Kapitel 3 - Malea
Malea's Sicht
Meine Finger tanzen über die Tasten, meine Augen sind geschlossen und mein Geist geniesst die Ruhe. Die Ruhe vor dem Sturm, wenn der neue Praktikant so schrecklich ist, wie der letzte. Nuvole Bianche (Weiße Wolken) geschrieben von Ludovico Einaudi ist eines meiner Lieblingsstücke klassischer Musik und wären hier im Waldheim nicht so viele Leute, die mich hören könnten, würde ich mit summen. Ich liebe diese Melodie einfach!
Plötzlich, als ich schon am Ende des Stückes bin, knallt ein Fenster zu. Ich fahre rapid herum und starre geradewegs in überrascht geweitete Augen.Dort, nur zwei Meter von mir entfernt, stehen Abigail und ein junger Mann, vermutlich der neue Praktikant. Er ist ein Werwolf. Ich rieche und spüre es direkt, weshalb mich das Bedürfnis packt, so schnell wie möglich zu flüchten. Alle Muskeln spannen sich an, es kostet mich meine ganze Selbstbeherrschung, nicht meinem Instinkt nach aus dem Fenster zu springen. Die Bestie würde mich jagen.Die aufkommende Angst und den Hass kann ich nur schwer unterdrücken, befürchte schon, dass man mir meine Gefühle ansehen kann. Ich kralle mich in den Klavierschemel, um mit allen Mitteln eine Explosion zu verhindern.
Ich kann meinen Blick merkwürdigerweise nicht von diesen braunen Augen abwenden. Sie glitzern traurig, aber auf seinen Lippen liegt ein überraschtes Lächeln. Ich wundere mich, wie man diese Gegensätze gleichzeitig fühlen kann. Mit einem Kopfschütteln rufe ich mich zur Besinnung. Was denke ich da überhaupt?! Die Gefühle der Bestie sind irrelevant.«Malea, das ist Ismael Kayn, der neue Praktikant. Komm bitte runter ins kleinere Wohnzimmer, Fiona und Elliot sind sicher schon da.» Abigail geht voran aus dem Zimmer, gefolgt von einem widerwilligen Wolf. Ich schalte das Keyboard ab und gehe die Treppen mit grösstmöglichem Abstand zu ihm runter.
Was soll ich denn jetzt machen?! Ich wusste, dass es in Zürich ein ganzes Rudel von diesen Biestern gibt, hätte aber nie damit gerechnet, einem von ihnen zu begegnen. Drei verdammte Monate wird er im Waldheim Praktikant sein! Ich dachte, ich müsste nie wieder etwas mit ihnen zu tun haben! Ich dachte, ich wäre diese schrecklichen Kreaturen für immer los!So viel Leid haben mir Werwölfe schon zugefügt, mir so viele geliebte Menschen genommen... Ich unterdrücke die aufkommenden Tränen.
Wir setzen uns ins Wohnzimmer, wo sich Elliot schon langweilt. Abigail erklärt was die Aufgaben des Praktikanten sind – auf uns drei aufpassen - und geht dann weiter ihren Pflichten nach. «Wo ist Fiona eigentlich?», murmelt Elliot.„Vorhin in ihrem Zimmer, hat sie gesagt, dass sie nicht runterkommen will», antwortet der Praktikant.„Ich hole sie." Ich räusper mich und laufe hoch. Endlich weg vom Wolf! Normalerweise stinken Werwölfe, aber dieser hier riecht irgendwie... gut. Frisch und würzig nach Fichten und Tannen. Komischerweise auch wie Ahornsaft. Natürlich hat er ebenfalls den unverkennbaren Wolfgeruch, den ich nicht beschreiben kann. Warum habe ich seinen Geruch noch in der Nase, obwohl ich schon vor Fionas Zimmertür stehe? Ich muss endlich aufhören, über unnötige Dinge nachzudenken!
Ich trete ein, nur um Fiona wie so oft auf ihrem Bett sitzend vorzufinden. Seufzend setze ich mich neben sie, nehme ihr sanft das Handy aus der Hand und schalte es ab. «Komm doch bitte runter, das Video kannst du dir später ansehen.»«Nein!», fährt mich die Rothaarige an, fügt dann murmelnd «Der scheiss Praktikant ist da», hinzu. «Je schneller du runterkommst, desto schneller ist er weg.» Aufmunternd lächle ich sie an. Er wird uns nichts tun. Ich vertraue der Bestie absolut nicht, aber weiss, dass sie in aller Öffentlichkeit keinem was tun wird, sonst hätte ich sie mit Elliot nicht alleingelassen. Am besten ist es, wenn ich so tue, als sei er kein Werwolf, als wüsste ich nicht, dass diese Kreaturen existieren.
Fiona stöhnt genervt, folgt mir aber dennoch zu den Sofas im Wohnzimmer. In der Mitte steht ein Tisch aus dunklem Holz. Darauf vier Gläser und ein Teller mit Schokoküssen, die der Praktikant anscheinend dort hingestellt hat. Fiona setzt sich neben ihn aufs Sofa und nimmt sich einen, während sie sich gierig über die Lippen leckt. Mit dieser Süssigkeit hat er sie davon überzeugt, dass er nicht so pedantisch ist wie sein Vorgänger. Fiona ist nicht naiv, aber es braucht sehr viel, damit sie jemanden nicht mag, der ihr Schokolade anbietet.
Ich setze mich neben Elliot nieder, schräg gegenüber vom Wolf auf das dunkelgraue Sofa. Die Wände dieses Zimmers sind weiss, ausser der gegenüber vom Fenster unter dem wir sitzen; diese ist in sanftem Gelb gestrichen. Wir nehmen uns alle einen Schokokuss, während sich Fiona grinsend beim Praktikanten bedankt. Bevor ich meinen probiere, rieche ich daran. Mit Werwölfen, die Essen gratis anbieten, habe ich nicht besonders gute Erfahrungen gemacht.Wir essen schweigend und mein Blick huscht immer wieder zum Wolf. Auch wenn ich weiss, dass er niemanden von uns gleich anfallen und verletzen wird, kann ich mein Misstrauen nicht ablegen.
„Also äh, wie ihr wisst, bin ich Ismael Kayn und in den nächsten drei Monaten für euch zuständig", beginnt er und unterbricht somit die unangenehme Stille. „Damit wir einander besser kennenlernen, schlage ich ein kurzes Quiz vor. Abwechslungsweise stellen wir Fragen, und antworten alle darauf, auch auf die eigene Frage. Seid ihr einverstanden?" Wir murmeln zustimmend, es will aber keiner beginnen, ausser Fiona, die schon ihren zweiten Schokokuss schlemmt. Sie besitzt allerdings zu gute Manieren, als dass sie mit vollem Mund sprechen würde.
„Dann fang ich eben an", sagt die Kreatur und lächelt in die Runde. „Was habt ihr heute Morgen so gemacht? Ich habe gemütlich gefrühstückt und mit meinen Geschwistern geplaudert."„Ich war joggen", antworte ich knapp und streiche Elliot aufmunternd über die blonden Haare. „Äh... ich hab' gespielt", stottert er und schielt zum Wolf. Er ist bei Fremden noch schüchterner als sonst.
„Mit Ten, deinem Plüsch-Elefanten? Oder mit den Tieren auf der Dschungelmatte?", hake ich sanft nach.Elliot sieht mich aus grossen Augen an und schüttelt wild den Kopf. „Sicher nicht mit Ten! Er ist voll der Morgenmuffel und wird noch laaange, laange schlafen. Ich habe mit dem Jaguar und den lustigen Äffchen gespielt. Sie machen immer Blödsinn und kriegen dann viiel Ärger."„Das klingt cool. Soll ich mitspielen, wenn wir hier fertig sind?", frage ich lächelnd. Er ist so süss, wenn er von seinem Spiel schwärmt. Ich bemerke aus dem Augenwinkel, wie der Wolf mich anstarrt, ignoriere es aber.
„Jaaa! Aber Ma, kannst du dann der Dinosaurier sein?" Vor etwa einem Jahr hat Elliot angefangen, mich Ma zu nennen. Dieser Spitzname hat mir schon einige irritierte Blicke eingebracht. Viele im Heim halten mich für dumm, weil ich freiwillig mit Kindern Zeit verbringe. Einige nennen mich sogar provozierend Mama. Es ist mir egal. Ich mag die es mit den zweien, sie sind unverfälscht im Gegensatz zu Erwachsenen.
„Klar kann ich das", erwidere ich und wende mich dann an die Rothaarige. „Was hast du so gemacht Fiona?" Sie grinst und erzählt von Videos mit neuen Klettertechniken, die sie unbedingt ausprobieren will. Sie liebt ihr Hobby genauso sehr, wie Schokoküsse.
„Was wollt ihr werden, wenn ihr gross seid?", fragt Fiona, nachdem sie mit ihrem Vortrag übers Klettern fertig ist. Ismaels Mundwinkel wandern hoch und ich beisse mir auf die Lippe, um nicht zu lächeln. „Oder noch grösster seid?", kichert sie.„Ich möchte Kampfsportlehrer werden, deshalb mache ich dieses Praktikum."Mir brennt die Frage warum auf der Zunge, aber ich will verhindern mit ihm zu reden, also hoffe ich darauf, dass die anderen so neugierig sind wie immer.„Warum genau das?", fragt Fiona wie erhofft.„Wer Kampfsport betreibt, bekommt ein besseres Selbstvertrauen und lernt, diszipliniert zu sein. Dies möchte ich meinen Schülern vermitteln, da es eine gute Lebensschule ist. Was willst denn du werden, Malea?"
Das geht dich nichts an, Werwolf! „Ich weiss nicht, vielleicht etwas mit Musik." Elliot summt begeistert ein Liedchen. „Ja, du spielst so schön Klavier. Ich will Feuerwehrmann werden, damit ich all das böse Feuer löschen kann."„Na dann kannst du doch mit meinen Haaren anfangen! Dieses rot nervt", lacht Fiona. Elliot hält seine Hände ins Wasser und spritzt sie lachend voll. Diese hat vergessen, dass sie behauptet, zu alt dafür zu sein und macht mit. Der Praktikant sieht unsicher zwischen ihnen hin und her, wahrscheinlich weiss er nicht, ob sie das dürfen. Ich sehe ihn kurz an, schüttle den Kopf und nehme mein Glas, bevor es umkippt vom Tisch.Bald darauf lehnen sich beide zurück. „Ich will Anwältin werden!", grinst Fiona stolz mit funkelnden braunen Augen, womit sie das vorherige Thema aufnimmt.
„Du äh Ismael? Wieso heisst du eigentlich so?", fragt Elliot wieder ein wenig schüchtern. „Meine Lehrerin hat aus der Bibel eine Geschichte erzählt und da war ein Ismael... Also bist du auch, nein. Glaubst du an Gott?"
Der Praktikant lacht aus einem unerfindlichen Grund. „Nein, ich bin Atheist und verstehe auch nicht, wieso man an so etwas glauben sollte. Die Eltern vom besten Freund meines Vaters sind gläubig, weshalb sie ihn Ismael getauft haben", jetzt wird er ernster und schaut ein wenig traurig. „Er und mein Vater waren unzertrennlich. Bevor ich geboren wurde, ist dieser Ismael aber bei einem Unfall gestorben. Meine Eltern haben mich nach ihm benannt."Dieser Wolf verwirrt mich. Irgendwie ist er nicht so wie die anderen, die ich kennengelernt habe. Er ist freundlich und offen, was Wesenszüge sind, die ich nur von einem einzigen Werwolf kenne.
Der Praktikant seufzt und trinkt einen Schluck Wasser. „Glaubst du denn an Gott, Elliot? "Eben Genannter schüttelt nachdenklich den Kopf. „Ich glaube nicht. Ma sagt: Nie beweisen können, dass... äh was sagst du nochmal?" Süsse blaue Augen sehen mich fragend an.„Man wird nie beweisen können, dass etwas nicht existiert. Aber es gibt viele Sachen, von denen wir nicht glauben, dass es sie gibt, obwohl wir das nicht beweisen können, von Richard Dawkins." Dieses Zitat ist mein Liebstes im Thema Religion. „Ich denke, jeder muss für sich selbst entscheiden, ob er an Gott glaubt und wenn an welchen beziehungsweise an welche."Der Wolf grinst mich an. „Wenn wir eh schon beim Thema sind, mein Lieblingszitat ist dies: „Sprach der König zum Priester: Halte du sie dumm, ich halte sie arm.", der Verfasser ist unbekannt."Ich muss zugeben, das Zitat ist gut. Ich kann mir ein schmunzeln kaum verkneifen, aber sage nichts dazu, trinke nur mein Wasser leer, sammle alle Gläser ein und bringe sie in die Küche. Dort spüle ich sie aus. Kurz verweile ich dort, um mich zu sammeln...
Als ich wieder im Wohnzimmer bin, spricht mich der Praktikant an. „Wollt ihr mit dem Quiz weiter machen? Ich denke, dann wärst du an der Reihe, Malea."„Mir fällt leider keine Frage ein, aber du hast sicher viele Ideen." Er sieht enttäuscht aus und irgendwie tut er mir leid. Trotzdem ist und bleibt er ein Werwolf und diesen Kreaturen werde ich nie trauen, egal wie nett und sympathisch sie sein mögen.
„Was ist euer Lieblingsessen? Meins ist Crêpe, die sind soo gut!", Elliot grinst, scheint gar nichts von der angespannten Stimmung mitbekommen zu haben.„Ich mag Spätzli", meint der Praktikant fast schon neutral.„Ähm, weiss nicht. Ich kann mich nicht zwischen Risotto und Bratwurst mit Pommes entscheiden!", Fiona kratzt sich gestresst am Kopf. Na das ist mal ein Dilemma!
Der Praktikant bemerkt, dass ich nicht auf Elliots Frage antworten werde und fährt deshalb selbst fort. „Abigail hat etwas davon erzählt, dass ihr den letzten Praktikanten nicht mochtet. Stimmt das? Und wenn ja: Warum?"Cleveres Bürschchen. Er versucht herauszufinden, was wir - oder eher ich - gegen ihn haben. Wobei F und E inzwischen alle Zweifel abgelegt haben.
„Da hat die Labertasche recht. Dein Vorgänger war meega pedantisch, pingelig und allgemein einfach anstrengend. Entweder er hat uns herumkommandiert, obwohl er selbst nicht wusste was zu tun war, oder er hat ein Bild seiner Freundin angehimmelt und von ihr geschwärmt.", Fiona verdreht genervt die Augen als sie sich daran erinnert. Sie hat vielleicht ein wenig übertrieben, aber im Allgemeinen kann ich ihr nur zustimmen.
„Ja, genau. Er war nicht nett, ich glaube sogar er hat Kinder gehasst!", stimmt auch Elliot ihr zu.
„Weisst du Ismael, das war auch der Grund warum wir dich anfangs nicht mochten. Malea, Elliot und ich dachten eben du bist so wie der alte Praktikant, dabei bist du viiel cooler!", ergänzt Fiona.
Die zwei beschweren sich eine Weile über den alten Praktikanten, dann kommen sie aufs Thema Karl zu sprechen und beklagen sich auch noch über ihn. Ich halte mich raus und hoffe einfach nur, dass Karl sie nicht hört. Nach zehn Minuten stehe ich auf und gehe zum Bücherregal an der einen Wand um ein bisschen zu schmökern. Hier stehen Bücher über alles Mögliche, teilweise schon mehrere Jahrzehnte lang rum und vergammeln.
„Malea! Was machst du denn da so lange? Wir wollen jetzt weiter machen!", ruft Fiona, energisch wie sie nunmal ist. Ich setze mich wieder neben Elliot.
„Jetzt bin ich dran!", meint Fiona fies grinsend. Sie steht auf, macht sich gross und zieht ein unheimliches Gesicht/Grimasse. „Was sind eure schlimmsten Ängste?", fragt sie tief grollend, woraufhin ich spüre, wie Elliot ein wenig näher zu mir rückt. Ich lege einen Arm um ihn und sehe erwartungsvoll in die Runde, denn anfangen werde ich sicherlich nicht.
„Das ist aber eine tiefe Frage um sich kennenzulernen, Fiona", meint der Praktikant, beginnt dann aber doch zu erzählen. „Meine Eltern sind auf Weltreise und ich habe Angst, dass ihnen etwas geschieht. Ausserdem fühle ich mich unwohl in engen Räumen mit vielen Leuten" , bei letzerem kratzt er sich verlegen im Nacken, ihm scheint diese Angst sehr peinlich zu sein. Ich wundere mich, warum er es denn sagt. Der Wolf scheint mir im allgemeinen sehr offen zu sein. Aber wahrscheinlich ist es ja auch nur geschauspielert.
„Ich habs auch nicht gern, wenn so viele Leute an einem Platz sind. Dann werde ich immer engequetscht!", stimmt Elliot ihm zu. „Ich habe Angst vor Karl, der guckt mich immer so böse an. Und, also naja vor... Feuer. Es ist so gross, frisst und... und t-tötet alles...-" Elliot zieht die Beine eng an seinen Körper und sieht ängstlich um sich, als würde er befürchten das Feuer greift ihn jeden Moment an.
Wahrscheinlich hat er sich an seinen Albtraum über Feuer von heute Nacht erinnert. Er hatte mich geweckt, mir davon erzählt und sich dann wieder beruhigt, aber jetzt scheint die Angst wieder hochzukommen.
Ich will ihm vorschlagen, dass wir zwei hoch in sein Zimmer gehen und ein wenig spielen, aber der Praktikant hat anscheinend andere Pläne.
„Hier gibt es kein Feuer, Elliot. Das Haus ist sehr gut davor geschützt. Abigail hat mir den guten Brandschutz im Waldheim gezeigt. Damit nehmen sie es hier sehr ernst."
Da hat er sogar recht. Vor mehr als zehn jahren hat es im Waldheim gebrannt, genau an meinem siebten Geburtstag. Nur Wochen vorher bin ich in meine Pflegefamilie gekommen, weshalb ich nicht betroffen war. Der Brand war ganz sicher gelegt, aber wer oder warum hat man nie herausgefunden. Es gibt massenhaft Gerüchte über den mysteriösen Brand, aber die Wahrheit bleibt verborgen. Das Waldheim wurde geschlossen und renoviert. Es wurde mit neuster Brandschutztechnik ausgestattet, weshalb es jetzt sicher nicht mehr brennen wird.
Der Wolf reicht Elliot einen Block und Stift vom Tisch. „Willst du einen Helden zeichnen, der das Feuer verjagt? Wie ein Feuerwehrmann mit Superkräften!"
Elliot nickt begeistert und fängt direkt an zu zeichnen.
Vier Augen richten sich erwartungsvoll auf mich. „Meine Angst gilt eher der Zukunft. Ich weiss, dass ich Musik studieren will, aber sonst... In ein paar Monaten werde ich 18, habe aber keine Ahnung wo ich dann wohnen werde und wie ich mich dann versorgen kann."
Ich bin selbst von meiner Ehrlichkeit dem Wolf gegenüber überrascht. Natürlich ist das nicht meine größte Angst, aber es stimmt, dass ich mich davor fürchte.
Meine größte Angst ist nicht vor Werwölfen als Prinzip sondern eher vor einem spezifischen. Schon wenn ich nur an ihn denke läuft mir ein kalter Schauer den rücken hinunter.
Ich schüttelte diese Gedanken ab und wende mich wieder den anderen zu.
„Vor was hast du denn Angst Fiona?", frage ich.
„Es geht hier um EUCH! Ich muss nicht auf meine eigene Frage antworten!", fährt die Rothaarige uns sauer an. Häufig wird sie wütend, um ihre Unsicherheit zu überspielen, so auch jetzt.
„Du musst es nicht sagen, Fiona. Das hier ist nur ein Kennenlernspiel." Ich setze mich neben sie auf das Sofa, sodass sie zwischen dem Praktikanten und mir sitzt. „Nur wenn du es nie jemandem sagst, kann dir auch keiner helfen."
Sie seufzt tief und streicht sich die Haare zurück. „Aber wenn ich es sage, schicken mich alle zum Psychologen. Ständig muss ich zum Psychologen, dabei bin ich doch gar nicht krank im Kopf!"
„Man kann auch zum Psychologen, wenn man kein grösseres Problem hat, nur Alltagsprobleme. Meine Schwester hat eine Weile überlegt, ob sie das werden will. Sie hat gesagt, es gibt zwar Psychologen, die Leuten mit einem Trauma helfen oder solchen, die an ihrer Existenz zweifeln. Aber es gibt viel mehr, die Leuten mit ihren Alltagsproblemen helfen und zeigen, wie man Ängste überwindet", erläutert der Praktikant.
„Also wollt ihr mich zu einem Psychologen schicken, damit ich diese scheiss Angst überwinde!?"
„Niemand wird dich irgendwo hin schicken." Ich lege sanft eine Hand um ihre Schulter. „Es ist deine Entscheidung."
Fiona lehnt sich an mich und seufzt. „Ich erzähle es lieber euch. Psychologen mag ich nicht."
„Das macht Sinn - am wichtigsten ist es, vertrauenswürdige Bezugspersonen zu haben." Immerhin scheint der Wolf mit mir einverstanden zu sein.
„Immer vor einer Prüfung krieg ich Bauchweh und ich würde am liebsten jemanden eine reinhauen. Ich will dann gar nicht in die Schule zur Prüfung. Auch bei Prüfungen in Fächern bei denen ich gut bin. Im Nachhinein hab ich manchmal gute manchmal schlechte Noten, aber vorher ist es immer schlimm."
Fiona schluckt schwer bevor sie weiter redet. „Ganz besonders Angst habe ich vor der Gymiprüfung. Ich will so unbedingt ins Gymnasium, wie du Malea, damit ich später Jura studieren kann. Nur die Scheiss Prüfung ist so schwer!"
„Fiona, du musst nicht jetzt schon ins Gymnasium, um Jura zu studieren. Du kannst auch zuerst drei Jahre in die Sek", der Wolf lächelt sie aufmunternd an „Also kannst du versuchen ins Gymi zu kommen, aber es muss nicht klappen. Mach dir keinen Druck."
Ich habe schon bemerkt, dass sie vor Prüfungen nervös wird, aber von dieser Angst wusste ich nichts. Wahrscheinlich wurde die Arme von ihren Eltern bei schlechten Noten bestraft. Da ist es klar, dass sie jetzt Angst vor Prüfungen hat.
„Niemand wird dir etwas tun nur weil du Blödsinn anstellst oder schlechte Noten schreibst. Das machen alle mal."
Ich umarme Fiona und streich ihr langsam über den Rücken, während sie ihr Gesicht in meinen schwarzen Locken vergräbt. Fiona weint nicht, aber ich denke sie ist froh einfach mal in den Arm genommen zu werden. Ich lege mein Kinn auf ihrem Kopf ab und sehe direkt in warme dunkelbraune Augen die mich nachdenklich mustern.
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Was haltet ihr von Malea?
- Linea
3166 Worte
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