18. Sitzung
„Hey, Jacky", lächle ich und lehne mich lässig gegen den Empfangstresen. „Lass mich in Ruhe, Arschloch", gibt Miss Spears daraufhin desinteressiert zurück.
„Immer noch sauer, weil zwischen uns beiden nichts mehr läuft?"
„Verzieh dich, Jack. Du überträgst noch irgendwelche Geschlechtskrankheiten."
„Süß, dass du immer noch auf mich stehst."
Ich lächle weiter und fange nebenbei an auf der Oberfläche zu trommeln. Wenn ich nicht wissen würde wie anhänglich Jacqueline ist, würde ich sie nochmal flachlegen wollen – so für einen gelungenen Abschluss unserer 'Beziehung' versteht sich. Ob ich das auf die Reihe kriegen könnte? Schlag's dir aus dem Kopf, Carter. Die wird dich sonst nie in Ruhe lassen und denk mal dran wie beschissen du in einem Anzug aussiehst und sie wäre in so einem weißen Bausch-Kleid verdammt fett. Oh Gott, bei der Vorstellung bekomme ich schon Gänsehaut.
„Jack, Sie können reinkommen", ertönt die Stimme von Bloomfield und bringt mich damit von der Phantasie einer fetten Spears weg. Bin ich froh, dass ich keine Kinder bekommen kann. Sonst wäre meine Vorstellungskraft mit mir durchgegangen und am Ende würde ich mich in einem Pullunder und umzingelt von blonden Lockenköpfen sehen. Kein Bier in der Hand, keine Kippe und auch kein Joint. Stattdessen ein Baseball-Handschuh und den dazu passenden Ball. Wie gut, dass es nie soweit kommen wird. Das beruhigt ein bisschen.
„Jack?"
„Komme schon."
Weg von Jacky und hin zum Ex-Supermodel. Die ist sowieso viel interessanter.
Ganz flüchtig betrachtet sieht ihr Büro aus wie immer. Aber eine Sache gibt es dann doch die mir ein Lächeln ins Gesicht treibt – eine neue Zimmerpalme. Wäre ich Cheerleader, würde es jetzt einen Spagat im Sprung und Jubel-Schreie geben. Aber das wäre mit der Jeans nicht machbar und ich kann keinen Spagat. Außerdem müsste man für das richtige Flair einen Rock tragen und eine sechzehnjährige Blondine sein. Was ist es auch so schwer Cheerleader zu werden?
„Wie war Ihre Woche, Carter?"
„Ich hab meine neugewonnene Freiheit gefeiert und festgestellt, dass ich am dreizehnten November eigentlich vierundzwanzig werde."
„Das sind ja nur noch zwei Wochen. Irgendwelche Wünsche?"
„AC/DC-Konzert fänd' ich nicht schlecht. Ansonsten Zigarren, ein Dreier und einen Auftragskiller, damit Olivia für immer von der Bildfläche verschwindet."
„Ein AC/DC-Konzert?"
„Oh ja, die haben schließlich einen Song nach mir benannt; Big Jack. Wenn ich eine zweite Katze finde und die richtig fett ist nenne ich die so."
Sie lächelt, schlägt den blauen Umschlag meiner Akte auf und überfliegt die Seiten vor ihr. Nach der Sache in der Klapse hat sich das Teil ziemlich gefüllt. Ich hatte auch so beschissene Therapien in denen ich malen musste oder zwei Stunden lang Skills lernen sollte. Dabei war das letztere ziemlich lahm und voller Weicheier, die glauben sich aufschneiden zu müssen, weil sie null Selbstwertgefühl besitzen – Borderline halt. Und in diesem Kurs hat man dann gelernt sich weniger gestört Schmerzen zuzufügen. Allerdings hilft es mir reichlich wenig mir ein Haargummi gegen's Handgelenk zu flitschen. Ich hab ja noch nicht mal ein Haargummi.
„Wenn Sie psychisch vierundzwanzig werden sind Sie ein Jahr älter als Ihr Körper."
Stimmt nicht ganz. Mein Körper ist irgendwo bei einundzwanzig hängengeblieben – von wegen vollends ausgewachsen und entwickelt. Ich halte dreiundzwanzig einfach für die schönere Zahl und deswegen ist das halt mein Alter. Das ist ein bisschen wie bei diesen Frauen über dreißig, die allen aber erzählen sie seien neunundzwanzig
„Ja, erstes Jahr als Twilight-Glitzer-Vamp und so."
„Muss man sich Sorgen machen, dass Sie Ihren Geburtstag nicht verkraften könnten?"
Ich muss grinsen. Als würden wir uns nicht über vier Monate kennen. Als würde sie mich nicht so lange kennen.
„Babe, das ist mein Geburtstag. Der Tag an dem ich gefeiert werde. Denkst du echt, dass ich mir den durch irgendwas versauen lasse?"
„Sie mögen Ihren Geburtstag wohl sehr, Jack."
„Na ja, ich liebe mich."
Sie schnalzt mit der Zunge und lehnt sich etwas vor, die Hände in einander verschränkt. Irgendwie wirkt sie enttäuscht und ich brauche etwas bis mir klar wird, dass ich mich ihr gar nicht 'geöffnet' habe. Was denn Ex-Supermodel, deswegen frustriert? Hast geglaubt, dass eine Woche Irrenanstalt Jack Carter klein bekommt beziehungsweise weich kocht? 'Tschuldige Kleines, aber darauf kannst du lange warten.
„Sie haben mir immer noch nicht erzählt wieso Sie vor ein paar Wochen so fertig waren."
„Stimmt. Hab ich auch nicht vor."
Das klingt jetzt unreif. Fehlt nur noch das ich 'Haha' rufe und ihr die Zunge raus strecke, oder den Mittelfinger?
„Jack, verhalten Sie sich doch bitte kurz erwachsen."
„Oder ich wechsle einfach das Thema; hab der Army-Scheiße nämlich zugesagt und Renee hat mir den fünften Korb gegeben."
Was übrigens kein Grund ist aufzugeben. Ich bekomm' die ins Bett, hundertprozentig. Übrigens scheint Miss Bloomfield die Sache mit dem Vertrag zu übergehen und ihr Interesse stattdessen auf meine fünffache Niederlage zu verlegen. Kann ich ihr nicht verübeln, denn die Sache mit der Army ist kompliziert und öde. Außerdem heißt der Scheiß echt 'Projekt November'. Wobei mir erklärt wurde, dass November das N im Nato-Alphabet ist. Das war so wirklich richtig uninteressant und während der alte Kerl in Camouflage-Hemd und -Hose weiter vor sich hingefasselt hat und noch irgendwas uninteressantes gesagt hat, hab ich verheißungsvolle Blicke mit seiner Sekretärin ausgetauscht. Es stellte sich heraus, dass sie entweder seine Geliebte ist oder aber seine Tochter – also glaub ich jetzt mal. Wieso sonst sollte der so angepisst reagieren, als ich einfach zu ihr gegangen bin, während er mit mir geredet hat und nach ihrer Nummer gefragt habe?
„Fünf Körbe. Sie beweisen Durchhaltevermögen, Jack. Sind Sie schon einmal auf die Idee gekommen, dass Renee eventuell einfach nicht an Ihnen interessiert ist?"
„Nein? Wirklich? Das ist möglich? Gott, Elisabeth natürlich ist mir das auch schon in den Sinn gekommen. Aber wenn ich mir das jedes Mal als Ausrede nehmen würde, hätte ich zehn Prozent der heißen Weiber um mich herum nicht flachgelegt."
„Zehn Prozent? Jack, waren Sie gut in Mathe?"
„Ich.. Ähm, natürlich."
Dass ich auf dem Abschlusszeugnis nur knapp der Fünf entkommen bin, liegt natürlich einzig und allein daran, dass der Lehrer ein Arschloch war. Sie runzelt die Stirn, sagt aber nichts weiter dazu. Stattdessen notiert sie sich etwas und kommt erneut auf Renee zurück.
„Und sind Sie schon auf die Idee gekommen, sie einfach nett um eine Verabredung zu bitten?"
„Das würde nicht auf das hinaus laufen was ich will."
„Wo wir bei dem soziopathischen Verachten von Beziehungen wären."
Scheiße, nein. Ich hatte die gesamte letzte Woche durchgehend beschissenes Psychologen-Gelaber. Ich will das heute nicht.
„Bla bla bla. Haben Sie einen nicht-psychologischen Rat an mich?"
Sie lacht auf und muss sich eine Bemerkung wohl verkneifen.
„Ich werde Ihnen nicht helfen diese Frau zu verletzen, Jack. Aber sie reizt Sie offenbar und demnach sollten Sie eine Verabredung doch in Erwägung ziehen. Reduzieren Sie sie nicht auf ihr Äußeres, Jack. Sie haben mir einmal von einer Frau erzählt mit der sie wegen körperlichen Vorzügen geschlafen haben. Aber als Sie sie kennengelernt haben, haben Sie festgestellt dass diese Frau nichts für Sie ist. Wie hieß sie noch gleich? Lucie?"
„Hm, stimmt schon."
Ich hasse es wenn das Ex-Supermodel Recht hat. Fühlt sich beschissen an. Weswegen die neue Zimmerpflanze jetzt auch einen bockigen Blick geschenkt bekommt – so als Begrüßung.
„Gut, unsere Zeit ist für heute um. Ihnen einen fröhliches Halloween, Jack", verabschiedetet sie mich und ich nicke zustimmend. „Jo." Dann stehe ich auf, lächle und wende mich zum Gehen ab. Ich würde ja gerne sagen, dass mir die Vorstellung von einem Date mit Renee nicht gefällt. Aber der Gedanke daran, dass sie mindestens eine dreiviertel Stunde mit mir reden wird ist super. Und mein Gott, wieso klingt das so erbärmlich?
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