
3. Treffen - Palast oder Restaurant?
„Nein, oder? Wir gehen in einem Palast essen!?"
Mit großen Augen schnallte ich mich ab und öffnete meine Beifahrertür. Eigentlich sollte es mich überraschen, dass mir keine Kälte, sondern nur angenehm lauwarme Nachtluft entgegenkam, doch ich konnte immer noch nicht fassen, wovor unser Auto stand.
Mein Vater lachte und stieg aus: „Nein, das wäre dann doch etwas übertrieben!"
Ich nickte nur und kletterte aus dem Gefährt.
Ein wenig eingeschüchtert lief ich hinter meinen Eltern über den Parkplatz, an dem jeder Stein einzeln mit einer Wasserwaage gemessen zu sein schien, so perfekt gerade waren die Erhebungen und Markierungen. Die Hecken waren in Kugeln geschnitten, welche sich auf den Zentimeter symmetrisch mit kleinen Laternen abwechselten und selbst im Abendlicht war erkennbar, dass der kurz und einheitlich gemähte Rasen bei Tageslicht das wohl satteste Grün annehmen würde, welches wir je bei einem Rasen gesehen hatten.
Ich hatte auch nicht übertrieben, als ich "Palast" sagte. Die Außenwände des Gebäudes, auf welches wir zuliefen, waren schneeweiß ohne jede Makel und hohe Marmorsäulen ragten empor und stützten eine steinerne Überdachung, welche den Eingang vor Regen schützen sollte. Vor diesem lag bereits ein roter Teppich und schwere Kordeln standen dort wie eine Abgrenzung, als wäre man ein Star.
Jetzt verstand ich, warum meine Mutter ihr teures Kleid mitgenommen hatte...
Die gläserne Schiebetür schob sich genau im richtigen Zeitpunkt galant zur Seite und sofort begrüßte uns ein älterer Herr. Und was soll ich sagen, er war der klassische Kellner. Er trug ein weißes Hemd mit Fliege und einer schwarzen Arbeitsschürze, hatte einen rasierten Bart und ein breites, echtes Lächeln auf dem Gesicht.
Man konnte nicht anders, als zurückzustrahlen.
„Bon giorno! Willkommen! Welcome!", begrüßte er uns. „Bon giorno!", grüßten wir zurück und danach übernahm ich sofort wieder den Dolmetscherpart. „We're having a reservation-", setzte ich zu erklären an, als er mich mit einem Augenzwinkern unterbrach. „Sie sprechen Deutsche?", fragte er mit starkem Akzent, aber sofort nickten wir und lachten ein wenig. „Ahhhh, bene! Ich, eh, spreche auch ein wenig Deutsche, also können wir uns so verstendigen!"
Meine Eltern strahlten nur noch. Da hatten wir wohl einen Volltreffer gelandet!
Wir wurden von dem Kellner durch das nicht minder edle, aber sehr geschmackvoll eingerichtete und schöne Restaurant an einen der Tische im hinteren linken Ecke geführt. „Solo un momento!", meinte der Kellner und verschwand schnell, um vier Speisekarten aufzusammeln. Während meine Eltern die Sitze sich gegenüber nahmen, zog ich den Platz mit dem Rücken zur Wand vor. So konnte ich die Leute ein wenig beobachten. Das stellte sich dann aber als weniger gute Idee heraus.
Die meisten der Gäste trugen ein wenig ausgefallenere Klamotten, wie es sich für diese Art von Restaurant gehörte. Sofort fühlte ich mich mit meinem schwarzen, knielangen Rock und dem hellblauen T-Shirt, auf welchem auf der Brust nur der weiße Aufdruck "mood." stand, ein wenig fehl am Platz.
Doch ich wurde direkt wieder abgelenkt, als unser Kellner zurückkam und uns drei Getränkekarten aushändigte. Zwei normale und eine für Wein. „Na dann lass uns mal sehen...", begann mein Vater und stöberte direkt durch das Angebot der Spezialität Italiens.
Ich hingegen blätterte ein wenig ruhiger durch die Standartkarte, bis ich zu den alkoholfreien Getränken kam, obwohl ich wusste, dass es wahrscheinlich eh auf eine Coke hinauslaufen würde.
Doch nach kurzem Überfliege, blickte ich überprüfend noch etwas weiter.
Ein ganze Seite voll mit Säften und Shakes!?
Überrascht hob ich die Augenbrauen. Das...war unerwartet.
„Haben Sie schon zum Trinken entscheiden?", fragte uns der Kellner, nachdem er eine Runde an weitere Tische gemacht und weitere Bestellungen aufgenommen hatte. „Ja, wir hätten gerne eine Flasche Wasser!" - „Fermo o scintillante?"
Verwirrt zog meine Mutter die Augenbrauen zusammen. „ehhhhhh-...", der Kellner trommelte mit seinem Kugelschreiber auf den gezückten Notizblock und suchte nach dem richtigen Wort. „silent?", versuchte er es dann auf Englisch. „Ah, still!", verstand ich. „Still oder Sprudelwasser!"
„Esattamente!", rief der Kellner erfreut aus und wir lachten erneut.
Schnell bestellten meine Eltern noch einen Wein und ich entschied mich nach einem kurzen Schwanken zwischen einem Mango oder Banane-Minz-Shake dann doch für Letzteres.
Zufrieden zischte die Bedienung in Richtung Küche ab und Mama und Papa begannen ein Gespräch über irgendeinen Arbeitskollegen. Ich klinkte mich aus und ließ stattdessen meinen Blick nochmal durch den Raum schweifen.
Draußen war nun alles dunkel und die Kerzen, die jeweils auf den Esstischen standen, spiegelten sich in den Fenstern. Ich lächelte leicht, als ich bemerkte, wie wohl ich mich fühlte. Besteck klirrte, ein leichter Geruch von Tomatensoße zog aus der Küche herüber und überall in der Luft schwirrten laute Gespräche, welche hier und da von einem Lacher durchzogen wurden.
Aber nach einigen Minuten, als hätten sich die Gäste abgesprochen, senkten sie plötzlich die Lautstärke ein wenig. Verwirrt hob ich den Blick und verschluckte mich tatsächlich an meiner eigenen Spucke.
Ekelhaft.
Ich begann, bemüht leise zu husten und drehte mein Gesicht zur Seite, während sich Tränen in meinen Augen bildeten. Sofort fühlte ich die Hand meines Vaters leicht auf meinen Rücken klopfen.
Mit dem perfekten Timing kam der Kellner, stellte sich zwischen mich und den restlichen Raum und legte unsere Getränke auf den Tisch ab. Ich grabschte nach dem Shake und nahm zwei große Schlucke. Direkt löste sich der Knoten in meinem Hals ein wenig und ich seufzte erleichtert.
Der Kellner gab legte noch drei Speisekarten auf den Tisch und verschwand direkt wieder.
Blöd. Ganz blöd.
Nun hatte ich freie Sicht auf die fünfköpfige Familie, welche sich auf der anderen Seite des Restaurants an einem Tisch nieder gelassen hatte.
Urplötzlich interessiert studierte ich unseren Tisch.
Besteck. Uuuuuuh.
Servietten. Wow!
Der Fleck Bananenshake, den ich bereit irgendwie auf der Tischdecke hinterlassen hatte. Hinreißend.
„Amelie, Schatz, ist alles okay?"
Ich schreckte ein wenig auf, als meine Mutter sanft eine Hand auf meinen Arm legte. In ihrem Blick lag Besorgnis. „Gefällt es dir nicht?", fragte sie.
Schnell schüttelte ich den Kopf: „Nein, im Gegenteil! Es ist super hier!"
Sie glaubte mir nicht ganz, das sah man an ihrem Blick, aber ich lächelte sie einfach einmal an, dann drehte sie sich wieder zu meinem Vater und sie führten ihr Gespräch weiter.
Ich spielte ein wenig unsicher mit meinem Glas und drehte es hin und her, dann wagte ich nochmal einen längeren Blick zu Gio. Er trug ein vornehmes Hemd mit Sakko, hatte sich aber aus Bequemlichkeit nur eine schwarze Jeans angezogen. Er hörte dem Gespräch seiner Eltern zu, während sein kleinerer Bruder neben ihm starr auf seine Hände blickte und wahrscheinlich am Handy hing. Seine kleine Schwester ließ gelangweilt ihre Beine baumeln. Er schien, genauso wie sie, nicht wirklich beschäftigt.
Ein Kellner lief an seinem Tisch vorbei. Er hob den Kopf. Und sein Blick fiel direkt auf mich.
Aller guten Dinge sind drei...
Ich fror in der Bewegung ein. Meine Finger schlossen sich fester um das Glas. Mein Puls schoss in die Höhe. Ich konnte mein Herz heftig gegen meine Brust hämmern hören. Uh oh.
Er zeigte genau die gleiche Reaktion wie ich. Er blinzelte mehrmals, um sicherzugehen, dass ich keine Einbildung war. Dann seufzte er ungläubig. Sein Bruder hob den Kopf und blickte ihn fragend an. Schnell winkte er ab und sein Bruder klebte direkt wieder am Handy.
Er rutschte unwohl in seinem Stuhl herum und linste einmal zu mir hoch, blickte aber direkt wieder weg, als er bemerkte, dass ich ihn noch beobachtete. Dann unterbrach er das Gespräch seiner Eltern. Verstehen konnte ich natürlich nichts, doch sie nickten nur und er stand auf.
Nervös lehnte ich mich zurück. Er warf mir einen ziemlich eindringlichen Blick zu und ging dann aus dem Raum.
Ich wartete noch einige Sekunden ab, bevor ich am Ärmel meines Vaters zupfte. „Ehm...ich muss kurz auf Toilette", meinte ich und stand schon auf. „Klar! Uh, die sollten irgendwo...-"
Ich unterbrach mein Vater hastig. „Ich finde die schon!", sagte ich, lächelte zuckersüß und lief aus dem Raum.
Ohne wirklichen Plan ging ich nun an der verglasten Küchentheke vorbei, hinter der schon zwei Köche hantierten. Hinter denen man noch mehr in der richtigen Küche kochen sehen konnte.
Plötzlich schloss sich eine Hand fest um mein Handgelenk. Schnell wirbelte ich herum, wurde aber bereits an den Kellnern und irgendwelchen wartenden Gästen vorbeigezogen.
Erst als wir draußen neben einer Laterne, weit weg von den wartenden Gästen, standen, drehte Gio sich auch zu mir herum.
„What on earth are you doing here!?"
„Hmmmm, don't know. Maybe having dinner with my family?"
Meine Stimme tropfte nur so vor Sarkasmus.
Gio seufzte und rieb sich kurz über das Gesicht. „This is so scuffed...", murmelte er leise zu sich selbst.
„Believe me or not, but for me it's also kind of...unbelievable and nerve-wracking. I mean, twelve hours ago I was having a normal holiday trip and didn't even know you are in Italy. And suddenly we meet two times in a row and you show up everywhere I am!" Ich fasste mir an die Stirn. Es war immer noch so unglaublich. Käme meine beste Freundin mit dieser Story zu mir, würde ich sie selbst ihr nicht glauben.
Gio holte Luft. „Okay, it's weird for both of us - especially for me, because you know me, but you are just a normal stranger to me", ergänzte er. Ich blickte betreten auf den Boden.
Es folgte eine kurze Stille zwischen uns.
„Listen-", setzte er an, doch ich unterbrach ihn. „You know what? It's fine! Tomorrow I'm driving home again and then we fall back into our old, usual schedules - you play football every day, I'm going to school - and we forget about all...this." Ich deutete auf uns und unsere Umgebung.
Erneut Stille. Unwohl blickte ich zur Seite zum Parkplatz.
„Well- I don't have training every day", meinte Gio plötzlich.
Warte-
Das lief nicht so, wie ich es erwartet hatte-
Eigentlich sollte er einfach „Okay" sagen und unsere Wege würden sich trennen.
Verwirrt hob ich den Kopf.
„Maybe...maybe this isn't complete coincidence, but...destiny?", er lachte ein wenig über sich selbst, aber fuhr dann fort. „I could take a free afternoon and we meet somewhere in a cafe, sit down and just...talk? Or do whatever you want to, like- you know- ...get to know each other?"
Ich blinzelte ihn überrascht an. „Wait- you really think any of this means something?", fragte ich innerlich belustigt.
Er zuckte mit den Schultern: „Honestly: I don't. But from what we talked so far you can't be that bad!" Er grinste ein wenig.
Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen.
Er griff in seine Hosentasche und zog sein Handy heraus. „Number swap?"
Ich versuchte nicht wie ein kleines Kind los zu grinsen und nickte.
Er hielt mir sein Smartphone hin und ich tippte schnell meine Nummer in seine Kontakte ein.
Als ich es ihm zurück gab, streifte er mit seinen Fingern zufällig sanft meine. Ich probierte, die leichte Gänsehaut in meinem Nacken zu ignorieren, aber sah, dass er bereits schelmisch lächelte. Er hatte es mit Absicht gemacht.
Idiot.
Aber ein gutaussehender Idiot.
Ich kniff die Augen zusammen. Klar, ist ja auch Fußballer, dachte ich schnell noch hinterher, aber mein Hirn tanzte bereits wie ein Rumpelstilzchen erfreut um mein naives Herz herum und lachte es aus.
„Sooo... I'll write you?", fragte Gio und steuerte auf das Ende unseres Gespräches zu.
Ich nickte leicht.
Stille.
Gio räusperte sich. „Okay, let's go in again", meinte er dann und ging einfach. Ich stand einen Moment wie eingefroren an der gleichen Stelle und probierte, zu verarbeiten, was gerade passiert war.
Dann lief ich langsam hinterher. Als ich wieder am Tisch ankam lag auf meinem Platz ein Menü und "unser" Kellner wartete. „Ah, da bist du ja endlich!", rief meine Mutter. „Rechtzeitig, um zu bestellen!"
Ich setzte mich schnell. „Jaaa, ich hatte dann doch Schwierigkeiten, die richtige Tür zu finden!", log ich kurzerhand. „Uhhhh, oh Gott, hier gibt es ja viel Auswahl!", meinte ich überrascht, als ich die Speisekarte aufschlug.
Meine Eltern bestellten nebenbei einmal Pasta und einmal gebratenen Lachs, bevor sich der Kellner auch mir zuwandte.
Ich nickte. „Ja, ich hab mich entschieden! Ich nehme eine Pizza! Die 17 mit viel Käse, bitte!", ich kicherte, als meine Mutter über meine unoriginelle Auswahl aufstöhnte.
Doch der Kellner grinste ebenfalls und notierte es sich auf seinem Block, bevor er in Richtung Küche zischte.
Plötzlich schienen die Kerzen auf den Tischen noch heller zu leuchten und meine Stimmung erreichte wieder ihren Höhepunkt. Ich klinkte mich, zu ihrem erfreuen, in das Gespräch meiner Eltern ein und diskutierte angeregt mit ihnen.
Nach nur zwanzig Minuten wurde auch schon unser frisch zubereitetes Essen gebracht. Mit Heißhunger stürzte ich mich auf meine Pizza, als mein Handy, auf welchem ich saß, bimmelte.
Ich öffnete die WhatsApp Benachrichtigung und grinste.
Unbekannte Nummer, 20:07
> Good appetite ;)
Ich blickte zu Gio, der nur gespielt unwissend fragend die Augenbrauen hob.
Thx, u2 😋 <
Ich hörte eine leise Benachrichtigung von Gio herüber bimmeln und biss mir auf die Lippen, um nicht vor meinen Eltern in lautes Quietschen auszubrechen. Schnell nahm ich noch einen Bissen von meiner himmlischen Pizza.
Gio. Giovanni Reyna. 17 Jahre jung, Profifußballer und verdammt gutaussehend, hatte mich aus Zufall - oder doch Bestimmung? - drei Mal am selben Tag getroffen, saß nun ein paar Meter weiter im gleichen Restaurant wie ich und textete heimlich mit mir unter dem Tisch.
Und ungelogen, ich freute mich schon auf die Tage, an denen das zur Gewohnheit wurde...
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