22. Kapitel
Gwendolyn
Grübelnd starrte ich auf die leeren, weißen Zeilen meines Notizheftes. Madame Leroys Stimme drang nur gedämpft zu mir durch. Ich würde sie sowieso nicht verstehen, selbst wenn ich ihr zuhören würde.
Zwar verstand ich die meisten Vokabeln inzwischen ziemlich gut, aber nur, wenn sie aus Joseys Mund zu mir durchdrangen. Madame Leroys Akzent machte die ganze Sache schon kniffliger. Und dann diese Geschwindigkeit, mit welcher sie die Worte auf mich niederprasseln ließ, als wären es Geschosse aus dem letzten Bürgerkrieg.
„Mademoiselle Montgomery? Pouvez-vous me suivre?" Madame Leroy unterbrach meine Gedanken mit einer solch schrillen Stimme, dass ich auf meinem Stuhl unwillkürlich zusammenzuckte und meine pochenden Ohrmuscheln rieb. Solch eine absurd hohe Tonlage sollte verboten werden!
„Bien sûr", entgegnete ich nach kurzem Zögern. Ich musste mir die Worte der Dame nochmal durch den Kopf gehen lassen, ehe ich ihr antworten konnte. Wenn ich sie richtig verstanden hatte, hatte sie gefragt, ob ich sie verstehen würde.
Ein zufriedenes, angespanntes Lächeln zupfte an ihren Lippen und sie musterte mich kurz, ehe sie sich mit einem knappen Nicken wieder abwandte und weiter aus irgendeinem dämlichen Poesiebuch zitierte.
Ich denke, wir sollten die Übersetzung mitschreiben. Zumindest würde das erklären, warum Rose und Josey eifrig deutsche Wörter zu Papier brachten, während ich regungslos auf meinem Stuhl verharrte.
Um in Madame Leroys Augen nicht mehr so verdächtig zu erscheinen, senkte ich meine Lider und ließ meinen Stift ebenfalls über das glatte Papier wandern. Allerdings war es nicht die Übersetzung des Gedichts, welches Madame Leroy voller Hingabe aus ihrem Mund hervorsprudeln ließ, welche ich niederschrieb.
Nein, es waren Pläne. Pläne, wie ich Jayce diese hinterlistige Kitzelattacke heimzahlen konnte.
Leider stellte sich heraus, dass ich keinen Funken von Kreativität in mir hatte, da die einzelnen Wörter, welche mein Notizheft zierten, aus Rache bestanden. Rache. Rache. Rache.
Mir entfuhr ein leiser Seufzer und ich strich mir eine verirrte Strähne hinters Ohr. Mir wollte einfach nichts nutzvolles einfallen, welches die grausamen Minuten erträglicher machen würden, welche ich dank Jayces blitzschnellen Fingern erleben musste.
Ich ließ meinen Blick durch den Raum wandern und betrachtete eine Weile Madame Leroy, wie sie mit einem verzückenden Gesichtsausdruck durch das Zimmer stolzierte. Mit theatralischen Gesten fasste sie sich an die Brust und ich meinte, eine glitzernde Träne in ihrem Augenwinkel zu erkennen. Ich verzog mein Gesicht. Ich war noch nie ein Fan von Poesie gewesen und konnte deshalb auch nicht verstehen, wie sich Madame Leroy diesem Werk mit solch einer Hingabe widmen konnte.
„Du willst was?" Verdutzt starrte ich Jayce an, als hätte er mir gerade gesagt, dass ich in seinen Augen wie ein schäumender Stier aussah. Langsam und fragend zugleich wanderte meine rechte Braue nach oben, um Jayce meine Irritation deutlicher zu zeigen.
Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen, als er mich mit einem kurzen Blick bedachte und sich dann wieder den Fluren zuwandte, durch welche wir eilten.
Jayce hatte mich direkt nach dem Französischunterricht abgefangen und mir stolz erklärt, dass er mit mir schwimmen gehen möchte. An einem kühlen, windigen Frühlingstag.
„Warum wundert dich das?", fragte er amüsiert und hielt kurz inne, damit ich ihn einholen konnte. „Darf ich etwa nicht den Wunsch verspüren, schwimmen zu gehen?"
„Nein", entgegnete ich sarkastisch und rollte mit den Augen. „Darfst du nicht."
Mit stolpernden Schritten holte ich ihn wieder ein, woraufhin er auch zügig wieder sein ursprüngliches Tempo aufnahm. Melodramatisch stöhnte ich auf und klemmte mir eine nervige Strähne hinters Ohr, welche mir störrisch die Sicht versperrt hatte.
Mit einem belustigten Funkeln in den Augen wirbele Jayce zu mir herum und lief rückwärts weiter durch die ellenlangen Flure des Schlosses. „Das verletzt mich aber, Gwendolyn."
Er fasste sich theatralisch ans Herz und drehte seine Augen Richtung Decke, ehe er einen Zusammenbruch vortäuschte.
Eins musste man dem Jungen ja lassen - Schauspielerisches Talent war auf jeden Fall vorhanden. Anders als sein Denkvermögen.
„Gwen", verbesserte ich ihn mit einem leisen Aufseufzen.
„Also mir gefällt Gwendolyn besser", entgegnete Jayce mit zusammengezogenen Brauen und gerunzelter Stirn, ehe ein Lächeln sein Gesicht wieder zum Strahlen brachte. „Oder Dolly."
„Nein", platzte es sofort aus mir heraus, wodurch das Grinsen auf Jayces Gesicht noch breiter wurde. „Niemals."
Für nichts auf der Welt würde ich mich von Blondschopf als Dolly bezeichnen lassen. Da war mir selbst Gwendolyn lieber, obwohl mein voller Name in meinen Ohren schrecklich klang. Als würde sich ein hässlicher kleiner Schwan unter tausenden von weißen Schönheiten befinden.
„Du willst also nicht das ich dich Dolly nenne?", fragte Jayce neckend und tippte nachdenklich mit seinem Zeigefinger auf seinem Kinn herum. Seine blauen Augen funkelten mich provokant an, als er abbremste, sich herumdrehte und seinen Arm um meine Schulter schlang. „Würde das Dolly wütend machen?"
„Jayce...", murrte ich mit warnender Stimme und kniff meine Augen zusammen. Mit einer ruckartigen Geste schüttelte ich seinen Arm ab und schnaubte leise.
„Was denn?", entgegnete Blondschopf mit Unschuldsmiene und blinzelte mich an. „Du darfst dir dann auch einen süßen Spitznahmen ausdenken."
Der neckende Unterton in seiner Stimme ließ mich die Augen verdrehen und nur mit Mühe konnte ich ein leises Aufstöhnen verhindern. „Vergiss es."
Schmollend schob Jayce seine Unterlippe vor und zauberte mir somit unbewusst ein Lächeln ins Gesicht. „Du bist gemein", jammerte er und rückte wieder ein paar Zentimeter an mich heran, um mir durch seine dichten Wimpern hindurch schöne Augen zu machen.
Mit einem kleinen Lächeln betrachtete ich das wundervolle Blau, welches mir entgegenschoss und neigte unwillkürlich den Kopf zur Seite. „Ach, bin ich das?"
„Ja", murrte Jayce und ließ seine Unterlippe noch weiter nach vorne wandern. Inzwischen war der Anblick nicht mehr süß, sondern abartig. Jayce sah alles andere als attraktiv aus. Wie sich an mich lehnte, die volle Lippe nach vorne geschoben und das Gesicht komisch verzerrt. Mir entfuhr ein leises Lachen.
„Du findest das also witzig, dass du mein Herz gerade in Stücke zerreißt?", brauste Jayce gespielt entrüstet auf. Mit einer blitzartigen Bewegung entfernte er sich von mir und ich konnte spüren, wie mir seine Nähe fehlte. Seine unscheinbare Berührung. Die Wärme, welche seine Schulter an die Meine übertragen hatte.
„Du bist so dramatisch", entgegnete ich ihm trocken und strich mir eine dunkle Strähne aus dem Gesicht, damit ich ihn besser betrachten konnte. „Koieta hat zahlreiche Wirtschaftsprobleme und du ärgerst dich darüber, dass du mir keinen Spitznamen geben darfst?"
Eigentlich sollte dieser Spruch als Witz dienen. Etwas unbeholfen, aber trotzdem lustig. Doch Jayce verspannte sich augenblicklich, sobald der Name des Königreiches meinen Mund verließ.
Mit verbissenen Gesichtszügen wandte Jayce sich von mir ab und ich konnte das leise Knirschen hören, als seine Zähne aufeinander krachten. Mit zuckendem Kiefer setzte er seinen Weg zur Tür, welche in den Obstgarten führte, fort. Er ignorierte mich völlig.
Irritiert ließ ich meine Augenbraue nach oben wandern und beschleunigte mein Tempo, damit ich ihm nachkam. Hatte ich etwa etwas Falsches gesagt? Aber was? Das sollte doch eigentlich nur als Witz dienen. Ich dachte, dass mein belustigter Unterton Hinweis genug war. Scheinbar nicht.
„Jayce?", fragte ich sichtlich verwirrt, wagte einen großen Schritt nach vorne und fasste ihn am Arm. „Was ist los?"
„Nichts", war die stumpfe Antwort. Ja, definitiv nichts. Das konnte ich deutlich erkennen. Genervt rollte ich mit den Augen und ließ ihn wieder los.
Jayce wirbelte sofort herum, trat durch die Tür zum Obstgarten und ließ mich alleine zurück.
Jayce
Ich wusste nicht, warum Gwendolyns Worte solch eine Reaktion in mir hervorriefen. Ich wusste nicht, warum sich meine Schultern bei ihren Worten versteiften. Warum ich wütend wurde und gereizt. Warum sie plötzlich nervte, obwohl ich ihre Anwesenheit zuvor noch so genossen hatte. Und jetzt wollte ich sie am liebsten einfach alleine im Schloss zurücklassen und alleine zum See aufbrechen. Doch ich konnte nicht.
Ich hatte das zwischen Gwendolyn und mir gerade wieder in Ordnung gebracht. Mehr als in Ordnung. Ich hatte meine verwirrenden Gefühle für sie offen dargelegt und sie hatte sie tatsächlich erwidert. Wenn auch zögerlich.
Sollte ich das wirklich alles aufs Spiel setzten, nur weil sie einen Satz gesagt hatte, welcher in mir ein kleines, fieses Feuer entfachte? Nein. Das war auch der Grund, weshalb ich nur wenige Meter vom Schloss entfernt meine Füße in den Boden stemmte und ein paar Grashalme in die Erde drückte. Mit einem lautlosen Seufzen drehte ich mich zu Gwendolyn um und warf ihr einen auffordernden Blick zu, was sie mit einem unsicheren Lächeln quittierte.
Zögerlich setzte sie einen Fuß nach den Anderen über die Terassentür und stapfte über die Wiese auf mich zu. Die Unsicherheit in ihrem Gesicht verschwand nicht. Wuchs geradezu jeden Schritt, denn sie sich mir näherte. Als würde sie befürchten, dass ich gleich explodierte wie ein Vulkan. Kein so dummer Gedanke.
Ich zwang mir ein Lächeln auf die Lippen, welches Gwendolyn zeigen sollte, dass ich mich über ihre Anwesenheit freute und streckte ihr meine Hand entgegen. „Komm jetzt endlich, Dolly."
Bei den Worten huschte mir tatsächlich ein ehrliches Grinsen über das Gesicht und auch die Anspannung bröckelte von mir ab.
Gwendolyn schenkte mir einen genervten Blick und rollte mit den Augen, bevor sie mir spielerisch gegen die Schulter boxte. „Ach, halt doch einfach die Klappe", murrte sie eingeschnappt, warf mir jedoch gleich darauf einen amüsierten Blick zu.
„Gib doch zu, dass dir der Name gefällt, Dolly", entgegnete ich und wölbte vor Erleichterung die Brust, als auch die restliche Anspannung von mir abfiel. „Du bist von meiner Kreativität ziemlich angetan, stimmts?"
Ich zwinkerte ihr kokett zu. Gwendolyn zeigte sofort die Reaktion, welche ich mir von ihr erhofft hatte. Mit einem abnormalen Tempo schoss ihr das Blut ins Gesicht und verlieh ihren Wangen dieses tomatige Aussehen, welches bei jedem anderen Mädchen vermutlich total unattraktiv ausgesehen hätte. Doch wenn ich Gwendolyn so betrachtete, schoss mir nur ein Gedanke durch den Kopf: Niedlich.
Gwendolyn würde mich vermutlich erschlagen, wenn ich ihr dieses Adjektiv an den Kopf knallen würde und ich musste wirklich sagen, es reizte mich, dieses Wort über meine Lippen zu bringen.
„Träum... weiter", brachte sie atemlos hervor und riss mich somit aus meinen Gedanken.
Verzückt betrachtete ich ihren Tomatenkopf und konnte nicht verhindern, dass meine Mundwinkel sich noch weiter nach oben zogen. Mit einer raschen Bewegung ließ ich meine Fingerspitzen über ihre weiche Wange gleiten und grinste verschmitzt, als sie beschämt den Blick senkte. „Niedlich", murmelte ich schließlich doch.
Gwendolyns Kopf schoss zu mir herum und ihre dunkeln Augen zogen sich zu Schlitzen zusammen. Ihre Lippen presste sie so fest aufeinander, dass sie lediglich eine gerade, dünne Linie ergaben. „Bitte was?", fauchte sie mich ungehalten an, wie ich es vermutet hatte.
Ach, wie ich ihr wildes Temperament liebte. Der Stimmungswechsel, der sie tagtäglich heimsuchte, war ein zusätzliches Plus auf dem Konto. Wie sie plötzlich von Verlegen auf Wütend umschalten konnte, ohne mit der Wimper zu zucken. Wie ihre Gesichtszüge in sekundenschnelle von entgleist auf kontrolliert umgewandelt werden konnten. Das war wirklich beeindruckend.
„Niedlich", wiederholte ich mit einem provozierenden Grinsen auf den Lippen und zwinkerte ihr zu. Ich wollte unseren Weg zum See fortsetzten, doch schon im nächsten Moment schlang Gwendolyn ihre zierlichen Pranken um meinen rechten Arm und zog mich barsch zurück. „Niedlich?"
„Ja, ziemlich sogar", antwortete ich ihr verschmitzt und zog mit einem Ruck meinen Arm zurück, sodass sie haltlos gegen meine Brust knallte. „Aua."
„Entschuldige", murmelte ich amüsiert, legte meine freie Hand auf ihre Hüfte und entriss mich mit der Anderen aus ihrem Griff, um ihr liebevoll über das Gesicht zu streicheln. „Ist alles in Ordnung?"
Augenblicklich wiederholte sich das Phänomen, welches ich zuvor angesprochen hatte.
Gwendolyns Stirn, welche zuvor noch vor Zorn gefurcht war, glättete sich in sekundenschnelle und stattdessen huschte ein unsicherer, fast zaghafter Ausdruck über ihr Gesicht. Ihre Lippen verkrampften sich erneut.
Mit einem belustigten Lächeln zog ich sie an ihrer Hüfte näher zu mir heran, sodass unsere Gesichter nur mehr wenige Zentimeter voneinander getrennt waren. Langsam und intensiv ließ ich meine Augen über ihre bezaubernden Züge wandern. Prägte mir jedes noch so kleine Detail ein.
Die unglaubliche Tiefe ihrer dunklen Augen. Der sanfte Flaum an ihrer Wange und die Art, wie sie mich unter ihren Wimpern hervor ansah. Einfach nur unglaublich! Wie konnte ich jemals fest von der Überzeugung gewesen sein, Gwendolyn Montgomery niemals zu lieben? Oder meine Gefühle für sie zu leugnen? Dieses Mädchen war einfach einzigartig und ich wollte sie in meinem Leben ganz bestimmt nicht mehr missen.
„Alles okay", nuschelte Gwendolyn leise und erwiderte meinen Blick nervös. Mir gefiel es, was für eine Macht ich über ihr Gemüt hatte. Das ich sie je nach belieben zur Weißglut oder in Verlegenheit bringen konnte. Und sie konnte nichts dagegen tun. Selbst wenn sie wollte.
„Dann komm. Sonst geht die Sonne noch unter, bevor wir überhaupt im Wasser sind."
Gwendolyns Mundwinkel zogen sich nach oben, während sie ihre dunklen Augen Richtung Himmel verdrehte und mit ihrer Hand gehorsam salutierte „Ja, Sir!"
Ein amüsiertes Lächeln zupfte an meinen Lippen und ich konnte nicht anders, als Gwendolyn ganz verzückt zu betrachten. „So gehorsam gefällst du mir ganz gut, Dolly", neckte ich sie liebevoll und stupste sie sanft an. Gwendolyn quittierte diese Geste mit einem abfälligen Schnauben und streckte mir die Zunge heraus. „Halt einfach die Klappe."
Wenig später trafen wir am See ein. Amüsiert beobachtete ich, wie Gwendolyn verzückt ihre Schuhe von ihren Füßen steifte und wie ein Känguru auf Speed zum Ufer hinunterhüpfte.
Das Wasser erstreckte sich still vor uns. Nicht ein einziges Lüftchen brachte die Wasseroberfläche zum Kräuseln, weshalb sich die umstehenden Bäume und Blumen in dem Nass widerspiegelten. Als läge unterhalb der Oberfläche eine weitere Welt. Eine Dimension wie unsere - Bloß Spiegelverkehrt.
Das fahle Licht ließ die einzelnen Wassertropfen glitzern und blendete mich ein wenig, weshalb ich meine Hand nutzte, um das grelle Licht etwas abzuschirmen. Mein Blick ruhte auf Gwendolyn.
Sie watete bis zu ihren Knien in den See und legte ihre Handflächen auf die Oberfläche des Wassers, als wolle sie es bändigen. Verwirrt und amüsiert zugleich beobachtete ich sie dabei, ehe ich mir selbst die Schuhe abstreifte und meine Jeans nach oben krempelte.
Anders als Gwendolyn hatte ich meinen Aufzug dem aktuellen Temperaturen Zustand angepasst, welcher für den Monat April doch ziemlich kühl waren. Gwendolyn hingegen war angezogen, als wären wir mitten im Hochsommer. Knappe, graue Shorts und ein schwarzes Tanktop darüber. Es ist wahrlich ein Wunder, dass sie noch nicht mit hohem Fieber in ihrem Bett liegt. Nicht Mal Husten oder Schnupfen hatte sie sich eingefangen.
„Kommst du endlich?" Gwendolyns Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Ich blinzelte ein paar Mal, damit ihre Umrisse vor meinen Augen wieder scharf wurden. Sie lächelte mich abwartend an, während sie ihr rechtes Bein vergnügt nach vorne streckte.
„Ja, Dolly", säuselte ich und zwinkerte ihr zu, ehe ich mir das Shirt abstreifte und auf den Sand ablegte. Ein Grinsen erreiche meine Lippen, als ich meinem Blick wieder auf Gwendolyn richtete.
Ihr Kiefer war nach unten geklappt und sie starrte mich unverwandt an. Die dunklen Augen weit aufgerissen. Man konnte deutlich erkennen, wie sehr sie mit sich rang, ihren Blick nicht über meinen Oberkörper wandern zu lassen. Mein Grinsen wurde breiter.
„Wenn du ein Foto machen willst, sag Bescheid", meinte ich amüsiert und streckte meine Arm aus, um in die Superman-Pose zu gelangen.
Sofort nahm Gwendolyns Kopf wieder die gewohnte Tomatenfarbe an, welche mir immer wieder ein Lächeln auf die Lippen trieb und sie senkte beschämt den Blick. Ihre Unbekümmertheit war verschwunden und stattdessen der Unsicherheit gewichen.
Ich kann wirklich nicht sagen, was mir lieber gefällt. So sehr ich Gwendolyns Schlagfertigkeit auch liebte, ich genoss es genauso, wenn ich sie aus dem Konzept bringen konnte. Es war fast wie ein Spiel für mich, indem es nur einen Sieg gab, wenn Gwendolyn peinlich berührt ihre Augen niederschlug.
Es war wie ein Rausch.
„Also kein Foto?", hakte ich amüsiert nach und bewegte mich ein paar Schritte auf sie zu. Sofort wich Gwendolyn zurück und ließ das Wasser um sich herumplätschern. Fragend schossen meine Augenbrauen nach oben. „Hast du etwa Angst vor mir, meine geliebte Dolly?"
Gwendolyn verdrehte die Augen und warf mir einen bissigen Blick zu, als ihr neuer Spitzname meinen Mund verließ. „Jayce. Klappe."
„Ist das eigentlich dein Lieblingswort?", fragte ich, während ich mir meinen Weg zu ihr durch die Fluten bahnte. „Du sagst das ziemlich oft."
Ein kleines Lächeln zuckte in Gwendolyns Gesicht, doch sie gab sich große Mühe, dieses vor mir zu verbergen. Stattdessen kniff sie ihre dunklen Augen zusammen und legte ihre Stirn in Falten. „Wie aufmerksam du doch bist", murmelte sie sarkastisch und wandte sich mit einem leisen Schnauben von mir ab.
„Ich weiß", entgegnete ich belustigt und kam hinter ihr zum Stehen. Mit einer ruckartigen Bewegung drehte ich sie zu mir herum und ließ meine rechte Hand an ihrer Hüfte verweilen, während meine Andere erneut ihren Platz an ihrer Wange fand.
Inzwischen hatte sich der hochgekrempelte Teil meiner Jeans mit dem kühlen Wasser des Sees vollgesaugt und auch schon die ein oder andere Wasserperle hatte ihren Weg zu meinem nackten Oberkörper gefunden. „Ich habe da eine Idee", murmelte ich leise, während ich meine Fingerspitzen über Gwendolyns Wange wandern ließ.
„Will ich sie wissen?", meinte sie trocken, doch ich konnte erkennen, wie nervös sie meine Nähe machte. Ihre Stimme zitterte etwas und ihre Augen waren immer noch aufgerissen, als wäre ich ein Killerclown.
„Naja. Es geht um mich. Und um dich. Und es könnte ganz schön feucht werden", knurrte ich ihr leise ins Ohr, wohlwissend, welche eine Reaktion ich in ihrem Körper hervorrief. Ihre nackte Haut unter meinen Fingern erzitterte, als ich sie noch näher zu mir heranzog. Nur noch wenige Millimeter trennten unser Gesicht und ich ließ meine Hand quälend langsam an ihrer Taille hinaufwandern, während ich zu ihren Lippen hinabbeugte.
Gwendolyn
Atemlos und aufgeregt zugleich starrte ich ihn an. Ich hasste es, was für eine Wirkung er auf meinen Körper hatte. Als würden irgendwelche Synapsen in meinem Gehirn nicht anständig funktionieren und mir das irrsinnige Gefühl geben, dass mir Jayce wirklich etwas bedeutete. Aber das konnte doch nicht sein, oder? Immerhin hatte ich mir fest vorgenommen, niemals an diesem versnobten Vollidioten Gefallen zu finden. Das hatte ich mir in der ersten Sekunde versprochen, als ich diesen blonden Schnössel zu Gesicht bekommen hatte.
Anfangs war das auch wirklich nicht schwer gewesen. Immerhin hatte sich Jayce mehr als einmal wie ein Arschloch mir Gegenüber verhalten. Da hatte ihm seine außerordentliche Attraktivität auch nicht weitergeholfen. Doch jetzt hatte er seine Matcho-Manier etwas abgelegt und ließ auch einen Jayce zum Vorschein kommen, welcher mir durchaus gefallen könnte. Ein sanfter, liebevoller Jayce.
Ich seufzte lautlos auf, als sich mein Körper seinen Berührungen entgegenstreckte und ich unwillkürlich meinen Kopf zur Seite neigte, als seine Lippen Kurs auf Meine Namen.
Ein merkwürdiger Laut bäumte sich in meiner Kehle auf und suchte sich seinen Weg nach draußen. Solch ein komisches Geräusch hatte ich noch nie in meinem Leben von mir gegeben und es verwunderte mich selbst, dass meine Stimmbänder solch einen Ton von sich geben konnten. Ich erhaschte noch einen kurzen Blick auf Jayces schmunzelnde Lippen, ehe ich die Augen schloss und meinen Mund dem Seinen entgegenreckte.
Jayce ließ seine Hände weiter hinabwandern, umschloss meine Beine, knapp unterhalb meines Pos, und hob mich hoch.
Erschrocken keuchte ich auf und schon im nächsten Moment flog ich durch die Luft, ehe mich kaltes Nass umfing.
Die Kälte des Wassers umschloss mich wie Eis und im ersten Moment fiel es mir furchtbar schwer zu atmen.
Jayce hatte mich verarscht. Er hatte gar nicht vor mich zu küssen, doch er wusste scheinbar, dass ich auf sein Näherkommen anspringen würde. Und jetzt weiß ich auch, was es mit seinem dämlichen Spruch auf sich hatte. Ja, es war definitiv feucht geworden. Leider nicht auf die Art und Weise, wie ich es mir erhofft hatte.
Was zum Teufel denkst du eigentlich, Gwen?
Am liebsten würde ich gar nicht erst wiederauftauchen. Das kalte Wasser kühlte meine heißen Wangen, welche bestimmt wieder ihren albernen Rotton annehmen würden, sobald ich mich über die Wasseroberfläche begab, um mich meiner Blamage zu stellen.
Warum war ich nur so naiv? Und warum konnte ich mich gegen meine Gefühle für Jayce nicht zur Wehr setzten? Wie konnte es überhaupt sein, dass mein Körper mehr zu sagen hatte, als mein Verstand? Und warum zur Hölle musste ich wiederauftauchen, um nicht zu ertrinken? Bei diesem Schicksal, welches meine Großmutter für mich gemeißelt hatte, hätte mir Gott wirklich ein paar Kiemen zur Entschädigung verpassen können.
Und was bekam ich stattdessen? Irrsinnige Träume welche mir die Zukunft voraussagen sollten und einen selbstverliebten Prinzen, welcher auf eine merkwürdige Art und Weise mein Herz höherschlagen ließ.
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Sooo... Neues Kapitel :D Ich hoffe, es gefällt euch!
Schönes Wochenende noch! :)
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