ҜΔPITΣL 18.2
Die Schlagtechniken haben wir ja schon zuvor an den Boxsäcken geübt. Trotzdem fühlt es sich ganz anders an, nun auf Sams Handflächen zu schlagen. Sie hat sich fast vollständig von dem Angriff des Schattenwesens erholt - was für mich immer noch unwirklich schnell passiert ist. Manchmal hake ich nochmal nach, woran sie sich aus dieser Nacht erinnert, doch sie sieht mich jedes Mal aus so irritierten Augen an, dass ich es irgendwann gut sein lasse. Die Zeit scheint ihre Erinnerungen auch nicht zurückzubringen.
„Du kannst ruhig fester zuschlagen", meint sie lachend. „Ich war schon einmal im Krankenflügel, das muss für diese Phase reichen."
Zögerlich erwidere ich ihr Grinsen. „Gut, dann beschwer dich später aber auch nicht, wenn ich dich im Einzelkampf fertigmache." Ich zwinkere ihr zu, aber sie ist auf einmal auf einen Punkt hinter mir fokussiert. Neugierig drehe ich mich um, um herauszufinden, was ihr Interesse geweckt hat. Es ist das hagere blonde Mädchen, das bei einem der ersten Trainings am Boxsack in meiner Nähe stand und für das Ericson auch keinen Tipp übrig hatte. Es schaut ebenfalls zu uns herüber - genauer gesagt zu Sam. Überrascht sehe ich zwischen den beiden hin und her. Als das Mädchen schüchtern lächelt, färbt eine leichte Röte Sams Wangen. Bemüht, nicht loszuprusten, schüttele ich sie. „Hallo? Erde an Sam?"
Sie zuckt zusammen und löst ihren Blick schnell von dem fremden Mädchen. „Was?"
Ich kann nicht anders und pruste los. Sam wirft mir einen säuerlich-irritierten Blick zu, bevor sie beinahe verlegen auf meine Fäuste deutet. „Ich bin dran."
Immer noch mit einem Grinsen im Gesicht nicke ich und halte ihr abwechselnd meine Handflächen entgegen.
„Ist vielleicht der falsche Moment, um dir das mitzuteilen, aber Robert mag dich ziemlich offensichtlich", sage ich schließlich bei einer kurzen Trinkpause.
Sam verschluckt sich fast an ihrem Wasser. „Was?"
Ich kann nicht anders, als schon wieder loszuprusten. „Robert mag dich", wiederhole ich.
Wegen ihrem völlig überforderten Gesichtsausdruck verschlucke ich mich ebenfalls fast an meinem Getränk. „Oh Gott, Sam." Lachend schüttele ich den Kopf. „Du hast wirklich nichts davon mitbekommen."
„Also, du meinst wirklich?" Die Verwirrung ist auch nach dem Training noch überdeutlich in Sams Augen zu sehen. Hoffentlich wird es wegen mir jetzt nicht komisch zwischen den beiden, denke ich schuldbewusst. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn Sam nichts von Roberts Interesse mitbekommen hätte.
Trotzdem kann ich meine Neugier nicht verbergen. „Und?", frage ich Sam mit wackelnden Augenbrauen.
Missmutig stopft sie ihre Flasche in ihre Tasche. „Was, und?"
„Magst du ihn auch?"
Sie schüttelt den Kopf. „Nicht auf diese Weise."
Am Dienstag lässt sich Ericson tatsächlich wieder dazu herab, zum Training zu erscheinen - allem Anschein nach sogar nüchtern. Wir üben an unserer Verteidigungstechnik, bis er sagt, dass wir den Partner wechseln sollen, um ein paar Schritte auszuprobieren. Ich will mich gerade nach Laurent umschauen, als niemand geringeres als ein Mitglied des Triumvirats auf mich zutritt und mich spöttisch angrinst. Er ist wie die anderen zwei breit gebaut, seine rotblonden Haare kleben jedoch nicht wie bei mir an der Stirn, sondern sind in alle Richtungen gestylt. „Suchst du noch einen Partner, Ava?" Er spuckt den Namen beinahe aus. Ich will mich gerade an ihm vorbeidrängen, als mein Blick auf Ericson fällt, der uns genau beobachtet. Ich kann nicht kneifen, wird mir bewusst. Widerwillig drehe ich mich wieder zu ihm um, worauf er grinst. „Freut mich, dich kennenzulernen. Ich bin Fynn."
„Und woher weißt du meinen Namen?", entgegne ich unfreundlich. Natürlich weiß ich, woher, aber ich will es von ihm selbst hören, dass er auf der Teilnehmerliste nach einfachen Gegnern gesucht hat, bis er mich gefunden hat.
Fynn zuckt gelangweilt mit den Schultern. „Kein Smalltalk mehr. Fangen wir endlich an."
Bevor ich auch nur nicken kann, wirft er mich mit so einer Wucht rücklings auf den Boden, dass der Schmerz mir wie eine Welle durch den Rücken fährt. Überrascht keuche ich nach Luft. Um mich herum höre ich Gelächter. Mit hochrotem Kopf richte ich mich auf. Es ist mir peinlich, dass mir erst jetzt bewusst wird, welche Technik er überhaupt verwendet hat. Ich hätte es niemals auch nur versuchen sollen, mich gegen ihn zu behaupten. Hinter mir höre ich Ericsons näselnde Stimme. „Gut, Uray."
Bei seinem Namen zucke ich zusammen. Fynn dreht sich zu Ericson um, und sein Gesichtsausdruck zeigt eine Mischung aus Enttäuschung und Wut darüber, dass er sich nicht an seinen Namen erinnert hat. „Fynn", verbessert er ihn beleidigt. Ericson zuckt nur mit den Achseln und geht weg, lässt Fynn kochend zurück. „Unfassbar, dass er uns überhaupt unterrichten darf", zischt er. Als er meine amüsierte Miene sieht, funkelt er mich wütend an, bevor er mir den Rücken zuwendet. „Ich suche mir jetzt einen Gegner, der mir zumindest ansatzweise gewachsen ist."„Fynn hat mich echt ziemlich platt gemacht", meine ich beim Abendessen. Frustriert löffele ich den Eintopf in mich herein.
Sam tätschelt mir aufmunternd die Schulter. „Der hätte jeden von uns platt gemacht, glaub mir."
Robert nickt. „Außerdem hat er nicht einmal gewartet, bis du bereit warst", fügt er hinzu.
Ich lache frustriert, auch wenn ich ihre Versuche, mich aufzumuntern, schätze. „Das wird ein echter Gegner auch nicht."
Er zuckt mit den Schultern und steht auf, um sich nochmal nachzunehmen. Währenddessen werfe ich Sam einen Blick zu, der sie aufstöhnen lässt. „Was ist jetzt schon wieder?"
Laurent, der bisher nur schweigend gegessen hat, hebt fragend den Blick. Ich seufze. „Ich habe Sam heute gesagt, dass Robert wahrscheinlich auf sie steht", kläre ich ihn auf. „Seitdem stöhnt sie jedes Mal, wenn ich auch nur den Mund aufmache."
„Das stimmt nicht", entgegnet sie.
Laurent grinst zum ersten Mal seit langem, und mir wird wärmer. „Schön, dass ihr es auch mal bemerkt habt."
Triumphierend schaue ich Sam an. „Siehst du? Es ist offensichtlich. Wenn sogar Laurent es bemerkt." Darauf fasst dieser sich so betont verletzt an die Brust, dass wir in Gelächter ausbrechen.
Der Donnerstagabend kommt viel zu schnell. Wir trainieren noch länger und härter als sonst, was sich abends und beim Mittagessen in müder Stille bemerkbar macht. Als wir schließlich das letzte Training vor unserem entscheidenden Kampf abgeschlossen haben, verschlingen wir das Abendessen förmlich und hasten dann wieder zum Trainingssaal, um uns die Liste mit den Paaren für morgen anzusehen.
Obwohl wir fast als erstes aufgestanden sind, ist der Raum bereits brechend voll. Unwillkürlich denke ich daran, dass wir in der nächsten Woche endlich mehr Platz haben werden. Der Gedanke, dass ich mich darüber freuen könnte, schockiert mich. Ich war zwar schon immer sehr von Ehrgeiz getrieben, aber die Ausbildung scheint das noch zu verstärken.
Die ersten haben bereits gesehen, gegen wen sie kämpfen müssen. Teilweise ängstlich, teilweise zuversichtlich drängen sie sich an uns vorbei, sodass wir selbst nach vorne treten können. Aufgeregt suche ich nach meinem Namen. Es dauert etwas, bis ich ihn gefunden habe, da ich erst mittags dran bin. Mein Blick schießt nach rechts, um zu sehen, wer mein Gegner ist.
Mir wird übel, als ich neben Ava den Namen Fynn wahrnehme.
„Ericson hat es echt auf dich abgesehen", murmelt Sam. Sie selbst ist Laurent zugeteilt. Laurent deutet ihren unzufriedenen Ausdruck falsch. „Ich werde dich schon nicht zu heftig zurichten", scherzt er, doch sie schüttelt den Kopf.
Als er meinen Namen neben Fynns sieht, schluckt er. „Oh."
Robert hat allem Anschein nach nochmal Glück gehabt. Er kann seinem Gegner zwar kein Gesicht zuordnen, doch sein Name stand letzten Sonntag nicht in der ersten Hälfte der Liste - was schonmal deutlich besser ist, als gegen ein Mitglied des Triumvirats zu kämpfen.
Der Name löst auf einmal Wut in mir aus. Es ist offensichtlich unfair, dass ich gegen Fynn kämpfen muss. Die beiden anderen aus seiner Gruppe sind jeweils Gegnern zugeordnet, die einigermaßen ihrem Niveau entsprechen. Ich habe den stärksten Gegner abbekommen, obwohl ich gerade einmal in der Mitte der Liste stehe.
Vor meinem inneren Auge kann ich Ericson sehen, der sich lachend und lallend die Hände reibt. Obwohl er gesagt hat, dass die Paare ausgelost werden, habe ich das Gefühl, dass es ihm Spaß macht, mich leiden zu sehen. Er will mich demütigen.
Erst nachdem wir wieder in unser Zimmer zurückgekehrt sind, kann ich meine zu Fäusten geballten Hände vorsichtig wieder lösen.
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