Z w ö l f | J a y c e
Wie verkuppelte man seine Verlobte mit einem anderen Mann, damit man sie selbst nicht ehelichen musste?
Eine Antwort auf diese Frage brachte mir Kaceys Brief, der ihr Eintreffen, bezüglich des vierteljährlichen Polo-Turniers der vier Königreiche, ankündigte. Sie würde das gesamte Wochenende mit mir und meiner Familie verbringen. Und Gwendolyn.
Da mir meine Schwestern, allen voran Josey, in den Rücken gefallen waren, musste mir Wohl oder Übel meine Cousine bei diesem Problem behilflich sein.
Vor allem da ich wusste, dass Kaceys Besuch vorrangig ihrer Neugierde gegenüber Gwendolyn galt und nicht etwa, weil sie als Star-Polospielerin durchstarten wollte oder sich um meinen Geisteszustand sorgte.
Die königlichen Adelsspiele, die vier Mal im Jahr stattfanden, wurden stets einmal in jeweils einem Land abgehalten. Krypthon veranstaltete sie stets im Winter, Navar im Frühling, Großreich Tar im Sommer und Tel' Annor im Herbst.
Teilnehmen konnte eigentlich jeder, der einen Adelstitel vorzuweisen hatte und bereit war, sich den Vorwürfen seines Landes zu stellen, sollte er seinem Team nicht zum Sieg verhelfen. Aber für gewöhnlich waren es immer dieselben vier Spieler, die auf ihren Pferden für Ruhm und Ehre kämpften.
Ich hatte erst einmal mitgemacht was zur Folge hatte, dass mein Vater, nach unserer Niederlage gegen Krypthon, zwei Wochen kein einziges Wort mehr mit mir gesprochen hatte.
"Gott, von diesen ellenlangen Überfahrten bekomme ich immer das Kotzen." Kacey kletterte aus der Kutschte, die vor den Toren des Elverstone Palaces zum Halten gekommen war, und schüttelte sich die Falten aus dem Kleid. Kurz hielt sie inne und warf einen prüfenden Blick in meine Richtung, als wolle sie sichergehen, dass meine Eltern der Begrüßungszeremonie auch wirklich nicht beiwohnten. Die wären über den nicht besonders damenhaften Ausruf meiner Cousine nämlich ganz und gar nicht begeistert gewesen.
Erleichtert atmete sie auf. "Entschuldigt meine Wortwahl, gnädiger Cousin."
Obwohl ich den Spott in ihrer Stimme hören konnte, runzelte ich gespielt verärgert die Stirn. "Das kann Ihnen aber auch leidtun. Benimmt sich so etwa eine Lady?"
"Zum Glück bin ich keine Lady", entgegnete Kacey mit einem breiten Lächeln auf dem Lippen. "Sondern eine Prinzessin."
Sie trat an mich heran, während ihre Bediensteten um die Kutsche herumwuselten, um die Sachen der Thronfolgerin in das Gästezimmer zu chauffieren, und schlang ihre Arme um mich.
Ich gewährte ihr die liebevolle Begrüßung und drückte sie kurz an mich, bevor wir uns wieder voneinander lösten.
Neugierig blickte mir Kacey über die Schulter. Ihr enttäuschter Gesichtsausdruck bestätigte meine Vermutung, dass sie eigentlich nur wegen Gwendolyn das Wochenende im Elverstone Palace verbringen wollte.
"Ist deine Verlobte gar nicht hier? Ich dachte, ein frischverliebtes Pärchen verliert sich nie aus den Augen? Dein Cousin dackelt meiner Tante auch den lieben langen Tag hinterher", fragte sie auch prompt und ehrliche Verwunderung zierte ihr Gesicht.
Da schien wohl jemand vergessen zu haben, dass mich meine Verlobung genauso überrascht hat, wie auch den Rest der Welt.
"Wir sind nicht verliebt", erklärte ich deshalb knapp und führte sie ins Innere des Anwesens meiner Eltern. "Und werden es auch nie sein."
Kacey runzelte bei meinen Worten die Stirn und wich einen Schritt zur Seite, als ein Mann mit drei Taschen auf jedem Arm an ihr vorbeistolperte. Armer Kerl.
"Ziehst du hier ein?", fragte ich mit erhobener Augenbraue und deutete auf das unzählige Reisegebäck, dass von ihren Leuten durch das Schloss manövriert wurde. Doch so einfach ließ sich Kaceys Neugierde nicht abschütteln.
Leider.
"Das war dein Ernst? Du kennst sie wirklich nicht?" Der Argwohn in ihrer Stimme war nicht zu überhören. Sie glaubte mir nicht und mit ihren nächsten Worten unterstrichen sie das auch. "Deine Eltern haben dich mit einer Bürgerlichen verlobt? Einfach so? Ohne Liebe, ohne Geld, ohne jeglichen Vorteil? Hältst du mich für blöd?"
Ich bedachte sie mit einem kurzen Blick. "Also, wenn du so fragst..."
Ihr Ellbogen zwischen meinen Rippen hinderten mich daran, meinen Satz fortzuführen, weshalb ich leise lachend den Kopf schüttelte.
"Einen Grund dafür wird es schon wohl geben, nur leider wurde ich darüber nicht in Kenntnis gesetzt." Etwas ratlos zuckte ich mit den Schultern. "Sie ist die Erstgeborene eines Pferdezüchters. Ja, sie hat Geld und spielt in Nisu wohl in der höheren Gesellschaft mit, aber das war es auch. Kein Adel, kein Titel, nichts. Es ergibt einfach keinen Sinn."
Kacey seufzte tief auf, während sie sich von mir durch die Räumlichkeiten des Elverstone Palace führen ließ. "Du hast mehr Glück als Verstand."
"Glück?" Ich stieß ein verächtliches Schnauben aus. "Ich denke, es wird Zeit, dass du Gwendolyn kennenlernst, dann kannst du dich selbst davon überzeugen, dass das hier nichts mit Glück, sondern mit Satans Strafe höchstpersönlich zu tun hat."
Die Prinzessin warf mir einen kurzen Blick zu, ehe sie ein Lachen ausstieß. "Satans Strafe? Was hast du denn so Schlimmes angestellt?"
Wenn ich das nur wüsste.
♛
"Prinzessin Kacey Lorraine Ivory Lockhart. Es freut mich sehr, Ihre Bekanntschaft zu machen!" Kacey schenkte Gwendolyn ihr schönstes Lächeln, als sie ihr höflich die Hand zum Gruß hinstreckte - Eine Geste, die in den obersten Schichten des Adels nur selten zu finden war.
Indem meine Cousine eine physische Berührungen dem üblichen Knicks vorzog und meiner Verlobten die Hand anbot, zeigte sie Gwendolyn, dass sie an mehr, als nur an einer oberflächlichen Bekanntschaft interessiert war.
Leider war Gwendolyns Wissen über soziale Gepflogenheiten dermaßen miserabel, dass sie Kaceys freundliches Angebot mit misstrauisch zusammengekniffenen Augen kommentierte.
Man könnte fast meinen, die Prinzessin hätte ihr einen vergammelten Apfel angeboten. Die Verachtung in dem Blick dieses Görs war absolut unangebracht und am liebsten hätte ich sie für dieses respektlose Verhalten höchstpersönlich von der Spitze unseres Turms geschubst.
Doch Kacey nahm ihren Argwohn gelassen und plauderte einfach munter weiter, als würden sie die kleinen Giftpfeile aus den Augen meiner Zukünftigen gar nicht treffen. "Ich weiß nicht, wie integriert Sie in die Familiengeschichte der Königreiche sind, aber ich bin die Tochter von König Raymond und somit die Cousine von diesem Idioten hier."
Warum meinte eigentlich jeder, mich beleidigen zu müssen?
Ich runzelte verstimmt die Stirn und starrte Kacey solange von der Seite an, bis sie sich mir zuwandte und entschuldigend die Lippen verzog. "Pardon, ich meine natürlich, von diesem Goldstück hier."
Sie trat an mich heran und kniff mir in einer über dramatischen Geste in die Wange, ehe sie den Blick auf Gwendolyn legte. "Ist er nicht süß? Manchmal würde ich ihn am liebsten einfach aufessen."
Verärgert schlug ich ihre Hand weg, während die Mundwinkel meiner Verlobten in die Höhe zuckten.
Doch Gwendolyns Belustigung war nur von kurzer Dauer. Nur zwei Sekunden später hatte sie ihre Gesichtszüge auch schon wieder unter Kontrolle und verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust, während sie mich abfällig musterte. "Süß wäre nun tatsächlich das letzte Wort, das mir für ihn einfallen würde."
"Oh?" Kaceys Lächeln verrutschte für einen Herzschlag. Sie hatte es sich wohl einfacher vorgestellt, sich das Herz der zukünftigen Königin zu erschleichen.
Doch auf diesem Gebiet war Gwendolyn meiner Mutter eine würdige Nachfolgerin.
Eigentlich hatte ich meine Cousine direkt nach ihrer Ankunft zu einem Ausritt überreden wollen, um unseren Schlachtplan festzulegen.
Immerhin waren die Stallungen der einzige Ort auf diesem Anwesen, wo ich vor diesem Unfall von Frau sicher war.
Doch Kacey hatte mir einen gewaltigen Strich durch die Rechnung gemacht.
Obwohl ich ihr beteuerte, keinerlei Gefühle für Gwendolyn zu haben und sie auf Knien angefleht hatte, mich hinaus ins Grüne zu begleiten, hatte sie darauf bestanden das Mädchen, welches 'dem Frauenhelden von Navar ein Halsband angelegt hat', kennenzulernen.
Und so fanden wir uns nur wenige Stunden nach ihrer Ankunft im Salon wieder, wo ich einen Bediensteten nach Gwendolyn schicken ließ.
Suchen würde ich dieses verdammte Gör nämlich bestimmt nicht.
Und nun standen wir zu Dritt in einem Kreis, welcher gefüllt war mit unbehaglichem Schweigen.
Kacey wusste wohl nicht so recht, was sie auf Gwendolyns Seitenhieb erwidern sollte und meine Unterhaltung mit dieser Amanda bestand daraus, sie genervt anzufunkeln, während sie mir hämisch ins Gesicht grinste.
Gott, ich konnte sie einfach nicht leiden.
"Und? Nehmt Ihr am Turnier kommendes Wochenende teil? Als Tochter eines Pferdezüchters müssen Sie doch bestimmt eine begnadete Reiterin sein. Es wäre mir wahrlich eine Ehre, Sie in Aktion erleben zu dürfen." Kaceys Versuch, über Gwendolyns Hintergrundgeschichte einen Draht zu ihr zu finden, scheiterte kläglich.
Das freche Ding zog lediglich eine Augenbraue nach oben und rümpfte verächtlich die Nase. Ob es an dem Inhalt oder an der Art und Weise, wie meine Cousine sich ausgedrückte hatte lag, konnte ich nicht genau sagen.
Aber es missfiel mir zutiefst, wie sie mit meiner Lieblingsverwandten umsprang.
"Gwendolyn ist eine Katastrophe auf dem Pferd", mischte ich mich deshalb in das Gespräch ein, bevor meine Verlobte etwas erwidern konnte. "Eigentlich ist sie in allem erstaunlich unbegabt, nicht wahr?"
Der wütende Blick, den mir Gwendolyn daraufhin zuwarf, ließ mich lediglich Schmunzeln.
Es war so lächerlich einfach, sie zur Weißglut zu treiben. Eine kleine Provokation und man konnte direkt in ihren dunklen Augen erkennen, dass sie innerlich bereits explodierte.
Das verriet mir das kleine Feuer, dass in ihrer, fast schwarzen, Iris loderte, während sie zornig die Lippen zusammenkniff und mich aus verengten Augen heraus anstarrte, als würde sie bereits meine Ermordung planen.
Vielleicht tat sie das ja auch.
"Eigentlich hätte ich sehr gerne an diesem Turnier teilgenommen", zischte der Pferdeapfel, offensichtlich schwer darum bemüht, nicht die Beherrschung zu verlieren und wie eine Todesfee loszubrüllen. "Mein Ehemann in Spe hat es mir nur verboten."
Sie lügt. Und das ohne mit der Wimper zu zucken.
"Habe ich nicht", folgte auch prompt meine Korrektur.
"Hast du wohl."
"Nein!"
"Doch!"
Scharf zog ich die Luft ein. Unterhielt ich mich etwa gerade mit einem Kleinkind?
Aus dem Augenwinkel konnte ich erkennen, wie Kacey unsere hitzige Diskussion mit einem amüsierten Lächeln auf den Lippen verfolgte. Es war offensichtlich, dass sie diese Unterhaltung auf keinen Fall unterbrechen würde. Dafür genoss sie unsere leidenschaftliche Darbietung viel zu sehr.
Vermutlich hätte ich an ihrer Stelle genau dasselbe getan. Dennoch wurmte es mich, dass ich mich nun mit Gwendolyn auseinandersetzen musste, obwohl ich lediglich meine Cousine verteidigen wollte.
Gwendolyn hatte derweil wie eine bockige Ziege die Unterlippe vorgeschoben und betrachtete mich mit diesem triumphierenden Glitzern in ihren Augen, das wiederum mich an den Rand des Wahnsinns trieb.
Ich konnte es nicht ausstehen, wenn sie sich im Siegesrausch schaukelte.
"Okay, dann reite doch mit, wenn du das unbedingt willst. Ich werde dich bestimmt nicht aufhalten. Nein! Ich werde derjenige sein, der es veranlasst, dass du als Teamkapitän auf das Feld trittst."
Damit traf ich sie unvorbereitet.
Gwendolyn wich sämtliche Farbe aus dem Gesicht und sie starrte mich entgeistert an. "W-Was?!"
Ich lächelte sie an, als wäre sie der Grund für die plötzlichen Glücksgefühle in meiner Brust, die wie wild durch meinen Körper jagten, als mir bewusst wurde, wie grauenhaft dieser kommende Tag für Gwendolyn werden würde. "Für meine Verlobte nur das Beste."
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