Schneewittchen, Dornröschen - und Rotkäppchen hatten wir ja auch schon mal...
Vier Tage.
Vier verdammte Tage lang lag Loki im Koma.
Und ich saß jeden Tag bei ihm, hörte jede Nacht JARVIS' Stimme zu.
Es war erstaunlich... okay. Ich bekam nicht wirklich alles mit, lebte wie in Trance. Ich war froh darum – ich wollte gar nicht wissen, wie meine Gefühle auf Lokis Koma reagierten.
Aber er war stark.
Er war so unglaublich stark, hatte tiefste seelische Verletzungen überstanden... eine körperliche Wunde würde ihn nicht umbringen. Ich wusste, Loki würde es schaffen - was nicht hieß, dass ich nicht erleichtert war, als Palmer endlich mit der erlösenden Nachricht ins Zimmer kam.
Sie lächelte etwas erschöpft, als sie erklärte: „Wir können ihn jetzt gefahrlos wiederholen. Vorerst lassen wir ihn in Ruhe, er soll erstmal wieder ankommen. Ich schaue ein paar Minuten später dann noch mal nach ihm." Und bevor ich diese Neuigkeiten verarbeitet hatte - geschweigen denn, protestieren konnte - ergänzte die Ärztin schon augenverdrehend: „Du kannst bei ihm bleiben, ja."
Sie ließ uns beide allein, und obwohl wir ein paar Mal aneinandergeraten waren, war ich ihr gerade unendlich dankbar. Loki hatte es geschafft – er würde zurück sein und bei mir bleiben.
So, wie er immer geblieben war...
Ich bekam gar nicht mehr mit, was die Geräte, an die Loki angeschlossen war, anzeigten - die Ärzte mussten sie von ihrem Technikzentrum aus abschalten.
Über meine Wangen jedenfalls liefen jetzt doch Tränen.
Bis kühle Finger sich langsam hoben und sie wegwischten... Dann heulte ich natürlich noch mehr.
Ich klammerte mich wie eine Ertrinkende an Lokis Hand, gar nicht wissend, woher der plötzliche Gefühlsausbruch kam.
Das war sonst absolut nicht meine Art – aber die Umstände betrachtend war es vielleicht gerade noch akzeptabel.
Nach der verlorenen Schlacht war ich am Boden zerstört gewesen; zusammen mit meinem Dad war meine Hoffnung zwar wiedergekommen, aber im selben Atemzug auch gleich wieder zerschmettert worden.
Irgendwann hatte ich durch Loki weitermachen können – er war Chaos, er war Bewegung. Und dann hatte er sich schwer verletzen lassen, war in diesem verdammten Krankenbett zum Stillstand gekommen.
Jetzt war er plötzlich wieder da, und es war einfach... Tja, habt Verständnis mit mir.
Endlich klärte sich meine Sicht, und ich hatte nach einer gefühlten Ewigkeit wieder Blickkontakt zu diesem unglaublichen Grün.
Loki lächelte. „Bist du jetzt fertig und ich bekomme meinen hochdramatischen Kuss?"
Ich zog die Nase hoch, verdrehte aber die Augen. Das hatte ich schon vermisst. „Ich hätte dich zwar eher mit Schneewittchen verglichen, aber Dornröschen ist auch gut."
Doch ich tat ihm natürlich den Gefallen.
Der Kuss schmeckte salzig – das ging wohl auf meine Kappe –, aber ich blieb ganz sanft mit dem Verletzten.
Natürlich nur so lang, bis Loki meine Unterlippe zwischen seine Zähne zog und leise gegen meine Lippen murmelte: „Brauchst mich nicht zu schonen, Kleines. Ich habe lang genug geschlafen."
Der Kuss wurde rauer, zeugte von unseren Emotionen.
Ich vergrub meine Hände in Lokis langen Haaren und lehnte mich gegen seine langen Finger, die zärtlich meine Wangen bedeckten.
Und dann... Tja, dann meldete sich Oscar: „Christine Palmer ist unterwegs zu euch. Ich an eurer Stelle würde das hierbei belassen, obwohl ich natürlich nicht an eure Stelle geraten könnte – und da bin ich auch gerade ganz froh drum."
Ich verdrehte die Augen, löste mich aber von dem Gott.
Palmer berichtete nur kurz, dass Loki auf Wunsch morgen entlassen werden könne, dann war sie wieder verschwunden.
Der Gott schenkte mir einen amüsierten Seitenblick: „Und deshalb hat sie uns unterbrochen?"
Grinsend fuhr ich ihm noch einmal durch die Haare, dann zog ich mich auf den Stuhl neben dem Bett zurück.
Loki ließ mich nicht aus seinen funkelnden Augen, dann fragte er nachdenklich: „Wie oft haben wir uns jetzt geküsst?"
„Viermal", antwortete Oscar wie aus der Pistole geschossen.
Loki warf ihm – also, prinzipiell mir – einen schrägen Seitenblick zu: „Warum genau klang das jetzt so euphorisch?"
Die Antwort kam von meinem Starkphone: Oscar spielte „Because I'm Happy..." ab.
„Den hast du von mir", grinste ich, „Und ich glaube kaum, dass du seit acht Jahren unseren Verlobungsring in der Tasche hast."
„Das liegt einzig und allein daran, dass ich keinen Körper habe."
Ganz sicher. Dass wir uns nicht mal acht Monate kannten, war kein Grund.
Sowieso fühlte es sich so vertraut an zwischen mir und Loki, dass Zeit da einfach keine Rolle spielte.
Er war unsterblich und mehr als ein Jahrtausend älter als ich, aber dennoch war er seltsam jung geblieben – und sein Körper natürlich ebenfalls.
Die Wesen Asgards – und anscheinend auch Jotunheims – alterten anders als wir Menschen.
Loki wäre umgerechnet wohl ungefähr einundzwanzig, das war völlig akzeptabel.
Ich lächelte auf unsere verschränkten Hände hinab, dann fragte der Gott unverblümt: „Was sagst du mittlerweile zu einer Beziehung?"
„Eigentlich ist es doch egal, was ich sage", verdrehte ich wieder die Augen, allerdings immer noch lächelnd, „Prinzipiell sind wir doch eh längst zusammen."
Das stimmte: Seitdem Loki mich geküsst hatte, waren diese kleinen Situationen zwischen uns immer wieder aufgetaucht, aber wir beide hatten eine gewisse... nun, Furcht verspürt.
Es war die Angst, die Opfer des Krieges zu vergessen, wenn wir weitermachten.
Aber ich war eine Stark – mein Gedächtnis ließ mich so schnell nicht im Stich. Es ist nicht dieses unwichtige Wort ‚Beziehung', das die Verbundenheit zwischen zwei Menschen bestimmt. Es sind die Gefühle.
Und, hey – Angst vor dem Namen macht nur Angst vor der Sache selbst.
Da sollte noch mal jemand sagen, Harry Potter wäre realitätsfern.
Ich war stolz auf das, was wir geschafft hatten – dass wir weiterleben konnten, obwohl wir unheimlich viel verloren hatten.
Nur so konnten wir sie irgendwann zurückholen.
Also, ja: Ich war zufrieden mit meinem Leben. Ich würde nichts daran ändern, selbst wenn ich könnte. Auch wenn so viel schiefgelaufen war... wir würden schon alles wieder geradebiegen, im Nachhinein. Genau deshalb nannte man uns Avengers.
Auch Loki lächelte jetzt, zog aber die Augenbrauen hoch. „Also?"
„Kannst dich ruhig meinen Freund nennen, Marauder", grinste ich. Loki führte unsere Hände näher zu sich und drückte einen Kuss auf meine Knöchel, und irgendwie... war es einfach merkwürdig perfekt.
***
Ufff, es fällt mir wahnsinnig schwer, schnulzige Situationen zu schreiben. 😅
Aber da jetzt alles mehr oder weniger Friede-Freude-Eierkuchen ist... Man merkt wohl, dass wir fast am Ende angelangt sind. Dies hier ist das drittletzte Kapitel... Pünktlich am Pfingstmontag kommt dann der Epilog. 🙃
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