E i n s | J a y c e
Ich betrachtete mich im kunstvollen Spiegel, welcher mit seiner imposanten Größe die Eingangshalle des Caldenfort Palace schmückte.
Die Lockharts, die amtierende Königsfamilie von Großreich Tar, hatte sich durchaus Mühe gegeben, ihr Anwesen, zu Ehren ihres angeheirateten Familienmitglieds, meinem Cousin Herzog Glenn, in Schale zu werfen. Dennoch konnte ich nicht leugnen, dass ich mich unter den misstrauischen Blicken der aufgestellten Wachen durchaus unwohl fühlte.
Eigentlich sollten die vier Königreiche als eine Einheit fungieren. Immerhin konnte das Überleben des Adels nur durch das der anderen gesichert werden.
Dennoch waren gewisse Anspannungen und Rivalitäten zwischen den vereinzelten Königreichen deutlich spürbar.
Glenn ist der Erste aus meiner Familie, welcher mit dem tarischen Adel verheiratet wurde.
Zuvor hatten die Herrscher von Großreich Tar penibel darauf geachtet, ihren königlichen Nachwuchs nur an die Königsfamilie von Tel'Anoor weiterzuleiten. Hin und wieder verirrte sich eine tiefranginge Prinzessin an die Seite eines kryphtonischen Adels, doch von meiner Familie hatten sich die Lockharts, seit der Hochzeit meiner Eltern, stets ferngehalten.
Bis vor etwa drei Monaten, als sich Prinzessin Eliza, die jüngste Schwester meines Vaters, König Cedrik, unsterblich in dessen Neffen verliebt hatte und sie die Monarchie mit einer spontanen Hochzeit erschüttert hatten.
Ich wandte mich von meinem Spiegelbild ab und richtete meine Aufmerksamkeit auf meine Familie, welche sich unschlüssig hinter mir in der Eingangshalle versammelt hat.
Meine beiden jüngeren Schwestern, Prinzessin Joselynn und Prinzessin Rosalie, musterten die Inneneinrichtung des Caldenfort Palace neugierig, während meine Mutter, Königin Cathrine, verächtlich die Nase rümpfte.
Die Königin Navars konnte sich noch nie für das Land ihres Gemahls begeistern. Wenn es nach ihrem Interesse und nicht nach dem ihres Vaters, König Malcom, gegangen wäre, hätte sie auch bestimmt nicht meinen Vater geheiratet.
Ich weiß, dass ihre Sympathie schon immer dem Königreich Kryphton gegolten hatte, doch der damalige Thronfolger, König Stanley, hatte sein Herz an eine einfache Kaufmannstochter verloren und sie zu seiner Gemahlin gemacht.
Herzogin Cynthia, die Ehefrau meines Onkels, Prinz Emrick, ist das einzige Mitglied des kryphtonischen Adels, das meine Mutter in unsere Familie integrieren konnte.
„Cedrik! Mein geliebter Bruder!" Prinzessin Eliza trat an die Seite meines Vaters und begrüßte den König von Navar überschwänglich.
Mein Vater nahm die Euphorie seiner jüngsten Schwester mit einem herzlichen Lachen in Kauf und ließ sich von der Prinzessin zur Begrüßung die Wangen küssen.
„Eliza, meine Liebe, danke für die Einladung!"
„Meine Liebe", äffte Joselynn leise neben mir und zog spöttisch eine Augenbraue nach oben. Sie fing meinen Blick auf und grinste ertappt.
Meine jüngere Schwester strich sich eine blonde Locke aus dem Gesicht, welche sich aus dem kunstvollen Knoten in ihrem Nacken gelöst hatte, und setzte ein freundliches Lächeln auf, als unsere Tante ihre Aufmerksamkeit auf sie richtete.
„Joselynn, Rosalie! Gott, seid ihr groß geworden!" Eliza strahlte meine Schwestern freudig an und beugte sich schließlich vor, um sie jeweils mit einem Küsschen links und einem Küsschen rechts zu begrüßen.
Höflich erwiderten die beiden Prinzessinnen die Geste.
„Es ist uns eine Ehre, dich endlich wiederzusehen, Tante Eliza", flötete Rosalie und schenkte der Gemahlin unseres Cousins ein makelloses Lächeln.
Elizas Mundwinkel zogen sich weiter nach oben. Sie war ein Familienmensch durch und durch. Das wurde mir schon bewusst, als ich sie zum ersten Mal in meinem Leben getroffen hatte.
Die Prinzessin ist die Einzige, abgesehen von Glenn natürlich, der Lockhart Familie, welche sich um einen regelmäßigen Kontakt bemühte. Ihren Bruder, König Raymond, hatte ich in den letzten Jahren kaum zu Gesicht bekommen.
Er ließ sich auf den Veranstaltungen auf dem Anwesen meiner Eltern nur sehr selten blicken.
„Cathrine." Eliza begrüßte meine Mutter mit einem scheuen Lächeln und drückte ihr flüchtig einen Kuss auf jeweils beide Wangen.
So sehr sich meine Tante auch um eine gute Bindung zu meiner Familie bemühte, ihr Verhältnis zu Königin Cathrine war schon immer besonders unterkühlt gewesen.
Eliza schaffte es einfach nicht, das distanzierte Herz meiner Mutter für sich zu gewinnen. Sie war immun gegen ihre Herzlichkeit und insgeheim glaubte ich, dass die Prinzessin von Großreich Tar sich von der navarischen Herrscherin fürchtete.
Meine Mutter erwiderte die höfliche Begrüßung halbherzig und musterte Elizas Erscheinung abschätzig.
Die Prinzessin hatte sich ein enganliegendes, dunkelblaues Kleid übergeworfen, dessen Stoff sich vorne bis zu ihren Oberschenkeln öffnete. Ihr Dekolletee war kunstvoll mit Glitter und kleinen Strasssteinchen verziert worden und ohne meiner Mutter einen weiteren Blick zuwerfen zu müssen, wusste ich, was sie über Elizas Erscheinung dachte.
Viel zu freizügig für eine verheiratete Frau. Noch dazu einer Prinzessin, welche in ihrem Land eine hohe Thronfolge besetzte.
Mein Aufmerksamkeit richtete sich auf Joselynn und Rosalie. Da sich die Stylisten meiner Schwestern dem Willen der Königin beugten, waren sich ihre Frisuren und die Kleider relativ ähnlich. Meine Mutter legte hohen Wert darauf, die Ähnlichkeit der Zwillinge offen zur Schau zu stellen.
Auf jedem Familienfoto das im Elverston Palace, dem Anwesen meiner Eltern, zu finden war, sahen sich Rosalie und Joselynn zum Verwechseln ähnlich. Manchmal hatte ich selbst Schwierigkeiten, sie auf Bildern auseinander zu halten.
Das blonde, gelockte Haar wurde bei Beiden zu einem kunstvollen Knoten im Nacken zusammengebunden. Während Rosalies Frisur noch perfekt saß, hatten sich bei Joselynn bereits einige Strähnen gelöst und umrahmten ihre sanften Gesichtszüge.
Die strahlend blauen Augen wurden dezent geschminkt und die Lippen, passend zu den dunkelroten Kleidern, angemalt.
Ich konnte den Unmut über ihre eingesperrte Individualität förmlich spüren.
Ich wusste, dass Josey die Farbe Rot verabscheute, sich viel mehr für den Rest der Farbpalette interessiert. Und Rosalie konnte den Schnitt der ausgewählten Kleidungsstücke nicht leiden. Er war ihr zu fade, zu einfältig.
Ich presste die Lippen zusammen und warf einen kurzen Blick an mir herab. Was mich betraf, war es mir ziemlich egal, was ich von meinen Stylisten vorgelegt bekam. Hauptsache es passte.
Was ich weniger leiden konnte war es, wenn meine Mutter mir Worte in den Mund legte. Meinungen von mir forderte, für die ich mich einfach nicht stark machen konnte.
Ich wusste das sie mit ihrem Kontrollzwang nur den Traditionen folgte, die ihr selbst von ihren Eltern angelernt wurden. Sie kann gar nicht anders und ich bin bereit, mich dem Willen der Monarchie zu beugen.
Hätte ich denn überhaupt eine andere Wahl? Mein gesamtes Leben ist bereits vorausgeplant.
„Jayce? Du siehst wirklich fabelhaft aus!" Die enthusiastische Stimme meiner Tante riss mich aus meinen Gedanken.
Schnell pflasterte ich mir ein Lächeln ins Gesicht und begrüßte Eliza mit Küsschen links und Küsschen rechts.
„Das kann ich nur zurückgeben, verehrte Tante", erwiderte ich charmant und deutete eine anerkennende Verneigung vor ihr an, „Glenn kann sich wirklich glücklich schätzen, Ihr Herz erobert zu haben."
Eliza schüttelte tadelnd den Kopf, doch ein nachsichtiges Lächeln erhellte ihre Züge. „Wie oft soll ich dir eigentlich noch sagen, dass du mich nichts siezen musst, Jayce? Wir sind doch eine Familie."
Ich nickte. Natürlich, wir waren eine Familie, aber in eine Familie, in der alle auf ihren Adelstitel bestanden. Eliza war eine der wenigen, die ihre Verwandten wirklich duzte und es auch duldete, wenn einer der Bediensteten in seiner Anrede den Titel vergaß.
Ich hatte die Missgunst meiner Mutter geradezu spüren können, als die Prinzessin sie zuvor bei ihrem Vornamen angesprochen hatte. Nur bei ihrem Vornamen.
Das war selbst mir und meinen Schwestern nicht erlaubt. Einzig und allein König Cedrik war es gestattet, seine Gattin nur beim Vornamen zu rufen.
Eliza nahm mein Schweigen wohl als Zustimmung, denn ihr Lächeln wurde breiter, ehe sie sich zu ihrem Bruder und dessen Gemahlin umdrehte.
„Cedrik, ich muss dir unbedingt den Garten zeigen. Raymond hat einen neuen Landschaftsarchitekten einstellen lassen und der leistet wirklich eine fabelhafte Arbeit! Cathrine, ich bin mir sicher, dass dir das auch gefallen würde."
Meine Mutter kniff die Augen zusammen und rümpfte unauffällig die Nase, doch ihre makellose Erziehung würde es ihr niemals erlauben, Elizas freundliches Angebot auszuschlagen.
Sie warf ihrem Gatten einen kurzen Blick zu und hackte sich dann bei ihm unter. „Das klingt nach einer fabelhaften Idee, nicht wahr, Cedrik?"
Mein Vater nickte zustimmend und zusammen ließen sie sich von Prinzessin Eliza durch den Caldenfort Palace hindurchführen.
„Und da waren es bloß noch drei", murmelte Josey neben mir und grinste schief. „Was denkt ihr, wie ladylike wäre es, wenn ich jetzt das Büffet plündern würde?"
Neben ihr zog Rosalie eine Grimasse und schüttelte sich.
„Lass es. Ich weiß wie du isst", war ihr schlichter Kommentar, allerdings konnte sie sich ein spöttischen Grinsen nicht verkneifen.
Joselynn rollte nur amüsiert mit den Augen und hakte sich bei ihrer Schwester unter. „Dann wirst du mir wohl helfen müssen, bevor sie mich wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses aus dem Palast werfen. Kommst du klar, Jay?"
Meine Schwestern warfen mir Beide einen besorgten Blick zu, doch ich winkte ab.
Ich war alt genug, um mich in der sterbenslangweiligen Gesellschaft der Oberschicht allein zurecht zu finden. Die Frage war wohl eher, ob ich die beiden Prinzessinnen ohne mich losziehen lassen konnte, ohne irgendwelche Konsequenzen zu fürchten.
„Ich werde später zu euch stoßen. Geht nur", erwiderte ich, woraufhin Josey die Lippen schürzte: „Zu Ihrem Befehl, Eure Majestät."
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Es dauerte nicht lange, bis ich das vertraute Gesicht in der Menge erspähen konnte, nach dem ich mich umgesehen hatte.
Meine Cousine, Prinzessin Kacey, war von einer Schar von Gästen umgeben und ihrem gelangweilten Gesichtsausdruck zu Folge, war sie von der Veranstaltung bereits jetzt schon genervt.
Obwohl ich Kacey nur bei vereinzelten Familientreffen begegnet war, hatten wir bereits von Kind auf eine tiefe Verbindung gepflogen. Wir erlitten Beide dasselbe Schicksal.
Wir sind mit dem Wissen aufgewachsen, eines Tages den Thron besteigen zu müssen – Egal ob wir dafür bereit waren oder nicht.
Während ich jedoch meiner verlorenen Freiheit nachtrauerte, waren es für Kacey die Vorschriften, die ihren zukünftigen Ehemann betrafen, welche ihren Hass auf die Monarchie schürten.
Meine werte Cousine war nicht begeistert davon, in baldiger Zukunft einen fernen Verwandten heiraten zu müssen.
Denn so sehr man sich auch bemüht, Inzest innerhalb der Königsfamilien zu vermeiden, ist der oberschichtige Adel doch irgendwo miteinander verwandt.
Um das blaue Blut zu erhalten, werden die Kinder des Königshauses unter den vier verschiedenen herrschenden Mächten aufgeteilt: Dem navarischen Adel, dem kryphtischen Adel, dem tarischen Adel und dem anoorischen Adel.
Es ist unvermeidlich, einen Ehepartner zu finden, der nicht ein Teil seiner eigenen Abstammung in sich trägt.
Da Kacey die direkte Thronfolgerin von Großreich Tar ist und bisher keinen Verlobten an ihrer Seite aufweisen kann, ist sie bei den Junggesellen, welche verzweifelt in der Hierarchie der Königshäuser aufsteigen wollen, äußerst beliebt.
Ich betrachtete meine Cousine eine Weile.
Die Prinzessin sah meinem Vater ähnlicher, als ich selbst es tat. Sie hatte die langen, haselnussbraunen Haare geerbt, die in den tarischen Genen äußerst stark hervor gingen und dazu passend grüne Augen, die sie wohl ihrer Mutter, Königin Lorraine, zu verdanken hat.
Generell sah sie heute Abend einfach hinreißend aus. Eine wahre Augenweide und vermutlich würde sie mir auch auf einer anderen Ebene ausgesprochen gut gefallen, hätte ich nicht all die peinlichen Momente in ihrem Leben mitbekommen.
Ein kleines Lächeln stahl sich auf meine Lippen, als ich an Kaceys kleinen Unfall zurückdachte, als wir gerade einmal fünf Jahre alt gewesen waren.
Meine Cousine würde mich wohl höchstpersönlich erwürgen, sollte ich auch nur an dieses kleine Ereignis denken.
Als könnte Kacey meine Gedanken hören, hob sie in diesem Moment ihren Blick und begegnete dem meinen.
Ein erleichtertes Lächeln erhellte ihr Gesicht und mit einer höflichen Entschuldigung in die Runde, bahnte sie sich einen Weg zu mir durch.
„Jayce! Gott sei Dank, ich dachte schon, du hättest dich erfolgreich gedrückt", sprudelte sie auch schon los, noch bevor sie mich erreichen konnte und umarmte mich innig.
Ich erwiderte ihre herzhafte Geste bereitwillig.
„Wo denkst du hin, werte Cousine?", sagte ich und zog spöttisch eine Augenbraue nach oben. „Wir teilen dasselbe Schicksal, schon vergessen? Ich kann mich von diesen grässlichen Veranstaltungen genauso wenig drücken, wie du."
Kacey verzog das Gesicht und strich sich eine verirrte Strähne hinter das Ohr: „Das ist doch einfach abartig, findest du nicht? Wir feiern hier den Geburtstag meines Onkels, welcher wiederum dein Cousin ist und der Neffe deines Vaters."
Die Prinzessin schüttelte sich bei ihren Worten und kniff angewidert die Augen zusammen.
„Das, meine Liebe, ist unsere Familie", erwiderte ich mit einem Augenzwinkern und deutete vage in die Richtung der Gruppe von Männern, die sie zurückgelassen hatte. „Und vermutlich wird bald einer dieser Gentlemen dort drüben dein angetrauter Ehemann sein."
Kacey schnappte empört nach Luft und boxte mir halbherzig gegen die Schulter. Ich wusste, dass sie mir gerade am liebsten die Ohren langziehen würde, dennoch bildete sich ein kleines Lächeln auf ihren Lippen.
„Weißt du, Jay, ich glaube immer noch an die wahre Liebe", gestand sie mir leise und folgte meinem Blick.
Ich schwieg. Was sollte ich schon großartig dazu sagen?
Kacey wusste genauso gut wie ich, dass es letztendlich nicht auf ihren Willen ankam, sondern auf den ihres Vaters.
Mittlerweile gab es schon einige Königreiche, welche einfache Leute aus dem Volk in ihre Familie haben aufsteigen lassen. Allen voran Tel'Anoor und auch in Kryphton hatte es eine einfache Kaufmannstochter zur Königin geschafft.
Doch das waren Ausnahmen.
König Stanley konnte Königin Nydia nur zu seiner Frau machen, weil sein Vater seine Krönung und Verlobung leider nicht mehr erleben konnte und Stanleys Mutter viel zu milde war, um den Wünschen ihres Sohnes Widerstand zu leisten.
Und der anoorische Adel war einfach eine Klasse für sich. Wäre Kacey im Königshaus Tel'Anoor geboren, stände ihrer Aussicht auf die wahre Liebe nichts im Weg.
Aber das war sie nicht – Genauso wenig wie ich.
Ein sanftes Klirren riss mich aus meinen Gedanken und sorgte dafür, dass ich mich, ebenso wie Prinzessin Kacey, zu dem Geräusch umwandte.
König Raymond, mein Onkel und Herrscher von Großreich Tar, hatte sich in der Mitte der Galerie eingefunden. An seiner Seite Königin Lorraine, welche mit einem strahlenden Lächeln das Weinglas und den Teelöffeln in ihren Händen sinken ließ.
„Meine verehrten Gäste", begann der Bruder meines Vaters mit autoriäterer Stimme zu sprechen, „es freut mich wirklich, Sie heute im Caldenfort Palace willkommen heißen zu dürfen!"
„Tut es nicht", murrte Kacey neben mir und rückte ein Stück näher, damit ich ihr Flüstern durch den aufkommenden Beifall noch hören konnte.
„Den ganzen Morgen hat er nur rumgemeckert", verriet mir meine Cousine leise und verdrehte die Augen. Sie strich sich das haselnussbraune Haar aus dem Gesicht und lehnte sich gegen meine Schulter, ehe sie sich bei mir unterhakte. „Wäre es nach ihm gegangen, wäre deine Familie heute gar nicht aufgetaucht."
„Meiner Mutter wäre das nur Recht gewesen", erwiderte ich ebenso leise und grinste. „Vermutlich hätte sie deinem Vater auch noch einen Dankesbrief zukommen lassen."
Kacey kicherte leise und beobachtete die Ansprache König Raymonds weiter, doch ich wusste, dass sie seinen Worten keine Aufmerksamkeit schenkte.
Ich wusste wirklich nicht, wie mein Cousin, Herzog Glenn, die Lockhart Familie ertrug. Es war kein Geheimnis, dass sich die beiden Königreiche, Navar und Großreich Tar, nicht besonders leiden konnten.
Lediglich die Hochzeit zwischen meinen Eltern verband die Königsfamilien und zwang sie dazu, einmal im Jahr an einer gemeinsamen Veranstaltung zu erscheinen.
König Raymonds und Königin Lorraines geheuchelte Zuneigung gegenüber Herzog Glenn war nur Show.
Ich konnte mir durchaus vorstellen, dass Prinzessin Elizas Entscheidung einige Streitigkeiten zwischen den Geschwistern hervorgerufen hatte.
Aber offensichtlich hatte meine Tante gewonnen.
Stumm verfolgten Kacey und ich die Rede König Raymonds, während wir seine einzelnen, öden Aussagen mit albernen Grimassen und sarkastischen Kommentaren untermauerten.
Erst als mein Onkel seinen Arm Richtung Menge streckte und mein Vater aus der Masse hervortrat, wurde ich aufmerksam.
König Cedrik trat an die Seite seines Bruders und strich sich, sichtlich aufgeregt, durch das braune Haar.
„Auch ich will meinem Neffen zum Geburtstag gratulieren! Glenn, im Namen der Familie Bairnslam wünsche ich dir alles Glück der Welt!"
Die Glückwünsche meines Vaters gingen in dem Applaus der Gäste unter und aus dem Augenwinkel konnte ich erkennen, wie mein Cousin die Worte seines Onkels mit einem breiten Lächeln entgegennahm. Prinzessin Eliza stand freudestrahlend neben ihm und drückte ihrem Liebsten einen Kuss auf die Wange.
„Du hast in Prinzessin Eliza nicht nur eine Partnerin gefunden, sondern auch eine Gefährtin. Es erfüllt mein Herz mit Freude zu sehen, wie nahe ihr Beiden euch steht. Und ich hoffe, dass eure Beziehung ein Vorbild für manch andere sein kann, die es noch nicht gewagt haben, den Pfad der Ehe zu beschreiten", fuhr mein Vater nach einigen Sekunden fort und lächelte.
Neben mir stieß Kacey verächtlich die Luft aus und warf mir einen kurzen Blick zu. Sie musste nichts sagen. Ich wusste auch so, was sie von der Ansprache meines Vaters hielt.
Pures Geheuchel.
Kaum eine Ehe innerhalb des höheren Adels wurde durch bloße Liebe und Zuneigung arrangiert. Es gehörte schon viel Glück dazu, seinen Seelenverwandten innerhalb der engeren Familie zu finden und sein Herz nicht an eine Person des einfachen Volkes zu verlieren.
Meine Tante, Prinzessin Eliza, hatte ein wahres Glück, als sie in ihrem Neffen, Herzog Glenn, ihr Glück entdeckte. Somit gab es keine begründeten Einwände ihres Bruders, weshalb diese Ehe nicht gebilligt werden sollte.
Mein Cousin war ein ehrenwertes Mitglied des navarischen Adels und somit eine gute Partie, wogegen König Raymonds Missgunst nicht ankommen konnte.
„Warum habe ich nur das merkwürdige Gefühl, dass dein Vater diese Rede direkt an uns richtet?", flüsterte Kacey mir zu und krallte sich alarmiert am Ärmel meines sündhaft teuren Sakkos fest.
Ich hob den Blick und fand mich geradewegs in den blauen Augen meines Vaters wieder. Ein kleines Lächeln zeichnete sich auf seinem Gesicht ab, als er den Kopf etwas senkte und mir mit seinem Sektglas stumm zuprostete.
Ich konnte spüren wie sich sämtliche Augenpaare innerhalb weniger Sekunden auf mich legten und ein leises Raunen durch die versammelte Menge ging.
Meine Cousine verstärkte ihren Druck und bohrte ihre langen Fingernägel in meinen Arm, doch ich konnte mich nicht bewegen, um ihrer schmerzhaften Umklammerung zu entkommen. Alles was ich konnte war, den funkelnden Blick meines Vaters zu erwidern und zu hoffen, dass die nächsten Worte, die er sprechen würde, nicht die waren, die ich zu wissen glaubte.
Nein, dass würde er mir nicht antun. Niemals würde er meine Verlobung mit Prinzessin Kacey bekannt machen, ohne zuvor jedes einzelne Detail meiner und ihrer Reaktion genaustens durchzuplanen.
Er und die Königin würden es niemals riskieren, dass ich mit meiner Unwissenheit ein falsches Bild der unerschütterten Monarchie für das Volk liefern würde.
Aus dem Augenwinkel konnte ich dieselbe Furcht in dem Blick meiner Cousine sehen, die sich vermutlich auch in meinen Augen widerspiegelte.
Unsere Familien hatten schon oft, trotz der Anfeindungen der Königreiche, die Andeutung aufkommen lassen, was für ein wunderbares Paar Kacey und ich abgeben würden.
Niemals hätten wir gedacht, dass sie ihre gut getarnten Drohungen wahr machen würden.
„Ich hoffe", nahm König Cedrik den verlorenen Faden seiner Rede wieder auf, „das mein Sohn in seiner Verlobten ebenfalls solch eine Partnerin gefunden hat, mit der er für den Rest seines Lebens glücklich werden kann."
Resigniert schloss ich die Augen und legte meine verkrampfte Hand über Kacey angespannte Finger. Sie erwiderte den schwachen Trost, indem sie ihren Griff etwas lockerte und mit ihren Fingerspitzen zaghaft über den Stoff meines Sakkos strich.
„Das kann nicht deren Ernst sein", seufzte sie beinahe lautlos und als ich den Kopf etwas drehte, konnte ich Tränen in ihren grünen Augen glitzern sehen. Tränen, die sie niemals vergießen wird.
„Ladys and Gentlemen! Hiermit möchte ich die Verlobung meines Sohnes, Prinz Jayce Cedrik Nathan Bairnslam, und meiner zukünftigen Schwiegertochter, Gwendolyn Aileen Montgomery, bekannt machen!"
„Montgomery?", hauchte Kacey neben mir verwirrt und warf mir einen finsteren Blick zu. „Du heiratest jemanden außerhalb des Adels? Verdammt, du Schwachkopf, warum hast du mir das nicht gesagt? Du hättest mir einen Herzinfarkt ersparen können!"
Stirnrunzelnd erwiderte ich den Blick meiner Cousine: „Ich kenne keine Gwendolyn, geschweige denn eine Familie Montgomery."
Kaceys Augenbrauen schossen in die Höhe, doch bevor sie mir antworten konnte schoben sich sämtliche Gäste der Lockhart Familie an meine Seite, um mir zu meiner Verlobung mit dem mysteriösen Mädchen zu gratulieren.
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