Das Geständnis
Nur wer den Mut zum Träumen hat, hat auch die Kraft zu kämpfen.
Noch immer stand Tami, wie gelähmt von seiner Erzählung vor ihm. Die einzige Regung war das Beben ihrer Schultern. Zum Hundertsten Mal ging sie die Worte im Kopf durch. Sie begriff sie, doch das wollte sie gar nicht. Plötzlich hatte Itachi es geschafft, all ihre Überzeugungen doch tatsächlich ins Wanken zu bringen. Es war ihr nicht möglich einen einzigen klaren Gedanken zufassen. Alles wirbelte wirr durch ihren Kopf. Unwillkürlich fing ihre Unterlippe an zu zittern. Alles in ihr fühlte sich taub und unendlich kalt an. In diesem Moment, wusste sie nicht, was sie gerade fühlte oder fühlen sollte. Diese Wahrheit war noch viel schlimmer, als alles, was sie sich in ihren kühnsten Träumen ausgemalt hatte. Itachi hatte nicht nur den gesamten Clan getötet, sondern auch die Frau, die er vorgegeben hatte zu lieben. Diese Tat war für Tami persönlich noch unverzeihlicher, als die von der sie gewusst hatte.
Wie hatte er es geschafft seine Gefühle beiseite zu schieben?
War er womöglich doch das Monster, für das die Bewohner Konohas ihn hielten?
Verschloss sie nur die Augen vor der Realität ... Vor dem wahren Itachi. Allmählich richtete sie die Augen wieder auf ihn. Ihr Blick fokussierte ihn.
Da saß er, der gebrochene Mann, die Augen fest geschlossen, wobei Tränen über seine Wangen liefen und feuchte Spuren hinterließen. Er war die Personifizierung einer gequälten Seele. Als würde er spüren, dass ihr Blick auf ihm ruhte, öffnete er allmählich seine Augen, doch den Blick hielt er gesenkt. Betelte er etwa um ihr Mitgefühl? Doch Mitgefühl konnte sie ihm nach diesem Geständnis sicherlich nicht mehr entgegen bringen. Etwas hatte sich verändert. Plötzlich sah sie Itachi mit anderen Augen. Es war so, als säße ein völlig Fremder vor ihr.
Die felsige Höhlenwand verschwamm vor ihren Augen. Keine Sekunde länger ertrug sie es ihn auch nur anzusehen, also drehte sie ihm schnell wieder den Rücken zu. In zittrigen Atemzüge hoben und senkten sich ihre Schulterblätter. Am liebsten wäre sie geflohen. Vor ihm, vor der Wahrheit und der Last ihrer Gefühle. Doch ihr Verstand zwang sie dazu, all ihre verbliebene Kraft zu sammeln, um zu sprechen.
,,Jetzt erkenne ich den Grund, warum du mich von dir fernhalten wolltest. Warum ich keine Gefühle für dich haben sollte, denn ich glaube nicht, dass du je das Wort Liebe verstehen wirst."
Sie wusste nicht einmal selbst, ob sie das Wort Liebe verstand.
In der Höhle war es still geworden, kein Geräusch war zu hören. Die Atmosphäre erinnerte an ein Begräbnis. Weder Itachi noch Tami wagten es zu sprechen. Auf eine seltsame Weise fühlten sich beide irgendwie verraten. Plötzlich durchbrach Fuus herzhaftes Gähnen die Stille. Er blinzelte ein paar Mal, bevor er sich über die müden Augen rieb. Sein Blick fokussierte den Anblick vor sich, wobei er abermals mehrmals blinzelte. Einen Moment blieb sein Blick an Tami hängen.
,,Habe ich etwas verpasst?", nuschelte er verschlafen.
,,Nichts von Bedeutung", brummte Tami in seine Richtung.
Ihr Blick schweifte zum Höhleneingang, um ihre feuchten Augen zu verbergen. Selbst in ihren Ohren hörten sich ihre Worte wie eine Ausrede an, denn schließlich sah die Situation nach etwas von Bedeutung aus. Auch ein Blinder hätte das gesehen. Aber Tami wusste, dass Fuu die Situation nicht hinterfragen würde. Das tat er nie. Sein Feingefühl Situationen zu erkennen und zu analysieren war bemerkenswert.
Das Einzige, was von Itachi kam, war nichts. Er zeigte keinerlei Reaktion, bevor er sich fast geräuschlos erhob. Ohne ein Wort an einen von ihnen zu verschwenden, verschwand er aus der Höhle. Seine Flucht verschaffte Tami ein wenig Erleichterung. Ihr verkrampfter Körper begann sich ein bisschen zu entspannen, während sie durch den Höhleneingang hinaus sah. Allmählich begann sie sich zu fragen, wie sie jetzt mit dem Uchiha umgehen sollte. Natürlich waren ihre Gefühle nicht verflogen, aber das, was er Izumi angetan hatte passte nicht in ihr Weltbild. Dennoch brannte sie noch immer darauf, zu wissen, was ihn dazu bewogen hatte. Es konnte doch nicht nur aus einer Laune heraus gewesen sein. Oder doch?
Das Wort Monster hallte wieder in ihrem Kopf.
Abermals schweifte ihr Blick hinaus. Nach wie vor war der Himmel dunkel und trist. Der Regen hatte zwar aufgehört, doch der Wind nahm minütlich zu. Das wilde Heulen war beängstigend. Fröstelnd schlang sie die Arme um den Körper. In ihrem Kopf herrschte nichts als Chaos. Was sie im Moment fühlte, wusste sie nicht.
,,Euer Verhältnis zueinander ist komisch", stellte Fuu fest, wobei er neben sie trat, um sich ausgiebig zu strecken, dabei knackten einige seiner Knochen. Dieses Geräusch jagte ihr einen unangenehmen Schauer über den Rücken. Rasch sammelte Tami sich wieder, um Fuu zu antworten, denn er sah sie mit regem Interesse an. Nur zu gut, wusste sie, was er da tat. Er analysierte ihre Regungen.
,,Es gibt kein Verhältnis zwischen dem Uchiha und mir", entgegnete sie hart. Und am liebsten würde sie jede Sekunde aus ihrem Gedächtnis löschen, die sie mit Itachi Uchiha verbracht hatte.
Zwar bedachte Fuu sie mit einem merkwürdigen Blick, doch verlor er kein Wort über ihre Aussage. Wieder einmal war sie dankbar über Fuus Weitsicht. Aus irgendeinem Grund schien er zu spüren, dass sie nicht über die Situation zwischen Itachi und ihr reden mochte. Nun standen sie schweigend nebeneinander. Es war kein unangenehmes Schweigen. Seltsamerweise fühlte Tami sich in Fuus Nähe wohl, zwar nicht so, wie bei Itachi, doch Fuus Nähe war tröstlich.
Schließlich sagte er in die Stille: ,,Du bist eine wirklich schlechte Lügnerin. In jener Nacht auf dem Hokagefelsen war es Itachis Mantel um deine Schultern."
Fuu sah sie nicht an, während sie einfach nur ,,Oh" sagte.
Die Tatsache, dass Fuu es die ganze Zeit gewusst hatte, ließ ihren Puls in die Höhe schnellen. Gerade als Tami den Mund aufmachen wollte, um es ihm zu erklären, hob Fuu die Hand, was sie innehalten ließ.
,,Du brauchst mir nichts zu erklären. Sei nur vorsichtig mit wem du dich umgibst."
Itachi kam in Sichtweite, was das Gespräche beendete. Seine Haare hingen ihm wirr ins Gesicht. Er war blass und tiefe Schatten lagen unter seinen Augen. Bei diesem Anblick musste Tami schlucken. Es schien ihm nicht gut zu gehen. Kurz kreuzten sich ihre Blicke, aber Itachi fixierte sofort etwas anderes.
,,Der Wind behindert unser weiterkommen nicht so sehr, wie der Regen, also können wir aufbrechen", sprach er mit gedämpfter Stimme, wobei er am Höhleneingang stehen blieb.
Mit einem tiefen Seufzer griff Tami nach ihrem Rucksack und marschierte zielstrebig an Itachi vorbei, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Er sollte spüren, dass zwischen ihnen nichts mehr war, wie zuvor. Wahrscheinlich würde es auch nie mehr so sein.
Als sie ins Frei trat, türmten sich noch immer dunkle Wolken am Himmel, die nichts Gutes verhießen. Der Wind blies ihr eiskalt ins Gesicht und brachte ihre Haare durcheinander. Nach einigen haarsträubenden Versuchen die Haare an Ort und Stelle, wo sie hingehörten, zu bekommen, gab sie entnervt auf. Ihr fehlte die Wärme der Sonne, doch bis jetzt blitzte sie noch nicht einmal durch die dicke Wolkendecke. Dadurch wuchs ihre Wut auf Itachi noch an, obwohl ihr bewusst war, dass er nichts für das miserable Wetter konnte. Hätte sie nur mehr Schneid gezeigt, um Tsunade die Bitte abzuschlagen den Uchiha auf seiner Mission zu begleiten. Er wollte sie sowieso nicht dabei haben. Die Wut stieg ins Unermessliche. Innerlich schrie sie bereits aus Leibeskräften, was Tami äußerlich noch gut verbergen konnte. Glaubte sie zumindest.
,,Nimm meinen Haargummi, bevor du noch explodierst und den Uchiha umbringst", sagte Fuu mit Blick auf Itachis Rücken, der einige Meter vor ihnen lief.
Ohne eine Antwort abzuwarten drückte er ihr den Haargummi in die Hand. Die überraschende Berührung seiner warmen, weichen Haut ließ Tami erschrocken zusammenzucken, da sie nicht darauf vorbereitet gewesen war. Fuu bedachte sie mit einem Blick, der sie verwirrte.
,,Danke", stammelte sie verlegen, während sie ihr wirres Haar zu einem Pferdeschwanz bändigte.
,,Du brauchst dich dafür nicht zu bedanken, dein Lächeln ist mir Dank genug", erwiderte er, wobei er wieder Itachis Rücken betrachtete.
Diesen kurzen Moment nutzte Tami, um ihn eingehend zu betrachten, bevor er ihr wieder das Gesicht zu wandte.
Der Moment war mit einer seltsamen Spannung aufgeladen, während sie einander nur stumm ansahen. Plötzlich konnte sie Fuus Verliebtheit spüren, hatte eine Antenne für die Schwingungen, die zwischen ihnen herrschten. Der Zauber des Anfangs in der Liebe war nicht berechenbar. Ob es dann zu tiefen Gefühlen für den anderen kam, wusste niemand im Voraus. Diese ganz kurze Sequenze gab Tami viel Aufschluss über seine unbewussten und unterdrückten Emotionen. Ob er es wollte oder nicht, er ließ sie erkennen, wie sie selber auf ihn wirkte und ob er die Wahrheit sagte oder log. Auf einen Schlag wurden ihre Gefühle, ihre Gadanken noch verwirrter.
Rasch schenkte sie ihm ein selten gewordenes Lächeln und beschleunigte ihre Schritte, um zu Itachi aufzuholen und um vor diesem unangenehmen Moment zu fliehen. Der Gedanke an das Gefühl eines Lächelns erwärmte dabei ihr Herz. Fuu schaffte es doch immer wieder sie aus dem Tief, in das Itachi sie stieß herauszuholen.
Itachi sah Tami nicht an, als sie zu ihm aufholte.
,,Wie weit ist es noch?", fragte sie in reserviertem Ton, wobei sie sich die Umgebung genauer ansah. Nichts außer dieser nie enden wollende Pfad lag vor ihnen. Die rechte und linke Seite war jeweils mit unzähligen Bäumen gesäumt. Alles wirkte erschreckend gleich und eintönig.
Einen flüchtigen Moment huschte sein Blick nun doch zu ihr, bevor er sich wieder ganz auf die Straße vor sich konzentrierte.
,,Nicht mehr all zu weit", war seine wage Erwiderung.
Prompt unterdrückte Tami den Drang frustriert aufzuseufzen. Patzig wollte sie etwas erwidern, doch als sie nun Itachi genauer ansah, konnte sie es nicht.
Itachis Anblick war erschreckend. Er war noch blasser geworden, die tiefen, dunklen Schatten unter den Augen erschienen noch eine Spur dunkler, seine Wangen waren eingefallen, seine sonst so vollen Lippen wirkten schmal und trocken. Eigentlich sollte es sie nicht kümmern, doch ihr Herz zog sich unangenehm zusammen und begann sich mit Sorge zu füllen.
,,Wann hast du das letzte Mal geschlafen?"
Itachi ignorierte die Frage, also wagte Tami noch einen Versuch.
,,Vielleicht sollten wir eine kurze Pause einlegen", sagte sie leise in seine Richtung.
,,Nein!", entgegnete er bestimmt, auch dieses Mal sah er sie nicht an.
,,Aber...", begann Tami, doch weiter kam sie nicht.
Urplötzlich begann er zu husten, dabei spuckte er einen Schwall dunkelrotes Blut in seine Hände. Der Anblick und der metallische Geruch verursachten bei Tami Übelkeit, denn sie hasste den Geruch von Blut. Der Anblick ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Rasch versuchte sie die aufsteigende Panik zu unterdrücken, um sich zu konzentrieren, um den Würgereflex zu unterdrücken. Unwillkürlich griff sie nach Itachis blutbeschmierter Hand. Er war einfach weitergelaufen, als ob nichts wäre.
,,Bleib stehen!", presste Tami mit angehaltenem Atem hervor.
Endlich sah er sie an. Sein glasiger Blick erschütterte Tami bis ins Mark. Der Klang von Fuus näherkommenden Schritten holte sie aus ihrer kurzzeitigen Schockstarre. Erst jetzt bemerkte sie, dass ihre Finger zitterten. Allmählich hob Tami die Hand und bat Fuu damit Abstand zu halten. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund wollte sie nicht, dass Fuu Itachi so schwach zu Gesicht bekam.
Langsam bugsierte sie, den mittlerweile um Luft ringenden, Itachi hinter einen vor ungebetenen Blicken geschützten Baum. Seine Haut fühlte sich mit jeder Sekunde, die verstrich glühender an. Die Hitze, welche von ihm ausging, verbrannte ihr sogar die Finger. Tausend Gedanken wirbelten durch ihren Kopf.
Was passierte gerade mit ihm?
Was sollte sie nun tun?
Wie konnte sie ihm helfen?
,,Itachi?"
Doch er reagierte nicht. Sein Blick ging ins Leere.
Ungeschickt zog sie einen ihrer Pullis aus dem Rucksack und riss mit zittrigen Fingern ein Stück des Ärmels ab, dass sie sogleich mit etwas Wasser aus ihrer Flasche tränkte. Vorsichtig wischte sie ihm das Blut von den Händen und zum Schluss vom Mund. Langsam fokussierte sich sein Blick wieder, wobei seine Augen jede ihrer Bewegungen beobachteten.
,,Ich wollte nicht, dass du mich so siehst", sagte er mit brüchiger Stimme.
Was meinte er damit? Passierte ihm das öfter?
Langsam entfernte Tami sich von ihm, wischte sich die Hände an ihrer Hose ab. Einen Moment brauchte sie, um tief durchzuatmen, damit sie realisieren konnte, was eben passiert war.
,,Itachi, was hast du mir noch verschwiegen?"
Bei jedem Wort, welches ihren Mund verließ, wurde ihre Stimme lauter. Der Ärger war nun eindeutig stärker, als die Besorgnis.
Einige Sekunden vergingen, bevor er leise entgegnete: ,,Ich werde sterben."
Sie traute ihren Ohren kaum. Hatte sie sich verhört? ,,Was?"
Sein Blick war in weite Ferne gerichtet.
,,Etwas in meinem Blut, es ist unheilbar krank. Ich werde in absehbarer Zeit sterben", wiederholte er noch leiser, als zuvor.
Wie erstarrt stand Tami da, und wusste nicht, was sie verdammt noch mal darauf antworten sollte. Doch das Denken übernahm plötzlich ihr dummes Herz, das unheilbar verliebt in Itachi Uchiha war.
,,Warum gibst du so einfach auf!", brüllte sie ihn ungehalten an, sodass sich seine Augen weiteten. ,,Es muss doch eine Möglichkeit geben."
,,Meinst du nicht, dass ich bereits, alles versucht hätte. Es gibt kein Wundermittel für so etwas." Kurz senkte er die Lider, bevor er noch hinzufügte: ,, Und weil mein Leben eine einzige Tragödie ist. Jemand wie ich hat es nicht verdient, weiterzuleben. So vielen geliebten Menschen habe ich das Leben genommen, oder es zerstört, es ist nur meine gerechte Strafe so zu sterben", sagte Itachi ernst. ,,Ich habe meinen Frieden damit geschlossen."
Erst jetzt spürte Tami die heißen Tränen, die ihre Wangen unaufhaltsam hinab flossen. Eigentlich hatte sie sich geschworen keine einzige Träne für ihn zu vergießen, aber, dass er starb, das wollte sie nicht. Dieses Schicksal verdiente selbst Itachi nicht.
,,Warum kann ich dich nicht einfach hassen?"
Warum?
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