45 - ein schwarzer Tag
Einfach zu warten und auszuharren, war das Schlimmste, was wir hätten tun können.
Dad, Hudson, Eren, Bernard, Nathan sowie Owen und zwei seiner engsten Katzenfreunde hatten sich bei Tagesanbruch auf den Weg gemacht. Kai und seine Mutter konnten offenbar etwa herausfinden, was genau hatte uns keiner gesagt, weil sie recht überstürzt aufgebrochen waren.
Anfangs war niemand dafür, dass Dad mitging. Als Mensch war er kaum von Nutzen und eher Ballast, da die anderen auf ihn auch noch achten mussten, andererseits war er ein taktischer Vorteil.
Dass Owen noch seine Freunde mit ins Spiel brachte, die sich ungemein darauf freuten, etwas Dampf abzulassen, ließ uns noch besser dastehen.
Anscheinend waren die Beiden den Jägern gegenüber sehr schlecht gesinnt, da sie im Skatepark schon des Öfteren aneinander geraten waren. Außerdem wollten sie Austin eins reinwürgen, in dem sie mit Owen gemeinsame Sache machten.
Bevor unsere Gruppe dann losziehen konnte, hatten sie uns bei Owen zuhause abgesetzt, da wir dort nicht so einfach aufzuspüren waren, als in unserem Haus. In Mitten dieser Siedlung, die überwiegend von Katzenwandlern bewohnt war, würde kein Jäger nach uns suchen. Außerdem würden sie unsere Spur hierher kaum verfolgen können, da die Gerüche der Katzen zu stark waren.
Owens Eltern waren mal wieder nicht zuhause, sodass es niemandem störte, dass Anne, Papa, Ian und ich in ihrem Haus waren. Kurz war mir der Gedanke gekommen, ob Owen überhaupt Eltern hatte, aber das Familienbild am Kaminsims, das zwar schon einen Sprung im Glas hatte, überzeugte mich vom Gegenteil.
Zur Sicherheit hatte Owen auch Phili zu uns gebracht. Der Knirps bekam von der schlechten Stimmung kaum etwas mit, während er mit Anne in Owens Zimmer mit hölzernen Autos spielte. In einer stillen Minute hatte Phili mir stolz erzählt, dass Owen alle aus je einem Stück Brennholz für ihn geschnitzt hatte.
Die Stimmung wurde von Minute zu Minute angespannter. Papa lag unter zahlreichen Decken in Owens Bett, während Ian seine Hand hielt und wir alle drei Phili und Anne am Boden beobachteten, wie sie spielten.
Zumindest Phili konnte glücklich lachen, während Anne sich dem Kind zu Liebe immer wieder ein Lächeln aufzwang.
„Das Warten macht mich fertig", murmelte Ian irgendwann leise und lehnte sich erschöpft zurück.
Er hatte viel geweint, wodurch seine Augen rot und geschwollen waren, aber zumindest in diesem Moment blieben seine Wangen trocken. Josie und er hatten schon immer eine besondere Geschwisterbindung, die durch ihren gemeinsamen Gefährten nur noch verstärkt wurde. Für Ian musste Josies Entführung genauso schlimm sein, als wenn Eren selbst entführt worden wäre.
Für Ian war da höchst wahrscheinlich kein Vergleich.
Dazu fühlte er auch noch Erens Gefühle, die mit ziemlicher Sicherheit alle ins Maximum ausgereizt waren und während Eren sich tapfer hielt und keine Träne vergoß, tat Ian das in seinem Namen umso mehr.
Ich zog Owens Pullover fester um mich. Neben Hudson und Kai war er mitunter die wichtigste Bezugsperson in meinem Leben und ich wusste, dass ich bei ihm genauso sicher war, wie bei den anderen beiden. Wobei ich mir momentan bei Hudson nicht mehr so sicher war.
Wir hatten heute nicht die Möglichkeit miteinander zu reden und er hatte auch keinerlei Anzeichen gezeigt ein Gespräch mit mir führen zu wollen, wobei ich ihm das nicht übel nehmen durfte. Heute ging es darum unsere Schwester zu retten und nicht seinen plötzlichen Groll gegen mich aus der Welt zu schaffen.
Ich hoffte einfach nur, dass alles wieder gut werden würde. Kai sollte unbeschadet zu mir zurückkehren, damit ich ihn nochmal markieren konnte, Hudson sollte unbeschadet zu mir zurückkehren, damit ich meinen älteren Bruder wieder hatte und mit ihm alles was momentan zwischen uns stand ausreden konnte und Josie sollte unbeschadet zu mir zurückkehren, weil sie meine Schwester war und ich sie genauso wenig wie irgendjemand anderen aus meiner Familie verlieren wollte.
Ich spürte Kais Gefühle, die seit gestern Abend, seit er das mit seiner Familie erfahren hatte, völlig durcheinander waren. Es bereitete mir Schmerzen zu wissen und auch zu fühlen, wie zerrissen mein Gefährte im Inneren war. Er wusste nicht mehr, wem er vertrauen konnte und hegte plötzlich einen nachvollziehbaren Hass auf seine Eltern. Vor allem seiner Mutter gegenüber.
„Es geht vorbei", antwortete Papa leise. „Bald kommen sie alle durch diese Tür und alles ist gut." Er schenkte seinem Sohn ein wackliges Lächeln, ehe er sich ein wenig aufsetzte und mich zu sich winkte. Ich erhob mich augenblicklich und rutschte neben ihn unter die Decke.
„Heute spürte man eine klitzekleine Erhebung." Papa lächelte. „Wollt ihr sie spüren?" Das glückliche Lächeln, das in diesem Moment auf seinen Zügen lag, ließ mich augenblicklich nicken. Man konnte Papa ansehen, wie sehr er sich auf das Kind freute und wie sehr er sie bereits jetzt liebte.
Ian nickte ebenfalls und war sichtlich dankbar für die kleine Ablenkung. Wir schob beide unsere Hände unter die Decke und Papa zog seinen Pullover nach oben, sodass sein Bauch frei war. Er nahm unsere Hände und legte unsere Handflächen auf seinen nackten Bauch, ehe er vorsichtig auf und ab strich.
„Spürt ihr es?", fragte er mit einem kleinen Leuchten in seinen Augen.
„Ja", antwortete ich beinahe sprachlos und spürte Vorfreude in mir brodeln. Auch auf Ians Lippen bildete sich ein Lächeln.
Er freute sich genauso auf unser Geschwisterchen wie ich.
„Papa, ... warum hast du Dad nichts gesagt?", fragte Ian leise nach, während Papa seinen Bauch wieder gut einpackte und die Decke feststeckte.
Papa seufzte leise, ehe er einen Moment später erst antwortete.
„Wir haben nie mehr über Kinder geredet und eigentlich war die Kinderplanung mit euch abgeschlossen. Ich wusste ja nicht, dass er sich doch noch ein Kind wünscht." Er seufzte leise. „Außerdem... hat euer Vater nach eurer Geburt eine Vasektomie machen lassen und ich hatte irgendwie Angst, dass er vielleicht denkt, dass es nicht sein Kind ist, was natürlich absolut absurd ist, aber keine Ahnung... die Angst war da."
Ich nickte verständnisvoll, während Ian still blieb.
„Und ich habe es selber erst sehr spät erfahren und Herb war sich anfangs nicht einmal sicher, ob sie gesund ist, weil Eliah und ich ja beide nicht mehr die Jüngsten sind. Das wollte ich erst einmal abchecken lassen."
„Ist sie gesund?", fragte Ian mit matter Stimme nach.
„Kerngesund", lächelte Papa und erleichterte mich damit ungemein.
„Ich freue mich schon."
„Ich freue mich auch", lächelte Papa, griff nach meiner Hand und drückte sie. „Und dass euer Vater sich auch so auf sie freut gibt mir Kraft."
„Bekommst du ein Baby?", fragte Phili plötzlich, der zu uns aufs Bett krabbelte und sich dabei an meine Seite kuschelte. Ich legte einen Arm um den jungen Katzenwandler, der seine Nase kurz in Owens Pullover steckte, ehe er Papa angrinste.
Wie schön es nur wäre in seinem Alter zu sein und nichts von der jetzigen Situation wirklich mitzubekommen.
„Ja", lächelte Papa stolz und Philis Augen begannen zu strahlen.
„Ich will auch ein Baby! Mit Owi!", grinste das Kind und zog unter Owens Kopfkissen ein Stofftier hervor, dass er dann fest an seinen Körper drückte. Man konnte ihm ansehen, dass er müde war und an der Art, wie er sich an meinen Pullover kuschelte, konnte ich mir denken, dass er Owen vermisste.
Papa lachte auf Philis Worte hin und strich ihm durch die strubbeligen Haare.
„Dafür seid ihr beide noch etwas jung, aber irgendwann vielleicht."
Phili nickte auf Papas Worte hin und als ich eine Decke über seinen kleinen Körper zog, schloss er müde seine Augen.
„Wann kommt Owi?", fragte er leise und gähnte herzhaft.
„Bald", versprach ich dem Kind und hoffte, dass ich damit recht behielt.
Ich war offenbar auch eingeschlafen, denn als ich das nächste Mal meine Augen öffnete, war es draußen schon dunkel. Phili und Ian lagen neben mir im Bett und schliefen beide, während Papa und Anne am Fenster standen und in die Dunkelheit hinaussahen. Sie unterhielten sich leise und wurden ab und an erhellt, wenn ein Auto draußen vorbei fuhr.
Ich stand vorsichtig auf, um die anderen zwei nicht zu wecken und stellte mich zu Anne und Papa ans Fenster.
„Na, Knirps. Ausgeschlafen?", schmunzelte Papa und obwohl er lächelte konnte man in seinen Augen sehen, wie sehr ihn das Warten mitnahm.
Ich nickte nur.
„Wenn das alles vorbei ist, backen wir Owen Muffins", lächelte Anne plötzlich und ließ mich lächelnd nicken.
„Darüber freut er sich." Das wusste ich aus Erfahrung.
„Ich wusste nicht, dass Owen aus so ärmlichen Verhältnissen kommt", murmelte Papa und war überraschend standhaft, dafür, dass er die letzten Tage kaum alleine stehen konnte. „Jetzt weiß ich auch, warum er sich immer über die einfachsten Dinge gefreut hat." Ein trauriger Unterton schwang in Papas Stimme mit, während ich nur nicken konnte.
„Phili mag bestimmt auch Muffins", hing ich mit leiser Stimme an und Papa und Anne nickten daraufhin synchron.
Es kam einen Moment Ruhe auf, bis Anne leise begann von den Backkünsten ihrer Mutter zu schwärmen. Papa und ich lauschten ihr stumm und beide mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen.
Dieses starb jedoch abrupt, als ein Auto in unserer Auffahrt zum stehen kam. Dads Auto.
Die Türen wurden scheppernd aufgerissen und in der Dunkelheit verborgenen Leute stiegen aus. Wir beeilten uns sofort zur Haustür zu kommen, welche bereits geöffnet wurde, als wir dort ankamen.
Owen war der Erste, der kommentarlos das Haus betrat, den Schlüsselbund scheppernd fallen ließ und dicht gefolgt von Eren in sein Zimmer verschwand. „Owen?", versuchte ich ihm noch hinterher zu rufen, als ich im nächsten Moment Phili hörte, wie er freudig Owens Namen rief.
Als Nathan als Schlusslicht das Haus betrat, die Tür laut ins Schloss fallen ließ und sich schlagartig eine unschöne Stille ausbreitete, die mir eine Gänsehaut über den Körper jagte, wussten wir alle, dass etwas passiert war.
Konnte sie Josie retten? Wo waren Dad und Kai? Bernard? Auch Owens Freunde waren nirgends zu sehen. Sie waren doch mit zwei Autos gefahren.
Wo war das zweite Auto?!
„Wo ist Eliah? W-wo ist meine T-tochter?", fragte Papa tonlos und griff Halt suchend nach Anne, die bereits Tränen in den Augen hatte.
Nathan schluckte schwer und senkte schuldbewusst den Blick, ehe seine kraftlose Stimme ertönte.
„Es tut mir leid."
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