12
„Na, gut geschlafen?", wurde ich von einer rauen Stimme geweckt. Blinzelnd öffnete ich die Augen und sah in Thomas Gesicht.
„Hast du dir die Unterlagen angeschaut?" Schlaftrunken nickte ich und strich mir die wirren Haarsträhnen aus den Augen. Er konnte wohl kaum von mir erwarten, das ich morgens einhundert Prozent funktionierte, oder? „Komm bitte mit, ich bringe dich zum Frühstück und danach müssen wir auch schon los."
Zu meiner Überraschung brachte er mich in ein richtiges Luxusbad, wie man es nur aus fünf-Sterne-Hotels kannte. Ich brachte erst Mal meine Frisur in Ordnung und zog dann die beigelegten Klamotten an, die man mir bereitgelegt hatte. Alles schwarz. Zufall oder Absicht? Falls wir im Dunkeln einbrechen sollten, konnte es von Vorteil sein, um sich anzupassen allerdings...
Aber es konnte mir egal sein, schwarz war sowieso meine Lieblingsfarbe. Ich betrachtete mich in dem großen Spiegel, der direkt über dem Waschbecken angebracht war und sah mich an. War ich hübsch?
Meine dunkelbraunen Haare im Gegensatz zu meiner fast porzellanweißen Haut gaben einen starken Kontrast ab, den man entweder lieben oder hassen konnte. Meine grauen Augen schienen da nicht ganz ins Bild zu passen. Ich wandte den Blick ab. Das war gerade wohl wirklich meine letzte Sorge.
Bevor ich die Tür aufmachte, lehnte ich mich noch einige Sekunden lang gegen die Wand, um mich mental auf das vorzubereiten, was bevorstand. Wenn ich Mr.D richtig verstanden hatte, war es ihm egal ob ich lebendig oder tot zurückkehrte, ich war also, was meine Sicherheit betraf, vollkommen auf mich allein gestellt.
Ich hatte keine Ahnung, was Mr.D an dem Bild fand, das er es unbedingt haben musste. Aber es gab ja viele dieser „Bilder", auf denen nur ein paar Farbkleckse zu sehen waren und die dann für Millionen versteigert wurden. Sicherlich ging es um Geld, was auch sonst. Ich hatte bisher noch kein Foto vom Bild selbst gesehen, deswegen wunderte ich mich, warum man alles so hundertprozentig plante und doch ein solch bedeutendes Detail vergaß.
Ein Klopfen an der Tür erschreckte mich und riss mich aus meinen Überlegungen.
„Sind sie fertig, Miss?", hörte ich Jennys Stimme.
„Ich komme." Ich riss die Tür auf und ging hinaus um mit dem Kerl, der meine Familie entführt hatte, zu frühstücken.
Jenny begleitete mich bis zu dem Saal, in dem ich schon gestern Mr.D begegnet war, als ich hier angekommen war, der große Konferenzsaal mit dem langen Tisch. Als die großen Türen aufglitten hielt ich willkürlich die Luft an, als ich mich auf das Schlimmste gefasst machte, aber zu meiner Überraschung sah ich nur ein riesiges Frühstücksbuffet und Mr.D, der genau dort saß, wo er auch bei unserem letzten Treffen gesessen hatte.
Langsam ging ich zum Tisch und setzte mich gegenüber von Mr.D, der mich mit einem Nicken begrüßte. Erst jetzt sah ich auch Frederic, der hinter einer schier riesigen Müslischale auftauchte.
„Guten Morgen, Margareth." Mr.D hatte wirkliche eine beeindruckende Stimme, dunkel und doch so zerbrechlich.
„Ähh... hi."
„Nimm dir, was du willst, du musst dich schließlich auf deinen Auftrag vorbereiten." Wenn er das so sah... Freundlichkeit konnte ich im Moment nur zu gut gebrauchen, ich ahnte, dass das, was mir bevor stand, kein Kinderspiel sein würde. Ich betrachtete den Tisch, auf dem sage und schreibe allein zehn Sorten verschiedener Marmeladensorten standen.
Ich griff in einen kleinen Brotkorb, der neben mir stand und nahm mir eine Toastscheibe, die zu meinem überraschen noch verdammt heiß war. Vor Schreck schleuderte ich die Toastscheibe über den halben Tisch, woraufhin sie mit einem Platsch in einer Schüssel mit Avocadomousse landete. Ich und meine Missgeschicke...
„Sorry..." Verlegen stand ich auf und fischte nach dem Toast in der Schüssel. Ich hatte sämtliche Blicke im Saal auf mich gezogen, einschließlich die des Personals, das damit beschäftigt war jeden Wunsch der Frühstückenden zu erfüllen.
„Das kann man sicher noch essen..." Ohne noch einen Laut von mir zu geben steckte ich mir den zermatschten Toast in den Mund, um bloß nichts mehr sagen zu müssen. So in etwa verlief das ganze Frühstück weiter. Der einzige Höhepunkt war, als ich unauffällig den Müslilöffel in meinem Ärmel verschwinden ließ. Man konnte ja nie wissen, wozu man ihn noch gebrauchen konnte. Gefühlt dauerte das Frühstück eine halbe Ewigkeit, doch in Wirklichkeit wahrscheinlich nur eine halbe Stunde.
Als ich fertig gegessen hatte, blieb ich unschlüssig am Tisch sitzen, da ich nicht wusste, was jetzt für mich geplant war. Ich beobachtete die beiden anderen Frühstückenden und wunderte mich über Mr.Ds seltsame Angewohnheit, seinen Toast in winzig kleine Stücke zu zerschneiden, bevor er ihn aß.
Doch kurze Zeit später legte auch Mr.D. seinen Besteckweg. Frederic war schon lange fertig und verbarg sein Gesicht hinter einer Zeitung. In gewisser Weise erinnerte er mich damit an meinen Dad, der morgens erst ansprechbar war, wenn er seine Zeitung gelesen und seinen Kaffee getrunken hatte. Mr.D wandte sich mir zu.
„Du fragst dich sicherlich, warum ich dich herbestellt habe, oder? Nun, zum einen, um dir Glück zu wünschen, zum anderen..." Er legte eine kleine Pause ein und lächelte hinterhältig, wenn ich den Gesichtsausdruck richtig interpretierte.
„ ...Um dich näher mit meinem alten Freund Ricardo Sellera bekannt zu machen." Ich erinnerte mich, dass Thomas seinen Namen erwähnt hatte. Anscheinend war er dieser mysteriöse Besitzer der Villa.
„Ist das der, von dem ich das Bild stehlen soll?", fragte ich, um sicherzugehen.
„Exakt. Ich dachte, das dich die Geschichte vielleicht interessiert, wo du doch auch nicht ganz unschuldig an der ganzen Sache bist." Wovon redete er da bloß?
„Was?" Ich sah ihn empört an.
„Was soll ich denn bitte damit zu tun haben?" „Wie ich sehe fange ich am besten ganz vorne an.", er räusperte sich. Ich sah, das Frederic die Zeitung hatte sinken lassen und nun auch gespannt den Worten seines Vaters lauschte.
„Ich habe dir ja bereits erzählt, dass dein Vater damals für uns gearbeitet hat. Er war einer unserer besten Agenten, bis er eines Tages deine Mutter kennenlernte. Von da an begann er, in Zweifel zu stellen, ob es wirklich richtig war, für uns zu arbeiten, er hinterfragte seine Befehle.
Das war sein erster großer Fehler. Ich hatte schon vor, ihn zu ersetzen, und damit meine ich beseitigen, als ich diesen einen Auftrag bekam. Es sollte ein sehr spezielles Gemälde gestohlen werden, dummerweise nur hatte es einer meiner besten Freunde, Ricardo Sellera, ersteigert. Ich stand vor der Wahl: entweder ihn zu hintergehen oder den Ruf meiner Agentur ihn den Dreck zu ziehen. Ich entschied mich für Ersteres. Ich gab deinem Daddy also noch eine letzte Chance: diesen entscheidenden Auftrag, in der Hoffnung, mein bester Agent würde ihn erfolgreich zu Ende bringen.
Ich wartete geschlagene 10 Tage auf seine Rückkehr. Wie sich später herausstellte, war er erwischt worden und hatte kurzerhand einen Deal mit Ricardo geschlossen: Er würde von nun an für ihn arbeiten, dafür würde Ricardo ihm helfen, unterzutauchen."
Stille. Ich öffnete den Mund, doch es kam nichts heraus. Wir hatten uns die ganze Zeit versteckt? All das Umziehen, es hatte nur diesem einen Zweck gedient: uns vor diesem Mann zu verstecken? Ich konnte es nicht fassen.
„Sie wollen also, dass ich den Auftrag zu Ende führe, an dem mein Dad damals scheiterte? Das ist Wahnsinn, das wissen sie genau! Mein Dad ist der Beste! Wenn nicht einmal er es geschafft hat, habe ich überhaupt keine Chance." Er zuckte unbeteiligt mit den Schultern.
„Wie soll ich es sagen, du hast nun einmal keine Wahl, Margareth. Tut mir Leid." So sah er auch aus.
„Und überhaupt, sie wollen ihren Sohn da mit reinschicken? Das ist reiner Selbstmord!" Frederic hatte sich wieder vom Gespräch abgewandt
„Mein Sohn wird dich nur bis in die Halle mit dem Gemälde begleiten. Ich sehe darin keinerlei Gefahr." Vor lauter Aufregung hatte ich mich am Tischtuch festgeklammert, woraufhin die Avocadoschüssel nun ganz vom Tisch fiel und am Boden zerschellte. Der Lärm gab mir den Rest.
„Sie können mich nicht zwingen!" Ich sprang auf und rannte zur Tür.
„Da hast du Recht, ich kann dich nicht zwingen." Auch er stand nun auf und stützte sich auf seinen Stock, der neben dem Stuhl lehnte. „Aber ich kann dich vielleicht überreden." Ich versuchte mit aller Kraft, die Schiebetür aufzumachen, doch anscheinend steckte irgendein Mechanismus dahinter. Mr.D holte ein Handy heraus, sprach leise mit jemandem und wandte sich dann wieder mir zu.
„Setz dich doch bitte wieder hin. Es dauert nur noch kurz." „Nur über meine Leiche!", ich sah ihn mit meinem mörderischsten Mörderblick an, nun ja, ich hoffte jedenfalls, dass er so rüberkam.
„Das kannst du gerne haben, Margareth, aber du solltest keine überstürzten Entscheidungen treffen, es hängt ja nicht nur dein Leben davon ab." Ich lehnte mich an die Wand, wobei ich darauf achtete, alle Türen genau im Blick zu haben. Als eine davon plötzlich aufging, zuckte ich zusammen, es kam jedoch nur eine Bedienstete heraus, die die Reste der Avocado zusammenfegte.
Als sie wieder gegangen war, öffnete sich die Tür genau gegenüber von mir. Zuerst konnte ich nicht richtig erkennen, wer oder was da durch die Tür kam, aber als die Gestalt näher auf mich zu kam, konnte ich erkenne, das es Thomas war, der etwas auf dem Arm hatte.
„Was zur Hölle..." Ich kniff die Augen zusammen, da sah ich es. Es war mein Bruder, es war Anthony, den er da auf dem Arm trug! Wie in Trance taumelte ich auf meinen Bruder zu. Als ich seinen kalten Arm berührte, bewegte er sich nicht.
„Was haben sie mit ihm gemacht?!" Ich hörte mich schreien, aus weiter Ferne... Es ist nur eine Droge, von der er wieder erwachen wird... wenn wir ihn erwachen lassen." Ich sah Mr.Ds Gesicht über mir.
„Verstehst du jetzt, was ich gemeint habe? Willst du das dein Bruder wieder aufwacht?" Was blieb mir schon übrig
„Ja, verdammt, jetzt tun sie doch was..." Ich sank an der Wand hinunter und mir wurde ganz schwarz vor Augen.
„Gut. Dann wirst du sicher zustimmen, wenn wir jetzt anfangen können." Ich spürte ein Piksen im Arm und drehte langsam den Kopf.
„Keine Angst, wir wollen nur sicherstellen, dass unser Versteck auch geheim bleibt..."
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