Kapitel 14 • the truth
Milton Keynes, 15. Juni 2019
Als das Klingeln meines Handys erklang, hob ich den Blick von meinem Buch und schaute auf das Display. Kaum hatte ich den Namen ,Alex' erkannt, zögerte ich keine weitere Sekunde, ehe ich den Anruf entgegennahm.
„Hey Alex. Was gibt's?", fragte ich mit einem leichten Lächeln auf den Lippen, während ich mein Buch zusammenklappte.
„Mir ist langweilig", jammerte er sofort drauf los und seufzte schwer. „Willst du rüberkommen?"
Natürlich musste ich darüber nicht zweimal nachdenken. Ich stimmte ihm schnell zu und wir legten auf, sodass ich die nötigen Sachen packen konnte, wobei das auch nur Portmonnaie, Schlüssel und Handy waren. Keine fünf Minuten später verließ ich mein Haus, um zu Alex zu gehen. Bereits seit Beginn des Jahres wohnte ich ebenfalls in Milton Keynes und somit auch in Alex' Nähe. Die letzten Wochen hätte ich es verfluchen können, weil ich mich davor fürchten musste, ihm schon beim Einkaufen zu begegnen, jetzt sah ich es - wie zu Beginn schon - wieder als Vorteil.
Wir hatten den ganzen restlichen Sonntag noch miteinander verbracht und waren am Montag mal wieder zusammen mit Carlos und Lando nach London geflogen. Die letzten Tage hatten wir ununterbrochen miteinander geschrieben oder telefoniert, sodass es schnell wieder normal zwischen uns wurde, worüber ich verdammt froh war. Außerdem hatte er kein einziges Wort über Jack verloren, was mich irgendwo glücklich stimmte. Ob er wohl möglicherweise gar keinen Kontakt zu ihm hatte und stattdessen uns beiden vielleicht demnächst doch noch eine Chance geben würde?
Wenige Minuten später stand ich schließlich vor Alex' Tür und klingelte gut gelaunt. Ein paar Augenblicke später öffnete der Thaibrite sie mir lächelnd.
„Danke, dass du so schnell gekommen bist", meinte er sofort. „Ich sterbe wirklich vor Langweile."
„Du solltest auch endlich mal anfangen zu lesen, das hilft gegen La-", fing ich an ihn zu belehren, allerdings unterbrach er mich mit einem gespielten Gähnen.
„Oh, sorry. Das war gar keine Gute-Nacht-Geschichte?", hakte er dann übertrieben entschuldigend nach und ich verdrehte grinsend die Augen.
„Du weißt nicht, was du verpasst." Schulterzuckend trat ich an ihm vorbei in den Flur.
„Oh doch", schnaubte er. „Noch mehr Langeweile."
Ich öffnete schon den Mund, um ihm zu widersprechen, aber er war schneller als ich und legte den Kopf schief: „Was wollen wir machen?"
Ergeben ließ ich mich auf seinen Themenwechsel ein und zog mir die Schuhe aus, welche ich sogleich zur Seite stellte. „Wir können was zocken oder einfach nur reden oder so."
„Zocken klingt gut", platzte es ihm sofort heraus, was ich mit einem Schmunzeln kommentierte, auch wenn es mich etwas verwirrte. Schien so, als würde er wirklich dringend das Reden vermeiden wollen, dabei hatten wir doch so viel miteinander geredet in letzter Zeit. Wollte er irgendein Thema umgehen?
„Gut, dann-"
„Georgie!", ertönte plötzlich eine weitere Stimme aus dem ersten Stock, bevor ich ausreden konnte. Ich blickte die Treppe hoch und entdeckte Zoe, welche mir begeistert zuwinkte, ehe sie die Treppe herunterstürmte. Als sie bei uns ankam, umarmten wir uns kurz. „Du warst die letzten Wochen so wenig hier, noch weniger als sonst. Wir haben dich vermisst", schmollte sie.
Ich warf Alex einen überraschten Blick zu, woraufhin er verlegen mit den Schultern zuckte. Er schien seiner Familie nichts von unserem...kleinen Streit in Barcelona erzählt zu haben, sonst hätte sie wohl anders reagiert. „Uhm...ja. Ich war ziemlich beschäftigt."
„Jetzt bist du ja wieder da. Bleibst du zum Abendessen?" Mit ihrem besten Hundeblick schaute sie zu mir hoch und ich lachte leise.
„Oh ja, bitte bleib zum Abendessen!", meinte auf einmal Alicia, die plötzlich mit Chloe und Luca ebenfalls unten auf der Treppe stand. Zoe hatte mit ihrem Ausruf offenbar die Aufmerksamkeit aller hier im Haus geweckt.
„Okay, ihr Nervensägen. Belagert ihn nicht so, ihr kennt doch George, er ist kein neuer Freund", befahl Alex und warf mir einen entschuldigenden Blick zu, allerdings winkte ich schnell ab, immerhin waren seine Geschwister auch irgendwie eine Art Geschwister für mich, da ich sie hatte aufwachsen sehen.
„Aber wir haben ihn vermisst", beschwerte sich Luca und wandte sich wieder an mich. „Bitte, bitte, bitte bleib zum Essen. Mama ist gerade einkaufen und kann bestimmt heute Abend noch Lasagne machen."
Gerührt davon, dass sie sich immer noch an mein Lieblingsessen erinnerten, lächelte ich. „Ich kann mal schauen, ob ich es einrichten kann."
„Zum Glück! Aber Alex, lad' bitte nicht wieder Jack ein, der ist nicht so cool wie George." Alicia warf ihrem älteren Bruder einen genervten Blick zu. „Und niemand will sehen, wie ihr euch beim Essen anschmachtet."
Ihre Worte ließen einen eiskalten Schauer meinen Rücken herunterlaufen. Was hatte sie da gerade gesagt? Jack war in letzter Zeit öfter hier gewesen und sie hatten sich ,angeschmachtet'? Was sollte das heißen? Lief da jetzt doch was zwischen Jack und Alex?
Mein Blick glitt zu Alex, welcher seine Schwester einfach nur mit offenem Mund anstarrte, als könnte er genauso wenig fassen, was sie da gerade gesagt hatte. Schließlich wurden seine Augen dunkler und blitzten wütend. Das war ein Ausdruck, den man nur ganz selten bei ihm beobachten konnte, denn er war selten so richtig sauer. Jetzt schien er allerdings genau das zu sein. „Es reicht, ihr seid keine fünf mehr, also verhaltet euch auch nicht so. Lasst uns einfach in Frieden, verstanden?!" Seine Stimme war gefährlich ruhig und als er auffordernd nach oben zeigte, war es wohl Zeichen genug für seine Geschwister, dass sie wirklich lieber auf ihren großen Bruder hören sollten. Verschreckt huschten sie die Treppe hoch und ich war von seinem plötzlichen Stimmungsabfall selber überrascht. Ich kannte es einfach nicht, dass Alex tatsächlich mal richtig wütend auf jemanden in seiner Familie war und dann auch so bestimmend wurde.
Er atmete nun tief durch, bevor er mich gezwungen anlächelte. „Wir sollten wohl besser in meinem Zimmer zocken, sonst stören sie uns wieder." Ohne weiter auf die Situation, geschweige denn Alicias Worte, zu achten, lief er nach oben in sein Zimmer, wohin ich ihm folgte. Warum hatte er so empfindlich reagiert? Weil er nicht wollte, dass ich von Jack wusste? Weil er mich nicht verletzen wollte? Weil es nicht die Wahrheit war? Weil etwas zwischen ihm und Jack passiert war?
Innerlich hoffte ich natürlich, dass eine der letzten beiden Vermutungen stimmten, da ich dann womöglich wirklich eine Chance hatte. Leider konnte ich mir genauso gut vorstellen, dass irgendwas zwischen Jack und Alex lief, so sehr ich diese Vorstellung auch hasste, denn das würde heißen, dass er wirklich keine Gefühle mehr für mich hatte und es tat immer noch verdammt weh, wenn ich daran dachte. Ich wollte ihn jedoch auch nicht fragen, ob es so war, da blieb ich doch lieber im Ungewissen. Er würde es mir schon erzählen, wenn er es für nötig hielt.
„Mario Kart?" Alex hielt fragend die Verpackung des Wii U Spiels hoch und ich nickte bloß wortlos, woraufhin er es einlegte.
Eine ganze Weile fuhren wir alle möglichen Rennen, zwischendurch unterbrach uns seine Mutter, um mich zu begrüßen, bis schließlich sein Handy klingelte. Er blickte kurz drauf und griff dann sofort danach. Schnell erhaschte ich ebenfalls einen Blick auf das Display. Augenblicklich erstarrte ich. ,Babe<3' stand fett als Anrufer.
„Das ist Jack, da muss ich kurz rangehen", entschuldigte er sich und stand auf, ehe er den Anruf annahm. Ich hörte ihn noch ,hey' sagen, dann lief er schon aus dem Zimmer, um in Ruhe telefonieren zu können, während mir fast schon übel wurde, als ich seine Aussage realisierte. Er hatte Jack als ,Babe<3' eingespeichert...Das hieß wohl, dass sie wirklich zusammen waren.
Wie versteinert saß ich auf Alex' Bett, bis der Ältere kurze Zeit später zurückkam. Er schien nicht bemerkt zu haben, dass ich den Namen auf seinem Handy gesehen hatte und grinste: „Tut mir wirklich Leid, er wollte heute vorbeikommen, aber ich musste ihn abwimmeln."
„Seid ihr zusammen?", platzte es aus mir heraus, als ich diese Frage nicht mehr zurückhalten konnte. Vorhin bei Alicias Kommentar wollte ich lieber in Ungewissheit bleiben, weil ich mir da noch irgendwie eine heile Welt zusammreimen konnte, aber jetzt...jetzt passte das ganze nicht mehr zusammen und langsam schien sich stattdessen genau das Bild zu formen, das ich nicht sehen wollte. Jetzt wollte ich die Wahrheit wissen.
Überfordert blickte mein bester Freund mich an und fing an zu stottern: „W-was? Ich...Jack...was?!"
„Alex, sag es mir bitte einfach", forderte ich ihn auf. Es brauchte viel Selbstbeherrschung, damit ich nicht Tränen in den Augen hatte oder meine Stimme zu sehr zitterte.
Einen ganzen Moment lang war es noch still zwischen uns, bis er schließlich tief durchatmete. „Ja...ja, wir sind zusammen. Seit knapp zwei Wochen", murmelte er. „Tut mir Leid, dass ich es dir nicht direkt erzählt habe. Ich wusste nicht, wie du es aufnimmst nach....du weißt schon." Verzweifelt zuckte er mit den Schultern, während ich mich dazu zwang, nicht zu zeigen, wie tief der Schmerz saß.
„Alles gut. Ich will nur, dass du glücklich bist und um ehrlich zu sein, sind meine Gefühle für dich nicht wirklich stark", gab ich zurück, auch wenn der letzte Teil eine dreiste Lüge war. Spätestens mein schmerzendes Herz war Beweis genug dafür.
Er schenkte mir ein dünnes Lächeln und kurz meinte ich sogar meinen Schmerz in seinen Augen wiederfinden zu können, als er langsam nickte. „Danke, George. Das bedeutet mir viel."
Seit fünf Minuten weiß ich jetzt, dass ich am Montag wieder in die Schule muss, weil ich ja Abschlussklasse bin. Bin also mal gespannt, wie das da mit Corona geregelt wird. Gerade will ich einfach nur noch mein Abi und dann endlich raus da, aber das dauert leider noch eine ganze Weile...🤷🏻♀️
Naja, zurück zu diesem Kapitel: Jaja, es hat euch sicherlich nicht wirklich gefallen, aber dafür wird euch das nächste zumindest teilweise gefallen😂🤭
Kommentar von dreaming_t :
[oh mein Gott, können die beiden Mal aufhören sich andauernd gegenseitig das Herz zu brechen? Babys... 🥺🥺🥺 Na toll, Jack verschwindet jetzt also nicht mehr so schnell. Great. Trotzdem ist das Kapitel wirklich gut und toll geschrieben wie immer. Es ist wirklich süß, wie sehr Alex Familie George liebt.<33]
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