Teil 2
Saint Jones ist eine kleine Küstenstadt. Die engen Gassen rundum das Zentrum lassen keinen Wagen durch, was den Fußgängervekehr natürlich fördert. Der Tourismus boomt und lockt die Menschen durch zahlreiche Restaurants, Bars und Clubs gerade zu an.
Ich parke meinen Wagen und bleibe hinter dem Steuer sitzen. Saint Jones ist keine Großstadt, doch die Suche nach Maddie wird mir dadurch nicht erleichtert. Irgendwo hier, unter all den Menschen die sich auf den Wegen tummeln könnte sie sein. Mein Herz schlägt schnell auch wenn das mögliche Wiedersehen unter keinem guten Stern steht. Ich beschließe erstmal etwas frische Luft zu schnappen und mich durch die Gassen zu bewegen.
Am beliebtesten Hotspot - dem Grand Superior Restaurant - bleibe ich stehen. Es ist das beste Restaurant der Stadt und stets ausgebucht. Das weiß ich noch, denn ich war früher schon einmal hier. Menschen die mir auf dem Weg begegnen grüßen freundlich, was typisch für diese Gemeinde ist - sie nehmen Fremde von außerhalb stets gerne auf.
Ich laufe also erstmal ziellos durch die Gegend, schaue mir an was sich in den Jahren verändert hat und beobachte die Frauen, die mir entgegen kommen. Keine von ihnen ist Maddie.
Nach einer gefühlten Ewigkeit beschließe ich, daß Hotel aufzusuchen. Es liegt etwas außerhalb, weshalb ich doch wieder in den Wagen steige und dem Steinweg bis zum Hotel folge.
Das Hotel ist riesig. Von außen wirkt es Hotel eher wie ein düsteres Herrenhaus aus der Dynastie, aber innen ist es hell und freundlich. Steinbänke mit dazu gehörigen Tischen werden genutzt um Wartezeiten zu überbrücken oder aber die Ankunft von Familien abzuwarten. Der Kronleuchter der die Mitte des Raumes dominiert versprüht seinen Charme des 18. Jahrhunderts - und auch wenn alles andere neumodern ist, fügt er sich perfekt ein.
Rundherum verläuft eine Mauer, die die Privatsphäre der Gäste zu schützen weiß. Am Empfang selbst rattert die freundliche, aber leicht genervte junge Frau, die mir ein Zimmer zu weist die üblichen Worte herunter. Sie zeigt auf einen kleinen Wegweiser der sich alle paar Meter finden lässt und auf dem die Richtung des Pools angewiesen wird. Gleichzeitig erklärt sie das sie den Garten mit frischen Blumen aus Nahost aufgehübscht haben um zum verweilen einzuladen.
Auf die Frage ob ich am Penthouse interessiert bin, das sich ganz oben mit Balkon und anderen Vorzügen befindet, antworte ich mit einem knappen JA. So hoch oben bin ich dem Himmel näher als der Hölle, die sinnbildlich für mein Versagen aber auch für Cassy steht. Die Formalitäten werden geprüfte und abgeschlossen und als sie nach meiner Kreditkarte verlangt zögere ich - so könnte meine ungeliebte Frau mich finden, was ich auf jeden Fall vermeiden möchte - doch schließlich kann ich mich mit der Angestellten auf eine Rechnung einigen, die ich dann nach meinem Besuch hier bezahlen werde.
___
Die Eingangshalle empfängt mich mit frischen Blumen als ich den Aufzug Richtung Penthouse verlasse. Mit einer Tasche im Schlepptau nutze ich die Schlüsselkarte, schiebe die Doppeltüren langsam auf und sehe mich um.
Ein riesiges Wohn und Esszimmer, welches schlicht in Weiß gehalten ist und durch die dunklen Möbel ergänzt wurde scheint das Zentrum zu sein. In der Ecke entdecke ich eine kleine Minibar, deren durchsichtiger Kühlschrank auf viel hochprozentiges hinweist.
Zu meiner linken ist das Bad, welches groß genug ist um darin gut und gerne 10 Menschen Platz zu bieten. Die freistehende Whirlpool - Wanne dominiert den Raum. Es sieht hübsch aus, doch beeindrucken tut es mich nicht. Wäre ich nur hier um Urlaub zu machen oder Geschäfte abzuwickeln würde ich dem ganzen weitaus mehr Anerkennung zollen.
Zu meiner rechten befindet sich das Schlafzimmer mit integriertem, begehbarem Zwischenraum, der als Kleiderschrank dient. Das King-size Bett wirkt glamourös und viel zu übertrieben wenn man bedenkt das man darin nur schläft.
Als ich meine Sachen aus der Tasche räume fällt mir mein Handy in die Hände. Keine neuen Nachrichten, keine verpassten Anrufe. Ich schicke Gonzo eine kurze Nachricht um ihn wissen zu lassen das ich angekommen bin und er antwortet prompt mit einem " Viel Glück. " - was ich durchaus auch brauche. Außer ihm weiß niemand sonst das ich hier bin und ich hoffe das er dicht hält, damit Isabella Maddie nicht vorwarnen kann.
Auf dem Balkon blicke ich auf die Lichter der Stadt herab. Der Wind peitscht wütend durch die Luft und zersaust mein Haar. Gegen das Geländer gelehnt schweifen meine Gedanken zu dem Menschen ab, für den ich all das hier auf mich nehme. Ich muss sie finden und ihr sagen, was ich an diesem verhängnisvollen Wochenende verpatzt habe... Selbst wenn sie mich danach weg schickt, so habe ich doch alles versucht was in meiner Macht steht.
Irgendwann, spät am Abend, liege ich bereits im viel zu großen Bett und fühle mich einsam. Ich starre an die Decke und denke an die Momente zurück in denen ich mich wieder lebendig gefühlt habe und an denen Maddie einen sehr großen Anteil hat. Allein der kurze Funke genügt um mich mit einem leichten Lächeln einschlafen zu lassen.
___
Der nächste Morgen bricht herein und durchflutet mich mit Hoffnung. Ich drehe meine Runden im Garten der Anlage, dusche danach und mache mich bereit, mit der Suche zu beginnen. Als Outfit wähle ich eine schwarze Jeans und ein weißes Hemd, das ich am Kragen offen lasse damit es mich nicht einengt, dann kümmere ich mich um meine Frisur. Der wilde Look mag ja nach dem aufstehen ganz nett aussehen, doch ich brauche mehr als das um Maddie zu finden und zu überzeugen, also schnappe ich mir etwas Pomade und bändige die Wildheit - aber nur minimal, denn ich bin immer noch Ich.
Zielstrebig laufe ich die Rezeption an und ernte auf dem Weg dorthin für meine äußere Erscheinung ein paar Blicke anderer Gäste, hauptsächlich Frauen. Ich will nicht sagen das ich nicht auch einen Blick riskiert habe, aber keine von ihnen kann mir das bieten, was ich hier letztlich suche und so verkneife ich mir einen dummen Kommentar und konzentriere mich gänzlich auf die Dame vor mir.
Von ihr lasse ich mir - neben dem Grand Superior - andere beliebte Spots für die Menschen der Stadt auf einer Karte zeigen. Schließlich bitte ich sie, diese einzukreisen und sie tut es, weil sie mich sicher für einen versnobbten, reichen Langweiler hält. Mit einem freundlichen und etwas zu dick aufgetragenem Lächeln verabschiede ich mich, greife nach der Karte und verlasse das Hotel. Es wird Zeit Maddie zu finden.
___
Die meisten angeblich interessanten Adressen wie das Kolosseum - Kino stellen sich als Pleite heraus, mir bleiben nur noch zwei Spots. Das Restaurant selbst und ein Club der den Namen LOFT trägt - das aber aktuell geschlossen hat. Mir bleibt nichts anderes als das Restaurant zu betreten und schon verfange ich mich in sinnlosen Diskussionen über einen Tisch, weil das Restaurant wie üblich komplett ausgebucht ist. Das ich hier eigentlich nicht Speisen, sondern mich nur einmal umschauen möchte interessiert die gut betuchte Dame in ihrem viel zu engen Etuikleid nicht. Die verzieht die rot glänzenden Lippen und setzt zu einer neuen Tirade an, als ich mich kurzerhand dafür entscheide einfach zu gehen.
Genervt bleibe ich einige Meter vom Restaurant entfernt stehen. Langsam ist es Mittag und die Geschäftsleute in Anzügen fluten die Gassen. Ich gebe die Hoffnung gerade etwas auf, als ich sie höre. Die eine Stimme, die sich in meine Erinnerungen gebrannt hat wie keine zweite.
Maddie.
Sie ist hier. Meine Augen suchen hektisch die Menschenmenge ab, bis ich sie endlich entdecke... Und mir das Blut in den Adern gefriert. Ein 2 Meter Schrank von Typ hält ihr gerade die Tür zum Restaurant auf, was sie mit einem sanften Lächeln quittiert. Ich weiß zwar nicht wer er ist - bin aber unfähig meine Füße aufzuhalten die sich langsam in ihre Richtung bewegen. Als würde ich von einer fremden, nicht sichtbaren Macht dazu angeleitet ihr zu folgen.
Wieder einmal hält mich die Dame im Etuikleid auf. Ihr strenger Blick duldet keine weiteren Worte und Diskussionen, also tue ich das einzige was ich in diesem Moment machen kann.
„ Maddie! MADDIE! “
Beim Klang meiner Stimme erstarrt sie und bleibt augenblicklich stehen. In Zeitlupe dreht sie sich herum und sucht mich, bis ihre Augen an meinem Gesicht hängen bleiben. Der Schock in ihren Augen weicht und wird durch etwas anderes, das ich nicht genau benennen kann ersetzt. Ich weiß nicht recht was ich erwartet habe - das sie sich wieder umdreht und hinein geht jedoch nicht.
Eine halbe Stunde laufe ich nervös auf und ab, bis der 2 Meter Typ am Eingang erscheint und mich arrogant mustert. Er hält ihr wieder die Tür auf und legt ihr provokant die Hand auf den Rücken, was mir gar nicht gefällt... Aber dafür habe ich jetzt keine Zeit. Ich laufe ihr entgegen, und auch wenn sie den Kopf gesenkt hat und mich nicht ansieht weiß ich, daß sie meine Anwesenheit wahrnimmt.
„ Maddie... Hi, ich... “
Keine Ahnung was ich gerade sagen soll - solange der Typ an ihrer Seite steht fällt es mir schwer, besonders wenn man die Menschen um uns herum bedenkt. Nach kurzem zögern richtet Maddie ihren Blick auf den Typen neben sich und gibt ihm zu verstehen das er sich zurück ziehen soll. Es ist mein Moment, meine Chance. Auch wenn es nicht viel ist.
„ Was machst du hier? “ fragt sie schließlich. Sie meidet Augenkontakt, konzentriert sich auf alles mögliche nur um mich nicht ansehen zu müssen. „ Ich hab dich gesucht. Ich... Ich muss mit dir reden. “ murre ich. Gerade könnte die Umgebung nicht unpassender sein.
Endlich sieht sie mich an. Der Schmerz in ihrem Gesicht ist fast greifbar, als würde sie mich damit strafen wollen - was ihr auch auf Anhieb gut gelingt. Es ist meine Schuld das sie mich so ansieht.
„ Geht nicht. Ich muss zurück zur Arbeit. Also dann, machs gut. “
Bevor sie abhauen kann, greife ich nach ihrer Hand. Die Berührung setzt mich fast in Flammen und auch sie zuckt zurück. Der kleine Funken Hoffnung neigt dazu, erneut Funken zu sprühen.
„ Dann nach der Arbeit!? Wenn du mir sagst wo du arbeitest hole ich dich ab. “ murre ich hektisch. „ Bitte... Ich weiß du willst mich gar nicht sehen oder mir zu hören, aber ich bitte dich, Maddie. Gib mir fünf Minuten. Wenn du danach sagst das ich verschwinden soll tue ich das, ich verspreche es. Aber bitte gib mir die Chance. “
Ihr seufzen ist nicht zu überhören. Ihr Blick gleitet über mich, bleibt am offenen Kragen für einen Moment hängen und verfängt sich dann wieder in meinem Gesicht.
„ Coral Ecke Mylo. Ich hab um 18 Uhr Feierabend. “ sagt sie schließlich. Die Schwere die auf meinen Schultern gelegen hat nimmt etwas ab. Mit einem letzten Blick in meine Augen verschwindet Maddie schließlich.
___
Es ist kurz vor 18 Uhr. Ich war noch einmal im Hotel, habe mir etwas zu Essen herunter gezwungen und mich mit einigen Dingen befasst, ehe ich duschen war und mich umgezogen habe. Komplett in schwarz gekleidet warte ich im Wagen, ich bin nervös.
Maddie taucht pünktlich auf und ich verlasse meinen Wagen.
Ihre Schritte verlangsamen sich als ich auf sie zu komme und zum ersten Mal - ohne den Trubel der Passanten - habe ich Zeit sie mir genau anzusehen. Sie wirkt dünner als noch vor einiger Zeit. Der blaue Bleistift Rock schmeichelt ihren Beinen jedoch und passt perfekt zur weißen Bluse. Misstrauisch sieht sie mich an, folgt mir dann aber wortlos zum Wagen und steigt ein.
Noch einmal tief durch atmen - und jetzt bloß nichts falsch machen! - mahne ich mich selbst.
Auf dem Weg zum Hotel ist die Luft zwischen uns gefüllt mit Anspannung, die ich nicht einfach so weg reden kann. Ich weiß das es dazu mehr benötigt als ein paar nette Worte. Da ich aber mehr auf Gesten setze bleibe ich still, parke schließlich und warte bis sie neben mir erscheint. Nicht ganz freiwillig folgt sie mir bis ins Penthouse, wo bereits eine Überraschung auf sie wartet :
Die Angestellten haben einen Tisch und zwei Stühle mitsamt einem üppigen Buffet auf dem Balkon aufgebaut. Das leicht gedimmte Licht lässt den Lärm der Welt vergessen als ich Maddie bitte sich zu setzen. Sie wirkt als sei sie auf dem Sprung, bereit direkt wieder zu gehen und ich muss mich sputen, ihr alles zu erklären.
„ Maddie... Ich kann dir gar nicht sagen wie froh ich bin dich gefunden zu haben. “ beginne ich, doch Maddie hebt direkt die Hand. „ Können wir das ganze abkürzen, Billy? Es ist ja ganz nett was du hier vorbereitet hast, aber ich habe noch ein paar Sachen zu erledigen und... Mein Freund wartet sicher schon auf mich. “
Wow.
Ich kann den Schmerz und die Enttäuschung kaum verbergen.
Die Worte bleiben mir im Hals stecken und Minuten vergehen ohne ein Wort, bis Maddie schließlich hörbar aus atmet und aufsteht. Mit einem letzten Blick auf mich und das Ambiente will sie schließlich gehen und ist schon fast an der Tür, als meine Beine sich endlich bewegen. Ich erreiche sie, halte den Aufzug auf und bleibe dicht hinter ihr stehen. Mir entgeht nicht wie sie zittert.
„ Ich hab lang drüber nachgedacht was ich sagen würde, wenn ich dich je wieder sehen könnte. Lange Reden, die, wenn ich mir die Situation gerade so betrachte, wohl jetzt nichts bewirken. Ich weiß das ich dir weh getan habe, weil ich nicht direkt ehrlich war. Aber nichts von alldem was ich mit dir an diesem Wochenende erlebt habe war gelogen. “ flüstere ich. Meine Fingerspitzen ertasten ihren Arm. „ Alles was wir an diesem Wochenende hatten war echt. Ich habe jedes Wort so gemeint wie ich es gesagt habe. Ich habe dich gesucht und gefunden und jetzt sind wir hier, also lauf nicht weg. Gib mir die Chance... “
Ihr weinen lässt mich verstummen. Tiefe Seufzer schütteln sie regelrecht durch.
„ Ich hab dir vertraut, Billy. Ich hab dir alles gegeben was ich hatte. Du hast gewusst das ich unsicher bin, verletzlich... Und du hast trotzdem weiter gemacht. Du hast gewusst das ich mich in dich verliebt habe und du hast trotzdem... “
Sie wehrt mich nicht ab als ich sie in den Arm nehme. Mit ihrem Rücken an meiner Brust wirkt es fast so, als würde ich sie hindern zu gehen - was ja irgendwie auch stimmt. Aber gleichzeitig... Will ich einfach die Schande die ich über uns gebracht habe verdrängen und für sie da sein.
„ Ich hab Mist gebaut, Maddie. Das weiß ich. Ich hätte dir von Cassy und der ganzen Scheiße erzählen sollen und hab es nicht getan. Ich dachte, das es sich schon irgendwie regelt. Aber ich weiß dass das falsch war. Ich bin nicht mehr ich selbst, seit du weg bist. Aber ich bin hier... Ich habe dich gefunden. Lass mich wieder gut machen was ich angerichtet habe. “
Sie sackt gegen mich und ich halte sie - so bleiben wir einige Minuten stehen. Schließlich rührt sie sich und löst meine Umarmung. Als sie sich zu mir dreht und mich ansieht sehe ich viele Emotionen auf einmal.
„ Es ist spät. Mein Freund macht sich sicher schon Gedanken wo ich bleibe. “
Unfähig etwas zu erwidern beobachte ich sie, wie sie in den Aufzug steigt. Das Wort
" FREUND " , das ihr vorhin nicht einfach so als Ausrede heraus gerutscht ist, schlägt tiefe Narben in mein Fleisch. Ich kann die Tränen, die sich in meinen Augen bilden gerade noch so zurück halten.
„ Maddie... “
Die Aufzug Türen schließen sich langsam und Maddie's Maske der Unberührtheit und Coolness fallen. Ich sehe ihr an, was dieses Treffen ihr wirklich bedeutet. Bevor sie jedoch endgültig vor meinen Augen verschwindet höre ich, wie sie meinen Namen haucht.
„ Billy... “
Und dann ist sie weg... Und ich, der sich gerädert und ausgelaugt fühlt, bleibe zurück.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro