Kapitel 2 (Part 2)
„Sinopa?" Ein leise Männerstimme mit warmen Klang dringt wie aus weiter Ferne an mein Ohr. Jemand berührt sachte meine Schulter.
Verwirrung durchflutet mich, denn diese Stimme passt einfach nicht in die Szene.
Es fühlt sich absolut falsch an.
„Kannst du mich hören?" Er klingt näher als zuvor. Natürlich kann ich dich hören! Ich bin nicht taub! Trotzdem wollen die Worte nicht aus meinem Mund, als sei ich stumm. Egal wie sehr ich es versuche.
Noch immer schwirren die Bilder vor meinen Augen, dann ertönt plötzlich eine Lautsprecherdurchsage, die einen verspäteten Flug ansagt. Langsam schleicht sich in mein Unterbewusstsein, dass ich mal wieder in einem Flashback fest hänge.
„Sinopa?"
Wieder diese Stimme, nur deutlicher und gefolgt von einem Druck an meiner Schulter. An dieses Gefühl klammere ich mich mit aller Macht. Die Watte, die mich umhüllt, verschwindet langsam und der stärker werdende Druck lässt mich endgültig aus der Trance erwachen. Mein Blick klärt sich, die Erinnerung verblasst und ich erkenne glänzende, schwarze Lackschuhe, wie sie viele Geschäftsmänner tragen, auf dem dreckigen Flughafenboden.
Ich hebe meinen gesenkten Kopf und erkenne Richard Price, meinen - hoffentlich - neuen Pflegevater. Er ist der Chef irgendeiner Firma, hat kurzes dunkles Haar, das bereits ergraut, graublaue Augen und ziemlich markante Gesichtszüge. Sein Blick wirkt freundlich, aber ich bemerke die Sorge in seinen Augen.
„Ist alles in Ordnung mit dir?"
Ich kneife die Augen erneut zusammen, damit auch die letzten Erinnerungsfetzen verschwinden und richte mich mit wackeligen Beinen auf.
„Was soll sie denn haben, Paps? Sie sollte glücklich im Kreis springen, schließlich wird sie von einer Familie aufgenommen."
Erst jetzt bemerke ich das Mädchen hinter dem Mann, das diese schnippische Bemerkung von sich gegeben hat. Sie hat schulterlange schwarze Locken, ihre grimmig blickenden Augen sind hellbraun, ein Nasenring schmückt ihr Gesicht und ihre Klamotten sind überwiegend schwarz. Nur das Herzmotiv auf ihrem Oberteil und ihre weinroten Lippen sorgen für einen kleinen Farbtupfer in ihrem Erscheinungsbild. Sie ist bildhübsch und ein Lächeln würde ihre Schönheit unterstreichen.
„Carly!" Obwohl er nur ihren Namen nennt, kann man den Tadel deutlich heraus heraushören. Sie schnaubt, schaut demonstrativ weg und verschränkt ihre Arme.
Das ist also die sechzehnjährige Tochter der Price's, Carly. Ich schlucke. Wie soll das ganze Projekt „Neue Familie" funktionieren, wenn sie mich jetzt schon nicht leiden kann, obwohl ich nicht ein Wort von mir gegeben habe? Mist! Stimmt! Wo bleiben meine Manieren?
„Guten Tag. Ja, bei mir ist alles in bester Ordnung. Wahrscheinlich ist es nur das Jetlag und ich war auch ein wenig in Gedanken versunken", versuche ich mein unhöfliches Verhalten zu erklären. Eigentlich verspüre ich kein Problem mit der Zeitverschiebung, doch diese Antwort klingt am glaubwürdigsten. Außerdem entspricht der Teil mit den Gedanken der Wahrheit.
Mister Price betrachtet mich skeptisch und ich wende den Blick auf meine schwarzen Chucks.
„Es tut mir leid", füge ich noch schnell hinzu.
„Ach", mischt sich nun Dorith in unser Gespräch ein. Ich schiele leicht hoch, während sie Mister Price den zweiten Kaffeebecher überreicht.
„Danke, Miss Thomas und einen guten Tag." Er nippt kurz an dem Gebräu.
„Ihnen auch einen guten Tag, Mister Price. Diese Verträumtheit ist bei ihr völlig normal, gewöhnen Sie sich schon mal daran." Mit einer abwertenden Geste ihrer Hand unterstreicht sie das Gesagte und nimmt einen Schluck ihres Getränks. Dabei ignoriert Dorith Carly komplett, die ihr genauso wenig Beachtung schenkt, denn diese ist auf ihr Handy gerichtet. Das passiert also, wenn zwei äußerst freundliche und höfliche Menschen aufeinander treffen. Pure Ignoranz. Ein Wettkampf der Unfreundlichkeit und Unhöflichkeit.
Und bei meinem Glück hat sie soeben mit ihren Worten meinen Rückflug gebucht.
„Machen Sie sich da keinen Kopf, mit verträumten Mädchen können meine Frau und ich super umgehen." Überrascht, mit einem neu aufblitzenden Hoffnungsschimmer schaue ich ihn an. Das klingt schon mal positiv. Er schenkt mir ein warmes Lächeln. Anscheinend ist meine Rückreise doch nicht gebucht worden.
„Ich aber nicht", grummelt Carly und erhält einen warnenden Blick von ihrem Dad.
Meine Hoffnung erlischt sofort. Was hat sie gegen mich? Denkt sie, dass ich ihr irgendwas wegnehmen könnte? Oder mag sie einfach keine neuen Menschen in ihrem Umfeld?
Als ihr Dad sich zu mir wendet, bekomme ich einen weiteren tödlichen Blick ihrerseits.
Uff ... Wenn das so weitergeht, siehts nicht gut für mich aus.
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