Das Karussell der Gedanken
Das Karussell dreht sich. Ein Traum aus Weiß und Gold. Leuchtet einladend. Wie Himmelslaternen am dunklen Horizont. Überkommen von kindlichem Verlangen lasse ich mich auf eine Fahrt ein, steige auf eines der Porzellanpferde und möchte -. Nur für einen Moment. Was? Was möchte ich? Das Karussell beginnt sich zu drehen. Zurück in meine Kindheit, wo lachen noch einfach war. Zurück an einen Ort, wo meine Gefühle noch wichtig waren.
Ich drehe mich schneller. Wie die Zeiger einer Uhr. Aber statt vertrauter Zweisamkeit, grüßt mich die Einsamkeit. Jeden Tag. Wenn ich die Hand ausstrecke, greife ich ins Nichts. Und das Karussell dreht sich weiter. Unaufhörlich, bis zur Unendlichkeit.
Menschen laufen an mir vorbei. Sie lachen, bewundern die Lichter der Nacht. Rot und gelb und blau und grün. Kinder schreien, manchmal schaut mich eines neidisch an. Doch meistens bemerken sie mich nicht. Nicht die Eltern, nicht die Kinder. Alle wurden sie verführt von dem Glanze dieser Stadt. Und das Karussell dreht sich weiter. Unaufhörlich, bis zu Unendlichkeit.
Die Nacht ist kalt. Aber ich kann nicht gehen. Ich schließe die Augen. Diese Fahrt war eine schlechte Idee. Wie lang sitze ich schon hier? Was muss ich tun, damit es stoppt? Gedanken ohne Antwort. Zu viele, um sie zu zählen. Und das Karussell dreht sich weiter. Unaufhörlich, bis zur Unendlichkeit.
Ich öffne meine Augen. Flüchtig treffen sich unsere Blicke. Du bleibst stehen, während die Menschen um dich herum weiterlaufen. Sie drücken dich nach vorne ins Licht des Karussells. Selten, dass jemand mich bemerkt. Selten. Bist du wie ich? Deine Augen sind braun, fast schwarz. In ihnen spiegeln sich die Lichter dieser Nacht. Mit deinen Lippen formst du Worte. Worte, die ich nicht verstehen kann. Auch meine Worte verstehst du nicht. Und das Karussell dreht sich weiter. Langsamer, doch unaufhörlich, bis zur Unendlichkeit.
Dann bist du fort. Von der Masse verschluckt. Komm zurück, ich bitte dich. Teufelskarussell, lass mich gehen. Doch es wird wieder schneller. Die Welt fliegt in weißen Streifen an mir vorbei. Keine Freiheit in Sicht. Ich streichel die Porzelanmähne meines Pferds. Woher sollte ich es wissen? Dieses Karussell ist verflucht. Die Zeichen waren da. Ich hab sie ignoriert. Es war ein Ausweg, ein einfacher noch dazu. Und dann hat das Karussell angefangen sich zu drehen. Nur ein weiteres Gefängnis. Kein Entkommen. Das Karussell dreht sich weiter. Ich bin es leid. Immer weiter, unaufhörlich, bis zur Unendlichkeit.
Dann treffen sich unsere Blicke erneut. Zumindest denke ich das. Denn in dem Gewirr aus Lichtern sehe ich nur einen schwarzen Streif. Doch das reicht aus. Das Karussell wird langsamer. Ich hatte Recht. Deine Hand umfasst eine der Eisenstangen des Karussells. Im nächsten Moment stehst du neben mir. Nun kann ich endlich deine Worte verstehen. Gedämpft, aber klar. Mein Name ist ein Hauch in der kalten Dezemberluft. Kennst du mich? Das Karussell wird schneller. Deine Stimme ist so fern. "Du musst aufhören zu denken!" Witzig. Gedanken sind doch, was uns ausmacht. Komplexe Gedanken sind doch, was uns menschlich macht. Ohne Gedanken wären wir nur leere Hüllen ohne Willen. Ohne Gedanken -
Du packst energisch die Zügel meines Pferdes. Vor einem Moment hatte noch ich sie in der Hand. "Du musst aufhören alles zu überdenken!" Doch das Karussell dreht sich weiter. Unaufhörlich, bis zur Unendlichkeit.
Und ich weiß nicht, wie ich es jemals stoppen kann. Das hier ist ein Alptraum aus Weiß und Gold. Meine Augen suchen verzweifelt deine. Dein Gesicht nehme ich nur verschwommen wahr. Es ist so kalt. Mein Atem kommt stoßweise, bildet weiße Wölkchen in der Luft. Mir steigen Tränen in die Augen. Warum hält niemand dieses verdammte Karussell an? Doch es dreht sich weiter. Unaufhörlich, bis zur Unendlichkeit.
Ich bin definitiv kein Prinz auf einem weißen Ross. Nur ein nicht mehr so kleines Kind. Erwachsen. Dann hebst du mich vom Pferd, setzt mich langsam auf dem Boden ab. "Alles gut", versicherst du mir. Ich darf kein Kind mehr sein. All die Verantwortung - "Ich bin da", unterbrichst du meine Gedanken. Du kniest neben mir, streichst mir beruhigend über den Rücken. "Alles gut." Aber das Karussell dreht dich weiter. Unaufhörlich.
Ich atme tief ein. Die Luft riecht nach Hoffnung, Geborgenheit. Sie riecht nach dir. Ich atme aus. Was bleibt ist Leere, aber ich setzte ein Lächeln auf. Für dich. Eine Erklärung liefere ich dir nicht. Du brauchst keine, verstehst mich auch ohne Worte. So scheint es mir. Trotzdem bedanke ich mich. Doch du winkst ab. "Ich bin für dich da." Nun setzt du dich ganz neben mich. Auf den Boden des Karussells. Dein Blick lässt meinen nicht mehr los. Dann legst du einen Arm um mich. Mehr tust du nicht. Und das Karussell dreht sich. Langsam, immer langsamer. Wird diese Fahrt bald zu Ende sein -?
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro