F ü n f | G w e n d o l y n
Mir ist nichts eingefallen.
Zumindest keine Ausrede auf die Einladung, die nur wenige Tage später bei uns hereingeflattert kam.
Ehrlich gesagt hatte ich schon die Hoffnung gehegt, die Königsfamilie würde sich gar nicht mehr bei uns melden.
"Prinz Jayce lädt dich auf ein romantisches Picknick in den Schlossgarten ein", hat mir meine Mutter gestern verkündet und hatte dabei die Arme ausgebreitet, als würde ich ihr bei dieser Nachricht augenblicklich um den Hals fallen.
Ich hatte ein Gesicht wie bei 100-Tage Regenwetter gezogen. Doch dann hatte ich Lynns beleidigte Miene gesehen und es ging mir wieder etwas besser.
Zumindest war das gestern gewesen, wo ich dieses Treffen mit dem Schnösel noch in weiter Ferne gewiegt hatte. Jetzt, direkt vor den Toren des Elverstone Palace, bekam ich meine Mundwinkel nicht mehr nach oben.
Selbst der Pförtner schreckte vor meinem grimmigen Ausdruck zurück.
Ich wurde von einem Bediensteten erwartet und um das Schloss herumgeführt.
"Seine königliche Hoheit erwartet Sie bereits bei den Stallungen", ließ er mich wissen, nachdem er mich mit spitzen Lippen und eine viel zu hohe Nase für einen einfachen Laufburschen gemustert hatte.
Bei den Stallung... Zum Teufel, nein.
Ein mulmiges Gefühl breitete sich in meiner Magengegend aus, als ich zusammen mit dem unhöflichen Kerl um die Ecke bog.
Und tatsächlich. Prinz Jayce erwartete mich. Aber nicht allein.
An jeder Hand hielt er eines dieser tollwütigen Monstern, mit denen ich zuhause schon genug zu kämpfen hatte.
Was hatte er sich bloß dabei gedacht? Hm, oh, ja. Die Tochter eines Pferdezüchters. Die nehme ich direkt mit zum Reiten.
Zugegeben, so abwegig war der Gedanke vermutlich nicht. Aber hier geht es ums Prinzip!
Und zwar das Prinzip, dass ich um nichts auf dieser verdammten Welt meinen süßen Hintern auf ein Pferd schwingen würde!
"Ich dachte, wir wollten picknicken", begrüßte ich den Blondschopf mit zusammengekniffenen Lippen. Misstrauisch betrachtete ich die beiden Pferde neben ihm.
Es handelte sich um einen pechschwarzen Hengst mit weißen Fesseln und einen windfarbenen Wallach.
Gut, immerhin keine Stute, mit der ich mich anzulegen hatte.
Der Schnösel musterte mich kurz. Offenbar gefiel ihm nicht, was er sah, denn er stieß ein leises, abfälliges Schnauben aus, für das ich ihm am liebsten eine geklatscht hätte.
"Ich wünsche Ihnen auch einen schönen Tag, Miss Montgomery", begrüßte er mich demonstrativ, anstatt auf meine Frage zu antworten und drückte mir auch schon prompt die Zügel des Dunkelfuchses in die Hand.
Unwillkürlich wich ich einen Schritt zurück.
"Ich, ähm, bin dafür nicht richtig angezogen!", verkündete ich und ging einen weiteren Schritt zurück, als hätte ich Angst, dass mich das Monster an meiner Hand beschmutzen könnte.
Der Blondschädel hob skeptisch eine Augenbraue.
"Ihre Kleidung ist nun wirklich nicht etwas, um das es Schade wäre, sollte es dreckig werden."
Ich spürte, wie in mir erneut die Wut über die Dreistigkeit dieses verdammten Blaublütlers aufflammte.
Zwar hatte ich mich für dieses 'Date' wirklich nicht besonders hübsch zurecht gemacht und mich lediglich in ein schwarzes T-Shirt und eine Blue Jeans geschält, aber trotzdem! Wie unhöflich konnte man denn sein?
"Um Sie wäre es jetzt auch nicht besonders schade und trotzdem würde ich Sie nicht direkt eine Klippe runterstoßen", gab ich patzig zurück. "Zumindest noch nicht."
Blondschopf starrte mich aus zusammengekniffenen Augen an. Er wirkte nicht besonders amüsiert über meine Worte. Überraschung, Mathilda hat keinen Humor.
Herausfordernd hob ich eine Augenbraue.
Prinz Jayce stieß langsam die Luft aus. Sein Blick huschte kurz zu seinen Bediensteten, ehe sich die blauen Augen auf mich legten. Unkontrollierte Wut loderte in ihnen.
"Pass auf was du sagst, ja? Ich bin der Thronfolger von Navar und niemand redet so respektlos mit mir, verstanden?", knurrte der Königssohn und trat näher an mich heran. Seine Stimme hatte er gefährlich gesenkt. Seine Haltung strahlte Autorität und Selbstsicherheit aus.
Ich wusste sofort, dass er damit rechnete, dass ich vor ihm kuschte, wie es alle anderen auch taten.
Ich wich vor ihm zurück, aber hauptsächlich, weil dieses Monstrum von Pferd an seiner Seite ebenfalls einen Schritt nach vorne getreten war.
Als ich den Triumph in seinen Augen glitzern sah, reckte ich trotzig das Kinn vor. "Offensichtlich wurde es dafür einmal Zeit. Du bist nämlich ausgesprochen widerlich."
Die Kiefermuskulatur des Prinzen spannte sich an, als er mit seinen Zähne zu knirschen begann und mich wütend anfunkelte.
Meine Mundwinkel zuckten diabolisch und am liebsten hätte ich ihn angegrinsten, wie ein Rotzbengel seine älteren Geschwister, sobald er sich sicher hinter Mami verstecken konnte.
Aber das war mir dann doch ein bisschen zu kindisch und ich beschränkte mich darauf, betont gleichgültig mit den Schultern zu zucken. "Die Wahrheit tut weh."
Jayce wirbelte herum und setzte, ohne ein weiteres Wort, seinen Fuß in den Steigbügel, um sich auf den Rücken des Rappen zu schwingen.
Sofort war mein Siegeswahn vergessen und mein Blick zuckte panisch zu dem Wallach an meiner Hand. Bis jetzt hatte er noch nicht versucht, mir die Finger abzubeißen, aber ich hatte seine Existenz bis zu diesem Zeitpunkt auch ziemlich gut verdrängen können.
Anders als jetzt.
Aus dunklen, wachsame Augen starrte das Pferd mich an und blähe die Nüstern.
"Kommen Sie? Man könnte doch meinen, die Tochter eines Pferdezüchters findet schneller in den Sattel", höhnte der Königssohn hinter mir, doch ich ignorierte ihn.
Niemals um alles in der Welt würde ich vor diesem Schnösel den Schwanz einziehen. Aber auf den Rücken von diesem Riesen-Ding wollte ich auch nicht unbedingt steigen.
Verdammt.
Dummerweise besaß ich ein viel zu großes Ego, als dass ich dem Snob hinter mir anvertraut hätte, dass ich mich insgeheim vor Pferden fürchtete.
Und so trat ich vorsichtig an den Windfarbenen heran und streckte ihm langsam meine Hand entgegen.
Neugierig stieß der Wallach mit seiner Nase dagegen.
Ich atmete erleichtert auf. Immerhin das Pferd schien mich halbwegs zu mögen.
"Okay, mein Großer", flüsterte ich ihm leise zu und blickte ihm beschwörend in die Augen. "Ich hab keinerlei Interesse an einer Freundschaft, okay? Das hier", ich deutete mit meinen Fingern zwischen uns hin und her "ist rein geschäftlicher Natur. Kein Beißen, kein Bocken und vor allem wirfst du mich nicht ab, verstanden? Ich lass dich dafür auch am langen Zügel, hämmere dir nicht meine Fersen in den Bauch und lass dich einfach dein Ding machen, okay? Nur bitte, bitte, bitte sei ein ganz liebes Pferd, versprichst du mir das?"
Wie zur Bestätigung stieß der Wallach ein leises Schnauben aus, was mich zufrieden stimmte.
Ich legte ihm die Zügel über den Kopf, setzte meinen Fuß in den Steigbügel und schwang mich auf den Rücken des Tieres. Vermutlich uneleganter, als ich es geplant hatte.
Zwar konnte ich Reiten, doch mein letztes Mal ist auch schon eine halbe Ewigkeit her und dementsprechend plump landete ich im Sattel.
Der Dunkelfuchs unter mir stieß ein unzufriedenes Geräusch aus.
"Tut mir leid, ab jetzt wirst du mich gar nicht mehr bemerken", beschwichtigte ich das Pferd sofort und strich ihm vorsichtig durch die Mähne.
"Sein Name ist übrigens Mansi." Offensichtlich hatte der Blondschopf meine private Unterhaltung mit dem Tier beobachtet.
Unzufrieden verzog ich das Gesicht. Schade, er war also nicht spontan an einem Herzinfarkt verendet.
Mansi also. Der Erste auf diesem Anwesen, der mir durchaus sympathisch war.
✾
"Also, Mathilda", versuchte ich ein Gespräch zu beginnen, nachdem wir an einem See gehalten hatten und Blondschopf Anstalten machte, vom Pferd zu steigen. "Laut deiner charmanten Einladung willst du mich kennenlernen? Dann schlage ich vor, du stellst ein paar Fragen."
Der Königssohn warf mir einen warnenden Blick zu. "Sind wir also schon beim Du."
Ich hasste es, wie er meine Fragen und Aufforderungen überging, als hätte ich nie etwas gesagt. Aber ich würde mich nicht provozieren lassen. Nicht von ihm.
"Ja", ging ich deshalb auf seine Worte ein. "Oder findest du es angebrachter, dass wir uns innerhalb unserer Verlobung siezen? Soll ich deinen Titel im Bett schreien?"
Die letzte Bemerkung war mir einfach rausgerutscht und sorgte dafür, dass ich mehr von Mansis Rücken fiel, als dass ich wirklich abstieg.
Natürlich hatte ich nicht die Absicht, mit Jayce ins Bett zu steigen. Verdammt, er gefiel mir ja nicht Mal.
Weder charakterlich noch optisch. Ich konnte blondhaarige Männer nicht ausstehen.
Ironischerweise schien ich mit dieser Aussage jedoch seinen verlorenen Sinn für Humor aufgespürt zu haben.
Er grinste!
"Okay, Amanda", ließ sich Jayce schließlich auf das Gespräch ein. Seine Mundwinkel hatte er schon wieder unter Kontrolle gebracht, sodass man fast meinen könnte, ich hätte mir die Andeutung eines Lächelns nur eingebildet. "Fangen wir mit den Grundlagen an. Alter? Hobbys? Irgendwelche schmutzigen Geheimnisse?"
Wow, wie kreativ.
Ich war schon versucht, eine sarkastische Bemerkung von mir zu geben, entschied mich jedoch schließlich dagegen.
Ich würde die Gegenwart des Prinzen noch eine ganze Weile ertragen müssen und vielleicht war es von Vorteil, ihn noch nicht komplett von mir zu stoßen, bevor ich noch nicht den Rest seiner Familie gegen mich aufgebracht hatte.
"Ich bin 19 Jahre alt und verbringe meine Zeit gerne mit meinen Freunden. Hobbys habe ich nicht wirklich. In Nisu gibt es ja nicht sonderlich viel zu tun und mit Büchern, Musik und all dem Zeugs kann ich nichts anfangen", antwortete ich ihm schließlich etwas ausweichend.
Ich wollte ihm lieber nicht erzählen, dass mein Alltag lediglich aus Arbeit und nächtlichen Streifzügen bestand. "Und du?"
Jayce löste die Satteltasche von seinem Hengst und ging auf den See zu. "Kannst du in der Zeitung nachlesen."
Ich wartete einen kurzen Moment, ob dieser Schnösel noch etwas hinzufügen würde, um seine schroffen Worte etwas abzuschwächen.
Aber Fehlanzeige.
Der Snob schien nicht einmal zu bemerken, dass mich seine Antwort verärgert hatte. Oder wie unhöflich sie gewesen war.
Mit selbstzufriedener Miene starrte er über die glitzernde Wasseroberfläche.
Arschloch.
Beleidigt stakste ich ihm hinterher, wurde jedoch mit einem Ruck zurückgezogen.
Mansi, welchen ich am Zügel hielt, hatte sich nicht in Bewegung gesetzt und starrte mich abwartend an.
"Hey, was soll das?", fragte ich ihn verdutzt und zog betont an den Lederriemen, doch der Wallach schüttelte lediglich den Kopf und verlagerte sein Gewicht nach hinten. Mistvieh.
"Ich dachte wir hätten eine Abmachung? So benimmt sich aber kein braves Pferd."
"In seiner Satteltasche ist ein Halfter. Leg es ihm über und dann kannst du ihn Laufen lassen. Das Grundstück ist eingezäunt, aber in Normalfall bleiben sie in der Nähe." Unhöflicherweise unterbrach Jayce meinen kleinen Starrwettbewerb mit dem Gaul.
Ich wandte mich zu ihm um. Der Blondschopf hatte auf der Decke einige Leckereien ausgebreitet, bei dessen Anblick mein Magen laut auf knurrte.
"Verdammte Kacke, ihr habt aber talentierte Köche."
Jayce warf mir einen Blick zu, der deutlich machte, dass ihm meine Ausdrucksweise missfiel. "Wer sagt, dass ich das nicht alles selbst gemacht habe?"
Spöttisch zog ich eine Augenbraue nach oben: "Stand in der Zeitung."
Der Schnösel verdrehte die Augen und ließ sich auf der Decke nieder, während ich Mansi versorgte.
Mit schmalen Lippen und gerunzelter Stirn thronte er auf dem karierten Stoff und starrte dermaßen missmutig vor sich hin, als könnte er sich nichts schlimmeres vorstellen, als den angebrochenen Nachmittag mit mir verbringen zu müssen.
Sollte ich mich beleidigt fühlen? Vermutlich.
Die Begeisterung des Prinzen teilend ließ ich mich neben ihn fallen und streckte direkt meine Finger nach den Erdbeeren aus. Ob die Bediensteten des Königshauses auch an die Schokolade gedacht hatten?
Hoffungsvoll sah ich mich um.
"Was hat dein Vater eigentlich für die Hochzeit gezahlt? Was musste deine Familie versprechen?"
Die Frage des Blaublütlers kam so unvermittelt und war dermaßen irrwitzig, dass ich mich im ersten Moment an dem Fruchtfleisch zwischen meinen Lippen verschluckte.
Hustend und röchelnd schnappte ich nach Luft, bemüht, Prinz Jayce die zerkaute Erdbeere nicht ins Gesicht zu spucken.
Auch wenn er es verdient hätte.
"Bitte was?", krächzte ich mit den Tränen in den Augen und blinzelte ihn fassungslos an.
Dachte das Prinzchen tatsächlich, dass ich dermaßen scharf auf eine Verlobung mit ihm war, dass meine Familie bereit war, Geld dafür zu bezahlen?
Und warum in Teufels Namen sollte der Adel darauf anspringen? Hatte das Königshaus nicht genug Reichtümer vorzuweisen?
"Du musst zugeben, dass diese Verlobung äußerst überraschend und ohne jeglichen Sinn ist." Blondschopf starrte mich an, als hätte ich nicht alle Latten am Zaun. "Deshalb frage ich mich, wie es dazu gekommen ist."
"Da sind wir ja schon zwei. Im übrigen hat meine Familie nichts mit dieser Spontan-Hochzeit zu tun. Es war König Cedriks Wunsch. Beziehungsweise deiner."
Dies schien für ihn wirklich eine Neuigkeit zu sein. Überrascht riss Jayce die Augen auf und sah mich ungläubig an. Nach wenigen Sekunden begann er mit den Kopf zu schütteln und studierte mein Gesicht, als wolle er sichergehen, dass ich ihn nicht gerade anlog.
"Wir haben einen Brief aus dem Elverstone Palast erhalten, indem stand dass du daran interessiert wärst, mich zur Frau zu nehmen. Meine Eltern haben den Dreck unterschrieben. Ich hätte ihn verbrannt", fügte ich hinzu.
Der Spinner sollte sich bloß nicht einbilden, dass ich davon schwärmte, meine Zukunft mit ihm zu verbringen.
Immerhin war sein Ego auch schon ohne meine Hilfe größer als sein aufgeblasener Riesenschädel.
"Unmöglich", war seine schlichte Antwort und damit schien das Gespräch wohl beendet.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro