unglaube betrog seine Stimme. Ravn nickte- was nur ich sah- und zog uns beide noch ein wenig näher an sich heran. .
"Und die Sterne?", hauchte ich in die Leere. Ich sah nicht einmal mehr die Zyklopen-Eiche, die nur einen Steinwurf von uns entfernt ihre Wurzeln geschlagen hatte. .
"Sind zu weit fort für seine Macht."
Da ich kein Liebhaber von Gruppenumarmungen war, versuchte ich mich aus seinem Griff zu befreien, doch verflucht hatte der Junge starke Hände. .
Ungemütlich trat ich von einem Fuß auf den anderen. Obwohl ich es vor niemandem zugegeben hätte, machte mir die plötzliche Dunkelheit ein bisschen Angst. Doch noch viel mehr fürchtete ich mich vor der Macht, die zu sowas fähig war. Wir brauchten Licht! Zumindest ein paar Stunden am Tag.
„Er löscht alles Feuer. Spürt ihr nicht, wie kalt es wird?", auch Ravn war weniger gelassen als bei unseren langen Ritten zwischen den Dörfern. Neben mir spannte er jeden einzelnen seiner Muskeln an und blickte immer wieder ruckartig in eine andere Richtung.
Lewi konzentrierte sich voll darauf, die Pferde ruhig zu halten. Er hatte die Augen geschlossen, doch seine Lippen bewegten sich vage, als wäre in einem intensiven Gespräch mit sich selbst gefangen.
Ich dagegen war vollkommen nutzlos in all der Dunkelheit. Egal, in welche Himmelsrichtung ich schaute: Alles war von Tinte verschluckt.
Mein Atem bildete inzwischen kleine Wölkchen vor meinem Mund und die Zähne begannen unkontrolliert zu klappern.
„Wir sind nicht mehr alleine."
Fast hätte ich die Stimme nicht Lewi zugeordnet. Sie war mindestens eine Oktave tiefer und hatte einen merkwürdigen Hall, als würden viele Wesen gleichzeitig sprechen.
Ich schüttelte mich innerlich. Früher hatte ich angenommen, er wolle nur dramatisch sein, doch inzwischen wusste ich, dass das die Seelen der Lebewesen um ihn herum waren, die da aus ihm sprachen.
Ich warf Ravn einen beunruhigten Blick zu, doch er tippte sich nur stumm ans Ohr.
Und dann hörte ich es auch. Zwang ich für ein paar Herzschläge meine Zähne zum Stillstand, vernahm ich einen dumpfen Laut.
Etwas kroch auf uns zu. Etwas Großes.
✥✥✥
"Voted, für ein Kapitel mit Über-Über-Länge! Quasi zwei für eins!"- Lya
Okaaaay, ich gebe zu dass es länger gedauert hat mit diesem Kapitel. Das richtige Leben ruft!
Ich hoffe ihr freut euch umso mehr, dass ich doch mal etwas zu Stande gebracht habe :D
XOXO
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