Die Qual der Wahl...
„Loki oder sie", grinste Thanos' Sohn noch immer, „Du hast die Wahl."
Das war keine Wahl. Das war reine Folter.
Ich konnte keine Unschuldigen opfern. Und mutwillig schon gleich gar nicht.
Doch ich würde nicht zulassen, dass Loki meinetwegen starb...
Ich musste mir ständig einreden, dass er durchhielt – aber nicht mehr lange. Ich musste ihm helfen, und zwar schnell.
Allerdings würde es mir der Gott nie verzeihen, wenn ich ihn den Menschen vorzog...
„Sie werden dich kommen sehen", zog ich verzweifelt die letzten Register, „Sie sind vorsichtig geworden. Sie werden dich sehen oder hören und fliehen."
„Und dann wird es zu spät für sie sein." Glaive griff auf seinen Rücken, den ich bisher noch absolut nicht einsehen konnte, und zog seine Schwertscheide hervor. Daran befestigt... war der Sprengblock. Natürlich.
Ich verlor keine Zeit mehr, drehte mich um und rannte.
Nicht in Richtung der Unschuldigen, ich stürmte auf Lokis Standort zu, den Oscar mir durch einen blinkenden roten Punkt anzeigte.
„Lauf!", schrie Glaive mir hinterher, „Lauf mit der Last hunderter Leben auf deinen Schultern!"
Meine Kehle zog sich schmerzhaft zusammen, als ich diese Worte hörte.
Ich keuchte, und mir war furchtbar schwindelig. Körperliche Anstrengung und Atemnot, ganz toll – mein Hirn litt gerade an Sauerstoffunterversorgung. Das konnte ich nicht brauchen, nicht jetzt, wo so viele Menschenleben von mir abhingen... Verdammt.
Schmerzerfüllt verzog ich mein Gesicht und hielt jetzt doch kurz inne, stützte meine Hände auf die Oberschenkel.
Was tat ich hier eigentlich?
Loki retten.
Ich musste Loki retten...
Aber meine Hauptaufgabe war es, die Unschuldigen zu beschützen – jeden einzelnen, was auch immer es kostete.
Es gab da eine Idee...
Und sie besagte, wir sollten die Schlachten schlagen, in denen die einfachen Menschen nicht kämpfen konnten.
Das hier war so eine Schlacht, aber was tat ich?
Ich rannte.
Ich schüttelte zitternd den Kopf und rannte, weiter von den Unschuldigen weg.
Weglaufen.
War das gleichzusetzen mit aufgeben?
Aber ich gab nicht auf.
Niemals. Ich machte weiter, und sah nur ein einziges Mal zurück... Meine Augen trafen hierbei auf Glaive, der mich aus den Schatten heraus beobachtet hatte.
Auch der Titan drehte sich nun ruckartig um, weg von mir.
Und ein winziges Lächeln zuckte um meine Mundwinkel, bevor ich mich erneut in Bewegung setzte.
Noch im Rennen zog ich mein Starkphone aus der Hintertasche.
Meine Finger flogen – ich flog auch beinahe hin, konnte mich aber noch abfangen – und sobald ich die Lagerhalle betrat, hörte ich ein leises Klicken. Das elektronische Schloss von Lokis Fesseln war aufgeflogen, er war frei.
Aber natürlich war er nicht in der Verfassung, sich groß zu rühren...
Ich stürzte zu ihm – und erstarrte.
Der metallische Geruch seines Blutes kitzelte meine Nase, und entsetzt betrachtete ich die offene Wunde an seinen Rippen.
Sie war in der Realität weitaus schlimmer, mit dem schwer atmenden Gott unter meinen zitternden Fingern, die verzweifelt nach dem Puls suchten.
Der war natürlich nicht normal, aber wenigstens halbwegs stabil.
Aus müden Augen sah Loki mich an.
Ich war keine Ärztin... hatte keine Ahnung, ob er das überleben würde.
Ich war nicht die einzige mit einem Plan B gewesen.
Corvus Glaive hatte vorgesorgt.
Mir war klar, dass Loki aber genau das, was ich eben nicht war – einen Arzt – benötigte.
Ich kannte den perfekten Mann dafür...
Aber Stephen Strange war tot.
Verdammt, wo war dieser Idiot, wenn man ihn brauchte?
Warum hatte er sich umbringen lassen?
Loki brauchte ihn doch, ich brauchte ihn...
Eine Träne löste sich aus meinem Augenwinkel, und mein Blick klammerte sich wieder an das Grün, das jetzt durch den Schmerz verschleiert war.
Dennoch verschaffte es mir Klarheit im Kopf.
Eine Ärztin. Wenn Stephen mir in der Gegenwart schon nicht helfen konnte, dann doch wenigstens seine Informationen von vor zwei Jahren.
„Loki..."
Er hob mühsam seine Hand, und ich sah die Armmuskeln zittern.
Dennoch ließ er es sich nicht nehmen, meine Träne wegzustreichen...
„Was ist dein Plan?", fragte er heißer, „Was soll ich tun?"
Kritisch musterte ich den Verletzten – ich war mir nicht sicher, wie gut das hier gehen würde. „Eine Teleportation zu diesen Koordinaten", ich zeigte ihm kurz den Punkt auf meiner Uhr, „Aber..."
„Das schaffe ich. Komm her."
Immer noch zögernd stützte ich ihn hoch, doch Loki ließ mir keine Bedenkzeit.
Ich wusste, dass er nur sehr selten von dieser Fähigkeit Gebrauch nahm, doch die Gründe waren mir unbekannt.
Es gefiel mir nicht, sie nun gleich zweimal zu beanspruchen...
Millisekunden später landeten wir hinter Glaive.
„Sobald er seine Hände bewegt, bringst du uns ins Massachusetts General Hospital", zischte ich dem Gott noch eilig zu, dann drehte Glaive sich um.
„Sieh an...", er lächelte kalt, „So ist es natürlich auch gut. Dann sterben eben er und sie."
Nur einen Block weiter zogen die Menschen in einer Demonstration durch die Straßen – und sie war gegen die Avengers gerichtet... Wie ironisch.
Aber wir hatten noch genug Zeit, wenn Thanos' Sohn sich noch in Sicherheit bringen wollte, wenn er- Moment.
Meine Augen weiteten sich... Denn was, wenn er genau das nicht wollte?
Mit einem Mal hatte ich erkannt, was tatsächlich Glaives Plan war: Er wollte nicht nur mir das Leid zufügen, er wollte es gleichzeitig auch von sich nehmen... Corvus Glaive hatte nicht vor, hier lebend herauszukommen.
Ich erstarrte. Unsere Zeit war abgelaufen, Glaive würde nicht fliehen – und die Unschuldigen hatten daher auch keine Möglichkeit dazu.
Okay, ich musste jetzt blitzschnell-
Schnell.
Es war eine schnelle Bewegung, die Thanos' Sohn ausführte...
Blitz.
Es war ein Blitz, der hinter meinen geschlossenen Augenlidern nachleuchtete, als ich sie gequält zusammenkniff...
Wir verschwanden.
Verschwanden im Sinne von Teleportation, nicht von... zerfetzt, Körper und Geist gesprengt, ohnmächtig gegenüber dieser furchtbaren Waffe...
Nein, uns hatte dieses Schicksal nicht getroffen.
An der Demonstration hatten dreiundfünfzig Menschen teilgenommen.
***
Soo, um das einmal vorweg zu nehmen: Ich habe mich hier einer Fähigkeit Lokis aus den Comics bedient, der Teleportation. Er setzt sie nur sehr sparsam ein, aber er ist ihrer fähig... 😉
Ansonsten... habt ihr Meinungen zu dem Kapitel? Irgendwelche Vermutungen? 🙃
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro