12. Kaiserin
Die bekannte Gestalt, die vor Kazé stand, war niemand anderes als Daisy – eine Pumadämonin mit eleganter Haltung und scharfen, kühlen Augen.
Sie trat vor und verneigte sich leicht.
„Hallo, Eure Hoheit und Anführerin.""
Kazé seufzte und rieb sich die Schläfe.
„Bevor wir uns damals getrennt hatten, habe ich euch doch gesagt, dass ihr mich nicht mehr so nennen sollt. Mein Cousin ist Kaiser – ich war es niemals und will es auch nicht sein."
Ihre Stimme klang schärfer, als sie es beabsichtigt hatte.
„Ich will einfach nur hier bei meinen Brüdern friedlich leben."
Daisy richtete sich auf und musterte Kazé nachdenklich.
„Ich verstehe, Kaiserin, aber..."
„So sollst du mich auch nicht nennen." Kazé funkelte sie an. „Sag mir lieber, was du wirklich willst. Du bist bestimmt nicht grundlos den ganzen Weg vom Schloss hierher gekommen. Hat dich mein Cousin geschickt?"
Daisy schüttelte den Kopf. „Nein, euer Cousin schickte mich nicht. Wie ihr hoffentlich wisst, diene ich nur dem wahren Kaiser oder der wahren Kaiserin – und viele sehen das ebenso."
Kazé verzog keine Miene.
„Unter eurer kurzfristigen Herrschaft nach dem Tod eures verehrten Vaters blühte das Land förmlich auf. Ich werde niemals verstehen, warum ihr eure Macht an euren Cousin abgetreten habt."
Daisy trat einen Schritt näher.
„Ich bin hier, um euch zurückzuholen. Ihr müsst euer Amt antreten, um das Land zu beschützen. Die Yōkai-fressenden Oni sind wieder aufgetaucht – und euer Cousin unternimmt nichts dagegen. Sowas hätte euer Vater niemals zugelassen."
Kazé verschränkte die Arme.
„Du redest davon, meinen Cousin zu stürzen..." Sie seufzte. „Von mir aus kann er seine rostige Krone ruhig behalten."
Daisy ließ sich nicht beirren.
„Aber wenn er zulässt, dass loyale, unschuldige Untertanen, die bis aufs Blut für ihn gekämpft haben, einfach sterben müssen... und er nichts dagegen unternimmt..."
Kazés goldene Augen funkelten kalt.
„Dann kann ich nicht tatenlos zusehen."
Ihre Stimme wurde leise.
„Dafür wird er bezahlen müssen."
Daisys Miene hellte sich auf.
„Also seid Ihr doch bereit, Kaiserin zu werden!"
Kazé zögerte.
Dann zuckte sie mit den Schultern.
„Gucken wir erstmal."
Sie wandte sich zum Wald.
„Ich vermute mal, ich muss mir erst ein paar Leute zusammenholen, oder? Und dann diejenigen finden, die mir früher loyal gedient haben – und sich gegen meinen Cousin verschwören würden."
Daisy nickte.
„Ja, das ist die grobe Zusammenfassung. Aber auf mich könnt Ihr immer zählen."
Kazé warf ihr einen langen Blick zu, bevor sie langsam nickte.
„Lass uns erstmal zurück ins Dorf gehen. Meine Brüder warten dort."
Sie setzte sich in Bewegung, doch in ihrem Kopf wirbelten alte Erinnerungen auf.
Rückblick – Vor 219 Jahren
Kazé stand auf einer Anhöhe, während ein kalter Wind durch die westlichen Lande zog.
Daisy kniete vor ihr.
„Kazé-sama, wie Ihr wolltet, habe ich den Standort eures Halbbruders ermittelt."
Kazé nickte langsam.
„Danke. Gibt es sonst noch Neuigkeiten? Zum Beispiel, wo sich mein Cousin gerade aufhält?"
Daisy zögerte.
„Ich bedaure, Eure Hoheit... Euer Cousin ist wie vom Erdboden verschluckt. Niemand hat ihn seit zwanzig Jahren gesehen."
Kazé zog eine Augenbraue hoch.
„Interessant."
Daisy sprach weiter. „Es gibt jedoch noch andere Neuigkeiten. Die Oni vom Kontinent konnten erfolgreich vertrieben und getötet werden. Das Land blüht momentan."
Sie hielt inne.
„Es gibt weder Kriege zwischen Menschen noch zwischen Yōkai."
Kazé lehnte sich auf ihr Schwert.
„Und doch willst du wissen, warum ich nach meinem Cousin frage, oder?"
Daisy nickte langsam. „Ja... Warum?"
Kazé lächelte kühl.
„Liegt das nicht auf der Hand? Ich werde ihn regieren lassen."
Daisys Augen weiteten sich.
„Ihr... wollt ihm die Macht überlassen?"
„Ja."
Kazés Stimme klang endgültig.
„Er wollte schon immer regieren. Er hat lange genug gewartet. Ich wurde nie offiziell gekrönt – also kann ich es ihm überlassen."
Daisy riss die Augen auf. „Aber das könnt Ihr doch nicht!"
Kazé zuckte mit den Schultern. „Ich kann. Und ich werde darüber keine Diskussion führen."
In diesem Moment eilte eine weitere Gestalt heran – eine schlanke, elegante Frau mit dunklem Haar.
Es war Reia, eine ihrer engsten Vertrauten.
Sie atmete schwer.
„Kazé-sama, ich habe gute Neuigkeiten."
Kazé richtete sich auf.
„Dann sprich."
Reia holte tief Luft. „Euer Cousin wurde gefunden. Er ist auf dem Weg hierher."
Kazé lächelte zufrieden.
„Sehr gut. Ich werde ihn nun empfangen."
Daisy schüttelte den Kopf. „Wenn Ihr zurücktretet, dann werde ich es auch tun. Und ich werde verschwinden – genau wie Ihr."
Reia nickte langsam. „Wenn Ihr ihn regieren lasst, dann trete ich ebenfalls zurück."
Kazé seufzte.
„Ihr werdet mich nicht umstimmen. Ich gehe ihn jetzt empfangen."
Ende des Rückblicks
Kazé kniff die Augen zusammen, als sie sich die alten Erinnerungen in den Kopf rief.
Sie ballte unbewusst ihre Fäuste.
{Habe ich damals die richtige Entscheidung getroffen...?}
Doch sie schüttelte den Gedanken ab.
Ihre Vergangenheit holte sie wieder ein.
Und dieses Mal würde sie nicht einfach so verschwinden.
Mit entschlossenen Schritten machte sie sich auf den Weg zurück ins Dorf – mit Daisy an ihrer Seite.
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