Kapitel 2
Schwüle Hitze trieb mir den Schweiß auf die Stirn und laugte mich und meine Kräfte aus, als wäre ich ein vollgesogener Schwamm, den man auswalkte. Ich war Hitze gewöhnt, jedoch nicht diese stechende Schwüle für welche Dehnarien bekannt war. Als Sklavin eines kopanischen Landherren hatte ich unter extremen Bedingungen am Feld unter der glühenden Sonne gearbeitet und die Wolle von Feuerspinnen geerntet, dennoch hatte mich die Arbeit nicht in der Hinsicht abgehärtet, sodass ich mich die Temperaturen hier kalt gelassen hätten. Durst verzehrte mich von Innen hinaus und ich strebte den öffentlichen Trinkbrunnen am Marktplatz der dehnarischen Hauptstadt, Scat, an. Doch als mein Blick auf die am Brunnen stationierten Stadtwachen fiel, war mir augenblicklich sonnenklar, dass ich hier zu keinem Trinkwasser kommen würde. Ich verfluchte diesen scheußlichen Tag, der schlimmer gar nicht mehr werden konnte. Ein teuflischer Dieb hatte mir meine Tasche geklaut, in welcher sich wortwörtlich mein Leben befand. Mein Aussehen und das Erkennungsmal an meinem Unterarm würden mich unweigerlich als Unfreie enttarnen. Einzig meine Papiere hätten mich davor bewahren können. Doch ohne Tasche keine Papiere.
Zähneknirschend zog ich weiter über den Markt. Geld für Essen hatte ich natürlich keines mehr und auf Mitleid war hier auch nicht zu hoffen. Nun blieb mir nichts Anderes übrig, als die Stadt zu verlassen und im Wald nach einem Fluss und Nahrung zu suchen. Die Sonne stand schon hoch am Himmel, es müsste knapp Mittag vorbei sein – das würde noch ein anstrengender Tag werden.
Ausgelaugt von der Hitze und dem nagenden Hunger zog ich weiter über den Marktplatz. Ich wusste aus Erzählungen, dass einige freigelassene Sklaven wie ich einer war, in solchen ausweglosen Situationen zum Diebstahl tendierten, doch mir waren die darauf angesetzten Strafen genauso bekannt, weshalb ich mich nicht traute, die Grenze zu überschreiten. Jedes Mal wenn ich die Chance kommen sah, wenn ein reicher, leichtgläubiger Stadtbewohner mit seinem Geldbeutel im Gedrängel meinen Arm streifte, konnte ich mich im letzten Moment nicht überwinden. Frustriert wurden meine Schritte immer fester. Was sollte ich tun? Ohne das Geld, welches mir mein Herr kurz vor seinem Tod überreichte, hatte ich keine Chance, die Überfahrt nach Tasmanien zu schaffen. Heiße Tränen sammelten sich in meinen Augenwinkeln, doch ich blinzelte sie schnell weg. Es war zum Verzweifeln. Ein Ausweg unmöglich. Kinder tollten vor mir über die Straße, ich musste aufpassen, niemanden nieder zu stoßen. Mit einem Mal kam mir die Menschenmasse in Scat unglaublich drückend vor. So hatte ich mir die Freiheit nach 17 Jahren als Sklavin nicht vorgestellt. Keine überschwängliche Freude, nicht mal ein flaues Glücksgefühl. Da war einzig die Angst, den morgigen Tag nicht zu überleben.
Und all das nur, weil mir ein dummer Tandos die Tasche gestohlen hatte. Ein Tandos, ein elender Schuft! Kalte Wut braute sich in meinem Magen zusammen, doch davon wurde ich auch nicht satt. Ich musste so schnell wie möglich an Nahrung und etwas zu trinken kommen. Es war Zeit für einen Plan! Wenn möglich einen guten.
Zielsicher wanderte ich über den Marktplatz. In der Mitte zwischen zahlreichen Ständen und mit Wagen herumziehenden Verkäufern, thronte eine Mamorstatue unserer Göttin Godsqua. Ihr Antlitz funkelte in der Mittagssonne und ich schickte ein stummes Gebet zu ihr, während ich ihr gegen die Sonne entgegen blinzelte. Ich war verloren – nun konnten mir einzig die Götter beistehen. Gaukler versuchten die Aufmerksamkeit der Umstehenden auf sich zu ziehen, doch mich konnte ihre Unterhaltung nicht weiter beeindrucken, stattdessen lenkte sich meine volle Konzentration auf Nahrung und Wasser. Die Hitze drängte zur Eile. Wie lange würde ich es noch ohne Flüssigkeit aushalten? Vermutlich nicht lange. Und auf Mitgefühl und Hilfe konnte man hier lange warten. Am großen Wollmarkt, auf welchem wir im Herbst jedes Jahr in der Hauptstadt Kopa die kostbare Elfenraupenwolle verkauft hatten, hatte ich nicht nur einmal einen verhungerten Bettler auf der Straße gesehen. Herr Salamon hatte mich jedes Mal dazu gedrängt wegzusehen – der Anblick war zu verstörend für ein kleines Kind. In mir hatte sich jedoch jedes Mal alles dagegen gewehrt, meinen Blick abzuwenden. Ich hatte mich gefragt, ob es meinem Vater genauso ergangen war, nachdem er von seinem Herren und uns davon gelaufen war. Ohne Zweifel, um ein besseres Leben anzufangen, doch für unfreie Sklaven gab es so etwas nicht. Ich hätte die Chance gehabt. Die Papiere, die es mir ermöglicht hätten. Doch nun waren sie weg – gestohlen – und meine Zukunft gleich mit.
Der Gaukler sprang mir in den Weg. Er wedelte mit einer Büchse vor meiner Nase herum – ich hörte die Goldstücke klirren. Ganz offensichtlich wollte er Geld. Da konnte ich mich ihm nur anschließen. Unwirsch drängte ich mich an ihm vorbei. Seinen Ärger Ausdruck verleihend, rief er mir auf Dehnarisch etwas hinterher. Die Umstehenden lachten, doch ich verstand lediglich Wortbrocken. Wenn möglich noch schlechter gelaunt, ließ ich mich mit der Menge treiben. Ein Plan schien in meinem Kopf einfach nicht Form anzunehmen. Verzweifelt sonderte ich mich ab und stellte mich am Rand des Platzes in den Schatten der Hausmauern. Mein Blick schweifte über den Platz, bis er bei einem großen Mann hängen blieb. Sein kurzgeschorenes, schwarzes Haar, glänzte in der Sonne, Schweiß stand auf seiner Stirn. Er stand an einer Schänke und hatte einen Krug an seine Lippen gesetzt. Wer sich hier etwas zu trinken leisten konnte, bekam nur das Beste vom Besten. Vermutlich ein Zwergenwein aus dem Norden, diesen Sommer eine absolute Delikatesse. Doch sein äußeres Erscheinungsbild ließ darauf schließen, dass er ein armer Schlucker war, der erst kürzlich zu einer Summe Goldstücken gekommen war, die er nun versoff. Ein Mann aus der richtigen Adelsschicht hätte sich niemals in solch dreckigen Lumpen auf den Straßen der Hauptstadt gezeigt. Um das alles zu unterstreichen, war sein Benehmen laut und rüpelhaft. Ich konnte der Bedienung, einem hübschen Mädchen, ansehen, dass sie sich unwohl fühlte, als er ihr in den Ausschnitt glotzte. Doch bekanntlich galt in Gaststädten das Sprichwort: Der Kunde ist König. Und jeder Trottel hätte gesehen, dass dieser Mann der Schänke heute noch viele Goldstücke einbringen würde. Warum mich dieser Mann jedoch stutzig gemacht hatte? Es war weder sein unbestreitbar attraktives Aussehen, das er unter der verdreckten Kleidung verbarg, noch sein auffallendes Verhaltens, sondern viel mehr die graue Tasche, die er lässig um seine Schultern gelegt hatte. Zu einer Statue gefroren, rauschten die unterschiedlichsten Gefühle durch mich hindurch. Doch schlussendlich trieb mich ein einziger Gedanke dazu, wie in Trance auf ihn zu zu stürmen: Er hatte meine Tasche!
Leichtfüßig wie eine Gazelle pirschte ich mich an den Dieb heran. Ich kniff meine Augen zusammen, als ich den grauen Stoffbeutel fokussierte. Es war ein teures Stück, welches mir mein Herr anvertraut hatte, als er am Sterbebett lag und mir die Freiheit schenkte. Die Verschlüsse bestanden aus Silberknöpfen, die nun in der prallen Mittagssonne wie Sterne funkelten. Unverkennbar, es war meine Tasche. Würde ich den Mann nun in der Öffentlichkeit als Dieb beschuldigen, hatte ich als augenscheinliche Sklavin keine Chance. Die Bürger würden sich ohne zu zögern auf seine Seite stellen. Logisch, immerhin hatte er Geld. Und Geld regierte bekanntlich die Welt. Ahnungslos drehte er einen Silberdior zwischen seinen dreckverkrusteten Fingern und betrachtete das Silberstück mit einem verschleierten Lächeln – er war bereits betrunken. Gut so! Ich verschmolz mit der vorbeiströmenden Menschenmasse und hatte den Dieb schnell erreicht. Als ich mich an seinem Tisch vorbeidrängte, griff ich ohne zu zögern nach dem Träger der Tasche, welchen er über die Schulter gehängt hatte. Er hatte den Weinbecher gerade an seine Lippen gesetzt, als er bemerkte, wie ich ihm die Tasche entwendete.
„He!", brüllte er aus vollem Hals und donnerte den Holzbecher mit einer Wucht auf den Tisch, sodass der Henkel abbrach und sich die Splitter in seine Hand gruben. Vor Schmerz und Wut gleichwohl schreiend, stürzte er mir nach, doch da war ich bereits zwischen der Menschenmasse verschwunden.
„Haltet sie! Haltet den Dieb!" Unruhe kam auf. Waren Händler, Bettler, Bewohner und Kinder zuvor in einem ruhigen Gleichklang nebeneinander über den Platz geschwebt, so kam nun ein Stocken in den Fluss. Einige waren stehen geblieben und brachten die Folgenden ins Straucheln. Wie aus einer Trance erwacht sahen sich die Leute plötzlich um und begannen aufgeregt zu reden.
„Haltet sie auf!", fielen nun auch andere in das Gebrüll mit ein. Damit hatte ich nicht gerechnet. Kalter Angstschweiß trat mir auf die Stirn und nur mit viel Glück schaffte ich es, in eine der Gassen abzutauchen, obwohl einige Hände nach mir griffen und mich nur haarscharf verfehlten. Donnernd hallten meine Schritte von den aus Sandstein erbauten Wänden wieder.
„Da! Da ist sie", erklang eine keuchende Stimme wenige Meter hinter mir und als ich einen kurzen Blick zurück riskierte, erkannte ich die bronzene Uniform der Stadtwache von Scat.
„Verdammt", fluchte ich, als ich erkannte, dass in der Mitte der Gasse ein Viehwagen den Durchgang versperrte. Als ich die Stadtwache hinter mir vernahm, wusste ich, dass es aussichtslos war. „Haltet sie auf", schrien sie dem verwirrten Bauer zu, der sich mir ohne die Befehle der zwei Soldaten zu hinterfragen, sofort in den Weg stellte.
Während dem Laufen zog ich mir den Träger der Tasche über den Kopf, sodass ich die Hände frei hatte, dann machte ich eine abrupte Wendung und sprang auf ein am Gassenrand stehendes Fass. Unter meinem Gewicht begann es zu schwanken, doch bevor es umkippte, griff ich nach der Einwölbung des Fensters und zog mich hoch. Das Fass flog polternd um und rollte den zwei Soldaten entgegen.
„Ihr nach", schrie der augenscheinlich ältere der zwei, doch mit ihrer metallischen Rüstung waren sie deutlich ungelenkiger und konnten mir unmöglich über die Außenfassade folgen. Rücksichtslos traten sie die Holztür des Hauses auf und stürmten ins Innere. Ich hörte, wie die Bewohner vor Schreck schrien, doch da ich wusste, dass sie mich durch die Fenster abpassen wollten, bekam auch ich es mit der Angst zu tun. Meine Arme zitterten, als ich mich weiter auf das Dach vorkämpfte. Meinen halben Oberkörper hatte ich bereits hochgestemmt, da erklang der triumphierende Schrei eines Soldaten. „Ich hab sie", hörte ich ihn rufen, da spürte ich bereits, wie jemand meinen Knöchel packte. Quietschend und Schreiend wehrte ich mich gegen den Griff und trat mit meinen Füßen wild um mich. Durch das Gewicht und die Kraft, mit welcher mich der Soldat hinunterzog, verlor ich beinahe den Halt. Gefährlich weit rutschte ich mit meinem Oberkörper das Ziegeldach hinunter. Verzweifelt krallte ich mich mit meinen Fingern fest und versuchte mich zu halten. Ein weiteres Mal schlug ich mit meinem Fuß aus, dann hatte ich ihn abgeschüttelt. Keuchend zog ich mich das letzte Stück hoch und rappelte mich auf. Im Süden waren die Dächer flach gebaut, dennoch spürte ich die leichte Schräge und fürchtete, so stehender das Gleichgewicht zu verlieren. Erst als ich das Öffnen einer Dachluke vernahm und begriff, dass sie durch den Dachboden aufs Dach steigen würden, packte mich erneut ein Adrenalinschub. Die Tasche fest an mich gepresst schlitterte ich über die Dächer davon. Drei Häuser weiter wandte ich mich für einen kurzen Augenblick um und sah, wie die zwei Soldaten mir mühsam folgten. In ihren Schuhen rutschten sie und konnten sich auf den glatten Ziegeln kaum halten. Erleichtert atmete ich auf.
„Hat mich gefreut, euch kennen zu lernen", schrie ich zu ihnen, dann hob ich mit einem sarkastischen Lächeln zum Abschied die Hand und sprang.
Hallöchen =)
Heute melde ich mich wieder mit einem neuen Kapitel zurück =) Diesmal aus der Sicht von Zara. Diese Woche geht es rund für mich ':D Die Uni beginnt wieder und am Donnerstag hab ich nicht nur Prüfung, sondern auch die Veröffentlichung von meinem Buch "Der Da Vinci Fluch" XD Trotzdem wird es auch in der nächsten Woche wieder hoffentlich pünktlich ein neues Kapitel hier geben =)
Wünsche euch allen einen schönen Abend,
LG Kathi
P.S. das hier war eigentlich schon gestern fertig und ich hab vergessen auf veröffentlichen zu gehen xD
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