33. Kapitel
Das hieß, die Lóngs waren höchstwahrscheinlich auch viel stärker, als wir vermuteten. Da war eine Kooperation mit den Guerras lächerlich.
Als wäre er erleichtert, endlich darüber reden zu können, sprach er weiter: „Aber sie verschwanden wieder. Vor ein paar Wochen war es plötzlich ruhiger und nur noch wenige Personen haben mich bei meinem Rundgang beobachtet. Es war, als wäre ich eine Maus, die aus dem Käfig freigelassen wurde und sich erstmal orientieren musste."
Eriks Mundwinkel zuckten, doch mir war nicht nach Lachen zumute.
„Wo sind sie jetzt?"
Der Mann zuckte mit den Schultern.
„Du kannst gehen", befahl Erik und wir waren nur noch zu zweit.
Wir warteten ein paar Sekunden. Der Mann hatte keinen Grund uns nicht an die Polizisten auszuliefern, die im Rahmen des Events das Kolosseum überwachten und sofort hier bei uns wären. So schnell könnten wir nicht bei seiner Familie sein, oder einem Verbündeten den Auftrag erteilen seine Familie umzubringen. Wenn Krau nicht komplett in Panik war, sollte ihm bewusst sein, dass die Polizei mit Drohungen umzugehen wusste.
Ich erwartete das Aufklingen von Sirenen zu hören und in der Falle zu sitzen, doch nichts davon passierte. Es blieb still.
„Warum hast du ihn weggeschickt, wenn ich noch nicht fertig war?" Ich klang genervter, als ich beabsichtigt hatte, doch langsam verlor ich meine Geduld. Wir hatten schon so viele Stunden damit verbracht an Informationen zu gelangen und dennoch wirkte alles undurchschaubar.
Angefangen von den Lóngs, die einen perfekten Unterschlupf gefunden hatten und doch wieder verschwanden. Die ihren Standort, trotz der Ablehnung ihres Angebots, sogar mit den Guerras geteilt hatten, wodurch sie diesen unterirdischen Ort nicht mehr als geheimen Sitz verwenden konnten.
Und Erik, der sich einerseits mit seinem besten Freund wie ein kleines Kind benahm, andererseits eine Autorität haben konnte, bei der man aus Reflex gehorchte. Mir wurde schlecht, denn das waren die Momente in denen ich mir vorstellen konnte, wie er eine Pistole auf den Kopf eines Mannes hielt und grinsend abdrückte.
„Tut mir leid, ich weiß. Aber wir brauchen jetzt schon viel zu lange. Der komplizierte Part kommt noch und dafür brauchen wir mehr Energie und Konzentration, als wir haben."
Ich verdrehte meine Augen, gab ihm aber im Stillen Recht.
„Woher wusstest du seinen Namen?", fragte ich, während ich Kraus Karte mit der von Erik verglich. Es gab vereinzelte Computerräume, wobei nur in zwei ein kleiner roter Punkt eingezeichnet war, die der Legende nach die Funktionsfähigkeit garantierten.
„Hab's gegoogelt. Die Mitarbeiter des Kolosseums sind alle mit Bild aufgelistet."
Nicht schlecht. Dafür hatte er vielleicht zwanzig Sekunden gebraucht.
„Also, wo sollte sich Zion Doyl mit den Dragãos treffen?"
Wieder sah er mich prüfend an. Er merkte, dass etwas zwischen uns nicht stimmte, dass es nicht mehr so war, wie vor wenigen Tagen. Er hatte nicht aufgepasst und plötzlich hatte ich mich ihm abgewandt.
Aber er würde mich nicht durchschauen. Würde nicht erfahren, dass ich von seinen Verbrechen wusste.
Noch nie hatte ich so auf seine Muskeln geachtet. Auf die Stärke die er haben musste. Seine Schnelligkeit. Seine Cleverness.
Ich hatte keine Ahnung, ob ich mit ihm mithalten konnte. Sobald er mich als Bedrohung sah, wäre ich vermutlich tot.
„Erik?", fragte ich und tat so, als wäre ich diejenige, die sich Sorgen um ihn machte.
„Sorry. Also hier", er deutete auf die Karte, „müssen wir hingehen. Ich schätze, das wird ein paar Minuten dauern."
Aus den paar Minuten wurde eine viertel Stunde und ich bezweifelte, dass wir uns noch unter dem Kolosseum befanden. Immer wieder sah ich über die Schulter und hinterließ auf Kraus Karte mit meinem Nagel kleine Abdrücke, damit ich später leichter zurückfand.
In manchen Gängen waren die Glühbirnen zerschlagen, oder fehlten komplett, wodurch das leichte Leuchten von Eriks Handy mehrmals unsere einzige Lichtquelle war. Dann glaubte ich den süßlichen Geruch von Blut in der Nase zu haben oder ein entferntes Klicken von Waffen zu hören.
Erleichtert stellte ich fest, dass Erik langsamer wurde und einen letzten prüfenden Blick auf seine Karte warf. Seine Hand zitterte, als er sich am Türrahmen festhielt und zur Tür nickte. Ich fragte mich, ob ihm kalt war, oder ob er so nervös war.
Leise öffnete ich die Tür und wir traten ein. Erik lehnte seine Stirn gegen die nun wieder verschlossene Eisentür und atmete tief ein und aus.
„Platzangst", meinte er nur trocken und ich verstand. Zuerst die vielen Menschen und jetzt die engen Gänge. Diese Mission war seine größte Qual, ein weiterer Fakt, der seinem Chef bestimmt bewusst gewesen war.
Erik atmete ein letztes Mal tief aus. Als er sich umdrehte, hob er anerkennend seine Augenbrauen und spiegelte somit genau den Ausdruck, der kurz zuvor in meinem Gesicht zu sehen gewesen war.
Der Raum hatte nichts mit den Gängen gemein. Statt zwischen engen Steinwänden, befanden wir uns jetzt in einem großen Raum mit hellen Fließen, bunt bemalten Wänden und Glasschränken mit antiken Teetassen und Vasen.
„Wie in einem Museum", murmelte Erik und blieb vor den Wandbildern stehen. Eines zeigte tanzende Frauen in farbenfrohen Gewändern, ein anderes Männer auf der Jagd.
„Naturalismus. Diese Bilder müssen viele Jahre nach dem Bau des Kolosseums entstanden sein, die Zeiträume passen nicht überein. Mara würde sie ansehen, immer wieder den Abstand ändern, bis sie ohne Erklärung und mit voller Überzeugung", er zögerte kurz, „Hoffnung sagen würde. Dieser Raum, diese Bilder versprühen Hoffnung."
Mara, seine Exfreundin. Anscheinend hatte sie eine Faible für Kunst und ihn damit angesteckt.
„Sicher, dass wir hier richtig sind?", riss ich ihn aus seinen Erinnerungen und er wandte sich mit eisigem Blick zu mir.
Ich wollte den Augenkontakt unterbrechen, doch ich konnte nicht. Es war, als wäre ich in ihm gefangen. Er kam auf mich zu und ich wich zurück, sodass ich die Wand an meinem Rücken spürte.
„Wie wäre es mit einem Deal Cataleya? Entweder du beendest deine Feindseligkeit mit gegenüber und wir bringen unsere gemeinsamen Ziele hinter uns, oder wir teilen uns jetzt auf und arbeiten nicht mehr zusammen. Bei solchen Aufträgen hätte ich dich als professionelle Partnerin eingeschätzt."
Er sprach leise und mit gefährlichem Unterton. Ich wollte etwas sagen, ihm widersprechen, doch ich schaffte es bloß zu nicken.
Was war nur mit mir los?
Mich zu verstellen war etwas, dass mir immer leichtgefallen war. Schon bevor ich mit der Schauspielschule begonnen hatte. Aber er konnte mich durchschauen, besser als jede Person zuvor und das machte ihn noch gefährlicher.
„Tut mir leid, natürlich möchte ich noch mit dir zusammenarbeiten. Ich glaube, ich bin einfach gestresster, als mir bewusst ist."
Ohne etwas zu entgegnen, ging Erik durch den Raum auf eine weitere Tür zu, die mir zuvor nicht aufgefallen war. Sie befand sich in der Ecke und wurde von einem Glaskasten verdeckt.
Ich schaute mich noch ein letztes Mal im Raum um. Hier eine Kooperation zu besprechen, wäre nicht sinnvoll. Es gab keine Überwachungskameras und Aufnahmegeräte die das Gesprochene aufnehmen und später als Beweismittel verwendet werden konnten. Und für einen schriftlichen Vertrag fehlte ein Tisch auf dem unterzeichnet werden konnte. Andererseits war vermutlich nie geplant gewesen, der Zusammenarbeit zuzusagen.
Ein gemalter Fuchs auf der Wand stach mir ins Auge. Er war umgeben von Jägern, doch keiner von ihnen konnte ihn im Schutz der liegenden Baumstämme erkennen. Die Gänge hier waren alt und mit wenig Stromverbrauchern ausgestattet. Zusätzlich war der Großteil der Lóngs nicht mehr hier. Dementsprechend war die Anzahl an aktivierten Sicherheitsmaßnahmen vermutlich gering, was das Beschaffen von Informationen vereinfachen würde.
Vielleicht gab es doch noch Zuversicht.
Erik stand immer noch vor der Tür. Als ich näherkam, erkannte ich, dass er eine Gänsehaut hatte.
Blut. Auf der Tür nahe des Bodens, sowie an der Klinge klebte Blut.
Ich zog mir den Ärmel über die Finger und öffnete die Tür.
Und alle Hoffnung zerbrach.
Hallo :)
Frohe Weihnachten euch allen <3
An alle die Weihnachten feiern, was habt ihr für Traditionen?
Eure KS
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