70 - Finnegan
Die Trauer über Annes Tod zog auch Tage später die Freude über die neugeborenen Kinder runter. Die Nachricht hatte das gesamte Rudel erschüttert, da sie sich durch ihre freundliche und hilfsbereite Art schnell Freunde gemacht hatte und von jedem sehr gemocht wurde. Sie boten alle gleich ihre Hilfe an, damit Nathan und Bernard sich ganz auf ihrer neuen Aufgabe als frisch gebackene Eltern konzentrieren konnten.
Kai und ich kümmerten uns um ihre Beerdigung und leiteten alles in die Wege, damit an diesem Tag alles reibungslos ablief. Es war ein trauriger Tag, an dem niemand auch nur einmal lächeln konnte. Ein dunkler Schatten hatte sich über uns alle gelegt und es fiel uns schwer darüber hinweg zu kommen.
Nathan und Kai hatten direkt am nächsten Tag einen DNA Test gemacht, aber das Resultat war noch nicht da. Während Nathan sich nicht weniger darum scheren konnte, fieberte Kai dem Ergebnis sehr entgegen.
Nathan wollte uns auch nicht weiter klären, wie Anne auf diese Vermutung kam, wahrscheinlich weil er Kai keine falschen Hoffnungen machen wollte. Denn mein Gefährte versuchte es zwar nach Außen hin zu verstecken, aber er hoffte innig, dass Nathan sein Bruder war. Er wollte unbedingt wissen, wo er herkam und so kurz vor richtigen Antworten zu stehen und trotzdem noch abwarten zu müssen, musste für Kai der Horror sein.
„Schau dir meinen Bauch an", lächelte Ian und strich über seinen dicken Bauch. Austin daneben schüttelte nur den Kopf. In den letzten wenigen Tagen hatten die beiden wieder ziemlich an Bauchumpfang gewonnen. Und während Ian sich darüber ungemein freute, versuchte Austin mit übergroßen Oberteilen seinen Bauch zu verdecken.
„Gut siehst du aus, Ian", lächelte mein Gefährte und streichelte mit Ians Erlaubnis vorsichtig über den prallen Bauch. Mittlerweile wussten Ian und Eren auch, dass sie drei Kinder bekamen. Deswegen hatte Ians Bauch auch schon eine gewisse Größe, mit der Austin nur mithalten konnte, weil seine Kinder einfach schon etwas älter und daher etwas größer als Ians waren.
„Du siehst auch gut aus", grinste ich Austin zu und wuschelte durch seine Haare, was ihn genervt schnauben ließ.
„Darf ich deinen Bauch sehen?", fragte Phili mit großen Augen und lehnte sich vorsichtig in Austins Richtung. Er zögerte sichtbar. Das Geschwisterband zwischen den beiden hatte sich in der Zeit hier deutlich gefestigt und Austin war zum perfekten großen Bruder mutiert. Deswegen wunderte es mich auch nicht, als er schlussendlich nickte.
Er setzte sich etwas weiter auf und zog mit einem angesäuerten Gesichtsausdruck den Stoff seines Oberteils nach oben, bis man seinen Bauch gut sehen konnte. Philis Augen wurden gleich groß und er kicherte leise, ehe er seine kleine Hand nach der Kugel ausstreckte.
„Er ist zwar dein Bruder, aber du musst ihn trotzdem erst fragen", ging Owen dazwischen, bevor Austin seinen Bruder anmotzen konnte. Austin hatte dafür sogar schon einen Mund geöffnet.
Phili sah erst überrascht zu seinem Gefährten. „Darf ich?", fragte er dann mit piepsiger Stimme und kicherte erneut, als Austin seufzend nickte.
„Du hast keine Dehnungsstreifen. Das ist echt unfair", meckerte Ian und zog sein Oberteil wieder über seinen Bauch.
„Tja", kam es trocken von Austin, der seinem Bruder dabei zusah, wie er mit kreisenden Bewegungen über die gespannte Haut streichelte. Phili war der einzige, dem er ab und an erlaubte seinen Bauch zu berühren. Alle anderen durften nicht einmal in seine Nähe kommen.
Ich wusste, dass Austin unglücklich war, auch wenn er angestrengt versuchte es vor uns allen zu verstecken. Es fiel ihm schwer etwas mit uns zu unternehmen und war lieber für sich. Wahrscheinlich weil er nicht sehen wollte, dass wir alle eine Beziehung führten, während er ganz alleine war.
Auch wenn er nicht alleine war. Wir waren für ihn da. Wir alle.
Wir konnten zwar keinen Partner und erst recht nicht Hudson ersetzen, aber wir brachten ihn ab und an zum Lächeln und das war für uns schon genug.
„Phili, willst du mit mir Cupcakes backen?", fragte Ian und zog damit auch Owens Aufmerksamkeit auf sich. „Ja", antwortete dieser dann gleich für seinen Gefährten. Phili begann daraufhin zu kichern und nickte dann hektisch mit seinem Kopf.
„Gut, dann kommt mit", grinste Ian.
„Tschüss Austin", quietschte der Neunjährige und hauchte Austin kurzerhand einen Kuss auf den Bauch, ehe er Owens Hand ergriff und sie gemeinsam den Raum verließen.
Austin verzog nur aufgebracht das Gesicht und zog den Stoff seines Oberteils gleich wieder schützend über seinen Bauch. Der Kuss hatte ihm eindeutig nicht zugesagt.
„Gehen wir etwas Mittagessen?", fragte ich Kai und setzte mich aufrecht hin. Erst als er nickte, erhob ich mich vom Sofa.
„Hey... um... Cosmo? Kai?", fragte Austin leise und hielt uns damit noch gerade so auf, bevor wir den Raum verließen.
„Ja?"
„Ich... also... wenn sie auf die Welt kommen..." Er strich zur Verdeutlichung, dass er seine Kinder meinte, über seinen Bauch. „Könnt ihr... bleibt ihr dann bei mir? Also während der Geburt?" Er biss sich nervös auf die Lippe. „Normalerweise ist ja... der Vater dabei... aber... ja..."
„Natürlich", antwortete ich gleich. Ich hatte mir darüber auch schon Gedanken gemacht, aber ich wollte Austin so etwas nicht von mir aus anbieten. Dass er jedoch selber an uns gedacht hatte, freute mich irgendwie.
„Ich habe Hudson ein Versprechen gegen", war Kais Antwort, die Austin mit einem kleinen Lächeln zur Kenntnis nahm. „Und morgen baue ich die zwei Betten auf", fügte mein Gefährte noch an. Wenigstens für zwei Betten hatten Austin sich mittlerweile entschieden, auch wenn er mit dem ganzen Thema noch immer nicht viel zu tun haben wollte. Er hatte sogar mir die Aufgabe gegeben, mich um Klamotten für die Kleinen zu kümmern.
„Danke", lächelte er sanft und machte dann gleich eine scheuchende Handbewegung. „Und jetzt geht was Essen. Ich will meine Ruhe."
Das brachte uns alle zum Lachen und Kai verschränkte seine Finger mit meinen, ehe wir in die Küche gingen. Dort saßen Dad, der meine Schwester auf dem Arm hatte, während Papa gerade testete, ob ihre Flasche schon kühl genug war.
„Na ihr zwei", begrüßte er uns lächelnd und auch Dad grinste uns stolz entgegen.
„Magst du sie füttern, Cosmo?", bot er mir dann gleich an und ich nickte sofort energisch. Das würde ich mir sicherlich nicht entgehen lassen. Ich setzte mich neben Dad an den Tisch, ehe er Minou vorsichtig reichte und sie richtig in meinen Armen bettete. Kai kümmerte sich unterdessen darum, dass wir dann auch etwas zu Essen auf den Tisch bekamen.
Minou sah mir aus großen Augen entgegen. Ich hatte sie mittlerweile schon öfter auf dem Arm, wodurch sie mich auch schon kannte und nicht mehr zu weinen anfing, wenn ich sie hielt. Trotzdem sah sie mir immer noch skeptisch entgegen. Sie hatten genauso schwarze Haare wie Dad und auch ihr hatte er seine eisblauen Augen vererbt. Zu unserer großen oder auch weniger großen Überraschung war Minou ein reiner Mensch. Sie hatte das Wolfsgen von Papa nicht beerbt und war demnach genauso durchschnittlich wie Dad. Als der Arzt nach dem Gentest dieses Ergebnis meinen Eltern mitgeteilt hatte, war Dad augenblicklich in Tränen ausgebrochen. Damit war die Angst, dass Minou das Wutwerwolfgen geerbt hatte, dahin.
„Ich kann es kaum erwarten, bis unsere Enkelkinder auf der Welt sind", strahlte Papa und gab Dad die Flasche, die er mir dann gleich weiterreichte.
„Ob sie auch alle blaue Augen haben?", schmunzelte Kai und stellte mir ein Glas Wasser hin. Die Wahrscheinlichkeit war gar nicht so gering. Immerhin hatte Dad seine Augenfarbe seinen fünf Kindern vererbt, vielleicht hatten Ian und Hudson es auch an ihre Kinder weitergeben.
„Solange niemand dieses blöde Wutwerwolfgen geerbt hat, ist es mir egal, was sie sonst so geerbt haben", antwortete Dad ohne von seiner Tochter aufzusehen, die in meinen Armen gierig an der Flasche nuckelte.
„Das Ergebnis ist da", platzte plötzlich Nathan in die Küche. Sein Blick fiel sofort auf Kai, der sich ruckartig aufrichtete und im nächsten Moment zog Nathan in fest in seine Arme.
„Anne hatte Recht", keuchte er und drückte Kai fest gegen seinen Körper. Mein Gefährte brauchte einen Moment, bis er darauf reagieren konnte, ehe er sich ebenso fest an Nathan drückte.
„Was sagt der Test?", fragte Papa interessiert. Nathan löste sich daraufhin von Kai und hob einen Zettel, der mir bis dahin gar nicht aufgefallen war, etwas hoch.
„Eine Verwandtschaft ist zu neunundneunzig Prozent wahrscheinlich. Der Arzt meinte, dass das bedeutet, dass wir entweder Vater und Sohn sind oder eben Brüder."
„Und ich bin nicht dein Sohn?", fragte Kai mit einem Schmunzeln daraufhin nach, was Nathan gleich kräftig mit den Augen rollen ließ.
„Nein, du bist nicht mein Sohn." Er rollte erneut mit den Augen, begann dann aber breit zu lachen und zog ihn nochmal in seine Arme.
„Jetzt musst du mir aber erzählen, wie Anne diese Vermutung haben konnte."
Daraufhin seufzte Nathan leise und setzte sich mit an den Tisch. Dad griff derweil nach dem Testergebnis und las sich die wenigen Zeilen darauf durch.
„Unser Rudel wurde damals von Jägern angegriffen, dabei wurden viele verletzt und einige sind auch gestorben. Einschließlich unserer Eltern und unserem kleinen Bruder. Er war damals noch ein Säugling und Mama hat sich mit ihm in unserem Keller versteckt, aber sie wurden gefunden. Mama haben sie gleich dort umgebracht, aber unseren Bruder haben sie mitgenommen. Wir hätten nie gedacht, dass sie ihn am Leben lassen. Wir waren uns eigentlich sicher, dass er längst tot ist." Nathan seufzte angestrengt. „Nachdem Anne deine Geschichte erfahren hat, ist sie gleich davon ausgegangen, dass du unser verschwundener Bruder bist. Sie fand, dass du mir ähnlich siehst und dass du die braunen Augen unseres Vaters hast. Aber ich konnte das ehrlich gesagt nicht glauben und wollte es auch nicht wirklich wahrhaben."
„Aber sie hat die ganze Zeit über Recht gehabt", seufzte Nathan und schenkte Kai dann ein kleines Lächeln. „Ich bin froh, dass du am Leben bist. Auch wenn wir nicht zusammen aufwachsen konnten."
„Aus ihm ist zum Glück trotzdem ein schlauer Kerl geworden", schmunzelte Papa und wuschelte meinem Gefährten grinsend durch die Haare.
„Wie war mein Name?", fragte Kai mit einem seligen Lächeln nach. Ich konnte seine Glücksgefühle spüren und wie zufrieden er in diesem Moment war. Er hatte jetzt schwarz auf weiß, dass er eine richtige Familie hatte. Eine, die das selbe Blut teilte und ihn nicht sein Leben lang angelogen hatte.
Auch wenn sie nur noch aus Nathan und Annes Tochter bestand.
Ein Schmunzeln trat auf Nathans Lippen, ehe er breit zu grinsen und dann sogar zu Lachen begann. Das weckte natürlich gleich unsere Neugier.
„Finnegan", grinste Nathan und Papa bekam im selben Moment einen hochroten Kopf.
Dad dagegen fing lauthals zu lachen an und auch ich konnte nur kichern. Kai dagegen sah verwirrt zwischen uns hin und her und verstand nicht, warum wir so reagierten. Sogar Minou gluckste einmal auf und saugte dann fleißig weiter.
„Finn ist nur ein Spitzname", erklärte Dad dann lachend. „Er heißt eigentlich Finnegan, aber nenn ihn nicht so. Er wird entweder sauer oder fängt gleich zu weinen an."
„Das stimmt doch gar nicht. Ich fange nicht zu weinen an", versuchte Papa sich gleich zu verteidigen.
Das brachte uns alle nur noch weiter zum Lachen und auch Kai grinste jetzt.
„Dann bleibe ich lieber bei Kai", schmunzelte mein Gefährte, was Papa zufrieden nicken ließ.
„Ich musste so lachen, als ich das erfahren habe", grinste Nathan und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. „Wie groß ist dieser Zufall bitte."
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