2- "Ihr seid frei! Außer du, natürlich."
"Um Befreiungsakte oder andere Straftaten zu erschweren, ist die Festung von Tenur jedem verborgen, der nicht mit jemandem anreist, der bereits weiß, wo sie zu finden ist.
Hier werden meist hohe Mitglieder der Rebellenorganisationen oder Träger der MVeT- Genetik festgehalten. [...] Insassen werden natürlich für medizinische Versuche zur Verfügung gestellt."
- (Picae, Forscher der Magie an der Universität Belhem, im Bereich: Naturkatastrophen und Volksschutz; S. 367)
✥✥✥
Es war das erste Mal, das ich meiner Schwester ähnlichsah. Ich hätte mich darüber gefreut, wenn es nicht teilweise Blindheit und Entführung beinhaltet hätte. Meine Sicht kehrte in den folgenden Tagen nicht zurück. Egal wie oft ich unbewusst über meine zermarterte Wange strich, die Spuren waren für jeden sichtbar. Eines meiner Augen war braun, das andere weiß.
„Du hättest dir einiges erspart, wenn du nur einmal im richtigen Moment die Klappe gehalten hättest", ließ Calean mich wissen. Er saß nahe der Tür, sodass das Licht aus dem schmalen Fenster in sein Gesicht fiel.
Wir hatten in der Nacht die Stadt erreicht und waren zu einem arenaähnlichen Gebäude gebracht worden.
Ungemütlich rutschte ich auf den blanken Steinen hin und her. Die Kammer, in die sie uns gesperrt hatten, war kaum groß genug für ihn und sein Ego. Sie hatte eine Tür, ein Fenster und eine merkwürdige Wand vor der sich dicke Gitterstäbe erhoben.
„Was glaubst du, wird morgen mit uns passieren?", überging ich seinen Kommentar um des Friedens Willen.
Wie immer ließ er sich mit seiner Antwort Zeit. Vielleicht, weil er es nicht wusste, vielleicht, weil er mich nicht leiden konnte und gerne nervös machte.
„Sie werden uns verkaufen."
Ich versuchte krampfhaft, mir nicht Garcy in so einer Zelle vorzustellen. Reflexartig biss ich auf meine Unterlippe. Ich durfte jetzt nicht an Garcy denken. Nicht, wenn mich meine Sorge um sie lähmte.
„Werden sie uns trennen?"
„Wahrscheinlich", er streckte sich einmal, „Dann kannst du endlich einen total bescheuerten Plan aushecken, wie du ausbrichst, und ich werde im Versuch nicht zerpflückt."
Ich schnaubte indigniert.
„Du bist schon einmal in mein Kraftfeld gelaufen, ohne dass dir was passiert ist." Da ich nicht wusste, warum, war zwar nicht gesagt, dass es beim nächsten Mal nicht doch passieren würde, aber das sagte ich natürlich nicht.
„Ich erinnere mich", murmelte er, das Kinn wieder auf die Brust gezogen, „Ich erinnere mich auch, dass du mich nicht gewarnt hast. Oder Maze, der mit dir trainiert hat."
Ich faltete die Hände im Schoß.
„Hättest du auf mich gehört, wenn ich dir gesagt hätte etwas nicht zu tun?"
Er stellte sich schlafend. (Weil das auch überzeugend war.) Und ich blieb mit meinen Sorgen alleine. Wie würde ich ihn wiederfinden, wenn wir getrennt worden waren? Ich musste verhindern, dass ich vor ihm verkauft werden würde, sonst würde ich nie herausfinden, wer ihn geholt hatte.
Die Gedanken begleiteten mich in den Schlaf und torkelten immer noch durch meinen Kopf, als ein ohrenbetäubendes Quietschen mich weckte.
Es war so fürchterlich laut, dass ich blind auf allen vieren von der Wand weg krabbelte. Morgens war mein Auge am schlimmsten.
Calean fing mich auf, bevor ich gegen die nächste Mauer prallte und zog mich hoch auf die Füße.
In seinem stützenden Griff beobachtete ich, wie die Wand hinter dem Gitter langsam nach oben gezogen wurde und uns den Blick auf eine Arena frei gab.
Zellen über Zellen, exakt wie unsere, türmten sich mehrere Stockwerke hoch bis an die Decke. Sie schlossen ein Feld am Boden ein, wo hunderte Menschen sich durcheinander drängten. Ihr Lärm war bis zu uns hörbar und wurde von dem kreisrunden Gebäude zurückgeworfen.
„Wir befinden uns mindestens im zehnten Stock", flüsterte Calean in mein Ohr. Ein Beben ergriff seine Muskeln und ich packte seinen Arm ein bisschen fester, damit er hinter mir nicht in die Knie ging.
Vor unserer Zelle lief ein wackeliger Holzweg mit Geländer entlang, der sich in einer stetigen Spirale nach oben bewegte. Weiter unten erklommen die ersten Männer und Frauen die Stufen.
„Ich schätze, sie wollten nicht viel Geld für unsere Ausstellung ausgeben", antwortete ich schließlich und machte mich von ihm los.
„Sei vorsichtig!", warnte Calean mich, als ich an das Gitter herantrat, um mich besser umsehen zu können. Das Theater war so groß, dass ich nicht einmal die Kinder in den Zellen uns gegenüber ausmachen konnte. Ich wusste lediglich, dass sie hier waren.
Meine Augen wanderten über die Leute außerhalb der Zellen.
„Ich habe noch nie so viele schlechte Menschen auf einem Haufen gesehen", flüsterte ich gegen die Stäbe.
Calean hielt sich Hintergrund.
„Warst du nicht an derselben Schule wie ich?"
Ungehalten schoss ich einen strafenden Blick über die Schulter. Ich fand auch, dass die Schule nutzlos war, aber...
„Sir Kenrik hat uns nicht als Sklaven gehalten."
„Ich bin mir sicher, dass er das getan hätte, wenn es ihm extra Punkte bei der Hand des Lichts gebracht hätte."
Für einen kurzen Moment vergaß ich, wo wir waren und was bald passieren würde.
„Sowas kannst auch du nicht wissen", spielte ich auf seine Gabe an. Die Welt war oft nicht so schlecht, wie wir sie uns ausmalten.
Mit knirschenden Zähnen verschränkte er die Arme vor dem Oberkörper.
„Natürlich nicht. Niemand von unserer Schule hegt einen Groll gegen die nicht-magischen Menschen, die dafür verantwortlich sind, dass ihre Familien ermordet und ihre Freunde versklavt wurden. Ich meine, am Ende wäre das eine perfekte Ausrede für zukünftige Vergehen, selbst wenn es nur die unterlassene Hilfeleistung gegenüber unschuldigen Kindern ist, die ‚weniger wert' sind."
Ich blinzelte einmal.
Dann noch einmal.
Sei es mein zerstörtes Auge, oder die schwindelerregende Verwendung von Sarkasmus, aber langsam veränderte sich mein Bild von ihm. Er war so... wütend. Mehr, als ich erwartet hätte. Sehr vorsichtig wandte ich mich an ihn.
„Du klingst, als würdest du einen Groll hegen."
Er machte den Mund auf, als weiter links plötzlich eine Stichflamme aus der Zelle schoss.
Erschrocken sprang ich zurück, als in das Gewusel unter uns Bewegung kam. Männer in zusammengeschusterten Rüstungen stampften die Treppen hoch und die hölzernen Wege entlang. Zwei Gestalten, zweifelsohne die Verkäufer, rannten ihnen hinterher, Entschuldigungen rufend.
Sie alle verschwanden in einem Gang zu unserer Rechten, doch ich hörte ihre Schritte im Rücken unserer Zelle vorbei trampeln und eine schwere Tür, die aufgerissen wurde. Ein markerschütternder Schrei, dann war es still.
Ich wechselte einen panischen Blick mit Calean, der mich stumm bat, nur dieses eine Mal die Klappe zu halten und mich zu benehmen.
Und nur dieses eine Mal tat ich ihm den Gefallen, während Männer und Frauen in bunter, aufwendiger Kleidung an unserer Auslage vorbei spazierten und Kommentare über mein entstelltes Aussehen und Caleans grimmigen Ausdruck machten.
„Ich fühl mich wie das Gemüse auf dem Grünmarkt in meiner Stadt", murmelte ich schließlich. Ein kleines Friedensangebot.
Meine Beine taten langsam weh, doch der Habicht und die Krähe waren irgendwann aufgetaucht, um uns möglichen Interessenten anzupreisen und ein Blick von ihnen hatte gereicht, dass sich keiner mehr hinsetzte.
„Wenigstens hat dir noch niemand in den Mund geschaut, als wärst du ein Pferd", brummte Calean neben mir, nachdem eine stark parfümierte Frau mit ihren wurstigen Fingern kontrolliert hatte, ob seine Zähne alle fest waren.
Ich öffnete den Mund, doch-...
„Und ich dachte, es hätte dir gefallen."
Ertappt drehten wir uns beide zu den Gitterstäben um.
Ein Kerl stand davor, entspannt sein Kinn kratzend.
Das Erste was mir auffiel, war sein gewaltiger Altersunterschied zu den anderen Käufern. Er war allerhöchstens Anfang seiner Zwanziger, mit hellbraunen Locken und einem leichten Bartschatten.
All das wurde von seiner Kleidung in den Schatten gedrängt. Selbst in dem Farbenmeer unter uns stach er noch heraus. Der Stoff war teuer, die Stiefel glänzten, als hätte man ihn den gesamten Weg hierhergetragen. Wäre er in meiner Heimat über den Markt gewandert, hätte ich ihn beklaut.
„Iza Nacat! Du hast unsere Nachricht bekommen", kam in diesem Moment der Habicht hergeeilt, seine Maske verschoben und sein dicker Fellmantel über dem Arm, in dem er einen Gehstock balancierte, „Wir hatten dich unten gesucht."
Der junge Mann drehte nicht einmal den Kopf. Der Anflug eines Lächelns hob seine Mundwinkel, als er sowohl Calean als auch mich eingehender musterte.
„Ihr habt gesagt, ihr hättet die perfekte Darstellerin für mich. Ich war neugierig, wie ihr mich dieses Mal enttäuschen würdet."
Zu gerne hätte ich gesehen, wie das Gesicht hinter der Habichtmaske in sich zusammenfiel.
Stattdessen räusperte sich der Mann und verschränkte die Arme vor dem Oberkörper.
„Das mit dem Auge war notwendig."
„Da bin ich mir sicher", entgegnete sein Interessent glatt.
Unter seinem Blick wurden meine Hände feucht. Er durfte mich nicht kaufen. Nicht, bevor ich nicht wusste, wohin Calean gehen würde. Ich brauchte einen Plan, wie ich ihn abschreckte, ohne, dass mich ebenfalls jemand aus meiner Zelle zerrte.
„Also gut, Mädchen. Zeig, warum ich hierhergekommen bin, obwohl ich diesen Idioten kein Wort mehr glauben sollte", forderte er mich mit einer Bewegung seines Handgelenks auf.
Ich zögerte. Auch wenn mir seine Wortwahl gefiel, ich konnte nicht mit ihm gehen.
Mit dem kleinsten Aufwand meiner Kräfte, ließ ich meine schwarzen Locken schweben.
Hoch. Runter.
Calean rammte mir seinen Ellenbogen in die Seite.
Ich schubste ihn zurück und Habicht beendete unsere Kabbelei, indem er seinen Gehstock kräftig gegen die Metallstäbe knallte.
„Schluss jetzt, oder ich hole die Wächter. Dann kannst du dich von mehr, als nur deinem Auge verabschieden."
„Na super. Wenn du schon alle Drohungen an ihr ausprobiert hast, wie soll ich sie dann noch bei der Stange halten?", erkundigte sich Mr. Nacat von der Darbietung amüsiert. Herausfordernd hob er die Augenbrauen.
„Wir beide wissen, dass du ganz andere Möglichkeiten hast, um deine Darsteller gefügig zu machen", brummte Habicht und fummelte stattdessen an seinem Gürtel herum, an dem sich ein Schlüsselbund befand.
Ehe jemand etwas erwiderte, hatte er den Richtigen gefunden und in ein verborgenes Schloss in der Wand gesteckt. Der Käufer machte ihm höflich Platz und er schob das Gitter mit einem metallischen Schaben zur Seite.
Sofort wich Calean zurück an die Wand der Zelle, wo er möglichst weit vom Abgrund entfernt war, doch es war nicht er, auf den es Habicht heute abgesehen hatte.
Ohne Zögern packte er mich am Arm und schleifte mich aus der Zelle hinaus.
„Lorc-...", setzte Mr. Nacat an, doch er brachte den Namen nicht zu Ende, da hatte Habicht mich hochgehoben und über die Reling geworfen.
Ich hatte nicht einmal die Zeit zu schreien. In einem Herzschlag hörte ich Calean meinen Namen brüllen, im Nächsten wurde alles von dem Sausen in meinen Ohren und dem Flattern meines Magens verschluckt und ich schoss Richtung Boden.
Maze hatte mir beibringen wollen, wie man flog. Er hatte geglaubt, dass ich das schaffen könne. Nur leider hatten wir nie trainiert. Das war mein größtes Bedauern.
Unter mir schrien die Leute auf und stoben auseinander. Ich sah den festgetrampelten Boden zwischen ihnen und musste eine Entscheidung fällen.
Sie waren zu nah. Oder zu weit weg. Mein Umkreis-...
Jetzt.
Ich entließ meine Kräfte, nur eine Armeslänge vom Aufprall entfernt.
All jene, die noch im Radius standen, wurden ebenfalls in die Luft gehoben, genau wie ein Hund, den ich vorher nicht gesehen hatte.
Blut? Tote? Mord?
Um uns herum herrschte die Geräuschkulisse eines Friedhofs. Sogar nachdem die Wächter sich um den Feuerbändiger gekümmert hatten, war es nicht so leise gewesen. Niemand rührte sich, niemand traute sich, auch nur Luft zu holen. Aber kein Blut.
Ich hatte es geschafft.
Weiter oben schwang sich jemand mit einem leisen Hepp über das Geländer und landete zielsicher in meiner schwerelosen Blase. Ich kniff die Augen zusammen, in Erwartung eines roten Sprühregens, doch auch der blieb aus.
Die junge Frau in der Luft wimmerte, die Hände nach ihrem Begleiter ausgestreckt. Doch sie alle waren zu sprachlos, zu geschockt, um etwas zu unternehmen.
Allein die Hundebesitzerin befahl ihrem Tier im Flüsterton, sofort zurückzukommen.
Aber niemand näherte sich der flimmernden Wand, die meine Kräfte von der Außenwelt trennte.
„Ich denke, du kannst sie herunterlassen." Iza Nacat schwebte, als läge er auf einem Sofa, einen Arm entspannt hinter seinem Kopf verschränkte. Nichts von dem allumgreifenden Schock der Umstehenden berührte ihn im Mindesten.
„Sind sie mir hinterher gesprungen?" Ich starrte ihn an.
Hatten die Vogelfänger ihm nicht gesagt, mit welchem Problem meine Kräfte kamen?
„Bitte. Ich kann unter den Rock der Dame da drüben sehen und das ist ein Anblick, den weder sie noch ich wollen", überging er meine Frage und brachte sich in eine Position, die ihn kurz darauf auf den Füßen landen ließ.
Ganz im Gegensatz zu den anderen fünf Leuten, die ich versehentlich ebenfalls hochgehoben hatte.
Unsere Rückkehr auf den Boden brach auch den Zauber, der sich auf die Zuschauer gelegt hatte. Um uns brach das Chaos aus. Leute rannten zu ihren Begleitungen, Wächter suchten nach dem Schuldigen für dieses Theater und Iza Nacat zog mich am Arm hinter sich her.
„Wirklich sehr beeindruckend, ...?", fragend hob er eine Augenbraue, ohne in die Richtung zu sehen, in die er marschierte. Die anderen Käufer sprangen ihm aus dem Weg, doch er nahm keine Notiz.
„Gwinn."
„Sehr beeindruckend, Gwinn. Ich bin mir sicher, nach dieser Demonstration wird Lorcan ein Vermögen für dich fordern." Sein Grinsen wurde noch breiter.
„Ich...Sir, sie müssen meinen Freund mitnehmen! Ich kann nicht ohne ihn-..." Meine Worte wurden abgeschnitten von den drängenden Leuten, die mich beinahe aus seiner Hand zerrten.
Er war geschickt darin, sich zwischen ihnen hindurch zu fädeln, als erahne er jeden nächsten Schritt von ihnen. Was ich leider nicht konnte.
Ihre Körper machten mich blind. Blinder, als ich es ohnehin war.
„Und was für eine Gabe hat er, dass ich das tun muss?", erkundigte sich der Mann, sichtlich belustigt über die Kurzatmigkeit, die meine Kraftanstrengung mit sich brachte. Mühelos drängte er sich zwischen den Leuten hindurch, die mit jeder verstreichenden Sekunde panischer wurden.
Hinter uns brüllten Kerle durcheinander und wenn ich mich nicht täuschte, wurden mehrere Schwerter gezogen.
Mühsam verrenkte ich meinen Nacken, um zurückzusehen, doch Iza Nacat ließ mir keine Gelegenheit, um stehenzubleiben.
„Er ist mein Freund."
Er lachte über mich.
„Und?"
Unsicher bemühte ich mich um einen besseren Grund. Etwas, das auch Leute wie er verstanden.
„Er... er ist intuitiv."
„Ich habe bereits einen Kartenleser", erklärte er, hielt am Rande des Hauptgebäudes und öffnete eine Tür, die ich vorher nicht gesehen hatte. Mit einer spöttischen Verbeugung schubste er mich hindurch.
Ich brauchte eine Sekunde, um mich zu orientieren, doch mein erster Instinkt sagte mir sofort, dass wir nicht hier sein sollten.
Mehre Gestalten warteten in einem unbeleuchteten Flur, alle mit großen Augen und ausgehungerten Körpern. Sie trugen dieselben Halsketten, aber keine Fesseln, die sie links und rechts an den gerundeten Wänden des Ganges gehalten hätten. Sie warteten hier. Aber auf wen?
Iza schenkte ihnen ein breites Lächeln.
„Jemand hat die Soldaten des Königs von diesem wundervollen Ort informiert. Rettet euch, bevor eure Herren euch finden und ihr auch noch euer Leben für sie geben müsst."
Sprachlos starrte ich ihn von der Seite an. Wollte er sie etwa retten?
Die anderen fragten sich das auch.
„Hopp hopp! Ihr seid frei! Außer du, natürlich." Das galt mir.
Ungeduldig machte er eine scheuchende Bewegung, die einen kleinen Junge aus seiner Starre schreckte. Er war maximal so alt wie Garcy und weckte fürchterliche Ängste in mir, wie er barfuß von uns fort stolperte.
Nacheinander regten sich auch die anderen Gestalten. Ihre Roben raschelten den gesamten Tunnel entlang, als sie sich gegenseitig in ihrer Flucht überholten. Sie hatten kein Licht und es war unmöglich, zu sehen, wohin dieses Gewölbe führte, doch sie zögerten nicht.
Wenn der König einem auf den Fersen war, zögerte niemand.
Ich wandte mich ruckartig wieder Mr. Nacat zu.
„Calean... der König wird ihn umbringen! Oder in seine Armee eingliedern!" Panisch zog ich am Ärmel des Mannes. Wir mussten ihn retten! Selbst ein Leben als Sklave war besser, als alles, was der König einem antat, wenn seine Männer einen in die Hände bekamen. Und wenn sie erst erfuhren, dass er Verbindung zu den Rebellen hatte...
„Er kann nicht zufällig fliegen, oder? Das wäre tatsächlich ein nützliches Talent", sinnierte der Mann unbekümmert weiter und machte sich daran ebenfalls den Tunnel entlang zu schlendern.
Erst jetzt bemerkte ich, dass er Habichts Gehstock geklaut hatte.
Niemand hatte zwei Talente. Und irgendetwas sagte mir, dass er das wusste. Ich stäubte mich gegen jeden Schritt ins Dunkel hinein, bis irgendwann die Soldaten die Tür eintraten.
Habicht war zu dumm, um sich und Calean zu retten. Ich musste umdrehen.
„Das würde ich nicht tun", erriet Mr. Nacat meine Gedanken, nachdem ich das dritte Mal stehen blieb, „Wenn dich die Soldaten hier finden, wirst du ebenfalls zum König gebracht und was dann? Niemand befreit sich aus Tenur."
Bei der Erwähnung des berüchtigten Gefängnisses schluckte ich schwer. Würden sie Calean dorthin bringen? Aber noch etwas ganz anderes stahl sich zurück ins Zentrum meiner Aufmerksamkeit.
„Wie haben die Soldaten des Königs ausgerechnet jetzt diesen Marktplatz gefunden?"
„Zufälle gibt's", zuckte er mit den Schultern. Unter unseren Füßen vibrierten die Ziegelsteine vom Gleichschritt. Wie eine Drohung bebten sie durch unsere Knochen und veranlassten Nacat dazu, eine scheinbar wahllose Tür im Gewölbe zu öffnen.
Kalte Luft schlug uns entgegen, getränkt von den Gerüchen der Stadt. Ich schlüpfte hindurch und stoppte ruckartig, als sich fünf Kerle in schmutziger Kleidung zu uns umdrehten. Ein Sechster stand weiter verdeckt hinten, kurz vor der Hauswand eines Nachbargebäudes. Bis auf ihn waren sie alle breit gebaut, mit groben Gesichtszügen und massigen Oberarmen. Bärenhafte Silhouetten, die sich gegen die rötlichen Töne der Häuser hinter ihnen abhoben.
„Ah, da seid ihr ja. Haben wir alles, was wir benötigen?", erkundigte sich Mr. Nacat, kaum da er ebenfalls ins Freie getreten war. Sein Anblick entspannte die Männer sofort.
Einer von ihnen trat zur Seite und griff in den Nacken des jüngeren Burschen, um ihn in das Licht der Straßenlaterne zu ziehen. „Wofür brauchen wir den hier noch mal?"
Ich schnappte hörbar nach Luft. Das... wie... wann hatte er?
Ohne einen weiteren Gedanken warf ich meine Arme um Caleans Hals. Wen interessierte das Wie. Wen interessierte, dass er mich nur stöhnend ertrug. Er war nicht bereits auf halbem Weg nach Tenur. Das war alles, was zählte.
„Um unsere neue Attraktion bei Laune zu halten", kommentierte Iza Nacat hinter mir und sogar, ohne hinzusehen, hörte ich das selbstgefällige Lächeln in seiner Stimme.
„Warum hast du es so spannend gemacht?", brummte er in meine Haare hinein, „Ich dachte, du bringst dich eher um, als dein Talent zu zeigen."
„Da waren Leute", flüsterte ich zurück, Erleichterung in den Adern, „Ich wollte kein Blutbad anrichten."
Ein tiefes Vibrieren verriet Caleans lautloses Lachen.
„Natürlich nicht."
✥✥✥
"Voted und ich lade euch ein in meine Show, die gerade erst eine neue Hauptattraktion bekommen hat." - Iza Nacat
Morgan ist beleidigt. Papa hat gesagt es ist egal wie blöd der andere ist/war, der Intelligentere geht nicht auf die Streitigkeiten ein. Außerdem ist Weihnachten. Da vergibt man anderen. Und sowieso ist es das alles nicht wert.
Ich will nicht intelligent sein. Ich will mitstreiten!! 🙈 Ich will auch jemanden hauen. (aber ich darf nicht)
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