64 - Konfrontation
„Welche Jungen?", kam es irgendwann keuchend von Hudson, der sich nur schwerfällig wieder richtig aufrichten konnte.
Ich schluckte angestrengt und verfluchte mich selbst, dass ich meinen Mund nicht halten konnte. Ich hatte Austin versprochen, dass ich es niemanden sagen würde und anstatt mein Versprechen zu halten, erzählte ich es gleich Hudson, der es wahrscheinlich am aller wenigsten erfahren sollte.
Austin hatte zwar versucht es ihm zu sagen, aber nachdem Hudson deutlich gemacht hatte, dass er nichts mehr mit Austin zu tun haben wollte, hatte der Kater nicht mehr weiter versucht, es ihm zu sagen und sich damit abgefunden.
Trotzdem war es nicht mein Recht, es Hudson zu sagen.
„Deine", antwortete ich mit zitternder Stimme. Mir war zu heulen zumute. Das schlechte Gewissen Austins Geheimnis ausgeplaudert zu haben, breitete sich schlagartig in meinem Körper aus und drückte wie eine tonnenschwere Last auf meine Lunge. „Austin... er..." Ich konnte nicht weiterreden und biss mir kräftig auf die Unterlippe.
„Das kann nicht sein. Austin kann keine Kinder bekommen", knurrte Hudson nach einem Moment Bedenkzeit. „Vor allem nicht von einem Wolf!"
„Es ist passiert. Er ist schwanger", gab ich leise zu und machte mich hinter Nathan immer kleiner.
„Das glaube ich nicht!", donnerte Hudson daraufhin wütend und ließ seine Hand kraftvoll auf den Holztisch niedersausen. „DU LÜGST!"
„Nein", brachte ich etwas energischer hervor. Wenn ich Austins Geheimnis schon ausgeplaudert hatte, dann musste ich Hudson auch irgendwie verklickern, dass es der Wahrheit entsprach. So etwas drastisches würde ich mir nie ausdenken.
„Ich glaube dir nicht!", wiederholte er dann, diesmal jedoch schon etwas kraftloser. Sein Blick fiel auf Nathan, der dem problemlos standhalten konnte, und sich von der Wut in Hudsons Augen nicht unterkriegen ließ. Als Nathan dann plötzlich nickte und meine Worte damit bekräftigte, war nicht nur Hudson überrascht.
Wusste Nathan etwas davon? Hatte Austin es ihm gesagt? Oder unterstützte er mich einfach nur, weil er mir glaubte und nicht davon ausging, dass ich so etwas erfinden würde?
„Nein", wiederholte Hudson und schüttelte dann kräftig den Kopf. „Das kann nicht sein. Das ist unmöglich und eine Lüge!"
Ein fast schon genervtes Seufzen kam von Nathan, der sich erst durchs Gesicht strich und seinen Blick dann wieder auf Hudson lenkte. „Würdest du Austin selber glauben?"
Hudson zog überrascht die Augenbrauen nach oben. „Er ist hier?"
Nathan nickte nur.
„Wo ist er?" Mit einer stampfenden Schritten eilte Hudson zum Fenster und warf einen Blick hinaus, ehe er an uns vorbeilief und ebenfalls im Flur nachsah.
„Er ist nicht hier, aber er hat uns begleitet. Er wartet außerhalb der Grenzen."
Hudson, der noch im Flur stand, nickte daraufhin langsam. Nur einen Moment später drehte er sich wieder ruckartig zu uns um. „Bringt mich zu ihm!" Ohne dann auf eine Antwort von uns zu warten, lief er die Treppen hinunter.
„Das ist keine gute Idee", murmelte Nathan leise und verzog kurz etwas das Gesicht, ehe auch er sich in Bewegung setzte.
„Aber vielleicht hilft es wirklich. Die Erwähnung der Jungen hat vorhin auch Wirkung gezeigt." Nathan warf mir daraufhin einen eher skeptischen Blick über die Schulter zu, ohne seine Schritte dafür zu verlangsamen.
Nur kurze Zeit später standen wir mitten im Wald, etwas außerhalb von Hudsons neuem Rudel. Zahlreiche, bullig aussehende Kämpfer waren uns gefolgt und reihten sich nur wenige Meter hinter uns auf, wirkten dabei aber nicht wirklich so, als wollten sie hier sein.
Uns gegenüber standen Austin, Kai, Lukas und zwei seiner Kämpfer, wobei ich mir sicher war, dass sich die Anderen nur in der Nähe versteckt hielten.
Ich konnte Kai ansehen, dass er zu mir kommen wollte, aber Hudson, der mit eiserner, angsteinflößender Miene zwischen den beiden Gruppen stand, hielt sämtlichen Verkehr auf. Keiner traute sich nur einen Schritt in irgendeine Richtung zu machen. Es lag auch eine spürbare Anspannung über uns. Trotz des sanften Windes, der zwischen den Bäumen pfiff, konnte man die Luft beinahe schneiden.
Niemand sagte etwas und selbst der Wald war noch stiller geworden, als er hier ohnehin schon war.
Keiner wollte riskieren, den wackelnden Frieden zwischen den beiden Fronten mit Worten ins Wanken zu bringen. Uns war allen bewusst, dass Hudson eine Bombe mit einer extrem kurzen Zündschnur war.
Austin, der sonst immer kühl und unnahbar tat, war diesmal sichtbar aufgewühlt und versteckte sich mehr hinter Kai, als dass er sich seinem Mann stand. Sein Blick war auch dauerhaft gen Boden gerichtet. Nicht einmal hatte er zu Hudson gesehen, während mein Bruder den Kater mit seinen Blicken beinahe erdolchte.
Austin musste bewusst sein, dass Hudson mittlerweile über seine Schwangerschaft Bescheid wusste.
Schließlich war es Lukas, der aus dem Nichts einen Schritt nach vorne tat und sich laut räusperte. Ohne dass überhaupt Worte seinen Mund verlassen hatte, knurrte Hudson gleich warnend auf. Lukas legte daraufhin aber lediglich den Kopf etwas schief und musterte den Teenager vor sich eingehend.
„Du bist wahrlich Eliahs Sohn", murmelte der Alpha nach einigen Minuten und obwohl er leise sprach, durchschnitt seine Stimme die Stille wie ein Megaphon.
Hudson brummte daraufhin nur verächtlich. Er würdigte Lukas nur eines knappen Blickes, ehe ein weiteres Schnauben über seine Lippen kam und er die wenigen Schritte zu Lukas überwand. In diesem Moment war es als würde ein synchrones Luftanhalten durch die Anwesenden gehen. Jeder wartete angespannt ab, was Hudson als Nächstes tun würde.
Lukas beäugte den jungen Alpha lediglich und reagierte erst, als Hudson mit völliger Selbstverständlichkeit an ihm vorbeiging und den älteren Alpha einfach stehen ließ. Lukas zog irritiert die Augenbrauen nach oben und drehte sich schwungvoll zu Hudson um, der jedoch bereits wieder stehengeblieben war.
Nur wenige Meter von Kai und Austin entfernt. Kai baute sich vor den Kater auf, was mein Herz gleich etwas höher schlagen ließ. Er hielt sein Versprechen und achtete auf Austin, obwohl er noch immer nicht wusste, warum ich das erbeten hatte.
Austin fühlte sich bei Kai offenbar sicher, denn er machte sich hinter seinem Rücken weiter kleiner und vertraute meinem Gefährten gänzlich.
Hudson reagierte daraufhin aber weniger begeistert. Mit wenigen, knappen Worten forderte er Kai auf beiseite zu treten, doch mein Gefährte schüttelte nur eisern den Kopf. Es wunderte mich sogar, dass Hudson nicht direkt auf Kai losgegangen war. Immerhin war ihr letztes Aufeinandertreffen weniger glimpflich verlaufen.
„Du sollst weggehen!", wiederholte Hudson knurrend und machte einen warnenden Schritt in Kais Richtung. „Ich will nur reden", fügte mein Bruder dann mit etwas gesenkterer Stimme an und machte eine weitere Handbewegung, die Kai signalisieren sollte, besser endlich von Austin weg zu treten.
Kai blieb jedoch wieder an Ort und Stelle stehen, ehe er sich nach kurzem Zögern zu Austin umdrehte, der davon weniger begeistert wirkte. Sie redeten nicht miteinander, aber als Austin dann kaum merklich nickte, trat Kai nur zwei Schritte neben den Kater.
Das passte wiederum Hudson ebenfalls nicht, aber der Alpha sah wohl recht schnell ein, dass er Kai nicht weiter wegbekommen würde.
Ab dem Moment, an dem Hudson und Austin sich in die Augen sahen, wurde es schlagartig wieder mucksmäuschenstill. Selbst die, die nicht wussten, worum es gerade ging, spürten, dass es keine Kleinigkeit war. Sogar die Bindung, die zwischen meinem Bruder und Austin spürbar bestand, war deutlich zu spüren, was mich überraschte, da die beiden keine Gefährten waren. Dennoch gab es zwischen ihnen wohl etwas ähnlich starkes, das mit ihrer Begegnung wieder frisch aufflammte.
„Stimmt es?" Seine Frage war nur ein Flüstern, aber wir konnten ihn dennoch alle problemlos verstehen.
Austin wusste sofort, wovon Hudson redete und bestätigte seine Frage direkt mit einem Nicken. Man konnte ihm ansehen, dass es ihm unangenehm war, wahrscheinlich gerade weil so viele Leute noch hier waren, aber es wurde auch deutlich, dass der Kater zu stolz war, um einfach so schwach zu wirken.
„Wie lange weißt du es schon?" Hudsons Stimme klag plötzlich total leer. Von dem mächtigen Alpha war gerade nichts mehr zu sehen.
Austin schluckte erst angestrengt, ehe er zögerlich antwortete. „Seit zwei Monaten."
„So lange?! Warum hast du nichts gesagt?", fragte Hudson daraufhin aufgebracht und baute sich wieder weiter auf. Kai reagierte gleich und wollte sich vor Austin stellen, doch der Katzenwandler schob meinen Gefährten an der Schulter wieder weg und signalisierte ihm damit, dass er wegbleiben sollte. Austin wollte das wohl alleine regeln.
„Ich habe versucht mir dir zu reden, aber du wolltest mir ja nie zuhören!", erwiderte der Kater aufgebracht und baute sich ebenfalls auf. „Du warst der erste, zu dem ich gegangen bin, nachdem ich es erfahren habe, aber du hast mich nur angeschrieben und wieder weggeschickt!"
„Du hättest mir sagen müssen, wie dringend es ist!", knurrte Hudson und grollte tief.
„DAS HABE ICH! Aber das war dir egal!" Austin stemmte die Hände angespannt in die Seiten und fauchte verärgert. „Du hast mir gesagt, dass ich dich nicht mehr länger interessiere und nichts dringend genug ist, dafür, dass du mir deine Aufmerksamkeit schenkst!"
Daraufhin knurrte Hudson laut auf und drehte sich ruckartig weg. Ein weiteres angsteinflößendes Knurren kam von dem jungen Alpha, ehe er laut aufbrüllte. Er schenkte seinem Umfeld keine Beachtung mehr, was ich ausnutzte und gleich zu Kai und Austin hinüber eilte. Mein Gefährte legte sofort einen schützenden Arm um mich und drückte mich etwas zur Seite, damit zwischen mir und Hudson noch mehr Abstand war. Obwohl der Alpha sich ohnehin gerade mit langsamen Schritten weiter von uns wegbewegte und weiterhin wütend brüllte.
„Das hat ja toll funktioniert", murrte Nathan, der im selben Moment zu uns kam und Austin etwas weg schob, wie es Kai eben bei mir getan hatte. „Jetzt ist er noch wütender."
„Aber nicht auf andere", versuchte ich die Wogen etwas zu glätten. „Wenn er immer noch auf alles und jeden sauer wäre, dann hätte er uns hier längst angegriffen. Vor allem Kai."
Mein Blick fiel dabei auf meinen Gefährten, der mir mit einem ernsten Gesichtsausdruck entgegen sah und auf meine Worthin hin nickte. Dabei lächelte er mich für einen kurzen Moment an, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder auf das Geschehen richtete.
„Ich denke, dass er jetzt mehr auf sich sauer ist", flüsterte Austin, der seinen Blick noch immer nicht von meinem Bruder gelöst hatte. Dabei lag so viel Schmerz in seinen Augen, aber die Gefühle, die Austin gegenüber Hudson hegte, wurden dadurch kaum abgeschwächt. Allein in seinem Blick konnte man sehen, was Hudson dem Kater bedeutete.
„Ich rede mit ihm", fügte er dann selbstbewusst dazu und drückte Nathans Arm von sich.
„Das ist eine noch dümmere Idee. Nix da, hier geblieben!" Nathan versuchte wieder nach dem Kater zu greifen, der sich aber mit Leichtigkeit unter dessen Armen hinweg ducken konnte und dem Kämpfer damit durch die Lappen ging. „Austin!", schimpfte Nathan direkt und versuchte erneut nach dem Katzenwandler zu greifen, aber auch diesmal konnte Austin ausweichen.
Im selben Moment stürzte plötzlich Hudson direkt auf uns zu, an Austin vorbei und mit voller Wucht auf Nathan, der dabei zu Boden ging, sich aber gleich kräftig zur Wehr setzte. Kai kam ihm sofort zur Hilfe und versuchte meinen Bruder irgendwie von dem Krieger zu reißen.
Innerhalb weniger Sekunden eskalierte die angespannte Situation daraufhin und ein unvorhergesehen brutaler Kampf brach zwischen den zwei Fronten aus.
„Bring Cosmo und Austin in Sicherheit!", brüllte Kai noch, ehe ich bereits einen schweren Arm um meine Taille spürte, der mich problemlos vom Boden hob. Ich versuchte mich gegen den eisernen Griff zu wehren, aber ein warnendes Knurren des Alphas ließ mich gleich wieder innehalten und mich stattdessen an seinem Arm Halt suchend festklammern. Immerhin blieb mir in diesem Gerangel gerade auch gar nichts anderes übrig, als auf Lukas, der versuchte mich hier wegzubringen, zu vertrauen. Auch wenn mir lieber wäre, Kai würde mich hier wegbringen und sich damit auch selber in Sicherheit bringen.
Lukas konnte mit Glück auch Austin noch irgendwie am Oberarm erwischen und riss den Kater, der sich stark dagegen wehrte, erbarmungslos mit. Zusammen mit zwei anderen Wölfen konnten wir irgendwie unbeschadet aus der Menge kommen und zwischen den Bäumen verschwinden.
Selbst als wir irgendwann an unserem Lager ankamen und Lukas mich und Austin ohne Wenn und Aber in Nathans Geländewagen drückte und die Zentralverriegelung aktivierte, konnte man die Kampfgeräusche noch immer hören.
Bellen, Knurren, Jaulen und Fiepen.
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