Z w a n z i g | J a y c e
Offenbar wollte mein Vater das Tempo bezüglich meiner und Gwendolyns Hochzeit anziehen, denn neben seiner Ankündigung, die Familie meiner Verlobten für das nächste Wochenende auf sein Anwesen einzuladen, um diverse Einzelheiten zu besprechen, hatte er auch für heute eine kleine Veranstaltung geplant.
Es waren noch vier Wochen bis zur Eheschließung und so hatte König Cedrik beschlossen, Gwendolyn und mich ins kalte Wasser zu stoßen und uns erneut zusammen auf einem Fest zu präsentieren, wie zwei wohlgenährte Mastschweine.
Dieses Mal handelte es sich um ein Gartenfest, dass hinter dem Elverstone Palace stattfand und lediglich die Adelsvertreter von Navar beherbergte.
Ich hatte mich von den Strapazen des krypthonischen Balls noch nicht einmal erholt und durfte mich erneut, mit Gwendolyn an meiner Seite, durch die feine Gesellschaft meines Landes quälen.
Doch dieses Mal war es noch schlimmer.
Da die Veranstaltung lediglich dem Zweck diente, meine und Gwendolyns künftige Vereinigung anzupreisen, standen wir Beide natürlich im Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit und der Abend kam nur stockend voran.
Alles zwei Minuten heftete sich ein anderer Vertreter der hohen Gesellschaft an unsere Fersen, bombardierte uns mit Fragen und begutachtete Gwendolyn mit unverhohlener Neugierde.
Alle waren daran interessiert herauszufinden, wer dieses einfache Mädchen war, welche spontan mein Herz erobert hatte.
Doch Gwendolyn erfüllte die Begierde unserer Gäste nicht.
Sie lächelte lediglich stumm vor sich hin, warf mir ab und an einen auffordernden Blick zu, damit ich Fragen an ihrer Stelle beantwortete, und hielt sich auch ansonsten geflissentlich im Hintergrund. Sie hing an meinem Arm, als wäre sie nicht mehr als ein hübsches Accessoire.
Es war offensichtlich, dass sie keine Lust hatte, sich mit dieser Situation auseinanderzusetzen.
Nach zwei geschlagenen Stunden hatte ich dann genug und schaffte es, Gwendolyn und mich an den Rand der Veranstaltung zu ziehen, ohne einen lästigen Begleiter im Nacken zu haben. Erleichtert atmete ich aus und warf einen kurzen Blick über die Schulter, um sicherzugehen, dass uns niemand gefolgt war, ehe ich meine Verlobte in den Schutz der einbrechenden Dämmerung schob.
Gwendolyn entspannte sich merklich. Wie eine Puppe, deren Fäden man soeben losgelassen hatte, sank sie in sich zusammen und schüttelte die dunklen Haaren. "Gott, ist das anstrengend."
Ich nickte zustimmend. "Ich hätte nicht gedacht, dass du so lange still sein kannst."
"Ach ja?" Gwendolyn hob den Blick und betrachtete mich für einen Sekundenbruchteil skeptisch, ehe sich ein kleines Lächeln auf ihre Lippen schlich. "Ich hätte nicht gedacht, dass deine Zunge mehr als die Scheiße formen kann, die du sonst so von dir gibst."
Ich hob eine Augenbraue. "Oh, meine Zunge kann viel mehr als das."
Gwendolyn lachte leise und strich sich amüsiert eine schwarze Strähne aus dem Gesicht, während ich den erstaunlich friedlichen Moment zwischen uns genoss.
In den vergangenen Tagen war es einfacher zwischen uns geworden. Zwar fuhr Gwendolyn immer wieder Seiten auf, die mir deutlich zeigten, wie abgeneigt sie von meiner Existenz war, doch ich begann zu Glauben, dass sie mich mittlerweile besser ertragen konnte, als zu Beginn unserer Beziehung.
Ich schaffte es immer häufiger, ihr ein ehrliches Lachen zu entlocken oder diesen skeptischen Ausdruck aus ihrem Gesicht zu vertreiben, während sie häufiger darauf verzichtete, mir eine Beleidigung nach der Anderen entgegen zu schleudern.
Dafür wirkte sie in letzter Zeit deutlich nachdenklicher. Ob mein Verhalten sie zum Grübeln brachte? Vermutlich.
Ich wäre auch äußerst irritiert und misstrauisch gewesen, hätte sie von einem Tag auf den Anderen unser Kriegsbeil begraben.
Doch glücklicherweise hakte sie nicht nach, denn ich wüsste nicht, wie ich ihr meine plötzliche Freundlichkeit erklären sollte.
Die Wahrheit war auf keinen Fall eine Option. Sie würde mich hassen. Noch mehr, als zuvor.
Mein Blick glitt zurück zu der Menschenansammlung, die wir zurückgelassen hatten und während ich unwillkürlich Ausschau nach meinen Schwestern hielt, beobachtete die aufgeregt tuschelnden Gäste eine Weile.
Der Anblick glitt mehr einem aufgescheuchten Hühnerstall, als einer noblen Gartenfeier und ließ mich unwillkürlich das Gesicht verziehen. Wie lange dieses Theater wohl noch andauern würde?
Gwendolyn schien sich wohl dasselbe zu fragen, denn sie warf einen fast schon verzweifelten Blick zurück zum Ort des Geschehens, ehe ihre müden Augen an mir hängen blieben. "Wie lange noch?"
Unentschlossen zuckte ich mit den Schultern. Würde es nach mir gehen, hätte sich der Garten bereits vor Stunden geleert, doch meine Eltern waren wohl noch nicht fertig damit, meine künftige Ehe mit großem Tamtam und grässlicher Gesellschaft zu feiern.
"Vielleicht noch ein paar Stunden, aber du kannst auch früher gehen. Behalte einfach Rose im Auge und häng dich an sie ran, wenn sie sich frühzeitig entschuldigt."
Gwendolyn stieß ein unzufriedenes Geräusch aus und öffnete gerade den Mund, um etwas zu erwidern, als hinter uns eine hohe Stimme erklang. "Sie sollten wissen, dass ein Treffen in der Dunkelheit viele Skandale mit sich bringen könnte, Seine königliche Hoheit."
"Ist es mir etwa untersagt, allein Zeit mit meiner Verlobten zu verbringen?" Ich drehte mich zu Lady Eadwine herum und ließ reflexartig meine Hand zu Gwendolyns Taille wandern.
Diese warf mir einen kurzen, skeptischen Blick zu, ehe sie unser Gegenüber musterte.
Mit spitzen Lippen lächelte uns Lady Eadwine entgegen, während sie mit frostigen Augen zuerst Gwendolyn taxierte und anschließend mich. Ich widerstand dem Impuls, ihr einfach den Rücken zu zukehren und zusammen mit Gwendolyn in der Menge unterzutauchen.
Lady Eadwine war alles andere als eine einfache Persönlichkeit und dieses großspurige Funkeln in ihren Augen verriet mir, das sie hier war, um Ärger zu machen. Es wäre sicherer, einfach Reiß-Aus zu nehmen, anstatt sich ihren Launen zu stellen.
Leider wusste Gwendolyn das nicht.
"Ich kenne Sie." Sie neigte den Kopf zur Seite und nickte, als wolle sie sich selbst in ihrer Vermutung nochmal bestätigen. "Von dem Turnier, nicht wahr?"
Lady Eadwine schenkte meiner Verlobten ein mildes Lächeln, als würde sie sich mit einem kleinen Kind unterhalten. "Richtig. Sie haben mir laienhaft einen Therapeuten empfohlen."
"Ah", Gwendolyn hob den Zeigefinger und schüttelte bedächtig den Kopf. "Ich habe Ihnen geraten, ihre vergangenen Bettgeschichten mit meinem Verlobten nicht mit mir auszudiskutieren. Das wäre auch wahrlich skurril, oder nicht?"
Mein überraschter Blick zuckte zu Gwendolyn. Zwar hatte sie an diesem besagten Tag angedeutet, eine etwas unschöne Begegnung mit einer Verflossenen meinerseits gehabt zu haben, aber Lady Eadwine hatte sie dabei mit keinem Wort erwähnt.
Ehrlich gesagt, hätte es mich damals aber auch nicht interessiert. Das war nur einmal gewesen. Ein Ausrutscher. Ein Fehler. Und das Fundament meiner Amanda-Phobie. Nichts erwähnenswertes.
Jetzt jedoch beschlich mich Sorge darüber, ob Gwendolyn bezüglich meiner ehemalige Affäre sauer sein könnte, doch als ich ihr einen vorsichtigen Seitenblick zuwarf, schien sich ihre Wut nur gegen Lady Eadwine selbst zu richten.
Dieses Feuer in ihren dunklen Augen, das augenblicklich Flammen in ihrer Iris schlug, sobald ihr etwas gehörig gegen den Strich ging, züngelte dermaßen munter vor sich hin, dass ich unwillkürlich nach Brandwunden auf Lady Eadwines nackten Armen suchte.
Sie musste doch unter ihrem feurigen Blick versengen.
"Weibliche Solidarität gibt es in Ihrem Umfeld wohl nicht." Nun war es Lady Eadwine, die den Kopf unschuldig zur Seite neigte und Gwendolyn unter klimpernden Wimpern hervor ansah. "Ich wollte Sie nur über die Machenschaften Ihres künftigen Ehemannes in Kenntnis setzen."
"Danke, aber ich benötige Ihre Hilfe nicht." Gwendolyn verschränkte abwehrenden die Arme vor der Brust und lehnte sich in meine Berührung. Das diebische Lächeln auf ihren Lippen verriet mir, dass es sich hierbei lediglich um einen Schlag gegen Lady Eadwine handelte. "Wir sind gänzlich zufriedenen mit unserem Leben."
"Das glaube ich Ihnen gerne. An Ihrer Stelle wäre ich auch erleichtert, wenn eine Zwangsheirat den künftigen König von Navar an mich binden würde. Vom Bauernmädchen zur Königin, was für ein Aufstieg."
"Anders als Sie brauche ich keinen Titel, um mich selbst definieren zu können!", fauchte Gwendolyn ihr Gegenüber an und ich verstärkte augenblicklich meinen Griff um ihre Taille, als sich daraufhin neugierige Gäste zu uns herumdrehten.
"Hey, wir haben Zuschauer. Ganz ruhig", flüsterte ich ihr leise zu und zog sie unwillkürlichen einen Schritt zurück.
Lady Eadwine lächelte siegessicher und trieb Gwendolyns Puls somit weiter in die Höhe. Sie hatte nicht vor, diese Diskussion zu gewinnen - Sie wollte lediglich meine Verlobte provozieren und setzte darauf, dass Gwendolyn sich somit selbst vor den Gästen ins Aus schießen würde.
"Ich denke, hier wäre eine Entschuldigung angebracht, oder nicht, Amanda?", mischte ich mich nun in das Gespräch ein und schenkte Lady Eadwine ein eisiges Lächeln. "Oder behandelt man etwa so die zukünftige Königin seines Landes?"
Amandas Blick schoss in meine Richtung und sie kniff verärgert die Augen zusammen. Scheinbar hatte sie nicht damit gerechnet, dass ich mich in ihre kleine Unterhaltung einklinken würde und zusätzlich noch Partei für Gwendolyn ergreifen würde.
Ich wusste auch nicht so recht, ob ich mich aufgrund meiner Verlobten oder wachsenden Zuschauermenge einmischte, doch so oder so gefiel es mir nicht, wie Lady Eadwine mit Gwendolyn herumsprang.
Bauernmädchen hin oder her - Als meine Zukünftige würde sie eines Tages zusammen mit mir den Thron besteigen und somit hatte sie denselben Respekt verdient, wie eine Königin, die in ihre Stellung hineingeboren wurde.
Zudem war ich der Einzige, der Gwendolyn zu Weißglut treiben durfte. Ausnahmslos.
"Nun?", forderte ich Lady Eadwine mit hochgezogener Braue auf und erwiderte ihren störrischen Blick abwartend.
"Ich werde mich nicht für die Wahrheit entschuldigen!" Entschlossen schürzte sie die Lippen und stemmte ihre Hände in die Hüften.
"Würden Sie dann bitte das Grundstück verlassen? Wenn Sie nicht dazu bereit sind, mir und meiner Verlobten den nötigen Respekt entgegen zu bringen, sind Sie auf diesem Anwesen nicht mehr länger erwünscht."
Ich spürte, wie sich Gwendolyns warme Hand zwischen meine Finger schob, um sie dankend zu drücken, während Lady Eadwine, vor Wut schnaubend, den Garten verließ.
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