15
Vor Schreck erstarrte ich und hörte, wie sich die Schritte näherten und die Stimmen immer lauter wurden. Ich war wie erstarrt, deswegen bemerkte ich ihn erst, als er direkt vor mir stand und mich am Arm schüttelte.
„Komm, wir müssen hier verschwinden!" Frederic packte das Bild mit einer Hand, mich an der anderen und lotste mich zurück zum Loch in der Wand.
„Was...?" Ich war verwirrt und verstand auf einmal gar nichts mehr.
„Ich dachte, du bist abgehauen?"
„Nein, ich konnte dich das doch nicht alleine durchziehen lassen, außerdem war mir klar, das du spätestens hier scheitern würdest, so wenig, wie dir mein Vater erzählt hat. Ist eine wirklich lange Geschichte." Er half mir wieder hinauf in den Belüftungsschacht und kletterte dann selber hinterher.
„Beeil dich!" Ich kroch, so schnell ich konnte zurück, über den Schacht hinunter ins Kellergeschoss. Gerade, als ich wieder in den Gang zurück zur Küche abbiegen wollte, meinte Frederic: „Nein, jetzt rechts, da kommen wir schneller raus. Außerdem werden sie bestimmt erwarten, das wir den gleichen Weg zurücknehmen und schon auf uns warten."
Also nahm ich den Weg nach rechts, der sich zu meiner Erleichterung nicht wieder verengte. Er endete jedoch abrupt an einer Art Luke aus Holz. Als ich dagegen stoß, brach sie jedoch mit einem Krachen aus der Wand hinaus, was man bei dem immer noch andauernden Geheul des Alarms jedoch zum Glück nicht hören konnte.
Als ich hinaus geklettert war, fand ich mich in der Putzkammer des Hauses wieder, zwischen Besen und Putzmitteln aller Farben des Regenbogens. Hier setzte jemand auf jeden Fall viel Wert auf Sauberkeit. Frederic kam hinter mir aus der Luke, in der einen Hand immer noch das Bild, das beim Transport etwas an den Ecken gelitten hatte.
„Müssen wir das nicht irgendwie... einpacken? Damit keine Schmutzflecken draufkommen?" Er sah mich nur verständnislos an.
„Ich glaube, das ist im Moment noch unser geringstes Problem." Er zeigte auf ein winziges Fenster in der Wand. „Schaffst du das?" Ich seufzte.
„Ich habe wohl keine Wahl, oder?"
„Eher nicht." Ich trat langsam an das kleine Fenster und öffnete es. Kalte Luft schlug mir entgegen. „Wenn wir draußen sind wird uns doch jeder durch die Fenster sehen können, außerdem, wer sagt mir das ich dir trauen kann? Immerhin hast du mich schon mal alleine gelassen!" Er seufzte.
„Ich weiß und es tut mir ehrlich Leid. Ich erkläre dir alles, sobald wir hier raus sind." Er zog einen kleinen Hocker her. „Soll ich als erstes gehen?" Ich nickte. Er zog sich durch das kleine Fenster und schon war er draußen.
„Jetzt du!", hörte ich es von draußen. Ich hatte das heute schon einmal geschafft, also würde das hier wohl auch klappen. Schweren Herzens zog ich mich am Fenster hoch und steckte den Kopf nach draußen. Doch plötzlich ging es nicht mehr weiter.
„Ich stecke fest!", rief ich panisch." Er antwortete gelassen.
„Das kann nicht sein, du bist kein Gramm dicker als ich." Er nahm meine Hand und versuchte, mich aus der Fensteröffnung zu ziehen. Erst bewegte ich mich keinen Zentimeter doch dann landete ich plötzlich mit der Nase voran im Blumenbeet unter dem Fenster.
„Autsch."
„Alles okay bei dir?" Er half mir auf.
„Danke." Zum ersten Mal lächelte ich ihn an. Vielleicht war er ja doch nicht ganz so unausstehlich wie ich gedacht hatte.
„Und was machen wir jetzt?"
„Jetzt", sagte er, „Jetzt rennen wir." Und dann rannten wir los, über den Weg, hin zum Waldrand. Von weitem sah ich schon die Security näher kommen, doch als wir in die dunkle Ruhe des Waldes eintauchten war plötzlich alle Anspannung verflogen. Wir hatten es geschafft! Meine Familie war so gut wie gerettet!
„Pst! Bleib hier und rühr dich nicht!" Frederic hatte mich in ein Brombeergebüsch gezogen, als auch schon die Leute von der Security an uns vorbeirannten. „Wir warten noch ungefähr eine Stunde und dann gehen wir weiter, ja? Keiner wird vermuten das wir uns so nah am Haus verstecken."
„Danke. Ich meine, dass du nicht abgehauen bist. Und du kannst mich übrigens Mar nennen. Margareth nennt mich nur meine Mum. Und das auch nur wenn sie wütend ist. "Ich musste leise lachen, doch beim Gedanken an Mum wurde ich sofort wurde ich wieder ernst.
„Aber jetzt erzähl mir endlich alles! Was hat dein Vater gegen meine Eltern? Und warum musste er ausgerechnet meinen kleinen Bruder da mit reinziehen?" Er sah mich traurig an.
„Wie gesagt, das ist eine lange Geschichte."
„Kein Problem, wir haben ja Zeit." Und dann fing er zu erzählen an.
„Ich muss mich bei dir entschuldigen. Natürlich war ich das, ich habe dich vom Feuer weggezogen. Mein Vater durfte nur nichts davon erfahren, er hatte mir schon monatelang von diesem Coup, den er da plante vorgeschwärmt. Und als ich mal einen Tag rausdurfte, wollte ich mir einfach selber ansehen, wessen Leben er da zerstörte.
Du musst wissen, er hatte mir ja nur schlechtes von dir erzählt." Ich war schockiert.
„Er hat dich belogen?"
„Er ist kein Vater wie aus dem Bilderbuch, Mar. Das habe ich schon früh begriffen. Aber seit meine Mutter gestorben ist, hat er... sich verändert. Und das nicht zum Guten." Ich wollte schon fragen, wie seine Mutter gestorben war, hielt die Worte dann jedoch zurück, da es mir irgendwie taktlos vorkam.
„Als ich sah, das ihr so... normal wart, so eine normale Familie, da fing ich an zu zweifeln, ich kam immer wieder, über einige Wochen, habe euch beobachtet."
„Was?!"
„Keine Angst, ich bin kein Stalker. Ihr schient so... glücklich, verstehst du was ich meine?" Und ich verstand. Er hatte nie eine normale Familie gehabt.
„Zuletzt kam ich an dem Abend, an dem die Männer meines Vaters euer Haus angezündet hatten. Da hast du mich gesehen."
„Danke.", flüsterte ich leise, wie als verspätete Entschuldigung, dass er mein Leben gerettet hatte. Meine Worte waren so leise, das er sie wohl kaum gehört haben konnte.
„Jedenfalls sollte ich dich hier alleine lassen, die Security sollte dich schnappen und dann Mr.Sellera übergeben. Und ich sollte mit dem Bild nach zu Hause abhauen."
„Aber du hast es nicht gemacht, du bist zurückgekommen, warum?" Er zuckte mit den Schultern.
„Ich weiß es nicht, Mar, es hat sich einfach nicht richtig angefühlt, dich da alleine zu lassen. Wenn mein Vater etwas will, dann geht er über Leichen, ich bin nicht so." Sofort verbesserte er sich.
„Keine Angst, er wird deiner Familie nichts antun." Pause.
„Jedenfalls nicht solange alles nach Plan läuft. Er ist es gewohnt, das zu bekommen, was er will. Glaub ja nicht, das ich das gut finde." Er seufzte. Ich fühlte dass er im Grunde dasselbe Problem wie ich hatte. Ich versuchte, mich einzufügen, dazu zu gehören und war doch immer eine Außenseiterin gewesen.
„Ich verstehe, was du meinst. Aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass das, was dein Vater macht, der richtige Weg ist. Er benutzt Menschen und tut ihnen weh. Wie kannst du das einfach mit ansehen?!" Er senkte den Blick.
„Du glaubst nicht, wie oft ich versucht habe, mich zu wehren. Es bringt nichts. Mein Vater hat mehr Einfluss, als du dir vermutlich vorstellen kannst."
„Aber er ist auch nur ein Mensch! Und Menschen machen Fehler! Wenn du ihn wirklich stoppen willst, könnte ich dir helfen, zusammen könnten wir es vielleicht schaffen." Er sah mich nur ausdruckslos an.
„Und wie in aller Welt willst du das bitte bewerkstelligen?"
„Hör zu, ich hätte da einen Plan..."
Ich erklärte ihm meinen Plan und zu meiner Überraschung meinte er: „Das ist gar nicht mal so übel, das könnte wirklich klappen." Er lächelte mich an.
„Danke." Ich lächelte zurück. Hatte ich mich das nur eingebildet oder kam das wirklich von Herzen?
„Was willst du denn dann machen? Ich meine, was hast du danach für Pläne?" Er sah auf den Boden.
„Keine Ahnung, das Leben genießen?!" Ich musste laut lachen, wurde aber sofort wieder leiser.
„Oje, hoffentlich hat uns jetzt keiner gehört. Wir sahen uns um.
„Ich glaube, die sind inzwischen alle weg. Lass uns zurück zu dem kleinen Weg gehen, von dem wir gestern hierher gekommen sind." Wir wanderten zurück.
„Laut des Plans sollte Thomas hier irgendwo mit dem Auto auf mich warten um mich zurück zu fahren, also pass auf wenn du ein Auto siehst." Inzwischen war es Mittag geworden. Unfassbar, das der Tag schon wieder fast um war. Als wir schließlich die Straße erreichten und gut versteckt hinter den Bäumen am Straßenrand entlanggingen, traute ich mich schließlich zu fragen.
„Was hätte dieser Mr.Sellera mit mir gemacht, wenn er mich geschnappt hätte?"
„Willst du das wirklich hören?"
„Äh, ja?!" Wir gingen nebeneinander her.
„Ich würde sagen, bei einem wie ihm hätte es wohl nichts gebracht lange zu betteln."
„Du meinst, sie hätten mich... ermordet? Ich kann es nicht fassen, dass dein Vater mich in den sicheren Tod geschickt hat..." Ich sah kein Gefühl in seinem Gesicht.
„Wenn du nicht zurückgekommen wärst..." Ich sprach den Gedanken nicht laut aus.
„Reicht es dir nicht, dass ich es nicht getan habe?" Er klang genervt.
„Ist ja gut..." Ich wollte auf keinen Fall einen neuen Streit heraufbeschwören, jetzt, wo ich keinen anderen Verbündeten außer ihm hatte. Mein Magen knurrte.
„Ich glaube, im Rucksack ist noch was zu essen." Er nahm den Rucksack vom Rücken, in dem er außerdem das Bild verstaut hatte. „Hier." Er reichte mir eine Wasserflasche und einen Müsliriegel.
„Danke." Nachdem ich einen Schluck aus der Flasche genommen hatte, gab ich sie zurück, worauf er ebenfalls etwas trank.
„Was sieht dein Plan jetzt vor?", fragte er mich.
„Jetzt sieht mein Plan vor, dass wir so schnell wie möglich zu deinem Vater zurückkehren und du so tust, als hättest du Thomas nicht gefunden." Er zog ein Handy aus dem Rucksack.
„Kein Empfang."
„Was? Du hast ein Handy dabei? Ich fasse es nicht!" Er nahm den Rucksack wieder auf den Rücken und steckte das Handy in eine Seitentasche.
„Na ja, das hätte uns wohl nicht so viel gebracht, außer du möchtest in einem Funkloch die Feuerwehr rufen oder so. Aber so weit ich mich hier auskenne, müssten wir heute Abend die Stadt erreicht haben."
„Heute Abend?!" Ich hatte schon von der Vorstellung Blasen an den Füßen.
„Wenn wir langsamer noch länger Pause machen, wohl eher heute Nacht."
Frederic hatte Recht, gegen Abend erreichten wir den Stadtrand. Nach einiger Zeit konnte ich ihn überreden, einen LKW anzuhalten, der uns gut die Hälfte der Strecke mitnahm. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass wir die Stadt sonst innerhalb eines Tages erreicht hätten. Da wir schlecht in ein Hotel einchecken konnten, übernachteten wir in einer Unterführung. Mir war das ehrlich gesagt egal, ich hatte inzwischen schon schlimmeres durchgemacht als in einer Unterführung zu übernachten.
Immerhin waren wir nicht allein, sondern hatten Gesellschaft von drei netten älteren Obdachlosen, die uns mit Fragen durchlöcherten. Wir antworteten ausweichend und irgendwann verloren sie das Interesse an uns.
Wir setzten uns an eine Mauer und Frederic redete über seinen Vater und dessen kriminelle Machenschaften. Als es kälter wurde, kuschelte ich mich so gut es ging in eine Decke, die mir die ältere Dame geliehen hatte und schloss die Augen. Bald würde alles wieder so sein wie früher. Wir würden in ein neues Haus einziehen und nach einer Weile würde man gar nicht mehr merken, was passiert war. In dem Moment kam mir eine Idee.
„Frederic, hast du noch das Handy von vorhin?"
„Oje, ich befürchte schlimmes...", scherzte er.
„Ach quatsch, mir ist nur gerade eingefallen wie wir uns etwas Unterstützung holen könnten..."
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