24 - Anne und Nathan
Die nächste Woche verging wie im Flug, was vor allem daran lag, dass ich so ziemlich jeden Tag verschlief. Dad verbrachte viel Zeit mit Eren und Bernard bei unseren Großeltern um mit Jim am Telefon einen Plan auszuarbeiten, wie wir gegen die Jäger ankommen können.
Josie und Hudson gingen weiterhin in die Schule und versuchten den Schein des Normalen aufrecht zu erhalten. Hudson hatte sich vehement dagegen gewehrt in die Schule zu gehen, weil er mich nicht alleine lassen wollte. Dad hatte ihm dabei jedoch ins Gewissen geredet, denn nur so konnte Hudson mir wirklich helfen. Zum einen hielt er die Jäger damit von uns fern und den Schein aufrecht und er konnte Ausschau nach meinem Gefährten halten.
Ian schmökerte ein Buch nach dem anderen durch, während ihm zuhause fast die Decke auf den Kopf fiel und Owen verbrachte so viel Zeit wie möglich bei mir um mich die wenigen Stunden, die ich wach war etwas von meinem kreisenden Gedankengängen abhielt.
Zwischen meinen Eltern war noch immer dicke Luft. Dad war zwar nicht mehr wieder zu seinen Eltern geflohen, schlief jedoch weiterhin auf dem Sofa. Papa hatte noch immer Stimmungsschwankungen, obwohl er wirklich versuchte sich zusammen zu reißen, aber den Grund hatte er noch immer nicht rausgerückt.
Und auch zwischen Eren und Bernard war alles noch seltsam.
Ian und Josie versuchten es immer etwa hinunter zu spielen, aber man merkte ihnen an, dass es sie störte und auch irgendwo verletzte, dass Eren nicht mit ihnen sprach. Laut Josie lenkte Eren das Gespräch immer sofort auf etwas anderes, wenn man ihn darauf ansprach und das meist nicht einmal unauffällig. Er zeigte deutlich, dass er darüber nicht sprechen wollte, er gab aber auch keinen Grund, warum es so schlimm war es einfach zu sagen.
"Ich gehe mit Cosmo spazieren.", rief Owen, der auf Samtpfoten die Treppe hinauf rannte. Es war echt bewundernswert, wie er selbst als Mensch noch auf so leisen Sohlen unterwegs sein konnte. Ich wenn die Treppe hinaufrannte, dann hörte man das auch ohne empfindlichen Wolfsgehör im ganzen Haus. Owen dagegen hätte ich wahrscheinlich nicht gehört, wenn er nicht Papa zugerufen hätte.
Owen hatte sich die letzte Woche wirklich bei uns eingenistet. Er verbrachte jede freie Minute hier und ging nur nach Hause, wenn er Phili sehen durfte. Meine Familie war damit einverstanden und sie gewöhnten sich alle samt immer mehr an den launischen Katzenwandler. Ich hatte ihn einmal darauf angesprochen, warum er so wenig Zeit in seinem Rudel verbrachte, aber er hatte nur wieder mit den Schultern gezuckt.
An seiner Mimik konnte ich jedoch erkennen, dass er nicht gerne darüber sprach, deswegen blies ich es dabei.
Nur einen Augenblick später platzte der Rotschopf ohne zu klopfen mit einem breiten Grinsen in mein Zimmer, griff nach meiner Hand und zog mich rücksichtslos aus meiner sitzenden Position in eine stehende.
"Wir gehen spazieren.", ließ er mich wissen und machte zog sich im nächsten Moment den Pullover über den Kopf um ihn mir zu reichen.
Ein kleines Lächeln schlich sich auf meine Lippen als ich den grauen Stoff ergriff. Das war der Pullover, den Owen zu aller erst gegeben hatte, damals vor der Schule. Irgendwie mochte ich den grauen Pullover deswegen am liebsten. Noch dazu war er wirklich sehr bequem, was ebenfalls ein großer Vorteil war.
"Hat Papa was geantwortet?", fragte ich und nahm die dicken Socken entgehen, die Owen für mich herausgesucht hatte.
"Nö.", antwortete der Katzenwandler schulterzuckend und stand beinahe zappelig an der Tür.
"Was bist du so aufgeregt?", schmunzelte ich als ich lachend an ihm vorbei aus meinem Zimmer ging.
"Philis Mutter wird ihn auf dem Weg nach Hause bei mir abliefern, dass bedeutet, dass wir uns beeilen müssen, damit wir sie ja nicht verpassen.", antwortete Owen hörbar freudig als er neben mir die Treppe hinunter trippelte.
"Geht er mit uns spazieren?", fragte ich lächelnd und zog mir meine Schuhe über.
Meine Kopfschmerzen waren gerade nur sehr gering, dennoch war ich froh als ich Papa sah, der mit einem kleinen Rucksack zu uns kam und gerade zwei Flaschen Wasser hineinpackte.
"Danke Papa.", lächelte ich und Owen schulterte den Rucksack, das breite Grinsen weiterhin in seinem Gesicht.
"Passt auf euch auf und bleibt in der Nähe des Hauses. Wenn etwas ist sofort anrufen und keine Alleingänge.", tadelte Papa und hob drohend einen Finger in die Höh. Owen nickte nur halbherzig und schob mich im nächsten Moment schon aus der Haustür.
"Owen, bist du heute zum Abendessen da?", fragte Papa noch und sah uns mit einem sanften Lächeln hinterher. Diesen Blick hatte ich die letzten Tage schon des öfteren bei ihm gesehen, wenn Owen bei mir war, und jedes Mal fragte ich mich, was ihm dabei durch den Kopf ging.
"Ja. Mit Phili.", antwortete der Katzenwandler enthusiastisch, wodurch Papa überrascht die Augenbrauen nach oben zog.
"Dann lerne ich deinen Gefährten also auch mal kennen.", schmunzelte er und winkte uns dann zu. "Seid vorsichtig, Jungs."
Wir nickten synchron und schon folgte ich Owen die Straße hinunter durch unsere Siedlung.
Wir hatten Glück, dass Dad nicht zuhause war, denn er hätte uns nicht gehen lassen. Vielleicht konnte man es als dumm bezeichnen, dass Papa uns einfach so gehen ließ, obwohl Jäger in der Nähe waren, aber Papa vertraute auf Owens Fähigkeiten und dass er mich beschützen würde. Außerdem war es sehr unwahrscheinlich, dass sie uns in unserer Siedlung angreifen würden, immerhin lebten hier außer unserer Familie nur Menschen.
In den letzten Jahren waren noch ein paar Häuser mehr dazugekommen, was jedoch die Idylle nicht störte. Durch unseren großen Garten mit den hohen Hecken waren wir immer noch sehr von unseren Nachbarn abgeschirmt, sodass unsere Privatsphäre durch die Flächendeckung nicht eingeschränkt wurde.
"Ah, die neuen Nachbarn ziehen ein.", lächelte ich und deutete auf ein Haus, das nur zwei Einfahrten von unserem entfernt war. Ein großer Umzugswagen stand davor und gerade war nur eine zierliche Frau zu sehen, die eine schwer aussehende Kiste trug.
"Lass uns Hallo sagen.", lächelte ich begeistert und griff nach Owens Hand um ihn mit mir zu ziehen. Der Katzenwandler ließ sich widerstandslos mitziehen und beobachtete meine neue Energie mit einem zufriedenen Glitzern in den Augen.
Es gar nur wenige Stunden, in denen ich wirklich Energie hatte, bevor mich das Mate-Fieber wieder niederstreckte. Diese Zeit wollte ich sinnvoll nutzen. Das war wahrscheinlich auch ein Grund, warum Papa uns gehen ließ. Er fand es auch wichtig, dass ich viel frische Luft abbekam und die Bewegung tat uns auch gut.
"Nanu.", lächelte die zierliche Frau als sie gerade wieder aus dem Haus kam und uns in der Einfahrt stehen sah. "Wer seid denn ihr?", schmunzelte sie und strich sich eine verirrte Strähne von der Stirn.
"Hey, ich bin Cosmo und das ist mein Freund Owen. Wir wollten Sie nur begrüßen. Ich wohne mit meiner Familie gleich dort." Ich deutete auf unser Haus, das man von hier aus gut sehen konnte.
Ihr Blick folgte meiner Hand, ehe sie wieder Owen beinahe skeptisch musterte. Ihr Blick huschte mehrmals zwischen mir und meinem besten Freund hin und her. Sie wirkte perplex.
"Anne?" Ein groß gewachsener Mann mit breiter Statur trat aus dem Haus. Seine hellen Haare lagen unordentlich auf seinem Kopf und sein ordentlicher Bart ließ sein Gesicht weniger kantig wirken. Der ernste Gesichtsausdruck wurde dadurch jedoch irgendwie noch verstärkte. Seine breiten Oberarme brachten sein T-Shirt fast zum reißen und unweigerlich fragte ich mich, warum die zierliche Frau eine so schwere Kiste tragen musste, wenn sie doch diesen Muskelprotz hatte.
"Nathan. Schau unsere neuen Nachbarn.", lächelte Anne und streckte ihrem wahrscheinlich Ehemann die Hand entgegen, die er jedoch nicht ergriff, sondern sich einfach neben Anne stellte. Seine blauen Augen musterten uns und auch er nahm Owen etwas genauer unter die Lupe. Ließ sich von seinem Anblick jedoch nicht so sehr stören, wie seine Frau.
Plötzlich drehte der Wind und ihre Gerüche schlugen uns ins Gesicht. Überrascht riss ich die Augen auf, während Owen intuitiv einen Schritt nach vorne machte und mich mit einer einfachen Handbewegung hinter seinen Körper schob.
Das brachte den Riesen zum Lachen. Die hochgezogenen Mundwinkel sahen in seinem ernsten Gesicht irgendwie Fehl am Platz aus, doch sein Lachen war dabei umso ansteckender. Sein raues Lachen hallte laut in unserer Straße wider, sein Brustkorb hob und senkte sich dabei schnell und die Lachfalten, die sich dabei um seine Augen bildeten, ließen ihn für einen Moment wirklich erheitert aussehen.
"Du brauchst ihn nicht vor uns beschützen.", lachte Nathan und strich sich weiterhin breit grinsend mit der Hand übers Gesicht. "Man sieht nur selten eine Katze so vertraut mit einem Wolf.", schmunzelte der eindeutige Beta und Anne neben ihm nickte zustimmend. Deswegen hatten sie Owen so gemustert. Durch den Wind, der anfangs zu ihrem Vorteil wehte, konnte sie gleich identifizieren, was wir waren. Dabei hatten sie nicht unrecht. Eine Katze und einen Wolf sah man wirklich nicht oft zusammen.
"Ich bin Nathan.", stellte er sich netterweise vor und reichte uns seine große Hand, die ich lächelnd ergriff.
"Cosmo."
Owen zögerte einen Moment und brummte dann eher unfreundlich als er seinen Namen nannte, was unsere Gegenüber jedoch nicht zu stören schien.
"Höflich, wie es sich für einen Katzenwandler gehört.", grinste Nathan und wand sich dann wieder zu seiner Frau. "Ich habe deinen Schrank aufgebaut. Wo wolltest du gleich das Regal hin?"
Anne erklärte ihm schnell, wie sie sich die Zimmereinrichtung vorgestellt hatte, ehe der Riese wieder im Haus verschwand.
"Kennt ihr den Alpha? Könnt ihr uns zu ihm bringen? Wir wussten nicht, dass es hier ein Rudel gibt, aber wenn es hier mehr von uns gibt, dann müssen wir uns vorstellen.", lächelte Anne und augenblicklich musste ich an Hudson denken. Den einzigen Alpha, den es hier weit und breit gab.
"Mein Bruder.", lächelte ich fast stolz und straffte dabei leicht die Schultern. "Hudson."
"Ah, Alpha Hudson, also." Anne nickte verstehend, während meine Brust vor Stolz noch stärker anschwoll. Alpha Hudson hörte sich wirklich gut an. Hudson müsste das hören. Er würde vor Stolz zergehen.
"Möchtest du deinem Bruder bitte ausrichten, dass ich und mein Bruder euch gerne morgen zum Essen einladen wollen. Unser Haus ist noch sehr chaotisch, aber die Küche ist schon ganz eingeräumt und ich kann es ehrlich gesagt kaum erwarten, endlich wieder zu kochen." Sie begann zu strahlen, als sich übers kochen redete und sah mir dann bittend entgegen.
Nathan war also ihr Bruder.
Dabei keimte sofort die Frage auf, warum sie allein mit ihrem Bruder in eine scheinbar rudellose Gegend zog. Das musste einen Grund haben. Kein Wolf würde das freiwillig tun.
"Ich werde es ihm ausrichten.", bestätigte ich, was Anne einen süßen Freudentanz aufführen ließ. Sie war wirklich knuffig.
Mit gerade Mal einer Körpergröße wie Josie und ihren langen blonden Haaren, gepaart mit dieser zierlichen Statur sah sie wirklich beinahe aus wie ein kleiner Engel.
Ich versuchte ihr Alter zu schätzen, aber nach unzähligen hin und her, einigte ich mich mit mir selbst auf irgendwas zwischen Anfang und Ende Zwanzig. Nathan dagegen hatte schon bei weitem älter gewirkt. Er war wohl ihr großer Bruder.
"Super! Dann muss ich heute gleich noch einkaufen gehen.", lächelte sie und wirkte dabei so als würde sie die Einkaufsliste gerade schon in Gedanken verfassen. "Mit wie vielen Leuten muss ich rechnen?"
Hudson, ich und wohl meine Eltern, wobei ich mir nicht sicher war, ob Dad mitgehen würde. Ich wusste, dass er die Gesellschaft von anderen Wölfen gerne mied, da er nicht riskieren wollte, dass sie von seinem Verlust erfuhren, aber wenn er nicht mitgehen würde, dann wahrscheinlich Eren oder Bernard.
"Vier.", antwortete ich also.
"Gut. Super! Ich freue mich.", lächelte sie, ehe ihr lächeln abrupt starb. "Jetzt muss ich aber weiter den LKW ausräumen, sonst schimpft Nathan bloß, dass ich nicht helfen.", schmunzelte sie und winkte uns zum Abschied noch hinterher.
Kaum waren wir jedoch hundert Meter gegangen, stoppte ein Wangen auf der anderen Straßenseite und noch bevor ich es mit der Angst zu tun bekommen konnte, sprang ein blonder Wirbelwind über die Straße und direkt in Owens Arme.
Der Katzenwandler hob seinen Gefährten gleich auf seine Hüfte und genoss sichtbar die innig Umarmung, die der Kleine ihm schenkte.
"Owen.", lächelte Philis Mutter, die das Fenster auf der Fahrerseite herunter gelassen hatte. Der Katzenwandler warf kurz einen Blick nach links und rechts um zu überprüfen, dass auch ja kein Auto kam und trat dann an das offene Fenster heran. Die beiden unterhielten sich kurz, ehe sie ihm einen Rucksack hinausreichte, den er sich zusätzlich zu meinem noch über die Schulter warf. Sie verabschiedeten sich, Phili gab seinen Mama noch einen Kuss und dann fuhr sie auch schon winkend weg.
"Hallo Cosmo.", lächelte Phili als Owen wieder an meine Seite trat. Der blonde Junge hatte sich noch immer fest an seinen Gefährten gekuschelt und lächelte mir verschämt zu. Seine Wangen leuchteten rot, während seine Augen hell funkelten.
"Hey Phili.", begrüßte ich den Knirps, der daraufhin nur breit grinste und dann begann von seinem Tag zu erzählen, während wir weiter die Straße hinunter gingen.
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