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Interlude_Spring Day

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writingwinter
Mein Herz ist kaputt. Es wird durch eine dicke Schicht Tesafilm zusammengehalten. Heute wickle ich eine neue Schicht darum, weil ich schon wieder das Gefühl habe, dass es auseinanderfällt. Aber eigentlich ist es nicht mein Herz. Ich bin es selbst. Ich falle auseinander.

Durch das Zugfenster fallen warme Sonnenstrahlen, aber in mir drin ist es bitterkalt. In meinem Herzen schneit es.
Vor 43 Minuten

* * *

Yoongi steckt sein Handy weg.
Heute ist einer der schlimmen Tage.

Er steht am Bahnsteig, weil er es in seiner Wohnung nicht mehr ausgehalten hat. Es ist jetzt schon viel zu warm draußen, obwohl die Sonne gerade erst aufgegangen ist. Hoffentlich ist der Zug ordentlich klimatisiert. Er hasst es, wenn es so warm ist und er trotzdem friert.

Yoongi hat seinen Laptop dabei. Und auch ein paar Sachen. Seine Notfalltasche sozusagen, weil er nicht weiß, wo seine Reise heute Abend enden wird.

Er hat vor zu schreiben, bis sich der Schneesturm in seinem Inneren gelegt hat. Vielleicht ist es wieder Frühling, wenn er aufhört zu schreiben. Oder vielleicht fallen nur noch vereinzelte Flocken von Himmel seines Herzens. Beides würde ihm reichen. Hauptsache es wird irgendwie besser.

An manchen Tagen braucht er einen fahrenden Zug, damit er seine traurigen Gedanken in Worten festhalten kann. Wenn die Gefühle auf dem Papier stehen, dann kann er sie selbst loslassen. Schreiben ist eines der Dinge, die ihm immer helfen. Und wenn er dabei fortbewegt wird, hat er noch mehr das Gefühl, dass er tatsächlich irgendwann einmal irgendwo ankommen könnte.

Manchmal schreibt er stundenlang. Die gespeicherten Geschichten auf seinem Laptop bilden eine ganze Eiszeit. Jede einzelne von ihnen beherbergt den Winter in seinem Kopf. Weil er nie weiß, wie lange es dauert bis der Schneesturm aufhört, hat er immer eine kleine, gepackte Reisetasche in der rechten Ecke seines Schrankes stehen. An manchen Tagen dauert das kalte Gedankenwetter so lange an, dass er nicht mehr umkehren kann. Oft denkt er darüber nach, ob er überhaupt noch umkehren sollte. Ihn hält wenig im grauen Daegu. Aber wo sonst sollte er hin? Ein Ort kann dich nicht festhalten, wenn du selbst nicht weißt, wo du bist.

„Bitte treten Sie einen Schritt zurück. Der KTX 238 aus Seoul fährt nun auf Gleis drei ein. Weiterfahrt in Richtung Busan."

Yoongi möchte ans Meer. Er weiß nicht, ob Busan reichen wird. Vielleicht muss er weiterfahren und noch mehr schreiben, bis er endlich mit dem Weiterfrieren aufhören kann. Heute zählt nichts. Nicht mal die Arbeit. Er hat sich krankgemeldet. Er muss weg hier. Weg aus seinem eigenen Kopf.

Der Schritt in den Zug ist ein Anfang.

Er setzt sich in ein fast leeres Abteil. Der KTX ist selten voll, vermutlich gehört er deswegen zu Yoongis Lieblingsstrecken. Er kann sogar einen freien Vierersitz ergattern. Diese kleinen Gruppen mit einem ausklappbaren Tisch, auf dem er seinen Laptop deponieren kann. Die Reisetasche packt er in die Ablage über sich.

Das Schreibprogramm ist geöffnet, noch bevor der Zug die Chance erhält loszufahren. Yoongi sitzt zwar direkt am Fenster, aber er bekommt nicht viel von seiner Umgebung mit. Draußen ist Sommer. Die Klimaanlage surrt leise. Das übergroße schwarze T-Shirt klebt leicht an seinem Rücken. In seinem Kopf schneit es. Wenn die eigenen Gedanken schwer sind, dann ist nichts mehr leicht.

Die ersten Worte fallen ihm zentnerschwer auf die Tastatur.

Yoongi tippt die Überschrift „Snowy Heart" in das leere Dokument. Schwarze Buchstaben auf weißem Hintergrund. Sie bedeuten nichts, bis er ihnen Bedeutung verleiht. Er ist der Künstler. Das hier ist seine Leinwand.
Schwarze Buchstaben im Schnee. Er ist ein Eismaler.

Der Singular fühlt sich so einsam an wie er selbst. Er macht einen Plural daraus. Snowy Hearts. Er wünscht sich, es wäre auch in der Realität so einfach dem Alleinsein zu entkommen. Nur einen einzigen Buchstaben ergänzen.

Warme Sonnenstrahlen funkeln durch das große Fenster. Seine Tastatur erwärmt sich unter dem Licht. Seine Hände fliegen über die Tasten. Er wird heute so lange schreiben, bis es Frühling geworden ist.

Yoongi weiß nicht mal, worüber er schreibt. Vielleicht klingen seine Geschichten alle gleich, weil er gedanklich immer im gleichen Mindset verankert ist. Aber er kann nicht anders denken. Wenn er es könnte, dann wäre er selbst ein anderer, oder? Wer sind wir, wenn nicht unsere Gedanken? Und Yoongi bestimmt seine Gedanken nicht selbst. Sie bestimmen ihn.

Er tippt wie im Wahn. Zum Glück ist der Sitz relativ bequem. Er wird stundenlang hier sitzen können. Seinen Körper spürt er kaum. Er ist taub.
Es gibt nicht viele Zwischenstopps auf der Strecke nach Busan. Insgesamt also nur wenig Bewegung um ihn herum, nichts wird ihn unterbrechen. Yoongi mag die Monotonie. Die Stille. Dieses Gefühl in Bewegung zu sein, obwohl sich in ihm selbst nichts bewegt. Er wird bewegt. Das ist viel leichter.

Ab und an greift er nach seiner Wasserflasche und trinkt einen vorsichtigen Schluck. Nicht, weil er durstig ist. An diesem Punkt der Depression spürt er nicht mal mehr grundlegende körperliche Bedürfnisse. Er trinkt nur, weil er rein objektiv betrachtet weiß, dass sein Körper die Flüssigkeit braucht. Hat er heute Morgen gefrühstückt, bevor er die Wohnung verlassen hat? Schon ein einzige Stunde fühlt sich so wahnsinnig weit entfernt an. Seine trockenen Lippen reiben wie Schmirgelpapier aneinander. Es ist unangenehm. Hat er einen Labello in seiner Notfalltasche? Yoongi kann sich nicht daran erinnern. Seine Gedanken stecken auf der Seite fest. Er ist schon auf der zweiten. Es wird eine traurige Geschichte. Das hat er schon bei der Überschrift bemerkt. Schade. Er würde so gerne etwas Hoffnungsvolles schreiben.

Als der Sitz neben ihm durch das Gewicht einer anderen Person eingedrückt wird, bemerkt Yoongi es kaum. Er hebt nur kurz den Blick, um das restliche Zugabteil zu kontrollieren. Sie stehen kurz vor der Abfahrt. Es sind immer noch fast alle weiteren Plätze frei. Auch die beiden Sitze gegenüber.

Es ist ungewöhnlich, dass sich jemand direkt neben ihn setzt, obwohl es so viele andere Alternativen gibt. Wir halten höflichen Abstand zu den Mitreisenden. Denn wenn jemand alleine unterwegs ist, dann möchte er doch sicher auch alleine sein, oder? Wir wollen uns nicht aufdrängen, nicht aufdringlich sein. Wir halten Abstand.

Jetzt ist Yoongi doch verwirrt von dieser unfreiwilligen Nähe, die nicht einmal notwendig ist.

Sein Sitznachbar ist jünger als er. Er trägt eine schwarze Cap und hat seine Haare darunter versteckt. Eine große Ray-Ban Sonnenbrille verdeckt den Großteil seines Gesichts. Auf seiner Haut befindet sich nicht die kleinste Unreinheit. Nicht mal ein Muttermal oder ein Leberfleck ist zu sehen. Seine Lippen sind herzförmig. Sie verziehen sich zu einem frechen Grinsen.

Er stört sich nicht an Yoongis ausdauernder Musterung. Vielleicht ist er es gewöhnt, angesehen zu werden. Er ist hübsch. Auf eine jugendliche, erfrischende Weise. An seinen Ohren baumeln mehrere Ohrringe und ein Helix-Piercing. Es gibt viel zu sehen und Yoongi sieht hin.

Ist es unhöflich seinen Sitznachbarn so anzustarren? Es ist sicherlich auch unhöflich, sich in einem fast leeren Zugabteil direkt neben einen anderen Menschen zu setzen.

Yoongi beschließt kurzerhand, dass die unerwartete Begegnung der Protagonist in seiner neusten Geschichte sein wird. Bislang hat er nur den Hintergrund skizziert. Aber das allein reicht nicht für eine gute Geschichte. Sie braucht auch eine Handlung und authentisch agierende Figuren. Er kommt deswegen nie auf die Idee, dass er selbst ein Protagonist sein könnte. Er handelt nie.

Der Zug fährt an. Und nur deswegen kommt Yoongi in Bewegung.

Er blinzelt träge. Der Fremde wird die Hauptrolle in seinem Stück einnehmen. Er sieht aufregend aus. Lebendig. Als hätte er nur deswegen herzförmige Lippen, um damit ein schneegekühltes Herz zu erwärmen. Yoongi wendet sich erneut seinem Bildschirm zu und beginnt zu schreiben.

Er schafft ca. fünf weitere Absätze, bevor ihn ein höfliches Räuspern aus seiner gedanklichen Eiszeit zieht.

„Entschuldigen Sie", ertönt eine selbstsichere Stimme von rechts. Sie ist etwas tiefer, als Yoongi zuvor angenommen hätte. Sie klingt älter, als der junge Mann aussieht, und ist trotzdem genauso verspielt wie der Schmuck an seinen Ohren. „Arbeiten Sie? Sind Sie Schriftsteller?"

Yoongi schüttelt den Kopf. Er ist überrascht von der plötzlichen Ansprache und überlegt lange, ob er überhaupt darauf reagieren soll. Eigentlich mag er Unterhaltungen. Aber das sind andere Tage, bessere Tage. Heute ist alles in ihm taub. Wie soll er da sprechen können? Er braucht einen Moment, bis er die Worte wie einen Schneeball geformt hat. Er wirft sie nicht. Lässt sie nur kraftlos zu Boden fallen.
„Nein. Keine Arbeit. Ich... schreibe nur."

„Und über was schreiben Sie?", erkundigt sich der Fremde weiter. Er hat seinen Oberkörper interessiert Yoongi zugewandt und lehnt trotzdem lässig in seinem Sitz zurück. Sein rechtes Bein ist angewinkelt, lehnt über dem linken. Seine Jeans hat große, ausgefranste Löcher an den Knien. Yoongi kann die zarte Beinbehaarung und die kräftigen Muskeln darunter erkennen. Sein Sitznachbar wirkt ein bisschen so, als würde ihm dieses Zugabteil gehören. Aber es ist nur seine Haltung, sondern vor allem die Ausstrahlung, die ihn umgibt. Er wirkt wie jemand, der es gewohnt ist zu bekommen, was er haben möchte.

Yoongi weiß nicht, was er antworten soll. In seinem Kopf fallen dicke Flocken und vernebeln ihm die Sicht. Er spricht nicht oft über die Texte, die er schreibt. Selbst mit seinen besten Freunden nicht. All seine Geschichten malen traurige Bilder. Niemand redet gerne über traurige Dinge.
Schließlich entscheidet er sich für eine unverbindliche Antwort. Er räuspert sich und sagt: „Über den Winter."

Der Fremde wirkt erstaunt.
„Aber es ist Sommer", ist seine erste Reaktion. Dann kichert er verlegen über sich selbst. „Was ja natürlich nicht heißt, dass man nicht trotzdem über den Winter schreiben kann. Ich versteh schon."

Yoongi widerspricht ihm intuitiv. Außerdem glaubt er nicht, dass der andere wirklich verstanden hat.
„Es ist nicht überall Sommer."

Sein Gegenüber nickt wieder zustimmend, obwohl er Yoongis Metapher vermutlich einfach wörtlich nimmt. Dabei ist der Winter nicht immer eine rein deskriptive Beschreibung einer Jahreszeit. Viel zu oft ist es auch ein Gefühl.

„Mhm. Also eine Art Reisebericht?", fragt er. Aus seiner Nachfrage spricht genau dieses Missverständnis. Der junge Mann kennt den Winter nur aus seiner Umgebung. Er weiß nicht, dass er auch innen sein kann.

„Nein", schüttelt Yoongi den Kopf. Er könnte so viel mehr dazu sagen. Erklären, dass sie gerade aneinander vorbei gesprochen haben, sein Sinnbild erläutern. Stattdessen sagt er: „Eher eine... Art... Kurzgeschichte", und sagt damit rein gar nichts aus.

„Also sind Sie doch ein Autor!", schlussfolgert der Jüngere. Seine Augen sind weiterhin unter der Ray-Ban Sonnenbrille verborgen. Aber in seinem Ohrschmuck bricht sich das Licht und lässt ihn funkeln wie teure Diamanten. Alles an ihm wirkt erhaben.

Yoongi nimmt einen kleinen Schluck aus seiner Wasserflasche. Seine Lippen sind immer noch so trocken. Ob er nicht doch einen Labello dabei hat? Er könnte jetzt danach suchen. Vielleicht zählt es als Ausrede, das Gespräch an dieser Stelle zu beenden. Er möchte wieder mit den Kopf in den Seiten versinken. Er wird anderen nie erklären können, dass der Winter für ihn keine Jahreszeit, sondern sein Herz ist.

Er schüttelt den Kopf.
„Ab wann ist man denn ein Autor? Ich würde mich nicht so bezeichnen. Autoren schreiben für andere. Das tue ich nicht."

„Schreiben Sie etwa nur für sich?"

„Meistens schon."

„Und wenn ich jetzt etwas von Ihnen lesen wollen würde? Weil wir uns im Zug begegnet sind und ich Sie interessant finde und mehr von Ihnen erfahren will?"

„Dann würde ich Ihnen nicht glauben", entgegnet Yoongi trocken. Dann wendet er den Blick ab und beginnt zu schreiben. Vielleicht ist ihre Unterhaltung ein guter Initiator für die Handlung in seiner Geschichte. Er konnte auf dem Papier schon immer mehr aus zufälligen Begegnungen machen als in der Wirklichkeit. Ein neugieriger Fremder auf antarktischer Expedition. Er ist auf der Suche nach dem Frühling und vergisst dabei, dass manche Länder nur eine Jahreszeit kennen.

Sowas klingt spannend. Und nicht sein Leben.

Es kehrt eine Weile Ruhe zwischen ihnen ein.
Der Zug hat mittlerweile Daegu verlassen und gleitet ruhig durch die Landschaft. Der sommerliche Morgen zerfließt langsam in einen traumhaften Sonnentag. Es ist kalt.

Yoongi fühlt den Blick des Fremden auf ihm ruhen, aber vielleicht blickt er auch nur über ihn hinweg aus dem Fenster. Dort gibt es mehr zu sehen, als Yoongi zu bieten hat. Die Wörter auf den Seiten verschwimmen zu einem ganzen Text. Er hat keine Ahnung mehr, was er da eigentlich gerade schreibt. Der Schneesturm in seinem Kopf verdichtet sich zu einer Lawine und begräbt ihn unter ihm. Er hört auf zu schreiben. Braucht einen Moment, um durchzuatmen.

„Geht es Ihnen gut?", erkundigt sich der junge Mann neben ihm sofort. Er versteht Yoongis Stocken falsch. Macht aus ihm vielleicht eine neue Gesprächseinladung. Yoongi braucht keinen Smalltalk, keine besorgt verzogenen, herzförmigen Lippen. Er braucht den Frühling.

Yoongi nickt beiläufig. „Natürlich" antwortet er automatisiert. „Warum fragen Sie?" Als wäre sein Verhalten nicht schon offensichtlich genug.

„Sie schreiben so traurige Dinge", kommt die überraschende Antwort.

„Haben Sie etwa mitgelesen?"

Der Fremde nickt. In seinem Gesicht ist keine Spur von Scham zu finden. Viel mehr zeichnet sich eine leichte Sorge auf seinen weichen Gesichtszügen ab. Der Moment ist gekommen, in dem er seine Sonnenbrille auszieht und Yoongi abwartend ansieht. Als würde er auf etwas Bestimmtes warten. Er hat schöne Augen. Noch schöner als sein herzförmiger Mund. Sie sind groß und haselnussbraun und nachthimmeldunkel. Das Licht funkelt in ihnen wie kleine Sterne. Es ist noch verspielter als der Schmuck an seinen Ohren und wieder kann Yoongi nicht wegsehen.

„Das ist unhöflich", reagiert Yoongi trocken. „Noch unhöflicher als sich direkt neben mich zu setzen, obwohl noch so viele andere Sitzmöglichkeiten frei sind."

„Ich wollte Sie kennenlernen", trägt der Fremde sein Herz offen auf der Zunge.

Yoongi reagiert nicht darauf. Die Lawine hat ihn unter sich begraben. Alles, was er jetzt noch von sich geben kann, besteht aus Abwehr. „Was ich schreibe ist privat."
Er liegt unter der Schneedecke und wünscht sich, er wäre anders.

„Das sollte es nicht sein", deklariert der Fremde wiederum. „Sie sind zu gut dafür. Natürlich ist Ihr Text sehr traurig, aber auf eine vertraute Weise. Die Art von Trauer, die einen nicht noch trauriger macht, sondern tröstet."

„Nur ein Narr lässt sich von traurigen Geschichten trösten", antwortet Yoongi stumpf. Er selbst findet in seinen Geschichten keinen Trost. Sie dienen ihm als Ventil. Mehr nicht.

„Das ist Unsinn. Traurige Geschichten verstehen mich. Natürlich ist das auch ein Trost, wenn man kein Narr ist."

„Sie wirken nicht sonderlich traurig."

Die Herzlippen verziehen sich zu einem amüsierten Grinsen. „Jetzt gerade bin ich es auch nicht."

Yoongi schweigt. Blickt zurück auf seinen Laptop. Ist er traurig? Wenn man das Gefühl in seinem Inneren denn so nennen mag. Andere sagen Krankheit dazu. Er fühlt sich nicht krank. Er fühlt sich aber auch nicht so wirklich traurig. Er fühlt sich nach Winter und vielleicht ist das wirklich noch einmal etwas anderes. Er ist winterkrank.

„Aber wenn ich das nächste Mal traurig bin, würde ich gerne Ihre Geschichten lesen, um mich von Ihnen trösten zu lassen", ergänzt der Fremde seine vorherige Aussage. Seine Worte machen das Atmen unter der Schneedecke leichter. Yoongis Hände entkrampfen sich.

„Wie gesagt, ich veröffentliche nichts", winkt er trotzdem erneut ab. Wenn deine natürliche Umgebung ein eiskaltes Schutzschild ist, kannst du nicht mal dann auftauen, wenn du es wirklich willst. Seine Zunge fühlt sich taub an. Der Winter spricht mit ihr. Er will dem Fremden eine Chance geben, aber er weiß nicht wie. Er trinkt noch einen Schluck.

Sein Sitznachbar wirkt enttäuscht. Seine Lippen verziehen sich zu einem außerordentlichen Schmollen. Seine Miene spiegelt seine gesamten Emotionen wider. Er kann sie innerhalb eines einzigen Augenaufschlags verändern. Yoongi blickt ihn an. Er lächelt. Blinzeln. Er blickt ihn immer noch an. Jetzt ist es abwartend. Blinzeln. Ein verspielter Zug um seine Mundwinkel.

Es ist wie eine elegante Art der Pantomime. Es ist nicht lustig oder so. Aber vielleicht ist es trotzdem nur gespielt.

„Dann muss ich jetzt also Ihren Laptop stehlen, damit ich noch einmal etwas von Ihnen lesen kann?", fragt er herausfordernd. Mit den geschürzten Lippen und den großen runden Augen wirkt er beinah wie ein bratziges Kind. Als wäre er bereit dazu, sich gleich auf dem Schulhof um sein Pausenbrot zu streiten. Es vor den anderen zu beschützen, vielleicht.

„Ich habe einen Instagram-Kanal", knickt Yoongi schließlich ein. Er kann dem Blick nicht standhalten, obwohl er eher passiv, als wirklich aggressiv ist. Nichtsdestotrotz bestimmend und Yoongi wird gerne von anderen bewegt.
„Manchmal veröffentliche ich dort kurze Ausschnitte aus meinen Geschichten. Oder schreibe einfach nur meine Gedanken auf."

„Das klingt super", freut sich sein Sitznachbar. Blinzeln. Seine Lippen verziehen sich jetzt zu einem großen Lächeln. Er offenbart eine Reihe makelloser, weißer Zähne. Die vorderen Schneidezähne sind etwas zu lang. Sie lassen ihn noch frecher und jugendlicher wirken, unterstreichen den gesamten Eindruck ganz natürlich.

Yoongi kennt den Look. Das Aussehen des Fremden heißt Frühling. Bisher kennt er das Konzept bisher nur aus der Entfernung, deswegen hat er es nicht sofort erkannt. Aber jetzt weiß er, warum er nicht wegsehen kann. Er ist der Winter und es ist faszinierend, einer anderen Jahreszeit nun aus nächster Nähe beim Erblühen zusehen zu können.

„Wie heißt Ihr Kanal?"

„WritingWinter. Zusammengeschrieben. Beides klein. Keine Sonderzeichen dazwischen."

Der Fremde greift augenblicklich nach seinem Handy und öffnet die entsprechende App. Er tippt den Namen ein und Yoongi kann sein Profilbild auf dem Display erspähen.

„Das hier?", wird sich rückversichernd erkundigt. Yoongi nickt. Seine Bilder sind nichts Besonderes. Meistens irgendwelche Stillleben im Zug. Manchmal im Sonnenuntergang. Er spielt gerne mit dem Licht auf seinen Bildern. Es steht im Kontrast zu seinen inneren Schatten. Manchmal postet er auch ein Bild von sich selbst. Zum Beispiel wenn er eine neue Haarfarbe hat. Eigentlich hat er ständig neue Haarfarben. Sein bester Freund ist Friseur. Und Yoongi mag sein Lächeln, wenn er seine neuste Kreation auf Yoongis Kopf bewundert. Es erinnert ihn auch an den Frühling.

Wichtig sind nur die Texte unter seinen Bildern. Sie drücken aus, was Yoongi nicht sagen kann. Niemanden sagen kann.

Er hat nicht viele Follower. Setzt selten Hashtags, postet zu unregelmäßig und hat sich auch ansonsten nur wenig mit den Instagram-Algorithmus auseinander gesetzt. Es geht ihm nicht um die Like-Zahlen. Aber er hofft, dass irgendwann mal jemand auf seine Bildunterschriften stößt und ihn versteht. Deswegen hat er sich damals auf der Webseite registriert. Es ist sein persönliches Pendant zu einer Dating-App. Denn dafür wäre er niemals mutig genug.

Yoongi greift jetzt nach seinem Handy. Er erwartet eine neue Benachrichtigung darüber, dass er einen neuen Follower hat. Er möchte sich ebenfalls das Profil des Fremden ansehen. Sein Gesicht eignet sich viel besser für Social Media. Sicherlich befinden sich unzählige Aufnahmen davon auf seinem Profil. Aber sein Bildschirm bleibt leer.

Ein Blick zur Seite zeigt ihm, dass sich sein Sitznachbar durch die einzelnen Bilder klickt. Keines davon gefällt ihm. Zumindest drückt er nie auf das herzförmige Symbol darunter.

Das geht eine Weile so. Schließlich macht er einen Screenshot von Yoongis Profil und steckt sein Handy wieder weg. Yoongi möchte fragen, warum er ihm nicht folgt. Aber seine Worte bleiben leer. Er fühlt sich zurückgewiesen, ohne einen Grund dafür zu haben. Scheinbar ist sein Kanal doch nicht so super, wie sein Gesprächspartner zunächst antizipierte. Eigentlich sollte Yoongi nicht verwundert darüber sein.
Er blickt zurück auf den Bildschirm und beginnt erneut zu schreiben.

„Wie haben Sie das eben gemeint? Das nicht überall Sommer ist?", fragt der Jüngere nach einer Weile, die er Yoongi beim Schreiben zugesehen hat. Zumindest hat er sich die Texte unter den Bildern durchgelesen und scheint darüber nachgedacht zu haben.

Yoongi überlegt. Seine Hände verharren stumm über der Tastatur. Er hätte die Metapher nicht nennen sollen. Dann müsste er sie jetzt nicht erklären. Es gibt Gefühle, für die hat unsere Sprache noch keine Wörter erfunden und in Neologismen war Yoongi schon in der Schule schlecht. Dabei können sie so viel genauer sein als ein Sinnbild. Wenn wir alle auf den gleichen Erfahrungsschatz zurückgreifen könnten, würden wir uns vielleicht gegenseitig verstehen können. Aber so kann Yoongi die Frage seines Gegenübers nur mit einer weiteren Metapher beantworten. Und bei solchen Antworten bleibt immer eine Leerstelle bestehen, die nur ein Gefühl füllen könnte, welches er mit niemand anderem teilen kann.

„In meinem Herzen ist es immer Winter", sagt er schließlich. Es ist keine Erklärung, aber alles, was er hat. Dann schreibt er weiter. Er friert, obwohl es im Zug nicht annähernd kalt genug dafür ist.

„Das klingt grausam", reagiert der Fremde zeitverzögert. Man merkt ihm an, dass er über die Worte intensiv nachdenkt, bevor er darauf antwortet.

„Der Winter ist nicht grausam", entscheidet Yoongi. Er fühlt sich nicht gequält davon. Er hat sich so daran gewöhnt, dass es zu einem Teil von ihm geworden ist und er ist nicht grausam. Er ist kalt und er ist sanft. Er ist unsicher und er ist stark. Er macht ihn taub und lässt ihn gleichzeitig Dinge so viel intensiver fühlen. Ohne das Einfrieren gäbe es kein Auftauen. Ohne den Schneesturm keinen klaren Himmel. Ohne den inneren Winter würde sich Yoongi nicht vollständig fühlen.

„Mein Herz kennt keine Jahreszeiten."

Yoongi blickt seinen Sitznachbarn wieder an. Er blinzelt. Das strahlende Lächeln ist einer nachdenklichen Miene gewichen. Die haselnussbraunen Himmelaugen sind wolkenverhangen. Die Sterne in ihnen sind weiterhin zu erkennen. Der Ohrschmuck rahmt sein Gesicht. Die Haare immer noch unter eine Cap verborgen. Wenn er nicht lächelt, sieht er nicht nach Frühling aus, sondern eher wie der Herbst. Sein ernster Gesichtsausdruck sind die strahlendroten Blätter im Herbst. Sie bereiten sich darauf vor zu fallen. Und dabei sind sie wunderschön.

Der junge Mann ist der Beweis dafür, dass ein Mensch mehrere Jahreszeiten sein kann.
Und das ist eine Tatsache, die Yoongi vor langer, langer Zeit vergessen hat.

„Doch, ich glaube schon", überlegt er jetzt laut. Er erkennt in dem Fremden so viele Dinge, die er in sich selbst immer wieder vergeblich gesucht hat. „Vielleicht bemerkt man es nur nicht, wenn man selbst der Sommer ist."

„Denken Sie, ich bin der Sommer?" Die Gegenfrage spricht Verblüffung, aber sein Gesichtsausdruck bleibt weiterhin ernst.

„Ich denke, dass wenn Sie lächeln, es Frühling werden könnte. Und nur der Sommer hat die Macht dazu, aus dem Winter einen Frühling zu machen."

„Wow. Das ist das schönste Kompliment, dass ich je bekommen habe."

„Dann bekommen Sie nicht viele Komplimente?", fragt Yoongi nun wiederum verwundert. Er kann seinen eigenen Worten nicht viel Schönes abgewinnen. Dafür sind sie zu überladen mit traurigen Sprachbildern, mit Vergleichen und Metaphern, die zwar Hoffnung versprechen, aber in Wahrheit der Trauer eine Heimat bieten.

„Doch, eigentlich schon", gesteht der Angesprochene ein wenig beschämt. Eine leichte Röte hat sich auf seinen Wangen ausgebreitet. Verlegenheit steht ihm nicht gut. Es passt nicht zu seiner erhabenen Ausstrahlung.

„Dann war das mit Sicherheit nicht das Beste."

„Sie halten zu wenig von sich. Ihr Talent mit Worten umzugehen ist wirklich... beeindruckend."

Yoongi möchte nicht weiter über sich reden. Sie haben schon zu viel gesagt. Er kann mit Komplimenten und Lob nicht umgehen. Sie sind nichts Dauerhaftes, nur ein kurzer Anflug von Bewunderung. Yoongi sucht nach Etwas, das bleibt. Der Fremde neben ihm wird nicht bleiben. Vielleicht steigt er schon beim nächsten Halt des Zuges wieder aus. Er folgt ihm nicht mal auf Instagram. Yoongi ist nicht mehr Wert als einer unter tausend Screenshots, die vergessen auf unseren Handys gelagert werden.

„Was machen Sie beruflich?", fragt er deswegen nun seinerseits.

Der Fremde ist wieder etwas verlegen. Yoongi kann sich nicht erklären, wovon diese Gefühlsregung bei seinem Gegenüber ausgelöst wird. Er trinkt noch einen Schluck, um seine trockenen Lippen erneut zu befeuchten. Dann streicht er mit seiner Zunge darüber. Das Rot auf den Wangen seines Gegenübers vertieft sich. War die Frage zu aufdringlich? Aber er stellte sie doch zuerst.

„Ich bin Model", erklärt sein Sitznachbar zögerlich. „Haben Sie mich nicht erkannt?"

Yoongi schüttelt den Kopf. „Entschuldigen Sie. Ich mache mir nicht viel aus Modemagazinen." Vermutlich sieht man ihm dies auch an. Wenn er die Augen jetzt schließen würde, könnte er nicht einmal sagen, was er sich heute Morgen angezogen hat, bevor er aus dem Haus in Richtung Bahnhof gestürmt ist. Die Notfalltasche fest in seiner rechten Hand. Der Schneesturm in seinem Kopf hat jetzt nachgelassen. Die Flocken fallen weniger dicht. Yoongi hat auch das Gefühl, dass es wärmer geworden ist. Vielleicht hat der Zug ihn nun endlich weit genug von sich selbst wegbewegt. Er beginnt sich zu entspannen. Senkt die Hände auf die Tastatur und lässt sie dort ruhen. Beobachtet die Sterne in nachthimmeldunklen Augen.

„Nicht schlimm. So bekannt bin ich ehrlich gesagt auch noch nicht. Trotzdem hoffe ich manchmal, dass man mein Gesicht auf der Straße erkennt."

Yoongi blickt ihn noch einmal an. Die großen Augen, die gerade Nase, die dunkelroten Herzlippen. Ab jetzt würde er ihn immer und immer wieder erkennen. Die Flocken malen sein Gesicht in den Schnee. Er füllt die leere Leinwand in Yoongis Herzen, als würde er dort hin gehören. Die erste Blüte nach dem Frost.

„Warum dann die Kappe? Und die große Sonnenbrille?", fragt er nach. Sich erst zu verstecken, nur um dann doch gefunden zu werden, das macht doch keinen Sinn, oder? Aber macht Yoongi nicht dasselbe mit seinem Instagram-Account?

„Ich möchte gerne selbst darüber entscheiden, von wem ich erkannt werde."

„Und Sie wollten von mir erkannt werden?", muss er sich erneut erkundigen. Es erklärt den erwartungsvollen Blick in den braunen Augen. Nur ein weiterer Punkt auf der Liste der Dinge, in den Min Yoongi bisher versagt hat. Er erkennt Erwartungen, wenn er ihnen begegnet. Aber seine einzige Reaktion darauf ist, sie zu enttäuschen.

„Ich hätte zumindest nichts dagegen gehabt."

„Warum wollen Sie berühmt werden?", geht Yoongi der dezenten Annäherung aus dem Weg. Er macht es nicht einmal absichtlich.

„Mhm. Ich schätze, ich wollte beweisen, dass ich es kann."

„Warum sollten Sie es nicht können?"

„Kann denn jeder berühmt werden?"

„Wem wollten Sie beweisen, dass Sie es können?", spielt Yoongi den Ball zurück. Sie bewerfen sich mit Gegenfragen, die eigentlich keiner Antwort bedürfen. Es gibt anderes, worüber sie sprechen könnten. Fragen, die Yoongi mehr belasten als diese hier. Er ist nicht gut im Smalltalk. Stattdessen möchte er darüber sprechen, warum es sich wärmer anfühlt, seit er sich auf die Konversation eingelassen hat und wie es ist der Sommer zu sein, ohne es zu wissen.

„Ein paar alten Klassenkameraden", zuckt der andere achtlos mit den Schultern. Ganz so als würde seine Antwort nichts bedeuten, obwohl sie ihm alles bedeutet. So machen wir das manchmal mit Dingen, die uns wichtig sind. Wir tun sie mit einem Schulterzucken ab, damit der unser Gegenüber nichts davon bemerkt. Es macht uns so angreifbar über die Dinge zu sprechen, die uns etwas bedeuten. Oder was hast du gedacht, warum Yoongi niemals über seine Kurzgeschichten spricht?

„Das ist alles?", stellt er die Rückfrage, auf die er keine definiertere Antwort bekommen wird.

„Es ist genug", erklärt der Fremde wage. Es ist ganz eindeutig ein Thema, dem er aus dem Weg gehen will. Yoongi kennt das. Deswegen lässt er es gut sein.

Er schenkt den haselnussbraunen Augen einen letzten Blick. Dann starrt er auf die herzförmigen Lippen. Sie sind wieder zu einer ernsten Linie verzogen. Yoongi blinzelt. Die Lippen verziehen sich zu einem verführerischen Lächeln. Yoongi blinzelt wieder. Der Fremde beißt sich auf die Unterlippe.

Seine Wahrnehmung schwindet immer noch unter den Tonnen an Schnee, die sich lawinenartig in seinem Inneren festgesetzt haben. Scheinbar wird Schnee erst noch schwerer, wenn er beginnt zu schmelzen. Yoongi fällt es zumindest wieder schwerer zu atmen.

Er blickt zurück auf den Laptop. Er ist noch nicht am Ende angekommen und deswegen tippt er weiter.

Mittlerweile ist der Zug fast in Busan angekommen. Yoongi ist froh, dass er seine Reisetasche mitgenommen hat. Der erste Streckenabschnitt reicht ihm heute natürlich nicht. Er muss weiterfahren. Auch der Protagonist in seiner Geschichte ist weiterhin auf unglücklicher Expedition in vergessenen Ländern.

„Wie heißen Sie?", wagt sich der Fremde ein weiteres Mal das Wort an Yoongi zu richten. Seine Augen sind auf den Bildschirm gerichtet. Er liest wieder mit und sieht fast ein bisschen bedauernd dabei aus, ihn in seinem Tun zu stören.

„Min Yoongi", antwortet er.

„Okay, Min Yoongi. Ich muss hier gleich aussteigen", ein Bedauern schwingt in seiner Tonlage mit. „Werden Sie mir irgendwann verraten, wie die Geschichte ausgehen wird?"

„Wie soll ich das machen?", fragt Yoongi, als wäre es tatsächlich eine Option. Zumindest ist es der leiseste Hinweis darauf, dass er es bedauert, nicht mit dem Fremden in Kontakt bleiben zu können und der stümperhafteste Versuch, etwas an dieser Tatsache zu ändern.

„Sie müssen die Geschichte veröffentlichen!", strahlt ihm der Hasenzahnmund entgegen.

Vielleicht soll es eine Ermunterung sein, aber es fühlt sich viel mehr nach einer verpassten Gelegenheit an. In Yoongis Fingerspitzen beginnt es zu kribbeln. Der endgültige Beweis dafür, dass die Taubheit langsam aus seinen Gliedern schwindet und er wieder beginnt zu fühlen. Auch seine Sicht wird klarer. Es führt nur dazu, dass er jetzt umso genauer erkennen kann, wie schön sein Sitznachbar ist. Es wird nicht mehr lange dauern, dann wird ihm sein Aussehen dazu verhelfen, dass ganz Südkorea ihn überall erkennen wird.

„Wie ist Ihr Name?", erkundigt sich nun Yoongi. Wenn er erst einmal berühmt ist, wird er das Model zumindest über das Internet verfolgen können. Es wird dann sicher einen öffentlichen Instagram-Kanal geben. Kein Wunder, dass er damit nicht mit dem traurigen Winterautoren in Verbindung gebracht werden möchte.

Sein Gegenüber zögert für einen winzigen Augenblick. Dann seufzt er seinen Namen: „Jeon Jungkook."

Der darauffolgende Blick, den sie austauschen, verheißt mehr als eine reine Vorstellung es jemals könnte. Da ist mehr zwischen ihnen als höfliches Siezen und seichtes Interesse. Yoongis Finger kribbeln nicht ohne Grund. Blinzeln. Jungkooks Augen sprechen wieder von Bedauern. Blinzeln. Ein Hauch Verbot ist zu sehen und vielleicht auch eine Spur Nicht-Dürfen. Yoongi ist sich nicht sicher. Diesmal scheitert er an der Interpretation.

Alle weiteren Worte bleiben ungesagt. Yoongi nimmt sich vor, sie zumindest später auf Papier zu bringen, damit sie dort weiterleben können.

Der junge Mann strafft die Schultern und richtet sich auf.
Er kämpft einen Moment mit sich, dann greift er nach Yoongis Hand. Das Kribbeln wird stärker. Ein rauer Daumen reibt sanft über seine Handrückseite. Ihre Finger verschlingen sich ganz natürlich miteinander. Das hier ist kein missglückter Händedruck. In Korea reicht man sich doch ohnehin nicht die Hand. Es ist Händchen halten. Es ist das Gefühl, wenn Winter und Frühling aufeinander treffen. Es ist unglaublich.

Jungkook blickt ihm tief in die Augen, intensiviert seine Berührung. Vielleicht ist sie alles, was er Yoongi geben kann.

„Also dann Min Yoongi, es war mir eine Freude, Sie kennengelernt zu haben. Ich hoffe sehr, dass ich noch mehr von Ihnen werde lesen dürfen. Ich muss unbedingt wissen, wie die Geschichte ausgeht. Verraten Sie mir noch den Titel, damit ich Sie später im Laden wiederfinde?"

„Snowy Hearts", flüstert Yoongi. Der Moment zwischen ihnen fühlt sich zu intim an für laute Worte. Er erwidert das sanfte Streicheln der Finger auf seiner Haut. Blickt verträumt in die Augen seines Gegenübers. Da ist eine Sternschnuppe in Jungkooks Augen. Es muss eine Reflexion der Sonnenstrahlen gewesen sein, die durch das Zugfenster in das Abteil scheinen. Natürlich gibt es eine ganz logische Erklärung dafür. Aber er schließt trotzdem die Augen und wünscht sich etwas. Er spricht es nicht laut es. Diese Art von Wünschen wird nicht wahr, wenn wir über sie reden.

„Wenn Sie jemals etwas veröffentlichen, senden Sie mir bitte eine signierte Ausgabe zu", erklärt Jungkook sinnlich. Er haucht Yoongi ebenfalls nur noch entgegen. Lehnt sich unwillkürlich noch etwas näher zu ihm herüber, sodass sie sich ihre Gesichter beinah berühren. Seine Zunge streicht über die Unterlippe, befeuchtet sie. Yoongi folgt der Bewegung wie automatisiert.

„Eine Signierung? Und was soll ich schreiben?", fragt er hilflos. Er kennt solche Situationen nur aus seinen Geschichten. Und dort enden sie immer traurig.

„Für Jeon Jungkook. Danke, dass du mir gesagt hast, dass es wieder Frühling werden wird. Ich musste nur noch ein bisschen länger darauf warten", ist die direkte Antwort. Sie kommen sich noch ein Stück näher. Er kann dem Atem des Fremden auf seinen eigenen Lippen fühlen. Sie sind immer noch viel zu trocken. Er hätte nach dem Labello suchen sollen, als noch Zeit dafür war. Jetzt ist es zu spät.

„Aber das haben Sie doch gar nicht zu mir gesagt."

„Gerade doch schon, oder nicht?"

„Mhm", kann Yoongi nur noch von sich geben, weil er viel zu gefesselt von dem Anblick seines Gegenübers ist. Er merkt nur nebenbei, wie der Zug immer langsamer wird und sich auf den Stillstand vorbereitet. Yoongi wurde genug bewegt. Jetzt ist er an der Reihe.

„Der Frühling kommt immer. Wir können ihn nicht aufhalten. Auch wenn in Ihrem Herzen jetzt gerade Winter ist. Sie müssen nur noch ein bisschen länger durchhalten", reagiert Jungkook erneut und kommt ihm damit zuvor. Er beugt sich noch ein winziges Stück weiter nach vorne, aber dreht dabei sein Gesicht. Ihre Wangen streifen aneinander vorbei. Das Ende des Satzes geht mit einem sanften Flüstern in Yoongis Ohr unter.

Ihm ist jetzt warm. Endlich ist es warm.

Der Zug hält an. Jungkook vergrößert den Abstand zwischen ihnen. Er erhebt sich jetzt.

Yoongi bleibt nichts anderes übrig, als hilflos nach oben zu blicken.
Er fragt: „Fahren Sie öfter mit dem Zug nach Busan?" und meint dabei eigentlich: Können wir uns wiedersehen?

„Jetzt vielleicht schon", entgegnet Jungkook wage. Vielleicht ist das wieder eines der Themen, über die er nicht sprechen möchte. Und Yoongi muss es wieder akzeptieren.

„Auf Wiedersehen, Min Yoongi. Ich hoffe, dass ich bald von Ihnen lesen werde. Und dass es dann Frühling sein wird."

Er greift nach einer kleinen Reisetasche, die sich neben Yoongis befunden haben muss. Eine Antwort bleibt er ihm schuldig.

Jungkook dreht sich um und ist verschwunden. Es passiert genauso plötzlich wie sein Auftauchen. Yoongi blickt ihm nach, bis sich die Tür hinter ihm schließt. Dann wendet er sich erneut seinem Laptop zu und legt die Hände ruhig auf die Tastatur. Sie kribbeln immer noch. Der Schnee in ihm ist nicht komplett geschmolzen.

Eine Lawine verschwindet nicht mit einem Wimpernschlag. Aber er kann atmen. Er wird nicht mehr erdrückt. Er kann weiterschreiben, bis es Frühling geworden ist.

Yoongi weißt jetzt, dass sein Protagonist den Frühling an dem meist unerwarteten Ort finden wird. Denn wenn man ihm einmal begegnet ist, dann kann man ihn nie wieder vergessen.

Und man sagt nicht „Auf Wiedersehen", wenn man nicht plant sich wiederzusehen, oder?

Ende


Ihr Lieben, 

das hier ist tatsächlich irgendwie kein richtiges Ende. Viel mehr ein Anfang. Das haben wir vielleicht mittlerweile aus meinen Geschichten schon gelernt, oder? :D 
Interlude_Spring Day ist die Vorankündigung und natürlich die Vorgeschichte zu meiner nächsten Texting-FF mit dem Titel.... 

dödöm...

na, wer vermutet es schon? 

Snowy Hearts! :]

Ich hoffe, wir können uns bald dort wiederlesen. Ich schreibe noch ein bisschen vor, damit ich euch regelmäßig mit Updates versorgen kann. So viel zumindest zu meinem Plan...

Ich drück euch fest!

Eure Vikki 

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