Kapitel 5 - Ismael
Ismael's Sicht
Schwer atmend komme ich vor der dunklen Haustür zum stehen, da wird sie auch schon aufgerissen. Kaia muss an der Tür gewartet und mich gehört haben.
„Was ist passiert? Ist etwas mit Malea?" fragt sie sofort beunruhigt drauf los. Ich habe ihr über Mindlink gesagt, dass es Dringendes mit den Leitenden im Rudel zu bereden gibt. Wie zu erwarten hat sie auch schon Vermutungen aufgestellt warum.
„Nein. Freja hat mich über Mindlink kontaktiert." Ich ziehe meine Winterkleider aus und gehe mit ihr ins Wohnzimmer. Meine Schwester will überrascht nach genauerem fragen, aber ich unterbreche sie. „Wenn die anderen auch hier sind erkläre ich es allen auf einmal." Auch wenn ich selbst fast nichts weiss, füge ich gedanklich hinzu.
Kaia akzeptiert diesen Einwand, zumindest momentan. Ich frage sie, ob ihr Mate, Rafael und die Beta jetzt Zeit haben. Wann Freja mich anruft, weiss ich nicht, aber vorher muss ich das wenige was ich weiss, den anderen erklären.
„Ich habe sie vorhin angerufen. Alle vier werden in den nächsten Minuten kommen."
Was? Ich habe doch nur von dreien gesprochen... „Alle vier?", frage ich verdutzt nach.
„Oh, das habe ich ganz vergessen dir zu sagen. Der Mate von Beta Nadin kommt auch. Ich dachte es wäre was passiert, da kann er als Rudelarzt nicht schaden." Kaia lächelt verlegen. „Du weisst doch wie guten Kontakt die Ärzte zu ihrem Rudel haben."
„Ja, sie sind manchmal halbe Lunas. Es ist zwar nichts solches geschehen, als dass ein Arzt benötigt wird, aber ich brauche sowieso mehr Meinungen dazu, was wir nun machen sollen", erläutere ich, während ich mich auf einen Sessel gegenüber dem grossen Panoramafenster setze. Von hier aus kann man über den kleinen See und auf die waldigen Hügel sehen.
Kaia setzt sich grübelnd auf ein dunkelrotes Sofa. Nach und nach schneien Nadin, ihr Mate Lorenz und Rafael in das grosse helle Zimmer. Der Alpha platzt als letzter herein, setzt sich zu Kaia und ergreift das Wort. „Die Sitzung hat länger gedauert als gedacht und eigentlich müssten Kaia und ich jetzt schon zur nächsten. Ich hoffe für dich, Ismael, dass es wichtig ist." Er scheint gestresst zu sein und sehr schlechte Laune zu haben. Normalerweise ist Lars nicht so, aber jetzt bleibt keine Zeit zu diskutieren.
„Freja hat mich per Mindlink über etwas in Kenntnis gesetzt. Sie hat mich gewarnt", beginne ich, da fällt mir ein, dass die meisten hier keine Ahnung haben wer sie ist. „Freja ist die kleine Schwester des ehemaligen Alpha im Rudel Eberkopf."
Rafael reagiert sofort. „Seit wann ist Hannes nicht mehr der Alpha?!"
„Das ist der Grund warum Freja mich gewarnt hat. Rudel Aros hat Eberkopf in einem Kampf übernommen. Wir sollen, laut ihr, ja keinen Kontakt zu ihnen haben, warum weiss ich nicht." Es entsteht eine Diskussion darüber, wobei die Meinungen geteilt sind.
Nadin und Lars sind skeptisch dazu, wie vertrauenswürdig Freja ist und warum kein Kontakt zwischen den Rudeln bestehen sollte. Kaia und Rafael, die Freja kennen, halten zu ihr, während Lorenz eher ruhig ist oder zu den skeptischen hält. Er scheint sehr müde zu sein.
„Freja hat gesagt, dass sie mich in einigen Stunden anrufen wird. Dann wurde sie Entdeckt, ihre Worte. Ich weiss aber nicht was damit gemeint war, also können wir nur ihren Anruf abwarten.» Ich seufze und starre wieder aus dem Fenster.
„Warum kontaktiert sie genau dich?", hakt Nadin immer noch skeptisch nach.
„Freja und ich kennen uns schon sehr lange, in der Schule waren wir beste Freunde." Ich will nicht von unserem Streit erzählen, es ist auch gar nicht nötig.
Nadin nickt verstehend und zieht ihren blonden Pferdeschwanz zurecht. Sie steht auf, geht in die Küche und kommt kurz darauf mit gesalzenen Nüssen wieder. „Wenn wir schon auf was auch immer warten müssen..."
Genau in diesem Moment klingelt das Festnetz-Telefon. Ich bin schneller dort, als Kaia fragen kann, wer das ist und hebe direkt ab.
„Guten Tag. Könnte ich vielleicht mit Ismael Kayn reden?", fragt Freja da auch schon höflich.
„Bin schon da. Ist es okay, wenn ich auf Lautsprecher stelle?"
„Ähm... Wer hört denn alles mit?", erwidert sie zögernd.
„Alpha Lars, Beta Nadin, Rudelarzt Lorenz und meine beiden Geschwister. Wenn du sie vom Kontakt abbrechen überzeugst, bin ich sicher, dass Rudel Mojak dabei ist." Ich sehe fragend zu Lars, der nickend dem Gesagten zustimmt.
„Okay, dann auf Lautsprecher. Das ist praktischer." Ich tue wie gesagt, lege das Telefon auf den weissen Sofatisch und setze mich wieder.
„Ich bin Alpha Lars und nicht gerade begeistert von diesen Warnungen. Ismael hat schon einige Dinge gesagt, was aber noch lange nicht für einen Kontaktabbruch ausreicht. Bevor wir uns in Details verlieren will ich, dass du dich vorstellst. Ausserdem müssen wir, um dir zu glauben und deinen Rat zu befolgen, wissen, warum wir dies tun sollen", stellt Lars ernst klar.
Ich finde er ist zu hart, kann ihn aber auch verstehen. Es ist sehr wichtig guten Kontakt zu naheliegenden Rudeln zu haben, um Konflikte zu vermeiden. Man kann sich gegenseitig bei der Geheimhaltung vor Ignarus helfen und sich gegen LV verbünden – falls es denn welche in der Nähe gibt.
Freja seufzt leise. „Meine Zeit ist knapp, aber ich werde es versuchen. Ich bin Freja Schwarz, Schwester von Hannes, dem ehemaligen Alpha im Rudel Eberkopf. Vor einigen Tagen wurde mein Rudel von Aros' Kämpfern angegriffen. Wir haben uns verteidigt, sind aber in der Unterzahl und der Angriff kam so plötzlich. Wir waren gar nicht dafür gerüstet, im Gegensatz zum Rudel Aros."
Es klingt als würde sie aufstehen und schleichend über Holzdielen gehen. Nach einigen Sekunden setzt sie sich wieder, erleichtert ausatmend. „Ich musste nur kurz schauen, ob ich alleine bin.
Also, weiter im Text. Marvin, der Alpha von Rudel Aros hat Hannes zu einem Alpha Kampf herausgefordert."
„Was? In welchem Zeitalter lebt der denn?", empört sich Rafael. Vor vielen Jahrzehnten wurden neue Regeln für Alpha Kämpfe festgelegt, sodass sie fairer und weniger brutal sind. Diese Regeln gelten auch heute noch, aber sie sind unnötig. Konflikte in und zwischen Rudeln werden heute anders geregelt, mit ökonomischem Krieg oder diplomatisch. Ja, auch Werwölfe können zivilisiert und modern sein. Naja, abgesehen von diesem Marvin.
„Leider in unserem...", erwidert Freja, wobei deutlich der Hass den sie gegen ihn hegt heraus zu hören ist. „Dieser Bastard hat sich nicht an die Regeln gehalten! Oder an die alten, jetzt ungültigen Regeln für einen Alpha Kampf. Er hat gesiegt, wurde Alpha über Eberkopf und Aros. Marvin hat Bertil zu seinem Beta ernannt, was dieser Verräter natürlich nur allzu gern angenommen hat."
„Warte, das ging mir jetzt ein wenig zu schnell... Was heisst: Marvin hat sich nicht an die Regeln gehalten? Und was ist mit Hannes passiert?", fragt Kaia nach.
„Ihr wisst, dass die heutigen Regeln sagen, dass wenn einer aufgibt er verschont werden muss?"
Eine ungute Vorahnung macht sich in mir breit. „Jaa...", antwortet Kaia zögernd, scheint dasselbe zu denken wie ich.
„Sie haben in ihrer Wolfsform gekämpft, weshalb es sehr unübersichtlich war. Ein Gewuschel aus grauem und braunem Fell. Plötzlich hat mein Bruder laut gejault, unter Schmerzen hat er deutlich zu verstehen gegeben, dass er aufgibt. Marvin hat sich nicht darum geschert. Er meinte nur, dass Hannes ein elender Feigling und Schwächling ist." Freja schluckt hart und flüstert den letzten Satz leise, voller Schmerz und Wut. „Marvin hat meinen Bruder ermordet."
Nach diesen Worten herrscht eine angespannte Stille im Wohnzimmer. Niemand sagt etwas, nur das Fallen der Regentropfen draussen ist zu hören. Ich will Freja helfen, sie in den Arm nehmen und fragen wie es ihr geht. Aber mitten in diesem ernsten Gespräch kommt mir das irgendwie falsch vor. Deshalb nehme ich mir vor sie zu fragen, wenn alles geklärt ist.
„Ihr wollt den Grund wissen, warum ich euch diesen heiklen Kontaktabbruch ans Herz lege?", fragt Freja rhetorisch. Anscheinend hat sie sich wieder gefangen. „Ich weiss, dass das pflegen guter, friedlicher Kontakte zu anderen Rudeln das Wichtigste ist, um Frieden zu bewahren. Aber in diesem Fall ist es anders.
Marvin ist fast der Alleinherrscher von Aros undjetzt auch Eberkopf. Er liebt Krieg und hat schon wieder ein nächstes kleines Rudel im Blick, das er übernehmen will. Marvin hasst Ignarus, Omegas und Wesen im Allgemeinen, die er als schwach bezeichnet. Ausserdem hat er einen unberechenbaren Hang zum Sadismus."
Sie schiebt leise einen Stuhl nach hinten, steht auf und seufzt gestresst. „Ich muss gleich auflegen, aber eins noch! Wenn ihr seine Aufmerksamkeit erlangt, wird er euch angreifen. Euer Rudel ist strategisch gut gelegen, reich und gross: ihr solltet abtauchen, so gut es geht. Keinen Kontakt und forscht auf keinen Fall nach! Aber jetzt habe ich euch schon viel zu viel gesagt."
„Danke, dass du angerufen hast, Freja. Es tut mir leid was mit deinem Bruder und deinem Rudel geschehen ist. Deine Informationen können tatsächlich entscheidend sein. Wir werden uns beraten und dann über die nächsten Schritte entscheiden", meint der Alpha.
Ich merke, dass Lars den Wert der Informationen als sehr hoch einschätzt, sich aber alle Optionen offenlassen will. Obwohl ich selbst Freja glaube, weiss ich auch nicht ob es die beste Variante ist, allen Konflikten aus dem Weg zu gehen.
„Ja keinen Kontakt!", verdeutlicht Freja nochmals, dann knackt es und die Leitung ist tot.
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Was haltet ihr von Freja? Denkt ihr sie sagt die Wahrheit?
Ich persönlich finde Marvin sehr sympathisch...
Auch dieses Kapitel will ich euch eine fesselnde Geschichte empfehlen: 'letzte Worte' von @stadtbeleuchtung.
1522 Wörter
~ Linea
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