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27. Sitzung

Was passiert eigentlich, wenn ich meinen Kopf immer wieder auf die Tischplatte haue? Würde er irgendwann explodieren und sich blaue Hirnmasse im Behandlungsraum verteilen – daran würde ich definitiv drauf gehen. Besser so. Verrecken ist eh die einzige wirklich funktionierende Lösung. Wie zur Hölle hab ich es überhaupt auf die Reihe bekommen innerhalb von zwei Stunden von einer Frau auf zwei Frauen zu erhöhen? Und wieso glaubt eine Sechsjährige noch an den Weihnachtsmann und hat mich allen ernstes permanent 'Jack Frost' genannt? Außerdem wäre da noch die ungeklärte Frage wie der riesige Weihnachtsbaum in den Wintergarten gekommen ist.

Wie schön, dass ich Sherlock-Watson-Holmes-Ex-Supermodel-Psycho-Doc gegenüber sitze. Die kann mir das alles bestimmt so erklären, dass ich es selbst mit explodiertem Schädel – ohne Gehirn – verstehen würde.

„Frohes neues Jahr, Jack."

„Ich hab mich schon ins 'frohe neue Jahr' gevögelt."

Sie lehnt sich nach hinten.

„Soll man das jetzt beglückwünschen?"

Rhetorische Frage – glaube ich.

„Es sollte Sie frustrieren. Schließlich war es ja nicht mit Ihnen."

Irgendwie beobachtet sie mich als wäre ich eine Laborratte.

„Seh' ich heute noch besser aus als sonst, oder wieso starren Sie mich so an?"

„Da ist wieder diese Mauer. Und ich weiß nicht, ob sie von einer instabilen Psyche herrührt oder es auf Ihre pubertäre Grenzaustestung zurückzuführen ist. Wie lange waren Sie bei Ihrer Familie, Jack?"

„Drei Tage. Ich weiß übrigens worum es im Nussknacker geht. Also ein wenig – keine Plan. Renee hat es mir mehrmals versucht zu erklären."

Alles was ich behalten habe ist die Tatsache, dass diese Mascha ganz schön dicht sein musste um von Mäusekönigen und Nussknackern, die sich in Prinzen verwandeln, zu träumen.

„Haben Sie das Ballett etwa gesehen?"

„Ja, Heiligabend."

Bevor ich allerdings gemeinsam mit Renee hinaus in die Hamptons gefahren bin, hab ich mich zwei Stunden damit beschäftigt, Winterreifen auf den Camaro zu schrauben. So etwas ist übrigens komplizierter als es bei Fast and the Furious aussieht. Da hatte ich auch erneut den Wunsch danach Bruce Willis zu sein. Der hat doch da mitgespielt – oder war es Vin Diesel? Mit der Glatze und den Muskeln sehen die sich so ähnlich. Nur ist der Eine schon extrem alt und der Andere einfach nur alt.

„Ich fahr' übrigens nie wieder mit einem Oldtimer im Winter irgendwohin – außer vielleicht auf einen anderen Parkplatz in der Tiefgarage."

„Wieso haben Sie in Manhattan überhaupt ein Auto?"

Das Ex-Supermodel runzelt die Stirn.

„Weils ein Camaro SS 1967 ist. Und man damit meinen Führerschein nicht in Frage stellt."

Ist ja nicht so, dass ich noch einen hätte. Das hab ich Renee übrigens natürlich nicht erzählt. Die hätte einen Vortrag darüber gehalten, dass mein Verhalten verantwortungslos und strafbar ist. Außerdem hätte sie mich eine komplette Stunde mit dem Thema genervt und schließlich hätte ich vermutlich sogar noch nachgeben. Na gut, was Renee betrifft gebe ich prinzipiell immer nach. Was meine Eltern und auch Vio während der Feiertage immer wieder bemerkt haben. Allerdings haben Mum und Dad im Gegensatz zu meinem Schwesterherz nichts kommentiert. Meine Grandma hingegen hat mich schon nach fünf Minuten gefragt ob der Sex mit Renee so gut wäre, dass ich es anscheinend völlig in Ordnung finde mir von ihr meine Eier abschneiden zu lassen.

Ja, Nana ist so eine Sache für sich. Aber hey, da ich ihr einziger männlicher Enkel bin, bin ich so zu ihrem Liebling geworden.

Auf jeden Fall standen Renee und ich schließlich vor der gigantischen Haustür des Carter-Anwesens. Es heißt wirklich so und ich schäme mich jedes Mal aufs neue. Das Haus gleicht nämlich einem Barbie-Traumhaus-Schloss. Nur in weiß. Kommt davon wenn man einen schwulen Franzosen darum bittet das dreitausend Jahre alte Haus zu restaurieren. Das Teil ist älter als der Boden auf dem es steht. Nana's Großmutter war angeblich die Haussklavin – und später auch einzige Erbin – irgendeines Plantagen-Besitzers, weil die beiden eine skandalöse Affäre hatten. Das war im neunzehnten Jahrhundert als das mit der Sklaverei auch noch in Ordnung war. Nana selbst ist dann in New Orleans groß geworden, heiratete und konnte aber keine Kinder bekommen. Also adoptierte die pummelige schwarze Frau mit den Augenkrebs erzeugenden bunten Kleidern zwei Waisen. Meine Mutter Jolie und ihr Bruder Eric – der Alkoholiker. Der kam dieses Jahr übrigens mit seiner dritten Verlobten an – Selena. York ist aus seiner zweiten Ehe. Da hatte er diese hässliche Braunhaarige am Start, deswegen sieht York auch dementsprechend aus.

„Also, Jack. Fangen wir am besten bei Weihnachten an. Wie wars?"

Ich hab geklingelt und inständig gehofft, dass nicht York die Tür öffnet. Glücklicherweise war es Vio und die sah scheiße erleichtert aus mich zu sehen.

'Gott sei dank kommst du wirklich. Ich dachte schon, dass ich mit York alleine bleibe.'

Sie hat mich aus unerfindlichen Gründen stürmisch umarmt und dann erst Renee bemerkt. Zwischen ihr und mir hin und her geguckt, und angefangen zu grinsen. 'Ist sie das?', hat der gefärbte Rotschopf geflüstert. 'Renee Ledoux', so hat sich meine feste Freundin daraufhin freundlich vorgestellt.

'Französin?'

Vielsagender Blick zu mir.

'Violett Carter. Kurz; Vio. Die kleine Schwester.'

'Ja, Jack hat von dir erzählt. Ich hab auch mal Ballett getanzt und hatte sogar die Hauptrolle im Nussknacker.'

Der Rotschopf schnalzte mit der Zunge und war mit einem Mal weniger freundlich.

'War bestimmt vor deiner Brustvergrößerung, oder?'

Mein Schwesterchen hat hämisch gegrinst und ehe ich oder Renee etwas dazu sagen konnten, stand schon meine Mutter da.

'Jack Jolie Carter, hilf gefälligst deiner Grandma in der Küche!'

Ja, mein Zweitname ist der Vorname meiner Mutter. Sie wollte nunmal eine junge Version von sich und ich befürchte, dass sie mich in meinen ersten Jahren nur 'Little Jolie' genannt hat. Vielleicht waren unsere Nachbarn deswegen so überrascht als sich herausstellte, dass ich doch männlich bin.

'Es freut mich auch dich zu sehen, Mum.'

'Als ob', sagte sie mit einer abfälligen Handbewegung und seufzte dann auf. Es wurde ein breites Lächeln hergezaubert und daraufhin das Augenmerk auf Renee gerichtet. 'Hinreißendes Kleid, meine Liebe. Ist das Chanel?' Meine Mutter ist eine oberflächliche Persönlichkeit und ich bin mir sicher, dass diese Begrüßung nur der Anfang eines Gesprächs über Chanel-Klamotten war. Mehr als diese Frage hab ich von dem Gerede zwischen den beiden aber nicht mehr mitbekommen. Vio hat mich in die Küche geschoben und da stand sie.

Das Oberhaupt der Familie, der schwarze Teufel, mein älteres Ich – nur halt mit einem seltsamen grün-blauem Kleid bekleidet.

Taya Carter alias Nana.

'Jesus Christus ist geboren!', rief sie mir freudig ins Gesicht. Ich glaube, dass sie mich sogar angespuckt hat. Aber da bin ich mir nicht so sicher, denn dann hat sie mich in einer Umarmung erdrückt.

'Könnte ich sterben, wäre ich jetzt an deinem Parfum erstickt.'

Nana glaubt übrigens, dass meine Unsterblichkeit in Wahrheit Teil von Gottes Plan ist – von wegen ich wäre in Wahrheit ein Engel, oder die Ausgeburt der Hölle. Man darf es sich aussuchen.

'Wie gut, dass du es nicht kannst. Sag mal, Jack. Hast du die Frau, die du knallst jetzt eigentlich mitgebracht?'

Da hatte ich das erste Mal in der letzten Woche den Drang meinen Kopf explodieren zu lassen. Vio hat übrigens für mich geantwortet.

'Französische Ex-Ballerina, vermutlich gemachte Titten – hat sie laut Jacks Blick allerdings nicht erzählt. Ansonsten hat Mama schon festgestellt, dass sie Chanel trägt und demnach Kohle hat. Ich finde sie jetzt schon scheiße.'

Nana hat wissend genickt.

'Und Jack, sind ihre Brüste gemacht?'

'Gott, Nana. So etwas fragt man nicht und so etwas beantworte ich auch nicht.'

Ich hab die Arme verschränkt und mich gegen den Tresen gelehnt.

'Das heißt 'ja'?'

'Nein! Also.. ähm.. keine Ahnung, Nana.'

Vio hat losgelacht und sich neben mich gestellt.

'Du hast mit so vielen Frauen geschlafen und kannst Silikon von Echt nicht unterscheiden? Schäm' dich, Jack und komm ja nicht auf die Idee einer alten Frau sarkastisch zu antworten. Das könnte meinen Tod herbeiführen, Kleiner. Aber gut, dann seh ich mir die Französin mal an. Und ihr beide macht euch nützlich. In fünf Stunden muss das Essen fertig sein.'

Daraufhin gab es synchrones Nicken von mir und Vio, und der General verließ die Küche.

„Heiligabend war in Ordnung. Wenn man von nicht vorhandenem Alkohol, Witzen über Unsterblichkeit, einer Ballett-Aufführung und meinem ansteigenden Drang sich zu erschießen absieht."

„So schlimm?"

„Eher peinlich, außerdem war Vio durchgehend gemein zu Renee. Ich hab zuerst nicht verstanden wieso, aber das hat sie mir später dann erklärt. Davor gab es dann noch das berüchtigte Familienessen im Esszimmer."

Da sitzen also Eric, seine blonde Verlobte – die mich übrigens mit ihren Blicken versucht hat auszuziehen. Vermutlich hätte dass der seltsamste Moment des Abends sein sollen, aber wie sich herausstellte, war er das dann doch nicht. York hat mich beim Essen unter dem Tisch permanent getreten und am liebsten hätte ich mit aller Wucht zurück getreten. Hätte mit den Boots vermutlich auch gut funktioniert. Ich war übrigens der einzige Mann, der keinen Anzug trug. Stattdessen so ein orangenen Pullover mit einer rauchenden Giraffe drauf, ganz normaler Jeans und halt passend braune Boots – dafür wurde ich bei der Ballett-Aufführung von den restlichen Schickeria mit empörten Blicken bombardiert. Aber scheiß drauf, ich trage keine Anzüge. Die sind unbequem und ich komme mir darin immer dämlich vor.

'Wie habt ihr beide euch denn kennengelernt?'

Frage von Vio. Beschissene Frage – so mal nebenbei bemerkt.

'Wir arbeiten zusammen.'

Antwort von Renee. Beschissene Antwort – so mal nebenbei bemerkt.

'Jack arbeitet?

Frage von meinem Vater. Er hat sich da fast an seiner Suppe verschluckt.

'So nebenbei. Ist so ein Ding wegen der Unsterblichkeit, nichts großes.'

Antwort von mir. Natürlich völlig perfekt.

'Wo denn? Doch nicht etwa bei diesem Pharma-Unternehmen, oder?'

Meine Mutter – sehr neugierig.

'Nein, bei der .'Army

Renee – freundlich.

'Du Jack Frost, erschießt du da auch Leute?'

York. Dummes Kind. Ihr traue ich alles zu und der könnte man alles diagnostizieren. Ich weiß echt nicht, was in ihrem Leben schief gelaufen ist, aber York ist die Härte. 'Nicht das ich wüsste', antworte ich langsam und versuche schnellstmöglich irgendwas Essbares in meinen Mund zu stopfen. Wie bei meinem alten Therapeut mit den Keksen. Hier gilt die Devise; wer was im Mund hat, kann nicht reden.

'Keine Sorge, York. Jacky würde nie jemanden erschießen. Das macht Renee nämlich schon für ihn, die ist in Wahrheit nämlich ein Kerl. Deswegen auch die gemachten Brüste und das mit dem Ballett ist reine Wunschvorstellung.'

'Violett Taya Carter!'

Meine Mutter knallte ihre Gabel auf den Tisch, Nana unterdrückte ein Lachen und der Rest hielt sich bedeckt.

'So etwas sagt man nicht und so hübsch wie Renee ist, ist sie ganz gewiss kein Mann. Also entschuldige dich gefälligst.'

'Violett Taya Carter' hat mit den Augen gerollt, ist provokativ aufgestanden und hat Renee böse angelächelt.

'Ich denke nicht einmal ansatzweise daran.'

Der Blink-Licht-Dreck steht immer noch in der Ecke. Wie lange braucht es eigentlich bis so eine Tanne verreckt? Hoffentlich nicht lange.

„Sie sind sehr still, Jack", bemerkt Elisabeth.

„Mir ist heute nicht so sehr nach reden."

Und irgendwie lasse ich mich von dem Baum hypnotisieren. So scheiße wie ich das Teil auch finde, es ist die Art wie es funkelt. So ähnlich hat auch das Ballerinen-Outfit von dieser Ollen in der Aufführung gefunkelt.

Da saß ich zwischen Renee, die mir leise versuchte die Handlung zu erklären und Vio, die den Tränen nahe war. Hauptsächlich weil meine Mutter links neben ihr saß und die ganze Zeit irgendwas geflüstert hat von wegen 'schade, dass du nicht die Mascha geworden bist'. Und jedes Mal wenn ich kurz davor war in der Dunkelheit unbemerkt einzunicken, hat mich entweder Geklatsche oder Renee zurück in die Realität geholt.

'Schlaf nicht ein, gleich kommt die spannendste Stelle.'

Und dann Geklatsche, weil irgendeine Pirouette ganz besonders toll war.

Die spannendste Stelle hab ich übrigens nicht mitbekommen – lag vermutlich daran, dass sie gar nicht existiert hat. Oder ich hab sie verpasst, als Vio heulend rausgerannt ist. Denn da war so eine merkwürdige Szene in der die Prima-Ballerina im Zauberwald war, oder was auch immer das war. Das hat Vio anscheinend fertig gemacht. Aber ich glaube eher, dass es meine Mutter einen glorreichen Kommentar von sich gegeben hat.

Natürlich bin ich meiner Schwester gefolgt – sah es als gute Ausrede mir den sinnlosen Scheiß nicht mehr reinziehen zu müssen. Außerdem hatte ich permanent die Angst, dass einer der Ballerinen die Beine abbrechen. Die scheinen wie dünnes Glas – unfassbar zerbrechlich.

Den Kopf in den Knie vergraben hat Vio dann auf dem Korridor vor dem Eingang der Theaterhalle geschluchzt.

'Hörst du eigentlich auch irgendwann mal auf zu heulen?'

Seufzend hab ich mich neben sie gesetzt und mir eine Zigarette angezündet. Da stand nirgends das es verboten war und selbst wenn; auf dem Korridor war kein Mensch.

'Gib mir auch eine, Arschloch.'

'Nö, du entschuldigst dich auch nicht bei meiner Freundin.'

Mein Schwesterchen hob den Kopf und löste ihren seltsamen Riesendutt.

'Sie ist ein Miststück. Sieht man sofort.'

'Wie kommst du drauf?'

'Ich hatte die Hauptrolle im Nussknacker', äffte Vio sie ziemlich gekonnt nach und ich musste grinsen. 'Kerry hat dir besser gestanden. Und ich war mit zehn bereits Odette und Odile. So viel mal dazu.' Sie rollte mit den Augen und strich ihr hellblaues Kleid glatt. 'Kein Plan, wer oder was das ist', bemerkte ich daraufhin und grinste weiter. 'Die Doppel-Hauptrolle in Schwanensee, Schwachkopf. Was hast du auf dem College überhaupt gelernt?'

'Wie man Weiber ohne irgendwelche Verpflichtung flachlegt. Du wirst erstaunt sein, wie wenig man sich für Sex eigentlich anstrengen muss.'

'Ich wills gar nicht wissen, Jacky. Und geh rein, sonst verpasst du den Tanz der Zuckerfee.'

'Es gibt eine Zuckerfee?'

'Ja, das ist meine Rolle. Aber bevor du reingehst; bekomm' ich den Rest der Kippe?'

'Weiß Mama, dass du rauchst?'

'Weiß Mama, dass du dealst?'

Ich hab mit den Schultern gezuckt, nachgegeben und ihr den Rest der Zigarette überlassen. Bin anschließend wieder reingegangen und hab mir 'den Tanz der Zuckerfee' angesehen. Gestörte Scheiße ist der Nussknacker. Vom Anfang bis zum Ende.

Ich seufze und sehe zu Bloomfield. „Wenn ich ehrlich bin, fand ich Weihnachten eigentlich ganz schön. Es war angenehm – irgendwie." Sie nickt verständnisvoll, notiert sich noch etwas und presst die Lippen aufeinander.

„Irgendwas scheint Sie zu belasten, Jack."

„Nein, eigentlich ist alles in Ordnung."

Gelogen. Scheiße, Carter. Das war noch nicht mal gut gelogen.

'Deine Schwester scheint mich ja sehr zu mögen', hatte Renee am Abend bemerkt und sich währenddessen umgezogen. Ich hab da übrigens nicht bei zugesehen, sondern meine alte Zimmerdecke angestarrt.

Unfassbar, dass ich in diesem Zimmer gelebt habe. Mittlerweile ist es leider nicht mehr mit Postern irgendwelcher Punk-Rock-Bands zugekleistert, sondern wurde ordentlich an einer Wand mit Holz verkleidet und der Rest mit Tapete bestückt. Sieht aus wie ein teures Hotelzimmer. Ich vermisse meine Poster. Vor allem das von Rise Against mit Unterschrift von Tim McIlrath. Mum hat's wohl weggeschmissen als ich raus geflogen bin. Ist ja nicht so, als hätte ich dafür Ewigkeiten zwischen kreischenden weiblichen Fans in einer Schlange gestanden. Na gut, ich hab mit der Hälfte dort geflirtet – war also alles nicht so tragisch.

'Diese Bemerkung von wegen 'Hauptrolle im Nussknacker' hat sie fertig gemacht. Vio steht, was Ballett betrifft, ziemlich unter Druck.'

'Aber mich deswegen anzukeifen ist nicht fair und ich finde, dass du da auf meiner Seite stehen solltest. Vio's Reaktion war nicht gerechtfertigt.'

'Und was soll ich dagegen machen?'

Sie seufzte und ließ sich neben mir nieder.

'Sag ihr dass sie sich entschuldigen soll.'

'Renee, dass ist doch alles gar nicht so wichtig.'

'Für dich vielleicht. Du wurdest schließlich nicht bloßgestellt.'

Renee schnalzte mit der Zunge. Aus unerfindlichen Gründen saß sie kerzengerade im Bett und sah mich erwartungsvoll an.

'Was ist?'

'Rede mit ihr.'

'Jetzt?'

'Ja, wann willst du es denn sonst machen?'

Ich hab unmotiviert aufgestöhnt, aber auf sie gehört.

„Jack, ich habe es extra so eingerichtet, dass Sie heute mein letzter Termin sind – damit Sie so viel Zeit wie nur möglich haben. Und jetzt wollen Sie absolut nichts zu erzählen?"

„Es ist jetzt genau zwei Tage 2015 und am ersten hab ich Scheiße gebaut und am zweiten sitze ich bei meiner Therapeutin. Ich hab kein Bock zu reden."

„Dann werden wir so lange hier sitzen bis Sie mir erzählen was Sie belastet, Jack."

Ich klopfte also an die Zimmertür von meiner kleinen Schwester. 'Verpiss dich, York!'

'Knapp daneben; hier ist dein Brüderchen', gab ich auf ihre überaus freundliche Begrüßung zurück. Es dauerte ein paar Sekunden und die Zimmertür wurde aufgeschlossen. Da stand dann Vio mit ihren roten Locken und einem absolut barbiehaftem pinken Schlafanzug. 'Was willst du?', grummelte sie genervt.

'Dass du dich bei Renee entschuldigst. Sie ist deswegen was angepisst.'

'Ist mir doch scheißegal.'

Und dann knallte sie einfach die Tür zu. Daraufhin hab ich frustriert gestöhnt und den Kopf in den Nacken gelegt. 'Ich bin im Irrenhaus', murmelte ich zu mir selbst und bewegte mich anschließend zurück in mein Zimmer.

'Und? Was hat sie gesagt?'

'Sie hat schon geschlafen.'

'Lügner. Ich hab die Tür knallen gehört', antwortete Renee daraufhin trocken.

'Mein Gott, ich hab mit der Sache nichts zu tun. Wenn du willst, dass sie sich entschuldigt redest du mit ihr.'

'Sie ist deine Schwester und du bist mein Freund. Irgendwie bist du dafür verantwortlich', hat sie bemerkt und sich sich vor mich gestellt. Dann hab ich irgendwie vergesse worüber wir geredet haben, sondern daran gedacht dass sie ohne mein T-Shirt viel besser aussehen würde. So erkläre ich auch meine nächsten Worte. Nichts von wegen 'kein Sagen in der Beziehung haben'. Das war reine Taktik.

'Ich rede morgen mit ihr.' Dazu noch ein möglichst entschuldigendes Lächeln und die Hände um ihre Taille.

'Das Hier ist wirklich mal dein Zimmer gewesen, oder?'

'Ja, wieso?'

'Zeig mir mal, was du mit den ganzen Mädchen vor mir gemacht hast.'

„Weiterhin schweigen?", fragt Elisabeth vorsichtig und ich zucke mit den Schultern. „Irgendwie habe ich das Gefühl, dass mir das hilft", gebe ich dann murmelnd zurück. Sie notiert sich etwas und zum ersten Mal in meiner gesamten Zeit bei ihr merke ich, wie sie den direkten Blickkontakt wirklich unterbricht und stattdessen aus dem Fenster sieht.

Am Weihnachtsmorgen sind Schneeflocken auf den Fenstersims gefallen. Doch irgendwie hat das keiner außer mir mitbekommen. Was daran lag, dass ich in der Küche war. York hat mir zu sehr rumgekreischt, weil sie sich so sehr über ihr Geschenk gefreut hat. Widerwillig und mit weiterhin eisiger Mimik hat mein Schwesterchen sich im selben Zimmer bei meiner Freundin entschuldigt – es aber keinesfalls ernst gemeint. Und eine Zeit war ich froh, nur mit der Tasse Kaffee – die zu zweidrittel aus Whiskey bestand – in der Küche alleine zu sein. Allerdings hat sich Nana zu mir gesellt und still den Schnee betrachtet.

'Wie geht es dir, Jack?'

'Gut, läuft doch in Moment bei mir.'

'Ich mochte Kerry mehr, als Renee.'

'Du solltest sie nicht vergleichen, Nana.'

Doch sie ignorierte mich stur.

'Kerry hat dieses ehrliche Lächeln. Man hat sie angesehen und hat sofort gemerkt wie viel Wärme in ihr steckt. Renee hingegen ist kalt und dominant. Und das Schlimme ist, dass es dich so beeinflusst. Du tust nicht was du willst, sondern was sie will.'

'Siehst du, Grandma. Deswegen bringe ich keine Frauen hierher. Ihr vergleicht sie prinzipiell mit der davor.'

'Weil die davor deine Augen zum Leuchten gebracht hat. Da war ein Lächeln, das danach und davor nie da war. Nur in dem Jahr. Das Jahr in dem sie da war.'

'Kitschiger gings nicht, oder?', scherzte ich und versuchte somit inständig das erdrückende Gefühl zu verdrängen, das dabei war mir die Luftröhre zuzuschnüren. Half nichts. Dann halt ein großer Schluck vom Whisky-Kaffee.

'Ist es denn schon zu spät um sie zurückzubekommen?'

'Es ist etwa sechs Jahre zu spät, Nana. Sie heiratet übrigens.'

'Wie furchtbar.' Daraufhin dann ein Themawechsel. 'Hast du eigentlich den kompletten Whisky in diese Tasse geschüttet oder nur die Flasche, die ich hinter der Mikrowelle gebunkert habe?'

'Natürlich nur deine Flasche', hab ich breit gegrinst, ihr dann allerdings den Rest des Kaffee's überlassen.

„Jack, das waren jetzt die ersten fünfundvierzig Minuten. Sie sagten, dass Sie gestern einen Fehler begannen haben. Handelt es sich um etwas gesetzwidriges?" Wow, ich bin melancholisch und die glaubt, dass ich jemanden gekillt habe. Was wohl passiert wenn ich mal losflenne? Hab ich dann Massenmord begannen?

„Keine Sorge, Babe. Ich hab niemanden umgebracht, nichts geklaut und auch niemanden krankenhausreif geprügelt."

Sie nickt genauso wissend wie meine Grandma, schielt anschließend auf ihre Notizen und dann scheint Sherlock langsam drauf zu kommen, was ich angestellt habe.

„Haben Sie Renee betrogen, Jack?"

Dafür dass die Gute länger auf dem College war als ich, hat das jetzt aber echt gedauert.

„Ja."

„Wer war es?"

Aus unerfindlichen Gründen beginne ich zu lächeln. Als wäre ich auf das was ich getan habe stolz. Denn wenn ich ehrlich bin, dann war es kein Fehler. Es war vielleicht falsch, unnötig und Auslöser für eine anhaltende Verwirrung. Aber ein Fehler war es ganz gewiss nicht.

„Kerry."

Nach einer kurzen Pause, beginne ich zu erzählen.

„Es war Silvester, etwa drei Stunden vor Neujahr und ich war mit Renee auf einer Party in East Village verabredet. War ziemlich cool, weil es auf einem Dach war und so. Ich hab eine halbe Stunde gewartet, aber Renee kam nicht. Sie hat mir dann per Whatsapp geschrieben. Gemeint, dass sie noch was für Projekt November – halt die Arbeit – vorbereiten muss. Die hat halt heute deshalb ein Meeting und irgendwie soll das total wichtig sein. Na gut, also war ich dann alleine auf einer Party, auf der ich maximal drei Leute gekannt habe. Wäre ich Single gewesen, dann hätte das mehr Spaß gemacht. Aber so hab ich mir was von dem Sushi geschnappt und mich in eine Ecke verzogen – bereit Silvester mit mir selbst zu feiern. Aber irgendwie neigen ich und Kerry dazu uns immer die selben Ecken auszusuchen."

'Jack?' Sie hatte genau den gleichen beschissenen Teller in der Hand – ebenfalls mit Sushi überfüllt und irgendwie sah es so aus, als wolle sie sich auf meinen Platz setzen.

'Gabs da nicht so ein 'ich will nie wieder mit dir reden'?'

'Dafür wollte ich mich noch..'

'Nicht nötig. Juckt mich eh nicht.'

'Dann beweg deinen Arsch ein bisschen. Ich will mich hier hinsetzen.'

Widerwillig hatte ich ihr Platz gemacht und sie sich neben mich gesetzt. Ungeniert hatte Kerry angefangen das Sushi zu verschlingen und ich hatte sie unweigerlich mit Renee verglichen. Denn die hätte genau das nicht getan. Sie hätte auf der Party generell überhaupt nichts gegessen, sich schweigenden auf den dreckigen Boden gesetzt.

'Wo ist dein Muskelprotz von Verlobter?'

'Er ist Broker – die arbeiten immer. Wo ist deine spießige Freundin?'

'Die ist bei der Armee – die arbeiten immer.'

Sie hat gelacht und den Kopf in den Nacken gelegt.

'Jack, wegen Thanksgiving. Es tut mir echt leid. Ich hätte meine Wut nicht an dir auslassen dürfen und das ich mich nicht schon viel früher entschuldigt habe ist auch scheiße.'

'Wozu denn? Du hattest Recht. Das mit dem Kuss war purer Leichtsinn.'

Das war der Moment als ich an die Worte von Grandma denken musste. An das was sie über mich und Kerry gesagt hatte. Und dann war da wieder das Gefühl nicht atmen zu können, dieses Stechen in der Brust. Es lässt sich übrigens nicht mit einem Messer vergleichen – ich weiß das aus Erfahrung.

'Wir sind halt doch beschissene Teenager. Sag mal, hast du auch vor dein Sushi zu essen oder kann ich das haben? Ich verhungere hier halb.'

Ich hab gelacht und ihr meinen Teller in den Schoß gelegt.

'Das ist wie damals als du mich auf diese Preisverleihung geschleppt hast und es irgendwie nur Essen in Form von Gurken mit Dip gab. Danach mussten wir einen Laden suchen, der um drei Uhr morgens noch auf hat.'

Sie stopfte sich das Sushi in den Mund und nickte eifrig.

'Oder als wir uns auf dem Dachboden deiner Eltern versteckt haben, weil Vio wie eine Klette an mir hing und dich das total genervt hat', grinste sie mit Hamsterbacken und ich konnte mir ebenfalls ein Grinsen nicht verkneifen.

'Wo hast du eigentlich deine Manieren gelassen?'

'Sagt der Kerl, der mir mal auf meine Pumps gekotzt hat. Ich hasse dich immer noch für dieses Date.'

'Das war eine Lebensmittelvergiftung.'

Dann wieder ihr helles und fröhliches Lachen. Da war diese Wärme von der auch Nana gesprochen hatte. Und irgendwie schien sie in diesem Moment wie so oft zuvor; so perfekt.

'Alter, du bist unsterblich. Du bekommst nicht mal einen einfachen Schnupfen. Ich weiß, dass das vom Gras kam. Wenn du high bist, redest du nämlich immer über Chickenwings und nachdem du mich angekotzt hast, hast du knallhart gemeint, dass du in denen baden willst.'

'Du hast mir dann in den Magen geboxt und ich hab nochmal gekotzt.'

Ich grinste sie dreist an und Kerry schüttelte nur lachend den Kopf.

'Du bist so ein Idiot, Carter. Ich musste diese Schuhe wegwerfen! Ich hab sie so sehr geliebt!'

Gespielt empört stand sie lachend auf und gestikulierte wild mit den Händen, zeigte dabei immer mit dem Finger auf mich.

'Ich kann nichts dafür, dass die meine Superhelden-Galle nicht ausgehalten haben.'

'Die waren von Tamaris, aus Echt-Leder', bemerkt sie, weiterhin gespielt empört und verschränkt die Arme vor der Brust. Lachend stand ich auf und stellte mich vor sie, legte den Kopf leicht schief und spielte das Spiel mit.

'Soll ich dir neue kaufen?'

'Fast sieben Jahre später? Keine Chance, die sind schon nicht mehr In. Die Mode-Götter würden mich erschlagen wenn ich in den Teilen nochmal rumlaufe. Denk dran, dass war vor sieben Jahren. Da hat Avril Lavigne noch Girlfriend gesungen.'

'Hey, den Song fand ich klasse. Worum ging's da gleich nochmal?'

Provokativ wagt Kerry einen Schritt nach vorne und sieht zu mir hoch. Im Gegensatz zu Renee ist sie nämlich kleiner als ich.

'Sie konnte die Freundin von dem Typen auf den sie steht nicht ausstehen und dann hat sie halt darüber gesungen, dass sie so viel besser ist.'

Ich konnte mir ein arrogantes Lächeln nicht verkneifen und irgendwie hab ich mich in ihren Augen verloren.

'Sie hat den Typen am Ende bekommen.' Es war nichts weiter als ein Flüstern. Und hätte ich nicht so nah vor ihr gestanden, wäre es in den Hintergrundgeräuschen verloren gegangen.

'Du hast übrigens eine Freundin. So für den Fall, dass du grade auf dumme Ideen kommst.'

'Du bist übrigens verlobt. So für den Fall, dass du grade mit mir am flirten bist.'

Das war der Zeitpunkt wo sich mein Gewissen hätte einschalten sollen. Ich hätte daran denken sollen, dass ich eine Freundin habe. Vermutlich hätte ich es auch einfach als Fehler sehen sollen. Aber daran denkt man nicht, wenn man glaubt, dass die Frau vor einem perfekt ist. An so etwas denkt dann doch niemand mehr.

„Wir haben geredet, rumgealbert und sind übereinander hergezogen. Irgendwann stand ich nah vor ihr und dann hab ich sie geküsst. Und sie hat den Kuss erwidert."

Elisabeth nickt, notiert sich etwas und stützt ihren Kopf auf eine ihrer Hände.

„Ist es bei einem Kuss geblieben?"

„Nein."

„Bereuen Sie es?"

„Ich will es nicht bereuen, also; nein."

Das Ex-Supermodel notiert sich etwas und stellt anschließend weitere Fragen.

„Haben Sie und Kerry darüber geredet?"

„Passiert irgendwie wenn man ohne jeglichen Kater am nächsten Morgen nebeneinander aufwacht und genau weiß was letzte Nacht abgelaufen ist."

Kurz schielt Elisabeth auf ihre Armbanduhr, fährt anschließend fort.

„Es wühlt Sie sehr auf, Jack. Sie verbergen sich selbst wieder, haben Angst verletzt zu werden oder zu verletzen. Wenn ich das so sagen darf; es scheint als wäre Ihre Glückssträhne vorbei. Wie sollen wir mit dieser Situation umgehen?"

„Erwarten Sie, dass ich mir eine Behandlungsmethode ausdenke?"

Sie schüttelt sofort den Kopf, fährt sich dann durch ihre Haare und seufzt.

„Bei Depressionen tritt oftmals ein Hoch ein, und anschließend ein sehr ausgeprägtes Tief. Das Ziel unserer Therapie besteht darin, dass Sie Ihr Gleichgewicht finden. Denn so werden Sie auch zufrieden mit sich sein und vor allem Ihre Unsterblichkeit akzeptieren. Doch die Frage ist; was ist gut für Sie, Jack? Und das ist eine Frage, die ich nicht beantworten kann. Das wissen nur Sie."

Ich seufze, lehne mich nach hinten und betrachte wieder den Blink-Scheiß.

„Können Sie das nicht machen?"

„Nein, aber ich möchte dass Sie bis zur nächsten Sitzung über diese Frage nachdenken. Ist das machbar?"

„Natürlich, ich geb mir Mühe und so", bemerke ich unmotiviert. Anschließend wird dem Tannenbaum noch dreißig Sekunden Beachtung geschenkt, ehe ich dann aufstehe und mich verabschiede.

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