10- „Ich wusste, dass du in mich verknallt bist!"
„[...] Man muss kein studierter Heiler sein, um seinen Mitbürgern helfen zu können. Eine einfache Grundausbildung reicht, um selbst Hausfrauen die grundsätzlichen Konzepte einer erfolgreichen Krankheitsbekämpfung klar zu machen. Mit diesem Buch versprechen wir Ihnen, dass sie innerhalb von wenigen Wochen 100 kleine Krankheiten im Haushalt kurieren können. [...]"
-(Maurel Caios, 2. Hofmedicus im 80. Jahr von Kaelchon, „Große Hilfe für kleine Beschwerden", ein ausführlicher Band, entwendet aus der Palastbibliothek)
✥✥✥
Ich wachte zu Kopfschmerzen auf, die sich selbst meine Mutter mit Rila-Branntwein nicht hätte antrinken können.
Ich konnte nicht einmal blinzeln, so dumpf pochte es in den Schläfen. Meine Muskeln waren schwer und taub, obwohl mich jemand auf weichen Grund gelegt hatte.
War ich hier eingeschlafen? In einem Bett?
Eher nicht. Ich hatte meiner trüben Erinnerung nach seit zwei Wochen nicht mehr in einem Bett geschlafen und woher sollte Lewi mitten in der Wildnis ...
Mit einem Schlag trafen mich meine letzten Minuten und meine Lider flogen auf. Um mich herum drückte die Dunkelheit, doch im Schatten über mir machte ich einen niederen Dachstuhl aus.
Einen mir unbekannten Dachstuhl.
Mir rutschte ein resigniertes Stöhnen heraus.
Hastig strampelte ich die unterschiedlichen Decken von meinem Körper, die dort jemand aufgehäuft hatte, um mich gegen die Kälte zu schützen, und schwang die Beine über den Bettrand.
Anscheinend mit ein wenig zu viel Enthusiasmus, denn ich schaffte es zwar in eine stehende Position, doch schon im nächsten Moment taumelte ich nach vorne und prallte gegen etwas.
Oder jemanden.
„Weißt du, es wäre besser, wenn du das Ganze ein bisschen langsamer angehen würdest. Ich bezweifle, dass ich bereits alles Brabanen-Gift aus deinem Körper bekommen habe. Nicht, dass das Buch eine genaue Anleitung dazu geben würde", erklärte Ravn, ehe er mich mühelos von den Füßen hob und zurück ins Bett trug.
Ich hätte ihm gerne eine schnippische Antwort gegeben, doch mein gesamtes Sichtfeld drehte sich schlimmer als der Inhalt eines Alchimisten-Topfs. So musste ich mich erst einmal damit zufriedengeben, dass er mir zwar mehr Kissen in den Rücken stopfte, damit ich aufrecht saß, aber die Anzahl der Decken über meinem Körper verdoppelte.
„Brabanen-Gift ist tödlich", fast hätte ich meine eigene Stimme nicht erkannt, so rau und krächzend kam sie aus meinem Mund. Sie vollbrachte sogar das Wunder, Ravn ein leises Lächeln abzuringen, während er weiter hinten im Raum herumwühlte.
Was tat er da? Und in wessen Haus waren wir hier?
Beiläufig suchte ich im Dunkel nach meinem Schwert. Jemand hatte eine Irrlichtleuchte aufgestellt, doch so klein der Raum sein mochte, das Irrlicht schaffte es kaum, Ravns schwarze Haare vom Hintergrund abzuheben.
„Alles ist tödlich, wenn man nicht weiß, wie man es rechtzeitig aus dem Körper bekommt. Das gilt für Gifte, Waffen und für dumme Gedanken", antwortete er mit einem vielsagenden Blick, ehe er einen dampfenden Napf gräulicher Suppe zurück an mein Bett brachte.
Wieder hatte ich das Gefühl, dass er mir etwas sagen wollte, das ich nicht verstand. Doch gerade konnte ich mich kaum genug konzentrieren, um mir selbst darüber sicher zu sein.
Stattdessen beäugte ich kritisch den Inhalt. Ich war zwar nicht wählerisch beim Essen, aber das sah nicht einmal essbar aus.
„Ich werde mir nicht die Mühe machen, dich erst zu heilen und dann zu vergiften", versprach Ravn und hielt mir die Schüssel ermutigend hin.
Ich sagte ja nicht, dass er mich absichtlich vergiften würde ...
Für einen kurzen Moment erlaubte ich mir, in seinen Zügen die Wahrheit hinter den Worten zu überprüfen.
Keine Mordlust. Er sah nicht glücklich aus, aber auch nicht mörderisch.
Ein wenig überzeugter nahm ich sie ihm ab.
Es schmeckte besser, als man annehmen wollte. Zumindest ein bisschen. Doch nach den ersten Schlucken musste ich wieder absetzen. Die Suppe brannte schlimmer als Charmaräenblut.
„Woher ..." Mir traten Tränen in die Augen. „Woher hast du das Rezept?", japste ich so kläglich, dass er mir die Schlüssel lieber abnahm. Widerwillig wischte ich mit dem Ärmel übers Gesicht.
„Wir alle haben unsere Talente", antwortete Ravn sichtlich amüsiert und erhob sich.
„Aber Kochen ist ganz bestimmt nicht deins", beharrte ich zwischen zwei Hustenanfällen. Wusste ich es doch! Unabsichtlicher Mordversuch!
Er gab mir darauf keine Antwort, sondern hob ein Buch auf einen kleinen Tisch und blätterte darin. Hoffentlich auf der Suche nach mildernden Gewürzen!
Vorsichtig schob ich in seinem Rücken die obersten zwei Decken von mir und bewegte meine Zehen. Inzwischen war mir warm und schwindelig.
Doch die Suppe zeigte erstaunlich schnell ihre Wirkung. Mein Kopf wurde immer klarer und meine Gliedmaßen weniger taub.
Eine Minute verharrten wir schweigend, bis ich es nicht mehr aushielt. Mit jeder Sekunde fielen mir mehr Fragen ein, die sich alle auf meine Zunge tummelten und ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte.
Entschlossen schob ich die Beine über den Bettrand und die letzten Decken rutschten zu Boden.
„Ravn? Kannst du das Licht bitte anmachen?", schnitt ich endlich das Thema an. Doch er hörte mir nicht richtig zu.
„Das Feuer ist weg. Glaubst du, dass wir in dieser Kälte sitzen würden, wenn draußen seit vier Stunden die Sonne am Himmel stehen sollte?", fragte er abgelenkt zurück, ohne vom Buch aufzublicken. Es gab mir die Möglichkeit sein Profil zu studieren, seinen konzentrierten Ausdruck, in meinen Erinnerungen zu konservieren, ehe ich mich wieder im Griff hatte.
Jetzt war nicht der Zeitpunkt!
„Du hast das Licht aus gemacht- du machst es wieder an", entgegnete ich gelassen, doch mein Herzschlag musste bis zu Lewi zu hören sein. Dazu kam, dass ich nirgendwo mein verdammtes Schwert fand. Hatte er es vor mir versteckt?
Meine Worte ließen ihn zu mir herumfahren. Die Augen zu Schlitzen zusammengekniffen, trat er einen einzigen Schritt näher.
„Und wie bei allen Nebelflüsterern kommt Lady Beanna auf die Idee, dass das mein Werk ist?", fragte er lauernd.
Mein Magen sank inklusive Suppe in die Kniekehlen, doch die trotzigen Gene meiner Eltern hätten mich nie einen Rückzieher machen lassen.
„Nur ein Verfluchtes Kind könnte genug Kraft sammeln, alte Magie-..."
„Zu dumm, dass ich keines bin. Sie kennt meine Mutter! Sie ist blond mit braunen Augen!", brauste Ravn auf und schnitt die letzte Hälfte meines Satzes ab. Oh ...
Er war wirklich verletzt.
„Na gut! Dann bist du eben schlecht im Nachahmen anderer Gestalten! Es gibt bestimmt auch weniger talentierte Verfluchte Kinder!", versuchte ich, meinen Punkt zu rechtfertigen, nur um nicht mehr diesen Ausdruck zu sehen. Allerdings eher schwach.
„WAS?", absoluter Unglaube verzerrte Ravns Gesicht, „Vielleicht solltest du mehr Suppe trinken, dein Verstand ist noch nicht da!"
Ich machte eine unwirsche Handbewegung.
„Lady Beanna ist überzeugt davon, dass unter den letzten Ankömmlingen an der Burg ein Verfluchtes Kind war. Lewi ist es offensichtlich nicht und ich kann dir versprechen, dass ich es nicht bin, sonst würde Glorya niemandem mehr mit ihrem Instinkt-Geschwafel auf die Nerven gehen. Es bleibt nur du!", ich redete schnell, damit er mich nicht noch einmal unterbrechen konnte, doch ich sah den Schaden, den meine Worte anrichteten.
„Ich hätte gedacht, dass wenigstens du durch solche Lügen hindurchsiehst", presste er nach einem Augenblick unangenehmer Stille zwischen den Zähnen hervor.
„Und welchen Grund sollte Beanna haben?", fragte ich hitzig zurück.
„Ich will kein Soldat in ihrem Krieg sein." Er war so gekränkt, dass mein schlechtes Gewissen einsetzte. Ravn hatte meinem Bruder das Leben gerettet. Er hatte mir das Leben gerettet und ich hatte in all der Zeit jede Menge Arroganz und Überheblichkeit in seinem Charakter erkennen können, doch niemals Bösartigkeit.
Geschlagen ließ ich die Arme neben mich fallen.
„Ravn, wo ist mein Schwert?"
Trotzig verschränkte er die Arme vor der Brust und schob das Kinn vor.
„Warum warst du alleine in der Nacht unterwegs?", fragte er zurück, als schalt er ein Kind, das zu spät nach Hause gekommen war. Mein Mitleid verpuffte jäh.
„Mein Schwert, Ravn. Ich will es wiederhaben", hielt ich dagegen und versuchte aufzustehen, um nicht mehr zu ihm aufblicken zu müssen. Mein zweiter Versuch war ähnlich erbärmlich wie der Erste und Ravn fing mich ein weiteres Mal auf, damit ich nicht geradewegs auf die Nase fiel.
„Und ich will, dass du nicht so verflucht dumme Sachen machst! Weißt du, wie viel Glück wir hatten, dass ich in der Nähe war?", schimpfte Ravn und hielt mich eine Armlänge von sich fort.
Ja, genau. Glück.
Meine Innereien kochten und dieses Mal nicht von der Suppe. Dieser Idiot musste es auch nicht jeden Tag mit Lewi, Glorya und ihren Freunden aushalten. Er hatte sein Talent und war nicht ständig den gehässigen Kommentaren jener eingebildeten, verblödeten, Bärven-Hund-dämlichen ... Ich stoppte mich selbst.
„Weißt du was, Ravn? Das nächste Mal, wenn ich etwas Dummes vorhabe, lasse ich es dich wissen. Jetzt zum Beispiel. Ich hätte gerne mein Schwert von dir und werde gleich danach aus dieser Tür marschieren. Ohne dich. Ohne die Hilfe von irgendjemand. WEIL ICH MICH MAL WIEDER WAS BEWEISEN MUSS!", platzte ich und stieß ihn von mir fort.
Tatsächlich ließ er mich kurz los, ich taumelte nach hinten, er begann zu lachen und ich holte aus, um ihm eine Ohrfeige zu geben.
„Glaubst du, dass ich das von dir denke?"
Blitzschnell fing er meine Hand hab und zog mich am Gelenk gegen seine Brust. Und noch bevor ich einen weiteren Gedanken fasste, presste er seine Lippen auf meine.
Es war, als fiele ich in ein Kissen. Mit der Hand im Rücken drückte er mich an seinen Oberkörper, bis ich die Muskeln darunter spüren konnte.
Die folgende Ohrfeige, ausgeführt mit der linken, noch freien Hand, überraschte ihn dann allerdings doch.
Mit einem Ruck beendete er den Kuss, ließ mich jedoch netterweise nicht los (ich wäre bestimmt hingefallen), sondern erlaubte mir eine Handbreit von ihm abzurutschen. Meine Wangen waren feuerrot und mein Atem ging schneller als mein Puls.
Ohhhhhhh ...
Energisch erinnerte ich mich daran, dass ich wütend auf ihn war. Das änderte nur nichts an meiner Atemlosigkeit.
„Warum?" Mehr brachte ich nicht heraus.
Er zuckte mit den Schultern, ein selbstzufriedenes Funkeln in den Augen.
„Weil ich wollte..."
Seine gleichgültige Art trieb mir die Hitze ins Gesicht.
„Versuch nochmal deinen Willen so durchzusetzen und ich breche dir etwas", erklärte ich ein nach einigen Sekunden, in denen ich mich auf meinen Körper konzentrierte.
Doch mein Herz hopste und sprang, wie ein betrunkener Erdgnom und eine Stimme in meinem Hinterkopf setzte zu einem widerlichen Singsang an: Ravn hat mich gekü-hüsst!
Zu meinem Ärger grinste er nur schief. Und wie unbekümmert er aussah! Es provozierte mich genug, um darauf einzugehen.
„Was?", schnappte ich ungehalten.
„Ich wusste, dass du in mich verknallt bist!"
Meine Kinnlade fiel hinunter. „Und was an der Ohrfeige hat dir das Gefühl gegeben?"
Sein Grinsen wurde breiter und das Rot meiner Wangen intensiver. Glücklicherweise war's dunkel, doch irgendetwas sagte mir, dass er trotzdem ohne Probleme sah. Oder meine Gedanken las.
„Dein Schwert konnte ich draußen in der Nacht nicht wiederfinden. Und ich hatte es ziemlich eilig in die Bruchbude zurückzukommen- hier drinnen ist die Chance irgendwelchen Nachtwesen zu begegnen deutlich geringer."
„Wem gehört die Hütte?", fragte ich erschöpft.
„Sagen wir's so ... sobald die Sonne aufgeht, sieh nicht in das zweite Zimmer. Was auch immer den Besitzer erwischt hat ... ich weiß nicht einmal, ob sich ein Mann oder eine Frau hierher zurückgeschleppt hat."
Angewidert verzog ich das Gesicht und ließ mich zurück aufs Bett fallen. Mein Kopf funktionierte besser, wenn ich nicht direkt vor ihm stand und ich musste dringend dort aufräumen.
In diesem Moment wurde die Tür ins Innere der Hütte gesprengt. Holz splitterte, Ravn sprang zur Seite und ich stieß mir den Kopf an der Wand. Nur vage sah ich eine Gestalt in den Raum sprinten, doch das Schwert in seiner Hand hätte ich überall erkannt.
„Ich schwöre dir, wenn du meiner Schwester etwasangetan hast, bist du ein toter Mann, Sinner!"
✥✥✥
"Voted, und ich lass mir gerne von euch eine Ohrfeige geben!"- Ravn
Verfrühtes Kapitel, aber ich konnte mich heut nicht mehr selber bremsen :D Das Ende naht! :D das erste abgeschlossene Buch! Ich bin ja so aufgeregt :D
xoxo
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