27. Kapitel
Müde stach ich mit meiner Gabel in den Apfelstrudel, den Eileen zu Eriks Freude zubereitet hat. Ein weiterer Tag an dem wir nicht weitergekommen waren. Während Eriks noch immer dabei war sich in die Dateien der Regierung zu hacken, hatte ich ausschließlich herausgefunden, dass die Lóngs nur aus der Sicht der Mafias „offiziell" in Rom waren. Die Polizei suchte zwar nach den Lóngs, dessen letzte Sicht eines Mitglieds sieben Jahre her lag, doch sie wussten nichts von ihrer Anwesenheit.
Laut Thomas Bericht über die Lóngs würden die Dragãos diese Mafia anführen, doch von ihnen gab es nicht die geringsten Informationen zu finden.
Ich las mir öffentliche Polizeiaussendungen durch und ging jede potenziell helfende Website durch, sodass ich neben tausenden von Internetseiten über Drachen, sogar auf ein Onlinegame mit diesem Namen stieß. Doch es schien keine einzige Person Dragãos als Nachnamen zu besitzen und außer Abwandlungen wie Dragos, der für „kostbar" und „wertvoll" stand, schien es den Namen in keiner Weise zu geben.
Ich legte mir sogar neue E-Mail-Adressen an, um an die Privatnummern von Polizisten, Regierenden, Mafiamitgliedern und auf die Lóngs spezialisierte Autoren, zu schreiben. Dabei war ich sehr darauf bedacht, dass die E-Mail-Adressen nicht nachverfolgbar waren.
Doch abgesehen von Eriks Bewunderung bezüglich meiner vielen Kontakte, die nichts von meinem Besitz ihrer Nummern wussten, brachte es mir nichts.
Eileen kam in die Küche und band ihre braunen Haare zu einem Dutt, bevor sie sich ebenfalls ein Stück Strudel nahm. Neugierig beobachteten wir sie und je länger sie sich Zeit ließ sich zu uns zu setzen, desto weniger rechnete ich mit einer guten Neuigkeit.
„Tut mir leid", begann sie und Erik verzog unzufrieden das Gesicht, „ich habe mein Bestes gegeben, aber niemand wollte mir Informationen geben und als sie misstrauisch geworden sind, konnte ich natürlich nicht weiterfragen, ohne ihre Skepsis noch weiter zu steigern."
Sie hatte sich bereit erklärt, sich bei den Guerras nach den Lóngs und den Dragãos zu erkunden, offensichtlich ohne Erfolg.
„Aber ich habe dafür der Polizeiwache eine anonyme Nachricht zukommen lassen, damit diese endlich merken, dass unsere Lieblingsmafia wieder im Lande ist." Ich glaube sie verwendete gerade das erste Mal Sarkasmus in meiner Anwesenheit. Eriks Blick zufolge war auch er es nicht gewohnt, nickte ihr aber dankbar zu.
„Und dann meine Liebe, habe ich dir das hier mitgenommen." Sie reichte mir ein Päckchen und ich bekam ein ungutes Gefühl. Ich wollte nicht, dass sie mir etwas schenkte.
Mir wurde schlecht, als ich das Päckchen öffnete und ein Handy zum Vorschein kam. Eileen schüttelte den Kopf, als wüsste sie, dass ich das Geschenk nicht annehmen wollte und ging mit ihrem Teller aus dem Raum. Das war unfair. Ich sollte nicht von ihr abhängig sein und ihr schon gar nicht eine Bürde sein. Sie sollte wissen, dass sie für mich kein Geld ausgeben sollte, vor allem da sie mir schon welches für die einfachsten Aufgaben am Hof gab.
Außerdem musste ich mich doch bei ihr für das Handy und das Befragen ihrer Leute bedanken.
„Ist schon eingestellt", meinte Erik schadenfroh und zwinkerte mir zu. Irgendetwas gefiel ihm daran, mich unglücklich zu sehen.
„Irgendwelche Ideen wie wir weiter vorgehen?", fragte er, bevor ich etwas erwidern konnte.
Seufzend gab ich nach und schaltete das Gerät ein, während ich nebenbei in Gedanken die verschiedensten Pläne durchging und den noch warmen Apfelstrudel aß. Ohne Zweifel eines von Eileens Spezialitäten.
Die Guerras gaben Eileen keine Informationen. Eileen. Hatte sie eine hohe Stelle bei ihrer Mafia? Vom Gefühl her, schätzte ich nein. Aber irgendjemand besaß das Wissen, das wir suchten, selbst wenn es ausschließlich der Anführer der Guerras war.
Ich riss meine Augen auf und schlug mir die Hände vor den Mund, wodurch die Gabel klirrend auf den Tisch fiel.
„Also was auch immer du gerade für einen Geisterschuss hattest, diese Reaktion passt so gar nicht zu deinem sonstigem Verhalten. Woher hast du die?" Erik mimte mich nach und schlug ebenfalls seine rechte Hand gegen seinen Mund.
„War aber süß, könntest du öfters machen."
Entgeistert starte ich ihn an und schüttelte stumm den Kopf.
„Wir brechen bei den Guerras ein und sammeln Informationen über den Aufenthalt der Lóngs. Die müssen zumindest wissen, wo die Anführer sind, sonst könnte Carlo nicht hingereist sein, um mit denen zu verhandeln. Der müsste sowieso spätestens heute Abend zurück sein und was wird er als erstes machen, unabhängig davon wie die Verhandlungen ausgingen? Er wird das Geschehnis mit seinen Kollegen besprechen und wir werden dabei sein!"
Neugierig beobachtete ich, ob er mir folgen konnte, da ich die schlechte Angewohnheit hatte, schneller zu reden, wenn ich von einer Idee überzeugt war. Statt Verwirrung, spiegelte sich jedoch Skepsis in seinem Gesicht und ich hielt erschrocken Inne, als ich realisierte, was ich gerade von ihm verlangte. Es war seine Mafia, seine Gemeinschaft, die würde er nicht hintergehen.
„Tut mir leid. Also ich verstehe, wenn du nicht mitkommst, aber ich werde es machen und du erzählst es bitte niemanden weiter."
Manche Dinge sollte man besser für sich behalten. Bei seiner Mafia einzubrechen, gehörte eindeutig dazu.
„Verstanden?", fragte ich, als er nicht sofort reagierte.
„Weißt du überhaupt in welches Gebäude du musst? Wenn ich dir alles verrate, kann ich auch gleich mitkommen."
„Melakorn 55, graue Fassade, kleine süße Fensterläden, als Fischladen gemeldet. Findet statt für Konferenzen innerhalb der Guerras und Verhandlungen mit externen Geschäftspartnern. Mitglieder nutzen den Hintereingang, der nur über den Hof auf der Rückseite zugänglich ist. Wird normalerweise immer von zwei Personen bewacht, getarnt als Arbeiter die sich vor den Aufgaben drücken und lieber ein paar Zigaretten rauchen."
Eriks Mund war leicht geöffnet, seine Hand hing für einen kurzen Moment regungslos in der Luft, dann realisierte er, woher ich das Wissen hatte.
„Die Rostovas."
Ich nickte grinsend.
Bist du jetzt stolz darauf?
Minze kam in die Küche und sprang auf Eriks Schoß, um sich streicheln zu lassen. Seine Hände strichen durch das rötliche Fell, als wir begannen unsere Aktion zu planen.
~*~
„Stern oder Mond?"
Verwirrt hob ich meinen Kopf, wir hatten uns dazu entschieden spazieren zu gehen, damit wir uns besser konzentrieren konnten und hatten die letzten paar Minuten geschwiegen. Unser Plan war weit entfernt von Perfektion, aber ich bezweifelte, dass wir ihn noch bessern konnten.
„Sterne oder Mond?", wiederholte er seine Frage und riss mich somit aus meinen Gedanken.
„Sterne."
„Ich finde den Mond besser, der ist einzigartig. So wie ich."
Ich verdrehte meine Augen. „Du meinst, du bist allein und kannst nichts? Nicht einmal leuchten?"
Erik schlug mir leicht gegen die Schulter, bevor er für einen kurzen Moment ernst wurde.
„Der Mond hat eine große Wirkung auf vieles."
Ich nickte beschwichtigend und wir grinsten beide. Die Lóngs tauchten wieder in meinen Gedanken auf, konnten mein Grinsen jedoch nicht verdrängen.
„So, Tag oder Nacht?"
„Wie viele von diesen Fragen hast du?"
„Viele, aber wenn dir ein besseres Gesprächsthema einfällt, her damit!"
„Nacht, du?"
„Same. Im Dunkeln ist einfach alles besser."
„Kreis oder Dreieck?", fragte ich.
Erik begann zu lachen. „Du kannst das nicht."
„Was passt dir an der Frage nicht? Ich finde Kreis besser."
Also wirklich.
„Okay Cat."
„Okay Erik", äffte ich ihm nach.
„Also, wann gehen wir es an?"
Muss er die Stimmung zerstören?
Er hatte Recht, wir sollten uns wieder auf unsere Aktion fokussieren.
Kurz zögerte ich, doch es half nichts.
„Jetzt."
~*~
Weder Eileen noch Matthias wussten etwas von unserem Plan, als wir den Hof verließen und in Eriks silbern glänzenden Wagen stiegen.
„Bist du dir eigentlich sicher, dass es eine gute Idee ist, wenn du fährst?", fragte ich, während ich überprüfte, ob mein Gürtel mitsamt Messer und Pistole von meinem Pulli verdeckt wurde.
Ich deutete auf seinen Kopf und seine Wunde am Bauch, während ich an seinen bewusstlosen Zustand vor Weihnachten dachte. Erik nickte. „Ich habe keine Schmerzen mehr und meine Konzentration ist wieder vollkommen vorhanden."
Nicht ganz überzeugt wandte ich meinen Blick wieder in den Innenspiegel. Erik hatte mir einen braunen Farbspray auf meine Haare gesprüht und mir seine übergroße Sonnenbrille geborgt, die farblich nicht zu dem grünen Schal passte, der den Rest meines Gesichts verdeckte.
Eine bessere Lösung hatten wir nicht gefunden, aber zu seiner Zufriedenheit hatte er mir während des Besprühens überzeugen können, dass ich das Handy dringend für unsere Ermittlungen brauchte. Schließlich konnten wir uns so verständigen, sollten wir uns verlieren und mitfilmen, sollten wir Beweismaterial brauchen. Als ob mir das nicht bewusste gewesen wäre. Trotzdem fühlte es sich falsch an, das Geschenk anzunehmen.
Unter dem Vorwand noch schnell meinen Schal zu holen, den ich im Stall liegen gelassen hätte, habe ich mein Handy nach einem Ortungsgerät abgesucht und anschließend entfernt.
Ich war unvorsichtiger geworden, seit ich nicht mehr daheim lebte. Ich wusste es und konnte es trotzdem nicht ändern. Erik führte mich direkt in die Höhle des Löwen und ich folgte ihm freiwillig. Freiwillig. Ich war gestört.
Heyy
Habt einen schönen Tag <3
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro