9 - Mittagspause
Wir beschlossen den Unterricht weiterhin ganz normal zu besuchen um keine unnötige Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen. Wir wusste nicht genau, woher dieser Mensch wusste, was wir waren, aber wir waren uns einig, dass Mya dann wohl auch Bescheid wusste.
Die Brünette hing auch den restlichen Tag an mir wie eine Klette und nur auf der Toilette bekam ich etwas Ruhe vor ihr. Sie bombardierte mich mit Fragen, wobei sich die meisten um Hudson drehten. Was für mich nichts neues mehr war, denn viele Mädchen vorher hatten schon versucht über mich an Hudson heranzukommen. Doch diesmal kam mir das alles seltsam vor.
Ich versuchte sie weitestgehend zu ignorieren und scherte mich nicht darum, dass es sie offenbar zu nerven schien.
"Mensch, Cosmo. Ich möchte doch nur eine Freundschaft mit dir aufbauen. Ich bin neu hier und kenne niemandem. Warum kannst du nicht netter sein?", schimpfte sie plötzlich und packte dafür extra meinen Oberarm. Dafür, dass sie so zierlich war, hatte sie einen festen Händedruck. Ihre Fingernägel bohrten sich trotz meiner Klamotten schmerzhaft in meine Haut und ich wollte mich sofort wieder von ihr lösen, hatte jedoch Angst, dass es zu stark erscheinen würde und sie dann gleich einen Beweis gegen mich hatte.
"Du stellst nur Fragen zu meinem Bruder.", antwortete ich irritiert und schüttelte den Kopf. Wenn sie wirklich eine Freundschaft mit mir haben wollte, dann sollte sie sich auch für mich interessieren.
"Ich habe dich gebeten etwas von dir zu erzählen, aber das wolltest du ja nicht. Irgendwie muss ich dich ja zum sprechen bekommen, wenn du schon nicht über dich sprechen willst.", schimpfte sie und sah aus beinahe traurigen Augen zu mir auf.
"Warum ich?", fragte ich ermüdet. Ich wollte einfach nur noch, dass dieser Tag vorüber ging und ich mich zuhause in mein Bett legen konnte. Sie sollte mich einfach in Ruhe lassen.
"Warum nicht? Du wirkst sympathisch und kannst auch nett sein. Zumindest was man anderen gegenüber so mitbekommen hat, weil mir gegenüber bist du irgendwie nicht so nett. Warum? Habe ich dir etwas getan? Habe ich eine falsche Frage gestellt?", fragte sie und löste damit beinahe ein schlechtes Gewissen in mir aus.
Ich ermahnte mich sofort selbst und schüttelte unterbewusst den Kopf. Ich durfte ihr gegenüber nicht so empfinden.
"Du bist so extrovertiert. Das erschlägt mich etwas.", antwortete ich ehrlich, immerhin war es tatsächlich so, und löste vorsichtig ihre Hand von meinem Oberarm. "Ich gehe jetzt in die Mensa.", informierte ich sie und ging ohne auf eine Antwort zu warten weiter.
Ich hatte zwar keinen Hunger und würde mich bei so einem Fall an einem normalen Tag draußen in den Hof setzen um frische Luft zu schnappen, aber in Anbetracht der seltsamen Situation wollte ich nicht zu weit von meinen Geschwistern weg sein, weshalb ich direkt ihren Tisch in der Mensa ansteuerte und mich nah zu Hudson setzte.
Mein älterer Bruder lächelte mich fürsorglich an und reichte mir seine Gabel, damit ich einen Happen von seinem Essen nehmen konnte. Ich schüttelte jedoch nur den Kopf.
Kurz sah er mich noch skeptisch an, ehe er weiter aß.
"Darf ich mich zu euch setzten?", fragte plötzlich Mya, die direkt hinter mir aufgetaucht war. Josie schenkte ihr sofort einen Killerblick, den sie gekonnt ignorierte. Sie sah nur mich an.
"Nein.", kam es mit tiefer Stimme von Hudson, der sich gar nicht erst die Mühe machte, sie anzusehen. Seine kühle Stimmlage ließ Mya sichtbar zusammenzucken und langsam nicken.
"Okay, uhm... dann entschuldigt die Störung.", stammelte sie und machte gleich kehrt um wegzugehen.
Abermals keimte das schlechte Gewissen in mir auf. Sie war neu hier und kannte niemanden und wir schoben sie eiskalt von uns, obwohl sie nur versuchte Freunde zu finden.
"Denk gar nicht daran, Cosmo.", knurrte Hudson und warf mir einen warnenden Blick zu. Er kannte mich einfach zu gut.
"Sie tut mir nur leid.", murmelte ich und zog eine Wasserflasche aus meinem Rucksack um damit vielleicht meine Kopfschmerzen etwas in Zaum halten zu können.
"Mir tut viel eher der Kerl leid, dessen Pullover du trägst, Cosmo.", knurrte Hudson und drehte sich mir ganz zu. Mit einer verachtenden Handbewegung zupfte er an dem grauen Stoff und schnaubte verärgert. "Du stinkst wie eine Katze.", schimpfte er und schüttelte verständnislos den Kopf.
Nicht ganz sicher, was ich antworten sollte, zuckte ich nur mit den Schultern.
"Mir war kalt.", flüsterte ich dann mit belegter Stimme und ließ meinen Blick auf den Tisch sinken. Ich mochte es nicht, wenn Hudson sauer auf mich war.
Hudson seufzte schwerfällig, legte seinen Arm um mich und zog mich fest an seine Seite. Sofort schmiegte ich mich an die Wärmequelle, denn trotz Owens Pullover war mir noch etwas kalt.
"Morgen bleibst du zuhause." Die Autorität in seiner Stimme zeigte mir, dass ich dagegen nichts sagen brauchte, weil ich nichts daran ändern konnte. Außerdem stimmte ich ihm sowieso zu. Ich brauchte meine Ruhe. Mein Körper musste sich erholen, bevor ich doch noch ganz krank werden würde.
Ich nickte.
"Wir treffen uns nach der letzten Stunde am Ausgang und fahren direkt nach Hause.", informierte uns Hudson als die Mittagspause langsam zu Ende ging und erhob sich schwungvoll von der Bank. "Da reden wir dann noch einmal über diesen räudigen Kater.", knurrte Hudson und sah mir mit ernstem Blick entgegen. Ich nickte nur, weil ich jetzt ohnehin nicht mit ihm diskutieren brauchte. Außerdem hatte ich so noch etwas mehr Zeit mir etwas einfallen lassen zu können.
Hudson packte seinen Rucksack, nickte Josie zu und verschwand aus der Mensa. Kaum war er außer Hörweite, lehnte sich meine Schwester über den Tisch und grinste mich vielsagend an.
"Wer ist der Kerl und warum trägst du seinen Pullover?" Sie begann anzüglich mit den Augenbrauen zu wackeln, was mich leise lachen ließ.
"Er ist einfach nur ein Freund." Wobei ich mir eigentlich sicher war, dass ich Owen nicht zu meinen Freunden zählen konnte. Immerhin hatten wir uns gerade mal drei Mal gesehen. Zwar hatte er - angeblich - mein Leben gerettet, aber so eng standen wir uns dann auch nicht.
"Ein Freund? Ein Katzenfreund, der dir einfach so seinen Pullover gibt?", hinterfrage Josie skeptisch und legt ihre Stirn in Falten. "Bist du dir sicher, dass ihr nur Freunde seid?"
Die Art und Weise, wie sie da aussprach, ließ mich grundlos erröten, was meine Schwester offenbar Antwort genug war, denn sie sprang grinsend von der Bank und boxte mir spielerisch gegen die Schulter. "Du musst ihn mir mal vorstellen."
"Oh und wenn du wegen Hudson Hilfe brauchst. Gib Bescheid. Ich decke dich gerne." Sie zwinkerte mir vielsagend zu und ich wurde automatisch noch röter.
Josie drehte sich schon weg um wieder zu gehen als ich sie noch am Handgelenk erwischte und ihre Aufmerksamkeit wieder auf mich zog.
"Du... was war gestern eigentlich mit Dad und Eren?" Die Details interessierten mich seit gestern schon.
Sie seufzte schwer und sofort tat es mir leid das Thema angesprochen zu haben. "Dad hat herausgefunden, dass Eren sich nicht an die Abmachung gehalten hat."
"Welche Abmachung?" Ich musste einfach meine Neugier befriedigen, auch wenn meine Schwester offensichtlich nicht darüber reden wollte.
"Dass Eren uns sexuell nicht nahe kommt, bevor Dad sein ok nicht gegeben hat." Sie seufzte erneut. "Ian und er... naja, sind sich sexuell näher gekommen.", murmelte sie und ließ sich neben mich auf die Bank fallen auf der ich saß. Die sonst so tapfere Kämpferin saß beinahe wie ein Häufchen Elend neben mir. So geknickt hatte ich meine Schwester selten erlebt.
"Hast du... hast du sie verpetzt?", fragte ich leise und senkte extra den Blick, damit sie verstand, dass diese Frage keinesfalls als Angriff gemeint war. Sie schnappte hörbar nach Luft.
"Was?! Nein! Natürlich nicht!", rief sie plötzlich verärgert aus. "Es hat mich verletzt. Keine Frage, aber das würde ich niemals tun! Dad hat Eren und Ian schlafend und nackt im Bett erwischt. Er hat sie geweckt und ins Wohnzimmer gerufen, damit sie sich besprechen konnten, aber Dad war nicht wirklich auf ein Gespräch aus und ist gleich auf Eren losgegangen. Ich habe Papa geholt, damit er dazwischen gehen kann.", erklärte sie mit schwacher Stimme. Josie senkte den Blick und begann nervös mit ihren Fingern zu spielen. "Eren und Ian haben sich nur berührt. Sie haben nicht miteinander geschlafen oder irgendwas in den Mund genommen. Sie haben sich lediglich berührt und trotzdem geht Dad so durch die Decke. Er wird nie zulassen, dass Eren uns markiert.", seufzte Josie schwerfällig und strich sich mit dem Handrücken verräterisch über die Augen. Ihre schwarzen Haare hingen ihr ins Gesicht, sodass ich nicht sehen konnte, ob sie wirklich weinte oder nur Tränen in den Augen hatte.
"Warum ist er so dagegen?", flüsterte sie. Der verletzliche Ausdruck meiner Schwester ließ mein Herz verkrampfen und sofort zog ich sie in meine Arme. Meine ältere Schwester klammerte sich sofort fest an mich und presste ihr Gesicht gegen meine Schulter.
"Ich weiß nicht, warum Dad so dagegen ist, aber irgendwann wird er es zulassen.", versuchte ich sie zu beschwichtigen und strich ihr beruhigend über den Rücken.
"Ich weiß ja nicht.", antwortete sie skeptisch und löste sich etwas von mir. Josie war nie ein Mensch, der für Umarmungen geschwärmt hatte, lediglich Eren durfte sie länger als wenige Augenblicke in den Armen halten, deswegen wunderte es mich nicht, als sie zeitnah wieder etwas von mir wegrutschte.
"Ich würde Dad nicht erzählen, dass du deinen Gefährten gefunden hast.", murmelte sie und strich sich ihre glänzenden, schwarzen Haare hinters Ohr. "Er würde dir nur die gleichen Verbote aufbrummen, wie uns." Sie wusste von meinem Gefährten?! Panik stieg langsam in mir auf und mein Herz klopfte mir mit schweren Schlägen bis zum Hals.
Ein kleines Lächeln kam auf ihre Lippen, welches mich noch mehr in Stress versetzte. "Wobei ich schon gerne miterleben würde, wie er darauf reagiert, dass sein jüngster Sohn sich auf eine Mieze geprägt hat."
"Warte! Stopp. Du denkst Owen ist mein Gefährte?!", platzte es perplex aus mir heraus, was Josie nur noch breiter grinsen ließ.
"Owen also?" Sie wackelte anzüglich mit den Augenbrauen. "Was sollte er denn sonst sein?", schmunzelte sie und zwinkerte mir abermals zu. "Du kannst ruhig ehrlich zu mir sein, Cosmo. Ich werde es niemandem sagen... außer vielleicht Eren."
Ich schüttelte nur energisch den Kopf. "Wir sind nur Freunde. Wirklich. Er hat mir seinen Pullover gegeben, weil er gesehen hat, dass es mir nicht gut geht. Mehr war da nicht. Glaub mir.", versuchte ich beinahe verzweifelt meiner Schwester einzureden. Doch sie grinste nur weiter vor sich hin.
"Jaja, Cosmo.", grinste sie und verließ ohne einem weiteren Wort ebenfalls die Mensa.
Der Rotschimmer blieb erhalten und irgendwie peinlich berührt machte schlussendlich auch ich mich auf den Weg zu meinem Klassenzimmer.
Meine Schwester hatte die ganze Situation absolut missverstanden, aber ich war auch nicht gewillt noch eimal zu versuchen sie zu korrigieren. Sie konnte denken, was sie wollte.
Außerdem könnte sie mir wirklich eine Hilfe sein, da ich immer noch einen Vorwand brauchte, damit ich mich abends ohne Hudson aus dem Haus begeben konnte.
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