Ein alter Knacker, wortwörtlich
Langsam bemerkte ich, wie mein Kopf mir wieder gehorchte.
Vielleicht würde ich nicht schlafen können, aber denken wäre für's Erste schon ganz nett.
Ich wurde ruhiger, machte aber keine Anstalten, in mein Bett zurückzugehen.
Und Steve saß bei mir, den ganzen Morgen lang.
Denn er fühlte sich gerade genauso allein wie ich – und das war der Grund, weshalb ich mich dann am späten Nachmittag aufrappelte.
„Danke, Steve", meinte ich ehrlich.
Der Superheld lächelte vorsichtig und stand nun seinerseits mit knackenden Gliedern auf, sich mit leicht verzerrter Miene streckend. „Ist halt blöd so mit einem Altern von 99 Jahren", neckte ich noch etwas ungeschickt.
Aber Captain America wusste auch Bemühungen zu schätzen und schenkte mir ein halbes Lächeln.
„Ich schaue mal nach den Anderen. Bis später, Kid."
Stirnrunzelnd sah ich ihn durch den Flur gehend, dann griff ich nach dem Starkphone in meiner Bauchtasche und wählte einen bestimmten Kontakt aus.
Es tutete... und tutete...
Ich schloss kurz die Augen und bat einfach, dass sie keines der Opfer war, da knackte endlich die Leitung: „Carter?"
„Sharon, Gracie hier", meldete ich mich erleichtert, „Bin ich froh, dass du lebst."
„Gracie!", echote die Agentin, „Oh Gott, ich habe es mitbekommen. Das CIA steht Kopf, wir versuchen irgendwie, die Erde wieder unter Kontrolle zu bekommen – wir arbeiten sogar mit dem FBI zusammen –, aber..."
„Stressig, ja?", ich stützte den Ellbogen auf die Anrichte und lehnte meinen Kopf an meine Hand, schon wieder nachdenkend. „Hör mal, kannst du dich darauf vorbereiten, in kurzer Zeit nach Brooklyn zu kommen?"
„Wenn du mich wirklich brauchst, sicher...", murmelte sie, „Welcher Notfall ist denn eingetreten?"
„Mehr ein emotionaler Notfall", umschiffte ich das Thema ein wenig – sehr wohl wissend, dass Sharon niemals ‚Nein' sagen könnte, wenn sie moralisch gebraucht wurde. „Ich gebe dir dann Bescheid, ja?"
Sie seufzte. „In Ordnung... Bis dahin."
Sag ich's doch.
***
Nach ein paar weiteren Tagen hatten die Avengers sich dann irgendwann im Gemeinschaftsraum zusammengefunden, der in der hinteren Hälfte mittlerweile fast wie ein Büro aussah.
Die hier noch anwesenden Superhelden waren Rhodey, Bruce, Cap, Rocket und natürlich die beiden Götter.
Zu Loki hatte niemand von ihnen etwas gesagt. Rocket schiss sowieso auf die Meinung anderer; der Rest akzeptierte seine Anwesenheit, ohne nachzufragen.
Wir alle funktionierten wieder als Team, scannten die Satelliten und werteten Informationen aus, ohne viel miteinander zu kommunizieren.
Wir arbeiteten Hand in Hand, lösten einander bei den Überwachungsschichten ab, ohne irgendwelche Pläne aufzustellen.
Wir waren miteinander durch die Hölle gegangen – so schnell würde uns nichts mehr trennen.
Und irgendwann... irgendwann hatte dieses eingespielte Team Erfolg.
Es war natürlich mitten in der Nacht, als Steve den Alarm auslöste.
In Sekundenschnelle waren wir alle auf dem Frontrasen, dem Raumschiff beim Landen zusehend – oder eher, der fremden Superheldin beim Landen des Raumschiffes zusehend.
Und ich hatte Angst.
Wie lange hatte ich mir Gewissheit gewünscht... Jetzt war sie hier, und doch zitterte meine Hand vor Panik, als ich sie zu meiner Schläfe hob.
„Scan", wisperte ich dennoch – ich durfte jetzt nicht egoistisch sein. „Insassen?"
„Ein unbekanntes Individuum", berichtete Oscar, „Und Tony Stark."
„Oh mein Gott."
Damit rannte ich los, erreichte die Rampe kurz nach Steve, der meinen Vater stützte.
Dann brauchte er den Captain nicht mehr – ich schloss meine Arme wie einen Schraubstock um meinen Dad und plante nicht, ihn demnächst wieder loszulassen.
Ich konnte spüren, wie er zitterte. Er brauchte mich jetzt mindestens ebenso dringend, wie ich ihn.
„Kid...", flüsterte er unter Tränen, „Danke. Danke..."
Er drückte mir einen Kuss ins Haar, und ich weinte jetzt auch.
Die Emotionen in mir gewannen überhand.
Rationales Denken?
Vergesst es.
Ich konnte nicht einmal genau sagen, was ich fühlte - es war ein überwältigenden Strudel. Ich konnte nur noch nicht sagen, ob er mich runterziehen oder hochheben würde...
Mein Herz hämmerte wieder.
Ich fühlte mich an die Panikattacke erinnert, doch diesmal schlug es zuverlässig wie eine Maschine.
Dad, Dad, schien es zu sagen. Dad... Dad... Dad...
Ich fühlte Peppers Arme von hinten und gab Dad jetzt an sie weiter, mich selbst zu Rhodey flüchtend. Auch dieser wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel, und ich nahm seine Hand vorsichtig in meine.
Dann richtete Dad sich langsam wieder auf, warf zögernd einen Blick in die Runde – und erstarrte.
„Was macht er hier?" Loki stand in seinem Fokus, und rasch trat ich wieder an die Seite meines Vaters. „Loki gehört jetzt zu uns, Dad. Er hat mir geholfen."
Er fokussierte sich jetzt vollkommen auf mich, und seine Augenmuskeln zuckten. „Weißt du, was Peters letzte Worte waren?", fragte er ganz leise.
Ich erstarrte.
Das Gefühl der Atemlosigkeit war wieder da.
Atemlos... hilflos... haltlos.
Nein.
Nicht Peter, nicht-
Mein Anker war gerissen.
Ich ertrank.
Ertrank in meinen Gedanken und Gefühlen, in dieser unerbittlichen Schwärze, die kein Erbarmen kannte.
Es kam mir vor wie eine Ewigkeit, bis mein Vater die nächsten Worte herausbrachte.
Es konnten nur wenige Sekunden gewesen sein... Aber ich trieb in der Endlosigkeit meines Inneren, machtlos.
Mein Seil war gerissen.
„Er hat gesagt – Gracie soll weitermachen", Dad presste kurz seine Lippen zusammen, „Bevor er sich entschuldigt hat. Er hat sich entschuldigt dafür, dass er Thanos nicht für dich aufhalten konnte."
Damit wandte Dad sich ab Richtung Hauptquartier, die Anderen ihm hinterher.
Und ich... ich brach zusammen.
Ich sank zu Boden, genau da, wo mein Vater mich zurückgelassen hatte, und verlor vollkommen die Kontrolle.
‚Später', hatte ich gesagt, als Peter mit mir telefonieren wollte. Ich hatte mich noch gefragt, wann später sein würde.
Jetzt hatte ich die Antwort: Es gab kein später. Niemals wieder.
Ich lag in Trümmern.
Und er kam nicht.
Er würde nie wieder kommen.
Nie. Wieder.
Ich schrie auf und krallte mich in meinem Hoodie fest.
Ich hatte niemanden mehr, an den ich mich sonst klammern konnte.
Peter war fort.
Ich war allein... wieder.
Warum... warum?!
Wieso er, er war doch-
Einfache Frage.
Einfache Antwort.
Fünfzig Prozent.
Ich war am Leben.
Er war gestorben.
Fair.
Das hier ist keine Fairness, Thanos. Das ist Folter.
Doch... Ein anderer kam.
Loki.
Er war nie gegangen.
Aber ich wollte, dass Peter kam.
Mein Spidey...
„Gracie, komm", sagte Loki.
Es war das erste Mal, dass er mich Gracie nannte.
Aber ich wollte nicht kommen.
Ich wollte nur, dass Peter kam.
„Gracie, bitte." Er kniete sich zu mir, hob mein Kinn und sah mir in die Augen.
Später, hatte ich gesagt, weil ich mit Loki reden wollte.
Ich wollte nicht mehr mit Loki reden.
Ich wollte mit meinem Spidey reden...
***
Es tut mir leid, dass ich euch erst so spät ein so düsteres Kapitel bringe...
Aber es kann doch nur besser werden, nicht wahr? 😉🙃
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