𝕂𝕒𝕡𝕚𝕥𝕖𝕝 𝕏𝕏𝕏
Ich sollte Recht behalten. Subtil war ich nicht. Als ich versuchte Tony darauf anzusprechen, blockte er ab und schlief ein.
Also beschloss ich beleidigt zu sein, auf ihn, auf den Kommandanten und auch ein bisschen auf mich.
Die einzige Person, bei der ich nicht beleidigt sein konnte, war Zack. Ich meine natürlich könnte ich ihn ignorieren, aber dann war ich wirklich langsam aber sicher allein. Ich konnte niemanden sehen und beinahe nichts machen, außer entweder alleine im Zelt oder bei Zack rumzuhocken.
Zunächst entschied ich mich für Letzteres. Aber leider war Zack nie da, was die regnerischen Tage noch dunkler zu machen schien. Womit war er denn so beschäftigt? Ich dachte, er müsste hauptsächlich Papierkram machen, aber scheinbar habe ich mich geirrt.
Alleine saß ich nun im Zelt. Tony war wie immer beim Training oder so. Keine Ahnung, wie gesagt, ich ignorierte ihn.
Genervt betrachtete ich die Regentropfen, die die Seiten des Zelts herabliefen, während ich mit mir selbst wettete, welche am schnellsten waren.
Leider war das auch alles, was mir übrig blieb. Ansonsten hatte ich mich dazu entschlossen, nicht zum Essen zu gehen. Es konnte ja nicht so lange dauern, bis sie mich aus dieser Isolation schickten und ich wieder normal weitermachen konnte. Weshalb ich mich dazu entschied lieber zu hungern, als mit den Wächtern zu essen? Ganz einfach: sobald ich da ankam verstummten die Gespräche, alle waren bereit aufzuspringen und zu kämpfen und ich musste alleine essen. Tony hatte tatsächlich schon tolle Freunde gemacht, die er über mich stellte, was mir definitiv einen Stich versetzte.
Als ich also am dritten Tag hungernd im Zelt saß, fiel mir auf, dass ich gar nicht hungerte.
Verwirrt hörte ich in mich rein, schloss die Augen und fühlte mich und alles um mich herum.
Der auf den Boden plätschernde Regen, die Schritte die durch Matsch und Pfützen liefen, die raschelnden Blätter und Nadeln, die Stimmen außerhalb des Zeltes. Das alles verdrängte ich, es wurde leiser und leiser bis es verstummt war. Nur noch ich schien in einer Art Vakuum zu existieren. Ein Licht und Luft leerer Raum in welchen ich nun langsam ein und aus atmete. Sofort fiel mir die Abwesenheit einiger grundlegender Gefühle auf. Ich war nicht hungrig, nicht durstig und nicht müde. Ich verspürte nicht das Verlangen, meinen Zustand zu ändern, im Gegenteil. Ich wollte etwas anderes. Etwas für mich noch nicht Greifbares. Etwas jenseits Wärme und Kälte. Licht und Dunkelheit. Es war ein tiefes Bedürfnis, Verlangen. Ein dunkler Punkt in mir, je genauer ich diesen wahrnahm desto größer und stärker wurde er.
Mein Körper schien elektrisiert, wie ein Stoß, der aus eben jener Dunkelheit, welche bis eben in mir vergraben war zu Tage befördert wurde.
Schnell öffnete ich die Augen, um dem zu entkommen. Mein schneller Atem überschlug sich und rasselte in meiner Brust. Meine Lungen schmerzten als ich versuchte mich zu beruhigen. Dies funktionierte auch einigermaßen, alles ging zurück zum Alten.
Ich nahm die Geräusche wieder war, welche immer Lauter anschwellten, bis sie so wie immer waren.
Das einzige Ungewöhnliche war das seltsame Pulsieren der Wunde an meinem Arm. Kurz versicherte ich mich, indem ich mich umhörte, dass niemand das Zelt betreten würde und krempelte meinen Ärmel hoch.
Dort erwartete mich die gleiche Wunde wie zuvor. Die dunklen Adern pulsierend zu ihr führend und dennoch war etwas anders. Der Takt, in welchem das Blut dorthin zu gelangen schien stimmte nicht mit meinem Herzschlag überein. Aber das konnte doch nicht sein, oder?
Überprüfend legte ich meine gesunde Hand aufs Herz, anschließend an meinem Hals zur Hauptschlagader und zählte die Schläge und die Abstände zwischen jedem Schlag. Ganz deutlich wurde dabei, dass ich recht hatte. Der Puls an der Wunde war verlangsamt und zwar um einiges.
Verwirrt von mir selbst krempelte ich den Ärmel wieder runter. Gerne würde ich mit jemandem darüber reden, aber das war ausgeschlossen. Ich konnte niemandem davon erzählen, dass ich infiziert war. Sie würden mich umbringen, erschießen oder eben aussetzen. Alles davon war keine gute Option. Wieso hatte Lou mich nur aus dem Haus geholt und hierher gebracht? Wieso hatte Zack mich nicht gleich am Anfang kontrolliert? Wieso hatte Bellona für mich gebürgt?
Wieso waren hier überall so nette Menschen, ich hatte sie nicht verdient.
Überfordert vergrub ich meine Hände in meinen Haaren. Tony schlief wieder neben mir. Er hatte sich nichtmal über den Verlust gewundert, hatte er doch von Anfang an nicht damit gerechnet, dass man es schafft ohne die Sicherheit eines Clans zu überleben. Und ich hasste, dass er Recht behalten hatte, dass er es mir nicht mal vorhielt, weil er offenbar schon mit seiner Vergangenheit abgeschlossen hatte und bereit war für Neues. Neue Freunde, neuer Clan, neuer Beruf und ich? Ich war gehindert daran, würde ich doch sowieso nicht mehr lange überleben.
Es war einfach alles zu viel. Diese ganzen netten Leute, die nur das Beste für mich wollten, die mir halfen und mich unterstützen wollten. Und ich? Ich brachte sie in Gefahr, nur um, solange ich noch ein Bewusstsein hatte, in Sicherheit zu sein. Dabei attackierten mich die Zombies nichtmal! Ich musste hier weg. Einfach weit weg von jedem sicheren Gebiet. Ich wollte niemanden gefährden.
Meine Panik vervielfachte sich, als ich zu diesem Entschluss kam. Mein Atem wurde schneller und die Dunkelheit aus der ich eben geflohen war stieg in mir auf. Mein Puls verschnellerte sich und ich versuchte alles wieder unter Kontrolle zu bringen, war aber weit davon entfernt. Sehr weit.
Als sich nun der Zelteingang öffnete wollte ich die Person warnen zurückzubleiben, jedoch verließ kein Ton meine Lippen. Mit den Händen fuchtelte ich herum um dies dann doch zu signalisieren, auch dies scheiterte.
Ich blickte mich panisch um, nicht in der Lage etwas zu fokussieren, mein eigener Puls, der jedes andere Geräusch übertönte in den Ohren. Ich musste hier weg. Ich musste frische Luft atmen, mich beruhigen.
Also stürmte ich an der Person vorbei raus aus dem Zelt.
Direkt landete ich mit dem Gesicht nach vorne im Matsch, der Regen unerbittlich auf mich niederprasselnd. Ich versuchte aufzustehen, jedoch wurde mir dies von einem Gewicht auf mir erschwert. Jemand drückte mir sein Knie zwischen die Schulterblätter und verdrehte mir meine Arme hinter den Rücken. Der Schmerz an der infizierten Stelle brannte bei dieser Bewegung erneut auf, bis ich von etwas Kühlem abgelenkt wurde.
Eine weitere Person hatte nämlich meinen Kopf an den Haaren nach oben gerissen, nur um dieses etwas an meinem Hals und meinem Gesicht zu befestigen. Aus einem mir in diesem Zustand unerklärlichen Reflex schnappte ich nach seiner Hand, wobei mir auffiel, was es war. Ein Maulkorb aus Metall!
Ich wurde hochgerissen, meine Panik wich Verwirrung und ich wurde meiner Umgebung bewusster. Um mich herum befand sich ein Kreis aus, mit Waffen ausgestatteten, Wachen, die schussbereit zu sein schienen. Sie starrten mich aufmerksam und vorsichtig an, während mir ein näher Stehender auf half.
Ein Klicken war zu vernehmen, die mir die Präsenz von Handschellen beibrachte. Ein metallener Ring war um meinen Hals gelegt worden, mit einer Kette, die von dem Wächter festgehalten wurde. So wollten sie mich also transportieren. Ich war entdeckt worden. Als Zombie, als infizierte Person.
Meine Gedanken waren ein einziges Chaos, Fragen schwirrten umher, die Angst und Panik vernebelten mir jeden klaren Gedanken oder die Fähigkeit zu sprechen. Nur eine Frage stach ganz deutlich hervor. Woher wussten sie, dass es gerade jetzt passierte? Und genauer: wer hatte all diese Leute informiert? War das von Anfang an der Plan des Kommandanten?
Diese Fragen schienen beantwortet, als der Kommandant hervortrat, aus der Reihe der Wächter heraus. Neben ihm: Zack. Die Person, mit der ich die letzten Tage reden wollte. Derjenige, der unauffindbar schien.
Es tat weh, hatte er mich verraten? Ich sollte nicht verletzt sein, immerhin war es für alle das Beste, wenn ich starb, bevor ich jemand Anderen infizieren konnte. Aber dennoch traten mir Tränen in die Augen, die ich heftig versuchte zu unterdrücken. Keine Schwäche zeigen.
„Hervorragende Arbeit, Bager", hob der Kommandant das Wort.
Ich versteifte mich komplett. Nein, nein, nein. Das durfte einfach nicht wahr sein. Doch spürte ich direkt, wie der Druck an meinen Handschellen nachließ und eine Person hinter mir vortrat, salutierte und sich dann einreihte. Einer von vielen, die mich verachteten. Tony.
Plötzlich nahm der Wächter neben mir die Fessel um meinen Hals fester in die Hand und began zu ziehen. Alle setzten sich in Bewegung und zogen mich in ihrer Mitte, damit ja nichts passierte. Nicht, dass ich etwas tun könnte, aber Sicherheit schien wie immer Vorrang zu haben.
Weiterhin leicht panisch, stolperte ich hinter ihm her und drehte mich einmal zu jeder Seite um. War Bellona ein Teil von alledem? Wusste sie darüber Bescheid? War das da draußen nur ein Test? Je klarer mein Kopf wurde, desto mehr Fragen strömten auf mich ein.
Was würden sie mit mir tun?
Beschäftigt mit meinen Gedanken und dem Umblicken nach Bellona bemerkte ich zu spät, dass mein führender Wächter mich mit einem Ruck nach vorne zog.
Also landete ich zum zweiten Mal, in so kurzer Zeit in der matschigen Fläche des Bodens.
„Steh auf.", hörte ich den groben Befehl und wurde an meinem Hals wieder hochgezogen. Es tat so weh. Emotional und Physisch. Wieso behandelten sie mich wie ein Tier und töteten mich nicht einfach?
Den Tränen erneut nahe, bemerkte ich durch die verschwommene Sicht nicht, wie wir uns dem Tor und Eingang zum Schacht in den Bunker näherten. Als wir abrupt anhielten, fiel mir dies auf und die Erinnerungen fluteten mich.
Würden sie das Gleiche mit mir machen wie mit dem Zombie? Was war passiert?
Ich folgte den Wächtern in den Aufzug, der langsam seine rostigen Türen schloss. Das wars dann wohl. Mein letzter Blick in den Himmel, mein letzter Blick in die Bäume. Das letzte mal das Geräusch des Regens vernehmend schloss ich die Augen und atmete tief durch.
Die mir am nahestehendsten Personen waren wenigstens bei mir, auch wenn sie mich mehr oder weniger verraten hatten.
Doch was erwartete mich nun? Der Tod?
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1653 Wörter
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