14
Es war dunkel in der Küche. Ich saß eingequetscht neben einem Küchenschrank und aß ein Muffin, das noch vom Abendessen übrig war.
Frederic saß neben mir und tat so, als ob er schlief, dabei wusste ich ganz genau, das er nur keine Lust hatte, sich mit mir zu unterhalten. Ich wurde aus diesem Jungen nicht schlau. Als ich dass Muffin aufgegessen hatte, kam mir die Küche auf einmal so leer und gespenstisch vor.
Ich betrachtete eine Metallschüssel, in der sich das durch das Fenster hereinfallende Mondlicht spiegelte. Es funkelte geheimnisvoll und ließ meine Augen müde werden. Ich musste eingeschlafen sein, denn als Frederic mich weckte, war das Mondlicht verschwunden und ein feiner, orangener Schimmer hatte sich über allem ausgebreitet.
„Wach auf! Scheiße! Wir haben voll verschlafen! Warum, verdammt noch mal, hast du mich nicht geweckt!" Ich öffnete verschlafen die Augen.
„Du warst doch derjenige, der wachbleiben wollte!" Er fluchte weiter und zog mich hoch.
„Dann müssen wir das ganze wohl oder übel jetzt machen, wenn alle noch schlafen. Wir können uns keine Verzögerung mehr erlauben, sonst merkt diese Küchentussi noch, das wir offiziell gar nicht angestellt sind." Ich atmete tief durch.
„Dann lass uns loslegen."
„Okay, das Belüftungssystem müsste irgendwo hier sein..." Er sah sich um.
„Da!" Er zeigte auf ein vergittertes Loch am anderen Ende der Küche. Es war erschreckend klein.
„Und da sollen wir durchpassen? Das schaffen wir nie im Leben!" Er verdrehte nur die Augen und sagte nichts. Das machte mich aber nur noch wütender.
„Verdammt, benimm dich nicht so wie ein kleines Kind und rede mit mir!" Nun war auch er wütend geworden und zischte mich an.
„Weißt du, was mein Problem mit dir ist, Margareth? Du hast absolut keine Ahnung von dem hier. Ich weiß nicht, wie mein Vater darauf kommt das du", und er betonte das du so, das es aus seinem Mund wie ein Schimpfwort klang. „Das du das hier schaffen könntest." Seine Worte trafen mich schwer und obwohl ich sonst wirklich nicht nah am Wasser gebaut war, hatte ich Mühe, die Tränen zu rück zu halten.
Was bildete sich dieser arrogante Arsch eigentlich ein, zu behaupten, dass ich zu nichts fähig war, obwohl er mich gerade mal zwei Tage kannte. Doch ich schob all das beiseite und legte so viel Abscheu in meine Stimme, wie es nur ging.
„Ich sag dir jetzt mal was, Frederic. Wenn du glaubst, du kannst einschätzen, was ich kann und was nicht dann hast du dich getäuscht! Ich kann das alles auch ohne dich und wahrscheinlich würde es sogar viel besser laufen! Küchenhilfe, das ich nicht lache!" Er lachte spöttisch.
„Das glaube ich kaum, du hättest dich doch schon bei der leichtesten Lüge verhaspelt." „Habe ich mich klar ausgedrückt, ich kann das auch alleine! Also verschwinde!" Nun zögerte er. „Der Plan sieht vor das..."
„Scheiß auf den Plan! Verschwinde Frederic, und zwar sofort!" Er neigte leicht den Kopf zur Seite und überlegte.
„Hm... also habe ich die Wahl zwischen einem weiteren Tag vor meinem Computer oder einer schreienden Tusse... ich glaube, ich wähle den Computer. Also ciao!" Und damit ging er. Öffnete die Tür und verschwand. Ich machte mir keine Gedanken darum, wie er aus dem gesicherten Gebäude nach draußen kam, er fand sicher einen Weg.
Ich ließ mich auf der Kochplatte der nächstgelegenen Kochinsel nieder und dachte erst mal eine Weile nach. Ich hatte wirklich nicht damit gerechnet, dass er so schnell verschwand, aber andererseits war es wirklich eine Erleichterung, wenigstens musste ich mir jetzt keine dummen Kommentare mehr anhören. Doch wie sollte ich jetzt dieses blöde Gitter alleine aus der Wand kriegen? Außerdem blieb mir nicht mehr viel Zeit, bald würden sich hier die ersten Angestellten tummeln und dann hatte ich verloren. Und zwar alles.
Also versuchte ich es erst mal mit ziehen. Man kann sich vorstellen, wie viel das bei einem Metallgitter brachte. Mir ging wertvolle Zeit verloren, die ich nachher gut gebrauchen konnte. Nach einer Weile nahm ich mir aus lauter Verzweiflung eine Gabel und siehe da, ich konnte die Seiten wenigstens so verbiegen, dass ich nun die Schrauben per Hand herausziehen konnte. Als ich die letzte Schraube mühsam entfernt hatte fiel mir das Gitter wortwörtlich in die Hände und ich brach unter dem Gewicht fast zusammen, im letzten Moment schaffte ich es doch noch, das Gitter geräuschlos auf dem Boden abzustellen, sonst hätte ich sicherlich das ganze Haus geweckt.
Als ich das Gitter sicher auf dem Boden abgestellt hatte, fand ich mich vor einem Loch in der Wand wieder, in das ich gerade so hineinpassen würde. Ja, würde. Hätte ich nicht diese bescheuerte Platzangst. Ich atmete tief durch. Okay, Margareth, du bist schon so weit gekommen, das schaffst du jetzt auch noch.
Ich dachte an die unzähligen Situationen, in denen mir meine Platzangst schon Probleme bereitet hatte, jede Fahrt mit dem Aufzug glich für mich einem Aufstieg auf den Mount Everest. Es konnte doch nicht sein, das ich hier, hier scheiterte. Dann dachte ich an Dad, der wahrlich enttäuscht von mir sein würde.
Ich gab mir einen Ruck und kletterte in das enge Loch, die Arme voran. Wenn ich Glück hatte, würde man das offene Gitter dank der günstigen Lage ganz hinten in der Küche erst entdecken, wenn ich schon über alle Berge war. Den Rucksack stand immer noch hinter dem Schrank mit den Kochtöpfen und ich hatte nur die Karte des Gebäudes und eine Taschenlampe mitgenommen. Und ein Küchenmesser. Man wusste ja nie, zu was man so was mal gebrauchen konnte.
Als mein Kopf in dem engen Loch verschwand, hatte ich Mühe zu atmen. Dann sah ich, dass das, wodurch ich mich gerade quetschte nur ein Metallring von etwa zehn Zentimetern Breite war und sich weiter vorne in einen kleinen Gang vergrößerte. Ich schöpfte wieder Hoffnung. Aber was sind zehn Zentimeter, wenn man ungefähr so langsam wie eine Schnecke vorankommt?! Ich bekam wieder Panik und meine Fingernägel kratzten unbeholfen über den Boden, als ich versuchte, mich an irgendetwas festzuhalten. Dabei brach der Fingernagel meines Zeigefingers an der rechten Hand ab. Ich fluchte leise.
Nachdem ich weitere Versuche gestartet hatte, mich nach vorne zu ziehen, hatte ich endlich das breitere Stück erreicht und konnte mich nun aufsetzten und so weiterkriechen. Von dem Belüftungstunnel gingen ungeordnet weitere Schächte ab und manchmal kam ich an weiteren Gittern vorbei, die in andere Gänge führten. Dank des Plans, wusste ich ungefähr wo ich lang musste. Nach einiger Zeit kam ich an einen Schacht, der nach oben führte und ich sah auf den Plan. Ich hatte wohl heute kein Glück.
Schlecht gelaunt angelte ich nach der ersten Sprosse der angebrachten Leiter. Anscheinend waren diese Tunnel dafür ausgelegt, das man hier herumkriechen konnte, wahrscheinlich falls mal was kaputt ging oder so. Wer auch immer das hier gebaut hatte, hätte auf jeden Fall mal selber hier herunterkommen sollen. Danach wären die Tunnel zwanzig Zentimeter breiter gebaut worden, so viel war ich mir sicher. Oben angekommen, atmete ich auf, da ich mir nun sicher war, die richtigen Abzweigungen genommen zu haben. Von da aus ging es weiter, mal nach rechts, mal nach links.
Als ich knapp vor einer Biegung war, kam ich wieder an einem Gitter vorbei und erschrak, da direkt unter mir ein Angestellter vorbeiging. Ich hatte nicht mehr viel Zeit! An der nächsten Biegung wandte ich mich rechts und dann stand ich auch schon vor dem Gitter, das in den Ausstellungsraum des Hauses führte. Ich war am Ziel.
Soweit man mich informiert hatte, besaß Mr.Sellera unzählige Sammlerstücke, die er alle in mehreren Ausstellungsräumen im ersten Stock untergebracht hatte. Soweit ich es durch das Gitter erkennen konnte, das mich noch vom Raum trennte war hier nur ein Gemälde, das an der Wand gegenüber hing. Das, weswegen ich gekommen war.
Es war blau, mit grünen Punkten, als hätte der Maler den Pinsel über der blauen Fläche ausgeschüttelt, für meinen Geschmack ein echtes Designerstück an dem nur „Kunstkenner" gefallen finden konnten. Und die auch die einzigen waren, die sich so etwas leisten konnten, denn so viel ich wusste war das Teil um die zwanzig Millionen wert. Wieder fragte ich mich, ob Mr.D das Bild deswegen haben wollte, wegen des Geldes, oder doch wegen etwas anderem? Hör auf darüber nachzudenken, Margareth, es hat keinen Sinn. Ich schüttelte den Gedanken ab.
Dank der Gabel schaffte ich es auch dieses Mal, alle Schrauben zu entfernen und konnte das Gitter wie vorhin gerade noch festhalten, ehe es zu Boden gefallen wäre. Das ganze Gebäude hatte wirklich mal eine Generalsanierung nötig. Langsam ließ ich mich aus dem Loch herab, das immerhin eineinhalb Meter in der Wand lag, gut versteckt, so dass es einem beim Betreten des Raumes durch die Tür nicht sofort aufgefallen wäre. Der ganze Ausstellungsraum war ungefähr so groß wie mein Zimmer, mein nicht mehr existierendes Zimmer.
Wie alle Räume in der Villa hatte auch dieser eine große Fensterfront. In zwei Ecken des Raumes erblickte ich Überwachungskameras, man hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, sie zu verstecken. Ich war nur froh, dass Frederic mir schon davor gesagt hatte, dass man die Liveübertragung mit einer Aufnahme der davorigen Nacht bzw. Tag überspielen würde, damit musste ich mir wenigstens darum nicht so viele Gedanken machen. Mit leisen Schritten ging ich auf das Bild zu, bis ich direkt davor stand.
Es war weiß, bis auf ein paar grüne Sprengsel in der Mitte, so, als ob der Maler einfach den Pinsel über der Leinwand ausgeschüttelt hätte. Da es nicht gerade groß war, hätte ich es mir ohne Mühe unter den Arm klemmen können. Wieder wunderte ich mich über den eigenartigen Kunstgeschmack, den Mr.Sellera und Mr.D anscheinend hatten. Ich schüttelte ratlos den Kopf. Das würde ich mir nicht mal gegen Geld in mein Haus hängen. Doch zurück zum Plan. Was sollte ich jetzt tun?
Ich hatte es vorhin einfach nicht über mich gebracht, meinen Stolz herunterzuschlucken und mir einzugestehen, dass ich Frederic brauchte. Er hätte bestimmt gewusst, wie ich das jetzt am besten angehen sollte. Aber jammern brachte jetzt auch nichts mehr, außerdem hatten mir meine Eltern eine Menge beigebracht.
Unbeholfen und ohne das Bild zu berühren suchte ich nach dem Aufhänger an der Wand und kramte aus meinem Rucksack ein Buch heraus. Das durchstach ich mit einer Nadel und band mit einer Schnur einen Knoten hinein, so dass ich das Buch nun am Faden halten konnte. Ich konnte nur hoffen, dass mein provisorisches Gebilde halten würde und der Faden nicht reißen würde. Jetzt galt es, vorsichtig zu arbeiten, da der Hacken, an dem das Bild hang wahrscheinlich auf Gewicht oder in diesem Fall auf nicht vorhandenes Gewicht reagierte und Alarm auslösen würde. Der in diesem Fall direkt an ein Sicherheitsunternehmen weitergeleitet werden würde.
Hochkonzentriert fasste ich das Bild mit der einen Hand am Rahmen an und versuchte, so wenig Gewicht wie möglich zu übernehmen während ich mit der anderen den Faden um den Haken hängte. Da erklangen plötzlich Schritte und Stimmen, worauf ich vor Schreck das Buch und Bild loslies. Anscheinend hatte ich den Knoten nicht richtig fest gezogen, denn beides landete auf dem Boden. Im nächsten Moment erfüllte ein ungeheuer lautes Piepen den Raum.
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