Keine Trennung?
Ich sah ihn selbstbewusst an, schenkte ihm ein Lächeln, während er mich einfach nur ansah. Sein Blick war eindeutig - er hielt mich wahrscheinlich für gestört. Grinsend verschränkte ich die Arme und sah ihn abwartend an.
"Ich habe dich nicht beobachtet", sagte er defensiv, während sich sein Gesichtsausdruck verfinsterte. Ich lachte leise auf und schob mir die Sonnenbrille in die Haare, musterte seine herrlichen grünen Augen, die mich frustriert musterten. Ich bewegte mich nicht von der Stelle, auch wenn ich ihn definitiv nervte.
Provokant zwinkerte ich, weshalb er sofort wieder wegsah und ein leises Schnauben herausließ, klammerte sich an sein Weinglas, als würde es ihn retten.
"Wieso sitzt du hier so alleine? Du weißt, dass diese Reise dafür da ist, Leute kennenzulernen, oder?" fragte ich ihn schmunzelnd. Er seufzte nur.
"Ich will niemanden kennenlernen."
Was für eine Schande, dachte ich. Jemand der so wunderschön war, musste doch jemanden haben, der auf ihn aufpasste und ihm eine gute Zeit bescherte. Die grünen Augen verdienten es, dass sie jemand zum Aufleuchten brachte. Auf einmal kam mir in den Sinn, dass ich dieser Jemand sein wollte. Deshalb nickte ich und sah zu Niall und Tommi, die mich beobachteten und augenscheinlich auf mich warteten.
"Ich komme nach! Geht schon mal vor!" rief ich ihnen zu, woraufhin Niall nickte und Tommi mit sich mit zog.
Lächelnd sah ich ihnen nach, dann sah ich wieder zu Harry, der gerade protestieren wollte, doch ich würde ihm dafür keine Zeit lassen, so viel war sicher. Deshalb hob ich die Hand, brachte ihn so augenblicklich zum Schweigen, und sah mich um.
Am Nachbartisch war ein freier Stuhl, weshalb ich dort hin ging. "Mi dá la sedia, per favore?" fragte ich die älteren Herrschaften, die mich neugierig musterten und kurz darauf freundlich nickten. Strahlend bedankte ich mich, nahm den Stuhl und zog ihn zu Harry's Tisch, setzte mich ihm gegenüber und schenkte ihm ein breites Lächeln.
"Was soll das?" fragte er mich fassungslos und ich lachte leise, ehe ich mit den Schultern zuckte und mich zurücklehnte. "Schon vergessen? Wir sollen uns hier kennenlernen. Ich würde dich gern kennenlernen", erinnerte ich ihn mit einem sanften Lächeln.
Harry schüttelte leicht den Kopf und seufzte erneut leise. Das schien er ziemlich oft zu tun. Seine traurigen Augen musterten mich einen Moment, ehe er sie schloss und mir so den Anblick verwehrte. Er schien tief durchzuatmen und für eine Millisekunde zögerte ich und fragte mich, ob ich ihn nicht einfach in Ruhe lassen sollte. Doch das konnte ich nicht. Ich erlaubte mir, ihn erneut einen Moment zu mustern.
"Das Hemd steht dir fantastisch", sprach ich leise und mein Satz schien ihn wieder zurück zu holen, er öffnete seine Augen und sah direkt in meine. Mein Herz hüpfte einen Moment aufgeregt in meiner Brust und ich lächelte mehr. "Grün", sagte ich noch leiser.
"Grün?" hakte er nach.
Nickend beugte ich mich vor und musterte ihn weiter. "Deine Auen sind grün. Das finde ich schön, du hast schöne Augen."
Harry sah mich sprachlos an, in seinen Augen flackerte etwas auf, ein dunkler Schatten legte sich über sie, als würde er sich an etwas erinnern.
"Aber sie sind irgendwie traurig", fügte ich kaum hörbar hinzu.
Der Mann vor mir verkrampfte sich und setzte das Weinglas an seine vollen, wohlgeformten Lippen. Er trank das Glas mit einem Zug leer und überrascht hob ich eine Augenbraue. Schnell griff ich nach der Karaffe neben dem Glas, genau im selben Moment wie er. Erschrocken zuckte seine Hand zurück, als sich unsere Finger berührten. Die Berührung ging direkt in mein Herz und mein Puls beschleunigte sich, während mein Lächeln eine Sekunde verrutschte. Harry sah mich mit großen Augen an, während ich ihm lächelnd Wein einschenkte.
"Willst du dich uns vielleicht anschließen, Harry?" fragte ich ihn direkt. Doch er schüttelte beinahe sofort den Kopf. "Nein, danke."
"Sicher?" hakte ich nach. "Wir gehen genau wie du nur etwas trinken", entgegnete ich und holte meine Zigaretten heraus, zündete mir eine an und beobachtete ihn, während ich den Rauch langsam zwischen meinen Lippen nach draußen blies.
"Ich bin nicht daran interessiert, mich sinnlos zu besaufen."
Seine Antwort brachte mich zum Lachen. Amüsiert sah ich ihn an. "Wer sagt denn was von sinnlos betrinken? Wir sind im Urlaub, wir lassen es uns gut gehen! Komm schon Harry, ein Getränk." Ich schenkte ihm meinen Hundeblick und er wirkte eine Sekunde, als würde er zögern, bis sich sein Ausdruck wieder verfinsterte. Er wirkte wieder so nachdenklich, kaute auf seiner Lippe herum und schüttelte den Kopf leicht.
Ich sah ihn weiter an und dachte nach. Ich wollte auf gar keinen Fall jetzt weg von ihm. Irgendetwas zog mich förmlich zu ihm, ließ mich an nichts anderes denken. Aber wenn er nicht mit mir kommen wollte, dann musste ich mich wohl ihm anschließen.
Im Augenwinkel sah ich eine Kellnerin, sofort machte ich auf mich aufmerksam. "Un secondo bicchiere per favore", sagte ich zu ihr, während mein Gegenüber die Stirn runzelte.
"Was hast du zu ihr gesagt?" fragte er mich.
"Ich habe ein zweites Glas Wein bestellt", antwortete ich mit einem Lächeln. "Wir beide trinken jetzt nämlich ein Glas zusammen und danach lasse ich dich wieder Trübsal blasen!"
Der Lockenkopf riss die Augen auf. "Nein, hör auf!" rief er aus und ich sah ihn weiter an, hörte nicht auf mit dem Lächeln. "Wieso?" fragte ich ihn.
"Ich hatte bereits gesagt, dass ich..." setzte er an, doch ich unterbrach ich. "Ja ich weiß! Aber komm schon, es ist so schön hier und du sitzt hier so allein und wirkst so traurig, das kann ich nicht durchgehen lassen!"
"Ich bin nicht traurig", murmelte er ganz eindeutig traurig und ich musste erneut leise lachen. Wer sollte ihm das glauben?
"Okay, dann bin ich Santa! Wart's nur ab, heute Nacht komme ich durch den Kamin geschossen!" antwortete ich ihm mit ironischem Unterton und dann passiert etwas, womit ich nicht gerechnet hatte. Harry lachte.
Zufriedenheit machte sich in mir breit und ich grinste ihn zufrieden an. Es war, wie ich gedacht hatte. Wenn er einmal lachte, trat jeder andere Mann auf dieser Welt in den Hintergrund. Er sah einfach perfekt aus. Einen Moment erwischte ich ihn dabei, wie er ich musterte, was mich noch mehr grinsen ließ. Das hier war vielleicht doch nicht so aussichtslos wie ich gerade noch gedacht hatte. Auf seinem Gesicht entstanden Grübchen und in mir breitete sich eine Wärme aus, wie ich sie schon sehr lange nicht mehr gespürt hatte. Eine Handvoll Schmetterlinge, ein anfänglicher Funke, der mein Herz anspornte, schneller zu schlagen. Es hatte nur ein Lachen von ihm gebraucht, das hatte ausgereicht. Jetzt war es unumgänglich und unumkehrbar.
"Na geht doch!" kommentierte ich seinen Anflug von Freude. "Also, ich rate mal wild ins Blaue. Du hast eine hässliche Trennung hinter dir und traust dich jetzt das erste Mal wieder raus. Bin ich auf der richtigen Spur?" fragte ich ihn ganz direkt und sah ihn interessiert an. Der Ausdruck in seinem Gesicht wich erneut dieser so offensichtlichen Trauer, die kurz aufleuchtenden Augen wurden wieder dunkel, als würde sich ein Schatten darüber legen.
"Falsch", flüsterte er.
Ich neigte den Kopf und musterte ihn, hob den Finger an meine Lippen und fuhr nachdenklich darüber, was ihn dazu brachte, sich anzuspannen und den Blick auf meine Lippen zu fixieren. Ich wusste, dass es wohl unbeabsichtigt war, ließ es mir nicht anmerken, dass ich es erkannte.
"Also keine Trennung?" fragte ich ihn stattdessen.
"Ich schätze, das ist Auslegungssache", antwortete er mir. Dann sah er mich erneut an. "Du bist also auf dieser Reise, um jemanden ernsthaft kennenzulernen?"
Seine Frage brachte mich zum Lachen, ehe ich instinktiv den Kopf schüttelte. "Kann man das wirklich auf so einer Reise? Ich meine, die große Liebe finden?" fragte ich die Gegenfrage. "Ich glaube nicht. Aber wir alle hier sind mit der gleichen Ausgangslage da. Wir sind Singles und wollen etwas erleben!"
Ich hatte keine Ahnung, wieso ich das sagte. Ich hätte ihm sagen können, dass ich eigentlich die große Liebe suchte, generell gesehen. Doch ich tat es nicht, wieso auch immer. Vielleicht, um ihn nicht zu verschrecken.
"Du willst also rumvögeln?"
Überrascht sah ich ihn an. Seine plötzliche Direktheit verwunderte mich einen Moment, ehe ich ihm antwortete. "So habe ich das nicht gemeint", antwortete ich ihm. Die Kellnerin brachte mir mein Glas und ich nahm es dankend, füllte mir Wein aus Harry's Karaffe hinein und nahm einen Schluck. "Ich will Italien erleben, hin und wieder etwas trinken und Spaß haben!" Mit einem Augenzwinkern sah ich ihn an. "Aber gegen Sex ist nun auch nichts einzuwenden."
Harry's Gesicht färbte sich rot und ich unterdrückte ein Kichern, während er wegsah und seine Konzentration auf den See hinter uns legte. Er wirkte nachdenklich und ich wollte etwas sagen, doch er sprang in diesem Moment auf und legte Geld auf den Tisch zwischen uns.
"Ich muss jetzt schlafen, wir sehen uns morgen", sagte er und wollte gehen, doch ich umgriff sein Handgelenk und stoppte ihn so. Sein Kopf wirbelte in meine Richtung und er sah mit großen Augen auf unsere Hände, dann unsicher in meine Augen.
"Schlaf gut, Harry. Wir sehen uns morgen", sagte ich sanft. Er antwortete nichts, stattdessen zog er seine Hand weg und eilte schon beinahe davon.
Ich sah ihm nach und seufzte leise auf. Ich wollte unbedingt wissen, wieso er sich so vehement gegen ein Gespräch mit mir wehrte. Es waren doch nur Worte, was hatte er zu verlieren? Der Geruch seinen Parfums lag noch in der Luft und ich nahm einen tiefen Atemzug, schloss einen Moment die Augen und musste lächeln. Dann schrieb ich Niall eine Nachricht, fragte wo sie waren und trank mein Glas aus, ehe ich mich erhob. Harry wollte augenscheinlich nicht mir sprechen, also würde ich den noch jungen Abend mit den zwei Jungs ausklingen lassen.
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